Nachtherbst - (Haiku 俳句)

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Herzlich Willkommen bei der Leselupe, Hotaru.
Danke für das Werk. Ich würde mich freuen, wenn wir in Gedankenaustausch treten können.

Eine Frage: Ist die Verb-3-Stellung im 2. Vers Absicht und welche Funktion hat sie hier?
Normalerweise ist das Verb ja an zweiter Stelle.

Viele Grüße
Bernd

PS: Wie ist die korrekte Anrede? Ito oder Hoturo?
 

Ito Hotaru

Mitglied
Eine Frage: Ist die Verb-3-Stellung im 2. Vers Absicht und welche Funktion hat sie hier?
Normalerweise ist das Verb ja an zweiter Stelle.

PS: Wie ist die korrekte Anrede? Ito oder Hoturo?
Herzlichen Dank, lieber Bernd!
Ich freue mich auch sehr, hier bei Euch sein zu dürfen. :)

Zu deinen Fragen:
1.) Hotaru ist vollkommen ok, das ist mein Vorname und er steht ja auch in meinem Forenavatar.
2.) Normalerweise steht das Verb an letzter Stelle, in der japanischen Sprache zumindestens. ;)
Hier ist es aber so, dass es hier die Verbindung zum letzten Vers herstellt. Denn normaler Weise haben Haiku und Haikai ja keine Versgliederung,
sondern werden als ein Ganzes geschrieben und gelesen (siehe meine Signatur). Also versuchte ich an beiden Versgrenzen Übergänge zu schaffen
auf die folgende Zeile. Ich weiß natürlich, dass das alles nicht optimal ist. Aber leider läßt mir die deutsche Sprache keine andere Wahl.

Liebe Grüße
Hotaru
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke sehr, Hotaru.
Das ist interessant, was Du über Haiku schreibst.
Die Verbstellung wie hier kommt übrigens auch in anderen deutschen Gedichten recht oft vor.

Viele Grüße von Bernd
 
G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Hallo Ito Hotaru,

auch von mir ein freundliches Hallo!

Ich kenne mich mit Haikus so gut wie garnicht aus, deshalb fand ich es ebenfalls sehr interessant, was du in deinem Kommentar geschrieben hast. Ich stelle mir nur die Frage, ob es nicht möglich wäre, bei der Form nicht eine solche Strenge walten zu lassen, denn vielleicht würde das Gedicht auch ohne diese eine große Wirkung erzielen können?

Denn bei deinem Haiku ist es tatsächlich die Verbendstellung in Vers 2, welche mein ästhetisches Gefühl nicht unbedingt erquickt. Ich weiß, dass dies dein Anliegen sicherlich nicht gewesen sein kann, aber um dieses Gedicht für mich persönlich reizvoll zu machen, habe ich es in meinem Geist gewissermaßen deutscher gelesen:

Der Nachtherbst färbte sanft
das erste Blätterrot,
ich sah
des Abschieds letztes Licht.
Das würde mir gefallen - und da ich diese Fantasie hatte, hat dein Haiku ja dann doch irgendwie gewirkt.

Liebe Grüße
Frodomir
 
G

Gelöschtes Mitglied 24893

Gast
im silbenfluss, ein klassisches haiku. vom inhalt gedeutet, wahrheit wagnis.
 

Ito Hotaru

Mitglied
Danke sehr, Hotaru. Das ist interessant, was Du über Haiku schreibst. [...]
ありがとうございます (Danke sehr) :)

Hallo Ito Hotaru,
auch von mir ein freundliches Hallo!
Ich kenne mich mit Haikus so gut wie garnicht aus, deshalb fand ich es ebenfalls sehr interessant, was du in deinem Kommentar geschrieben hast. Ich stelle mir nur die Frage, ob es nicht möglich wäre, bei der Form nicht eine solche Strenge walten zu lassen, denn vielleicht würde das Gedicht auch ohne diese eine große Wirkung erzielen können?
Hallo Frodomir. :) Danke sehr für deine Antwort. Nun es ist so, dass für die meisten japanischen Gedichtformen strenge Regeln herrschen. Vor allem was die Struktur anbelangt. Bei einem Haiku gilt das um so mehr, da es oft den Anspruch erhebt, als letzter Gedanke der Gegenwärtigkeit eines Menschen zu fungieren. Nicht umsonst werden sie oft so angesehen, wie es in Europa die berühmten letzte Worte eines kürzlichen Verstorbenen darstellen. Traditionell wird dies in einer strengen Form fixiert, die sich auf die Abfolge der Moren (3-Wortgruppen (Zeilen) mit 5-7-5 Moren länge - eine More ist ein Sprechlaut der jap. Sprache bsw. の no, oder す su oder い i oder け ke ... かわいい kawaii, niedlich = 4 Moren), den Bezug auf Gegenwärtiges d.h. die Zeitform muß immer Präsens, einem Ankerpunkt in der konkreten (Jahres)zeit, meist durch ein Wort, wie beispielsweise Mond oder Kirschblüte) und der Naturbezogenheit darlegt.
Warum machen wir das so?
Ich denken, es liegt darin begründet, dass die japanische Sprache nicht die Gestaltungsmöglichkeiten der zum Beispiel deutschen oder anderen westlichen Sprachen bereithält, bei der zum Beispiel vielfältige Variationen im Satzbau, der Betonung (Versmaß) oder der Reimart als stilistische Mittel möglich und gewünscht sind. Es gibt keinen Plural, keine Deklinationen, keine grammatikalischen Geschlechter, nur zwei Zeitformen (Gegenwart und Vergangenheit). All das ist in der japanischen Sprache nicht möglich. Wir haben einen quasi in Blei gegossenen Satzbau, eine unnachgiebige immer gleiche Länge oder Betonung aller Moren, die, wenn man sie ändert teils sofortige krasse Bedeutungsunterschiede hervorbringt (das Wort hashi, je nach Betonung kann es Brücke (橋), Kante (端) oder Essstäbchen (箸) bedeuten). Und je nach Sprachstil (Höflichkeitsform) enden Sätze oft gleich und immer auf das Verb. Es gibt folglich nicht die umfangreichen stilistischen Mittel, die euch zugänglich sind.
Dafür aber gibt es andere Stilmittel, die westliche Sprachen nicht in der Lage sind, nachzubilden. Ein Beispiel dafür ist eben genau dieses 5-7-5-Morenschema, dass quasi kaum nachgebildet werden kann, da die deutsche Sprache auf Silben aufbaut und nicht auf Moren. Oder es gibt das Stilmittel der Homonyme/Homophone, die es in der deutschen Sprache zwar auch gibt (der Leiter, die Leiter zb), jedoch aber nicht in dem Umfang, wie wir sie in der japanischen Sprache finden. Das bringt bspw. Wortspiele wie folgendes hervor: sumomo mo momo mo momo no uchi (李も桃も桃の内, “Pflaume und Pfirsich zählen zu den Pfirsichgewächsen”).
Daher ist es zum Beispiel möglich, Gedichte so zu schreiben, dass es ja nach dem, wie ich es lese, komplett unterschiedliche Inhalte gibt. Diese Variationen in der Aussage können wir zwar durch die Verwendung von chinesischen Schriftzeichen anstelle der japanischen vermeiden. Aber wir müssen ja nicht. Und dann können wir Gedichte schreiben, die komplett auf zwei oder noch mehr Arten gelesen werden können und deren Bedeutung folglich komplett offengelassen wird. Ein berühmtes Beispiel dafür: ひるからはちとかげもあリくものみね = "Ab der Mittagszeit ist es etwas schattiger; ein Wolkenhimmel" = "Blutegel, Moskitos, Bienen, Eidechsen, auch Ameisen, Spinnen und Flöhe, nicht wahr?"
Aus all diesen Beispielen und Erklärungen und es gäbe noch mehr dazu zu sagen, verstehst Du also vielleicht, dass es zwar sicherlich möglich wäre, die Strenge aufzulösen, jedoch aber dann noch viel mehr der klassischen Charakteristika dieser Gedichtform und der ihr zugrundeliegenden Kultur und Sprache verloren ginge. Was vielleicht schade wäre.

im silbenfluss, ein klassisches haiku. vom inhalt gedeutet, wahrheit wagnis.
ありがとうございます (Danke sehr) :)
 



 
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