mit-leid

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Tula

Mitglied
mit-leid
(Terzine)

Schon wieder säuselt es. Das Spiel
der Schatten dort am Fenster gleicht
dem Untier auf der Jagd; sein Ziel -

das Kätzchen, das ihm nicht entweicht,
erst zaghaft um Vergebung fleht,
dann jault und japst; ahnt es vielleicht

wie's wirklich um den Moloch steht?
Dem Mond ist's einerlei, er scheint
für Gnadenstöße nie zu spät.

Das Kätzchen wimmert, klagt und weint,
bis sich mit einem letzten Schrei
sein Tod mit meinem Leid vereint.

Schon ist das Schattenspiel vorbei,
wie auch mein Traum, der mit ihm schwand,
dass ich das böse Scheusal sei,

bei ihr, gleich hinter dieser Wand.
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Kein schöner Traum. Und der Mond hat auch versagt.

Ich kenne das Gefühl der Schuld am Geschehen im Traum ... Ich habe zu dem Thema auch ein Gedicht (mal gucken, ob ich's hier einstellen kann).
Technisch ohne Fehl, gut gemacht, Tula!

Schönen Gruß v.
Dyrk
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Man kann, Tula,

sich darüber streiten, ob der Dichter mit seinem Lied sich auf sich selbst beziehen soll, oder ob das "Onanie" ist. Vielleicht beziehen sich alle Gedichte irgendwie auf den Autor, und je masochistischer, desto psychoanalysenfruchtbarer.

Nein, ich finde es geradezu elegant, wie sich im Schrei des Kätzchens dessen "Tod mit meinem Leid vereint", wie der Aufwachtraum, in dem sich alle Szenenfiguren als Aspekte des Ich erweisen (auch das Kätzchen), in das Lied übergeht, zur Pointe des Liedes wird. Bei aller plaudernden Leichtigkeit tiefgründig wie eine schlecht überschorfte Wunde.

grusz, hansz
 

Tula

Mitglied
Hallo Dyrk und Hans

euch beiden mein Dankeschön für die Eindrücke zum Gedicht. Dass diese auseinanderlaufen liegt wohl sicherlich am Versuch selbst, hier mit Doppeldeutigkeiten zu spielen (Mieze(Kätzchen) als schöne Frau, der (kleine) Tod, der Traum als Traum im Schlaf oder Wunschtraum ungestillter Sehnsüchte). Und natürlich in den Vergleichen der Szene an sich. Im Deutschen heißt es noch eher indirekt, dass man jemanden „zum Fressen gern“ hat. Im Portugiesischen hier zum Beispiel bezieht sich das ansonsten unschuldige ‚comer‘ (=essen/speisen) in Verbindung mit einer Person (also jemanden (ver)speisen) unmissverständlich auf ‘das Eine‘, Genuss mit inbegriffen.

Zur Entstehungsgeschichte: das Gedicht lief im letzten Jahr mit einem weiteren in einer Ausschreibung für erotische Dichtung (Menantes-Preis). Leider ohne Erfolg, was nicht unbedingt eine Schande sein muss, wenn man an die stets zu Hunderten eingehenden Beiträge denkt. Dennoch war ich mir unsicher, wie es in den Foren aufgenommen werden würde und ließ es liegen.

In seiner Absicht sollte es nicht allein frivol-komisch wirken, sondern durchaus, wie Hans treffend meinte, unter den menschlichen Seelen-Schorf gehen. Was den männlichen Gegenspieler angeht, wollten die sprachlichen Übertreibungen Untier, Moloch und Scheusal doch irgendwie auf eine Art Eifersucht hindeuten. Dass die Geräusche, die bei einem tierisch-leidenschaftlichen Akt unkontrolliert aus der Kehle und durch die Wand brechen, unter Umständen mit sadomasochistischen Tendenzen verwechselt werden könnten, habe ich vielleicht etwas unterschätzt. Ich dachte eher an so etwas wie eine ‘hemmungslose Himmelfahrt‘.

Und so leidet Lyrich zweierlei, mit und vor sich hin, was ihn hoffentlich nicht zum onanierenden Lauscher an der Wand macht. Es bleibt dem Leser überlassen, ob er bei ‚hinter der Wand‘ einen regulären Kampf einer ‚Bestie‘ mit der von Lyrich angebeteten Nachbarin versteht oder eine anderweitig zufällige Szene. Die menschlich völlig normale Sehnsucht nach körperlicher Hingabe bleibt dieselbe.

Ich muss allerdings aufklären, dass die regelmäßigen Geräusche meiner/unserer Nachbarn anderer Natur sind. Sie haben eine schön- laute Standuhr aus den Zeiten ihrer Großmutter, wobei sie selbst auf die 80 zugehen. Aber wir versichern ihnen immer wieder, dass man die Schläge der Uhr fast gar nicht hört :)


LG

Tula
 



 
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