Um an den Mazeppa Point zu gelangen, fuhren wir diesmal nicht der Küste entlang, sondern auf holprigen Sandstraßen über die Hügel der Transkei. Die enge Straße wand sich unzählige Male über Anhöhen ins Tal. Die Romantik und Ruhe der Umgebung blieb nach jeder Kurve gleich. Sanfte, flauschige Fliesenteppiche, in den verschiedensten Grüntönen lagen vor uns und wurden von der Sonne beleuchtet. Ich schaltete den Auto-Kassettenrekorder aus, lehnte mich zurück und war komplett eins mit der Harmonie der Natur.
Als wir ein wildes Feld mit Aloe-Bäumen erblickten, war es klar, dass wir anhalten mussten. Mein Mann nahm Getränke und die vorbereiteten belegten Brote aus dem kleinen Kühlschrank, der sich zwischen Fahrersitz und Beifahrersitz befand. Wir setzen uns auf einen bequemen Stein und bewunderten die Blüten der Aloes - eine Farbenpracht von orangenen und gelben Kerzen soweit das Auge reichte. Ein süßlicher, mit einem leichten Lagerfeuer-Geruch lag in der Luft.
Gezwitscher, Zirpen und ab und zu ein Rufen der Affen ließ uns schweigend essen. Danach legte mein Mann eine Hand um meine Schulter und ich schmiegte mich an ihn. Dieses Bild ist in meinem Hinterstübchen gespeichert. Als ob es gestern gewesen wäre, kann ich mich an diesen Augenblick erinnern: Ich dachte, ich möchte hier ewig sitzen und das Ende eines Märchens fiel mir ein: ...und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben, besser gesagt, sitzen sie noch heute da…
Eine Gruppe von Xhosa Frauen, die den Straßengraben entlang kamen, schreckte mich aus meinen Gedanken.
Wandelnde Farbstifte. Ich konnte mich nicht sattsehen. Alle hatten lange Röcke oder Schürzen in knalligem Rot, Gelb und Orange an. Bei jedem Schritt hörte man ein spielerisches Klappern der Fußringe, die zum Vorschein kamen. Sie waren barfuß. Sehr mutig, dachte ich, abgesehen von Dornen gibt es hier sicher genug Schlangen. Obwohl ich schon oft genug gesehen hatte, dass der Kopf der Afrikaner als Transportmittel gebraucht wird, stieg jedesmal meine Hochachtung und Verwunderung. Als ob die fast ein Meter hohen aufgestapelten Äste auf ihren Köpfen, Teile der Körper wären. Sie winkten sie uns lachend zu und riefen “Molo”. Wir erwiderten ein “Guten Morgen” und machten uns auch auf den Weg zur Küste.
Die vereinzelten und verstreuten Kraals in der Ferne sahen heimelig aus, doch ich fragte mich, ob es tatsächlich idyllisch sei, in diesen kleinen Hütten zu wohnen. Ging es dort wirklich so friedlich zu, wie es aussah? Gab es Zwiespalt in den Familien, wo mehrere Generationen so eng beieinander wohnten. Widersetzen sich die Frauen, deren Aufgabe es war, Wasser und Feuerholz zu besorgen?
In meiner Kindheit wohnten wir auch zu viert auf engstem Raum in einem alten Mietshaus und mussten Wasser mit einem Krug von der Bassena am Gang holen. Wie oft ich mich beschwerte und weigerte. Hier gingen Frauen und Kinder täglich fröhlich singend den kilometerlangen Weg zum Qora River.
Der Horizont vibrierte und die Sonne, die wie eine goldene Münze aussah, tanzte ein wenig vor Freude. Das Meer glitzerte durch die Reflexion und man musste die Augen zukneifen, wenn man so wie ich keine Sonnenbrille trug. Das unaufhörliche und starke Getöse der Wellen ließ mich nicht vergessen, dass wir uns an der Wilden Küste Südafrikas befanden.
Schon vor einigen Wochen hatten wir inmitten eines Dickichts unser Camp nur einige Meter vom Strand aufgebaut. Nichts drängte uns, Mazeppa Point zu verlassen. Ich überlegte, ob ich wie Robinson Crusoe die Wochentage in eine Baumrinde einritzte sollte.
Die Uhrzeit beurteilten wir nach der Sonne und aßen wenn sich unser Magen rührte.
Da wir auf einer aufgeblasenen Matratze auf der Ladefläche im Land Rover schliefen, hatten wir uns so eingeparkt, dass die Hecktüre Richtung Meer war. Die Tür ließen wir die ganze Nacht offen, denn das Brechen der Wellen und die salzige Luft lullte uns in einen tiefen Schlaf. Heutzutage hätten wir wahrscheinlich ein Sicherheitsgitter und drei Schlösser an der Tür.
Der morgendliche gelborangene Ball am Horizont, den ich von meinem “Bett” aus sah, schien als wollte er das Meer aufwärmen und mich zu einen neuen Tag einladen.
Mein Mann war schon vor Sonnenaufgang losmarschiert, um uns ein Nachtmahl zu fischen, ich saß gemütlich mit einer Tasse Kaffee im Campingsessel. Es war Ebbe und um diese Zeit waren viele gebückte Menschen auf den unzähligen Felsen, die aus dem Meer ragten, zu sehen. Gewappnet mit Messer und Kübel schlugen sie die Muscheln von den Steinen. Es geht relativ einfach, wir haben es auch mal versucht, aber uns doch entschieden, sie lieber den Frauen abzukaufen, die mehrmals am Tag mit vollen Eimern vorbeikamen. Ich wurde zu einer Meister - Muschel - Fisch - Köchin.
Meistens kaufte ich von Zintle, die ich auch an diesem Morgen die Sanddüne zu unserem Camp rauf kraxeln sah. Sie trug wie immer einen dunkelroten langen Rock, das etwas verschlissene T-Shirt war sicherlich ursprünglich mit Perlen bestickt, die restlichen funkelten in der Sonne. Zwei grüne Plastikflaschen wackelten bedenklich auf dem gelben selbstgedrehten Turban.
“Molo” und ein Klicklaut. Sie schnalzte mit der Zunge. Die Xhosa Sprache besteht aus sehr vielen lauten Klicklauten, die ich zu Zintles Belustigung nach vielen Bemühungen einfach nicht schaffte.
Sie nahm die Flaschen vom Kopf und ließ sich auf dem sandigen Boden nieder. Meine Aufforderungen, sie solle sich auf den Sessel setzen, haben nie geholfen. Ich holte eine Decke und frischen Kaffee für uns und setzte mich zu ihr. “Enkosi”, aber gerne, meinte ich. Sofort begann sie ihre Pfeife zu stopfen. Die meisten älteren Xhosa Frauen rauchten Pfeife. Je höher der Status der Frau in der Gemeinde ist umso länger die Pfeife – so hat man mir jedenfalls berichtet. Zintles Pfeife war zirka 15 Zentimeter lang, verziert mit delikater Schnitzerei. Der Tabakbeutel hing am Handgelenk, er war aus blauem Samt mit vielen kleinen bunten Perlen bestickt. Nach einigen Puffs drückte sie mir die grüne Flasche in die Hand.
Für mich, was ist das ?
Ich schüttelte die Flüssigkeit, sie sah nicht einladend aus. Kleine runde und eckige Stücke von Undefinierbarem wirbelten wild herum. Das Grün sah für mich richtig gallig, ja giftig aus.
Was sollte ich damit anfangen? Nach zwei weiteren gestopften Pfeifen hatte ich endlich verstanden. Zintle machte sich Sorgen um mich. Sie meinte, sie habe keinen Tisch in ihrer Hütte. Nicht so wie ich, ich sei reich, habe ein eingerichtetes Auto, eine Angel und guten Kaffee, aber dafür habe sie vier Kinder und ich keine.
“Kinder muss man haben ohne sie kann man nicht glücklich sein”. Sie dachte, ich wäre sicher von einer teuflischen Kraft befallen und deshalb nicht fruchtbar. Mein herzhaftes Lachen verging mir gleich, als ich ihr grimmiges Gesicht sah. In gebrochenem Englisch und mit Handgebärden erklärte sie es mir nochmals.
Ich hatte es richtig verstanden und nickte nur mehr. Sie sagte, dass sie eine Sangoma sei, ähnlich einem Grundheiler oder Hexendoktor und schon sehr vielen Menschen geholfen habe. Sie riet mir, jeden Abend zwei Gläser von der grünen Brühe zu trinken, nur dieses “Muti” könne mir die Energie zur Fruchtbarkeit geben.
Sie habe nur die besten Zutaten für mich gesammelt und gemischt. Ich getraute mich nicht zu fragen, was das Beste eigentlich sei, das in der Flasche herum schwamm.
Mein Mann kam mittlerweile zufrieden zurück, er hatte einen mittelgroße Steinbrasse gefangen. Zintle tätschelte liebevoll meine Wangen und verabschiedete sich.
Bis wir Mazeppa Point verließen kam Zintle mich noch öfters besuchen. Sie nahm kein Geschenk oder Geld für das “Muti” an, wollte aber immer überprüfen, ob ich es auch regelmäßig trinke.
Ich habe mich wirklich sehr schlecht gefühlt, als ich jeden Tag zwei Gläser ausleerte. Ich brachte es einfach nicht über meine Lippen.
Als wir ein wildes Feld mit Aloe-Bäumen erblickten, war es klar, dass wir anhalten mussten. Mein Mann nahm Getränke und die vorbereiteten belegten Brote aus dem kleinen Kühlschrank, der sich zwischen Fahrersitz und Beifahrersitz befand. Wir setzen uns auf einen bequemen Stein und bewunderten die Blüten der Aloes - eine Farbenpracht von orangenen und gelben Kerzen soweit das Auge reichte. Ein süßlicher, mit einem leichten Lagerfeuer-Geruch lag in der Luft.
Gezwitscher, Zirpen und ab und zu ein Rufen der Affen ließ uns schweigend essen. Danach legte mein Mann eine Hand um meine Schulter und ich schmiegte mich an ihn. Dieses Bild ist in meinem Hinterstübchen gespeichert. Als ob es gestern gewesen wäre, kann ich mich an diesen Augenblick erinnern: Ich dachte, ich möchte hier ewig sitzen und das Ende eines Märchens fiel mir ein: ...und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben, besser gesagt, sitzen sie noch heute da…
Eine Gruppe von Xhosa Frauen, die den Straßengraben entlang kamen, schreckte mich aus meinen Gedanken.
Wandelnde Farbstifte. Ich konnte mich nicht sattsehen. Alle hatten lange Röcke oder Schürzen in knalligem Rot, Gelb und Orange an. Bei jedem Schritt hörte man ein spielerisches Klappern der Fußringe, die zum Vorschein kamen. Sie waren barfuß. Sehr mutig, dachte ich, abgesehen von Dornen gibt es hier sicher genug Schlangen. Obwohl ich schon oft genug gesehen hatte, dass der Kopf der Afrikaner als Transportmittel gebraucht wird, stieg jedesmal meine Hochachtung und Verwunderung. Als ob die fast ein Meter hohen aufgestapelten Äste auf ihren Köpfen, Teile der Körper wären. Sie winkten sie uns lachend zu und riefen “Molo”. Wir erwiderten ein “Guten Morgen” und machten uns auch auf den Weg zur Küste.
Die vereinzelten und verstreuten Kraals in der Ferne sahen heimelig aus, doch ich fragte mich, ob es tatsächlich idyllisch sei, in diesen kleinen Hütten zu wohnen. Ging es dort wirklich so friedlich zu, wie es aussah? Gab es Zwiespalt in den Familien, wo mehrere Generationen so eng beieinander wohnten. Widersetzen sich die Frauen, deren Aufgabe es war, Wasser und Feuerholz zu besorgen?
In meiner Kindheit wohnten wir auch zu viert auf engstem Raum in einem alten Mietshaus und mussten Wasser mit einem Krug von der Bassena am Gang holen. Wie oft ich mich beschwerte und weigerte. Hier gingen Frauen und Kinder täglich fröhlich singend den kilometerlangen Weg zum Qora River.
Der Horizont vibrierte und die Sonne, die wie eine goldene Münze aussah, tanzte ein wenig vor Freude. Das Meer glitzerte durch die Reflexion und man musste die Augen zukneifen, wenn man so wie ich keine Sonnenbrille trug. Das unaufhörliche und starke Getöse der Wellen ließ mich nicht vergessen, dass wir uns an der Wilden Küste Südafrikas befanden.
Schon vor einigen Wochen hatten wir inmitten eines Dickichts unser Camp nur einige Meter vom Strand aufgebaut. Nichts drängte uns, Mazeppa Point zu verlassen. Ich überlegte, ob ich wie Robinson Crusoe die Wochentage in eine Baumrinde einritzte sollte.
Die Uhrzeit beurteilten wir nach der Sonne und aßen wenn sich unser Magen rührte.
Da wir auf einer aufgeblasenen Matratze auf der Ladefläche im Land Rover schliefen, hatten wir uns so eingeparkt, dass die Hecktüre Richtung Meer war. Die Tür ließen wir die ganze Nacht offen, denn das Brechen der Wellen und die salzige Luft lullte uns in einen tiefen Schlaf. Heutzutage hätten wir wahrscheinlich ein Sicherheitsgitter und drei Schlösser an der Tür.
Der morgendliche gelborangene Ball am Horizont, den ich von meinem “Bett” aus sah, schien als wollte er das Meer aufwärmen und mich zu einen neuen Tag einladen.
Mein Mann war schon vor Sonnenaufgang losmarschiert, um uns ein Nachtmahl zu fischen, ich saß gemütlich mit einer Tasse Kaffee im Campingsessel. Es war Ebbe und um diese Zeit waren viele gebückte Menschen auf den unzähligen Felsen, die aus dem Meer ragten, zu sehen. Gewappnet mit Messer und Kübel schlugen sie die Muscheln von den Steinen. Es geht relativ einfach, wir haben es auch mal versucht, aber uns doch entschieden, sie lieber den Frauen abzukaufen, die mehrmals am Tag mit vollen Eimern vorbeikamen. Ich wurde zu einer Meister - Muschel - Fisch - Köchin.
Meistens kaufte ich von Zintle, die ich auch an diesem Morgen die Sanddüne zu unserem Camp rauf kraxeln sah. Sie trug wie immer einen dunkelroten langen Rock, das etwas verschlissene T-Shirt war sicherlich ursprünglich mit Perlen bestickt, die restlichen funkelten in der Sonne. Zwei grüne Plastikflaschen wackelten bedenklich auf dem gelben selbstgedrehten Turban.
“Molo” und ein Klicklaut. Sie schnalzte mit der Zunge. Die Xhosa Sprache besteht aus sehr vielen lauten Klicklauten, die ich zu Zintles Belustigung nach vielen Bemühungen einfach nicht schaffte.
Sie nahm die Flaschen vom Kopf und ließ sich auf dem sandigen Boden nieder. Meine Aufforderungen, sie solle sich auf den Sessel setzen, haben nie geholfen. Ich holte eine Decke und frischen Kaffee für uns und setzte mich zu ihr. “Enkosi”, aber gerne, meinte ich. Sofort begann sie ihre Pfeife zu stopfen. Die meisten älteren Xhosa Frauen rauchten Pfeife. Je höher der Status der Frau in der Gemeinde ist umso länger die Pfeife – so hat man mir jedenfalls berichtet. Zintles Pfeife war zirka 15 Zentimeter lang, verziert mit delikater Schnitzerei. Der Tabakbeutel hing am Handgelenk, er war aus blauem Samt mit vielen kleinen bunten Perlen bestickt. Nach einigen Puffs drückte sie mir die grüne Flasche in die Hand.
Für mich, was ist das ?
Ich schüttelte die Flüssigkeit, sie sah nicht einladend aus. Kleine runde und eckige Stücke von Undefinierbarem wirbelten wild herum. Das Grün sah für mich richtig gallig, ja giftig aus.
Was sollte ich damit anfangen? Nach zwei weiteren gestopften Pfeifen hatte ich endlich verstanden. Zintle machte sich Sorgen um mich. Sie meinte, sie habe keinen Tisch in ihrer Hütte. Nicht so wie ich, ich sei reich, habe ein eingerichtetes Auto, eine Angel und guten Kaffee, aber dafür habe sie vier Kinder und ich keine.
“Kinder muss man haben ohne sie kann man nicht glücklich sein”. Sie dachte, ich wäre sicher von einer teuflischen Kraft befallen und deshalb nicht fruchtbar. Mein herzhaftes Lachen verging mir gleich, als ich ihr grimmiges Gesicht sah. In gebrochenem Englisch und mit Handgebärden erklärte sie es mir nochmals.
Ich hatte es richtig verstanden und nickte nur mehr. Sie sagte, dass sie eine Sangoma sei, ähnlich einem Grundheiler oder Hexendoktor und schon sehr vielen Menschen geholfen habe. Sie riet mir, jeden Abend zwei Gläser von der grünen Brühe zu trinken, nur dieses “Muti” könne mir die Energie zur Fruchtbarkeit geben.
Sie habe nur die besten Zutaten für mich gesammelt und gemischt. Ich getraute mich nicht zu fragen, was das Beste eigentlich sei, das in der Flasche herum schwamm.
Mein Mann kam mittlerweile zufrieden zurück, er hatte einen mittelgroße Steinbrasse gefangen. Zintle tätschelte liebevoll meine Wangen und verabschiedete sich.
Bis wir Mazeppa Point verließen kam Zintle mich noch öfters besuchen. Sie nahm kein Geschenk oder Geld für das “Muti” an, wollte aber immer überprüfen, ob ich es auch regelmäßig trinke.
Ich habe mich wirklich sehr schlecht gefühlt, als ich jeden Tag zwei Gläser ausleerte. Ich brachte es einfach nicht über meine Lippen.