Namen sind wichtig!

Markus Veith

Mitglied
Letztens fragte eine junge Autorin auf einer anderen Internet-Seite User um Rat. Ihr fiel kein passender Begriff für eine erfundene Berufssparte ein. Ich fand die Frage in Bezug auf Namen eigentlich höchst interessant und ich habe genauer darüber nachgedacht, wie ich eigentlich mit ihnen umgehe. Nur würde ich zunächst gerne wissen, wie ihr dazu steht.
Namen sind eine wichtige Sache in unseren Job. (Ich sehe ein, dass die Tatsache, dass ich einer der wenigen Real-Namen-User auf diesem Kanal bin, nicht sonderlich für meine These spricht.) Namen können einer Figur eine zusätzliche Tiefe geben und/oder subtile Anspielungen vermitteln. (Joyce' "Ulysses" wäre ein Beispiel.)
Ebenso wichtig halte ich die Wahl eines Titels. Worauf achtet man? Soll er viel verraten? (Vernes "In 80 Tagen um die Welt") Oder so wenig wie möglich? (Ecos "Der Name der Rose") Wie schafft man mit ihm die nötige Neugier zum Weiterlesen? Habt ihr eigene Beispiele? Wie seid ihr auf sie gekommen? Wie begründet ihr sie?
Wie sucht ihr nach Namen und Begriffen, die nicht der Norm entsprechen? Nutzt ihr dieses Stil-Mittel? Und wenn, wie? Wenn nicht, warum nicht?

Möglicherweise ein zu weitreichendes Thema und mehr ein Erfahrungsaustausch als eine Debattierthese. Aber ich bin mal gespannt, was ihr schreibt.
Mit literarischen Grüßen
Markus Veith
 
Also

Titel und Namen, hui! Titel sind das wichtigste bei einer Geschichte. Meine ich. Jedenfalls macht es am meisten Spass einen zu finden. Wieviel er verrät ist mir dabei egal. Manchmal scheint er gar nichts mit der Geschichte zu tun zu haben, dann wieder erzählt er sie eigentlich schon vorher. Ich überlege in letzter Zeit ob ich den Nachnamen mütterlicherseits annehmen soll, für meine Geschichten, weil ich meinen wirklichen nicht soo sehr mag. Das finde ich dann aber letztlich wieder albern. Meinen Vornamen mag ich, aber dann hmm... Schwierig. Hier einen Nickname zu haben ist ein schöner Spass, wobei ich für den der etwas sucht aus meinem wahren Ich keinen Hehl mache. Echte Pseudonyme finde ich aber scheisse. So, as wäre mir dazu aus dem Kopf gefallen. Gruß vom (verschwindend) kleinen Grauhai.
 
P

pirx

Gast
Hallo Markus,

auch noch ab und zu hier?

Na ja, Pseudonyme finde ich ziemlich klasse. Und das Internet lädt m.E. auch dazu ein, welche zu benutzen. Hier unter dem Real-Namen aufzutreten, halte ich eigentlich nicht für ratsam. Leute, mit denen Du nichts zu tun haben willst, könnten Dich "erkennen". ;)

Meine Bücher schreibe ich auch unter einem Pseudonym, wenn auch nicht "Pirx". Wenn eine böse Kritik kommt, kann ich ja immer noch sagen: "War ich nicht."

Was Buchtitel betrifft: Da haben Lektoren manchmal ihre eigenen Ideen, die sie durchsetzen wollen.
 
L

leonie

Gast
hallo markus

Namen und Titel, kommen bei mir aus dem Bauch heraus. Oft habe ich einen kleinen Teil der Geschichten schon im Kopf, und dann kommen fast automatisch die Namen dazu.
liebe grüße leonie
 

Markus Veith

Mitglied
Ich meine weniger Pseudonyme, als vielmehr Figurennamen. Was diese betrifft, weigere ich mich bisher möglichst dagegen, Namen ‚einfach so' zu benutzen, weil sie mir gefallen. Nun gut, das bleibt sicherlich nicht aus, doch möchte ich schon, daß möglichst ein wenig mehr dahinter steckt. Ich ärgere mich immer wieder über Texte, vor allem über Kurzgeschichten, bei denen ich das Gefühl habe, man hat Figuren Namen gegeben, nur um sie irgendwie zu nennen, aber ohne sich darüber im klaren zu sein, weshalb man sie so genannt hat. Gerade Kurztexte kommen oftmals sehr gut ganz ohne Namen aus, weil sie einfach unwichtig sind. Ich überlege mir also zwei- bis zwanzigmal, ob ich wirklich mit so etwas beginne wie "Peter Schmidt stand am Fenster", wenn es eigentlich nicht zum Thema gehört. Eine Figur mit einem konkreten Namen macht die Erzählweise natürlich einfacher. Es ist angenehmer, ab und an ein Peter in den Text zu streuen, statt Leser mit vielen ‚jungen Männern' zu nerven. Doch kann man auch Anonymität hervorragend nutzen.
Auf die eine Art kann man Bezeichnungen sehr gut als Namen verwenden. (Besonders bei surrealen Geschichten, die ich sehr gerne schreibe. Doch nicht nur.) Ich erinnere mich da an einige Texte, in denen ich zum Beispiel einen Bahnfahrer, einen Pierrot oder einen Gammler habe vorkommen lassen, deren konkreten Namen völlig unwichtig sind, ja, wahrscheinlich sogar gestört hätten.
Auf die andere Art kann die Unkenntnis über einen Namen dem Leser helfen, Distanz zum Protagonisten abzubauen. Jeder kann sich vorstellen in der Rolle eines ‚jungen Mannes' zu stecken. ‚Peter Schmidt' macht da mehr Probleme. Versteht ihr, was ich meine?
Um ein bißchen aus dem Nähkästchen zu plaudern: Figuren, die ich für eine Geschichte ersinne, sind wie eigene Kinder. Auch wenn Gestalten entstehen, mit denen ich, würde ich sie im wirklichen Leben kennen, niemals etwas zu tun haben möchte, so wecken sie oft beim Schreiben fast väterlich zu nennende Sympathie in mir und einige habe ich sehr, sehr lieb gewonnen. Und wie lange grübeln einige Eltern über den Namen ihres Kindes nach? (Markus war in den frühen Siebzigern ein Modename. Es gab Zeiten, in denen habe ich diesen Umstand echt verflucht.)
Ich halte Namen für sehr wichtig. Man möchte sich mit ihnen identifizieren und dieses Bedürfnisrecht spreche ich auch meinen Figuren zu. Ich mache mir sehr gründliche Gedanken darüber, wie ein Charakter heißen soll. Ich arbeite diesbezüglich sehr gerne mit Sprachähnlichkeiten oder auch geschichtlichen Anspielungen. (die in der Wahl sehr helfen!)
Wie seht ihr das?
Mit literarischen Grüßen
Markus Veith
 
R

Ruth-Marion Flemming

Gast
Plädoyer für Real-User-Name

Hallo Markus,

ich meine, wenn nichts Schwerwiegendes dagegen spricht (und ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, was das sein könnte), solltest Du in Gremien wie Leselupe bei Deinem Real-User-Namen bleiben! Auch ich gehöre zu dieser Spezies. Ich mag es nicht sonderlich, wenn sich jemand, mit dem ich rede, in der Anonymität versteckt. Man hat dann immer das etwas laue Gefühl, man spricht gegen eine Wand bzw. daß irgendwas verborgen werden soll. Im Geschäftsleben ist es ja auch nicht möglich, unter einem Phantasienamen aufzutreten. Höchstens im Zirkus. Den haben wir in der Leselupe zwar auch so manches Mal, das sollte aber keinesfalls Vorbild sein. Ich stehe jedenfalls zu dem, was ich sage, in aller Öffentlichkeit. Und ich kann das, weil ich durch den Real-Namen geradezu gezwungen bin, mir jedes Wort nicht nur einmal, sondern zwei- oder dreimal zu überlegen. Sollte mir trotzdem ein Fehler unterlaufen … nun gut, auch damit kann ich mich abfinden, auch damit kann ich leben! Wer ist schon fehlerlos? Am allerwenigsten der, der es meint oder vorgibt, es zu sein. Steht Dein wahrer Name auf dem Spiel, dann bist Du auch viel kritischer gegen Dich selbst, eher bereit, den Standpunkt anderer zu respektieren und schon von Haus aus im allgemeinen fairer (man möge mich jetzt ruhig steinigen) Deinem „Kontrahenten“ gegenüber. Letztlich macht der Ton die Musik, auf alle Fälle trägt er wesentlich dazu bei. Wer sich mit dem Mäntelchen der Anonymität bedeckt, der hat es zweifellos in manchem wesentlich einfacher. Ihm schadet selbst das Unsinnigste nicht, aber … er profitiert auch nicht von seiner eigenen Weisheit! Außerdem finde ich es nicht gut, wenn alle Hemmungen fallen, eine Gefahr, die bei Anonymität beinahe vorgrammiert ist. Freilich, ein Zickzackkurs wäre sicherlich keine Lösung.

Etwas ganz anderes ist es jedoch, wenn es gilt, im Internet zu surfen. Dann verziehe ich mich natürlich auch in die Anonymität. Aber das hat ja ganz andere Gründe. Und was Pseudonyme in Veröffentlichungen aller Art angeht, so ist das sicherlich ein Thema für sich.

Mit Gruß
Ruth
 

Criss Jordan

Mitglied
Namen sind wichtig

Hi, Markus!
Ich finde Namen auch sehr wichtig, aber ich gebe meinen "Helden" eigentlich keine bedeutungsvollen Namen, sondern eher klangvolle. Besonders in Ander-Welt-Geschichten, in denen es wahrscheinlich seltsam klingt, Markus oder Criss zu heißen. Aber im Prinzip versuche ich schon, die jeweiligen Stimmungen einzufangen, die der Welten und die der Personen. Und da mir manchmal die Fantasie nicht ganz auf die Sprünge helfen will, helfe ich mir selbst. Ìch nehme ein gaaaaanz langes Wort, irgendeines, zum Beispiel: Waschmitteldosieranleitung. Und schon hab ich 'nen Satz Namen. Ehrlich. ASCH oder TELDO oder ERAN oder ITUN oder mal rückwärts ISOD oder ELNA, naja im Prinzip läuft das so bei mir, ich sortiere die Namen in einer Liste und wenn ich einen brauche... voila (schreibt man das so???). Ulkige Methode, was?
Tschüssie, Criss
 

Markus Veith

Mitglied
Bedeutung von Namen

Es ist erstaunlich, warum die Sprache immer wieder auf Pseudonyme gebracht wird. Darauf will ich gar nicht hinaus. Deine Methode allerdings, Criss, finde ich höchst interessant. Der Klang eines Namens hat eine schöne Magie, die es zu nutzen gilt. Doch laß mich das mit der Bedeutung näher erklären: In meinem Fabelroman "Löwenzähnchen" z.B. heißt eine fette, aber nette, alte Kreuzspinne Phoebe (von Phobie), ein Fliegenpilz Amanito (‚Amanita' ist die botanische Bezeichnung vieler Pilze), ein Schmetterling mit verstümmelten Flügel Ikarus und ein Regenwurm Elle. Letzterer zum einen wie die alten Maßeinheit (,die ein Wurm sicher nicht erreichen würde, doch ich denke, der Bezug wird klar), zum anderen wie der weibliche französische Artikel. Da Elle eigentlich recht maskulin wirkt und ich auch immer ‚er' und ‚ihn' verwendet habe, ein Regenwurm aber Hermaphrodit ist, paßt das, wie ich finde, recht gut. Seltsamerweise war ich mit dem Namen der Titelheldin "Löwenzähnchen" lange Zeit unzufrieden. Nun gut, dachte ich, sie ist ein Kohlweißling, der Löwenzahn frißt. Doch später kam ich dahinter, warum ich Löwenzähnchen Löwenzahnchen genannt habe.
Ab und an ergeben sich beim Schreiben häufig sonderbare Ereignisse, die ich persönlich zu den Abenteuern im Kampf mit den geschriebenen Worten bezeichnen würde. Es sind diese kleinen persönlichen Erfolge an der Tastatur, wenn plötzlich eine Geschichte einen Sinn lüftet, der selbst dem Autor lange verschleiert blieb. Diese Augenblicke, in denen man als Schreiberling bemerkt, dass sich nicht nur die Geschichte, mit der man ringt, sondern vor allem die aus dem eigenen Kopf entsprungenen Figuren sich verselbstständigen und zu leben begonnen haben.
Ich nannte in jenem Fabelroman einen uralten Schmetterlings Hieronymus und wußte nicht weshalb. Der Name war einfach da. Doch ist er die einzige Figur, die einen ‚konkreten' Namen hat. Doch alle anderen, die ich mir für ihn ausdachte, klangen falsch und ... na ja ... unorganisch. Und irgendwann kam ich dahinter, warum Hieronymus diesen und keinen anderen Namen haben mußte. Dieser alte, schlaue und zurückgezogen lebende Schmetterling verliebt sich in die kleine, wilde, spinnerte Raupe und Löwenzähnchen sich auch in ihn. In gewisser Weise zähm er sie. Bei der Lektüre eines Mythologielexikons stieß ich auf die Sage des Heiligen Hieronymus, der als asketisch lebender Gelehrter beschrieben und oft mit einem Löwen dargestellt wird, der bei ihm blieb, nachdem der Heilige ihm einen Dorn aus der Pfote gezogen hatte. - Als ich das las, konnte ich mich gerade noch zusammenreißen, nicht laut "Heureka!" zu rufen.
Ein ähnliches Erlebnis hatte ich beim Schreiben meines Romans "Der Silber", ein eigentlich recht einfach strukturiertes Märchen, das aber im komplizierten Land der Sprache spielt und so sehr viele Wortspielereien zuläßt. Sylp, der Held der Geschichte, muß sich auf die Suche nach dem gestolenen Vokal U machen und brauchte dazu unbedingt einen Spiegel. Den sollte er von einem hohen Wesen der Sprache erhalten. Ich wählte dazu ein Tier, das aussieht wie ein Reh und das ich daher im übertragenen Sinne "Rehtorick" nannte (Reh und Ricke). Doch wie war das mit dem Spiegel zu lösen? Ein Reh, so grübelte ich, auch wenn es ein Märchenwesen ist, zaubert nicht so einfach einen Spiegel aus dem nicht vorhandenen Zylinder. Das erschien mir irgendwie plump. Bis mich dann ein Jägerlateinkenner darüber unterrichtete, dass das durchaus einen gewissen Sinn habe: Die Blesse am Hintern eines Rehs bezeichne man als Spiegel. Das hatte ich bis dato gar nicht gewußt. Und plötzlich stimmte wieder alles.
Wenn Namen auf solch, ja, magische Art einen Sinn bekommen habe ich umso mehr das Gefühl, so und nicht anders muß es wohl richtig sein und ‚wollte es' geschrieben werden.
Mit literarischem Gruß
Markus Veith
 
R

Ruth-Marion Flemming

Gast
Hallo Markus,

offensichtlich liegt da ein gewaltiges Mißverständnis vor! Ich hatte Deine Eingangsfrage völlig anders aufgefaßt, wunderte mich schon etwas, da ja das eine (zum Beispiel Real-User-Name bzw. Anonymität) mit dem anderen (zum Beispiel Romanfiguren) eigentlich gar nichts zu tun hat. Deshalb habe ich das herausgegriffen, was mir am meisten am Herzen liegt. Ich habe den Eindruck, daß Du Deinen zweiten Beitrag hinterherschobst, weil Du aufgrund der ersten Stellungnahmen bereits gemerkt hast, daß etwas in eine nicht beabsichtigte Richtung laufen würde!? Oder irre ich mich da? Und wie es der Zufall so will, kamen dann unsere beiden Beiträge fast zeitgleich!

Wie auch, es ist ja nichts Weltbewegendes passiert. Auf diese Weise haben wir, zwei der relativ wenigen Real-User-Name-Anhänger, uns eben kennengelernt. Und speziell für mich war die Sache doch insofern interessant, als der Post von pirx (gegebenenfalls spiele ich eben Hase) eigentlich meine Auffassung voll bestätigt. Unbeabsichtigt zwar, aber immerhin!

Mit unmißverständlichem Gruß
Ruth
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Vorsicht Namens-Falle!

…Wie man Figuren nennt, hat sicher auch mit der Art des Erzählens zu tun. In Kurzgeschichten, besonders in Ultra-Kurz-Geschichten, in denen so wenige Leute zum Zuge kommen, dass man mit ER, SIE und ES auskommt, erübrigen sich Namen ja tatsächlich oft.

In Fantasy- und Märchen- , sehr auf Stimmung bauenden oder bildhaften Texten ist der „Klang“ extrem wichtig. (Die wunderschönen Töchter des Königs heißen nun mal Jasmin und Viola und die Zofe Petra.) Übrigens auch bei Groschenromanen & Co., auch wenn man dort (mehr oder weniger) reale Namen verwendet.

Inhaltliche Bezüge – wissenschaftliche, mythologische oder auch (wie bei mir) eher private – sind sicher interessant für „versteckte Inhalte“ oder günstig für ein Vorab-Gerüst, an dem sich die literarische Figur dann entlang entwickelt. (Besonders das letztere funktioniert bei mir ganz gut.) Aber darin – und in den meisten anderen Varianten – steckt auch ein Risiko: Man verlässt sich manchmal zu sehr auf den Klang, den Inhalt des Namens. Weil Leser aber einen Klang oft anders empfinden oder den Inhalt einfach nicht kennen, stimmt für sie die Geschichte nicht oder sie lesen eine andere Geschichte als die, die man geschrieben hat.

Sicher gibt es allgemeingültige Klänge – so wird in einer Geschichte, wo eine Ute und eine Valerie-Yvonne mitspielen, es wahrscheinlich nicht die Ute sein, die im Designerkleid und mit Hut rumläuft. Aber das grenzt dann hart ans Klischee (auch wenn ein Mensch in der Regel ja in Namen UND Verhalten von der Herkunft geprägt wird) – was sicher auch seine Berechtigung hat, nur muss man darum wissen und sollte es gezielt nutzen (z. B. wenn man eben SO EINEN Menschen beschreiben will – wie eben die materiell abgesicherte, Reichere heimlich beneidende, umschwärmte aber einsame, sich ätherisch gebende, tatsächlich aber nur auf Wirkung bedachte Mittelstandstochter Valerie-Yvonne).

Was wollte ich eigentlich sagen…? Ach ja: Ich habe ein Büchlein mit Namen und in dem krame ich, wenn ich einen Namen brauche. Dann heißt die Figur so und damit basta – beim Schreiben selbst „vergesse“ ich den Namen. Bei Namen für neue Planeten oder Völker mache ich es wie Criss – Huhu! Der Trick funktioniert doch gut, oder?! – aber auch da „vergesse“ ich nach der Benennung den Klang. Oder versuch es zumindest. Ich versuch' eigentlich meistens, meinen Hauptfiguren Namen „ohne Klang“ zu geben, damit darin noch Platz ist für das, was ich eigentlich über die Leute sagen will. Der Vergleich mit den Kindern passt auf meine (Haupt)Figuren trotzdem – man würde doch, wenn es erstmal da ist, sein Kind auch mit jedem anderen Namen lieben.

Buchtitel…
… sind absolut wichtig. Sie sagen, worum es geht. Auch wenn es im ersten Moment nicht so aussieht. Sie sind – oder sollten es sein – die Quintessenz des Buches. (( In „In 80 Tagen um die Welt“ geht es eben um eine Reise und nicht um eine Charakterstudie – auch wenn das vorkommt. )) Manchmal sieht man in einem Buch erst das Wesentliche, weil der Titel den Blick dahin lenkt. ((„Der Name der Rose“ heißt nicht „Die unheimlichen Todefälle in einer Abtei“ weil es darin nicht wirklich um Mord oder mittelalterliches Klosterleben geht – auch wenn das vorkommt – sondern um Weltanschauliches.)) Allerdings fällt mir auch nicht immer die „Quintessenz zum Drüberschreiben“ ein. Oder nicht immer so, dass es eine gute Überschrift wäre ((„Warén“ ist nicht eben der Hammer – aber die meisten Serien-Bücher operieren ja mit Titeln dieser Art. Aber das hat eher was mit dem Verkauf zu tun und das ist ein anderes Thema…)).

Für Titel von Erzählungen übrigens gilt das Ganze natürlich auch, wobei die Bedeutung m. E. mit der Länge des Textes wächst.

Zum Thema Pseudonym oder Nickname: Ich liebe sowas. Nicht als Versteckspiel sondern als Möglichkeit, zu zeigen, als was man sich fühlt. Mein Ich, das täglich zur Arbeit geht und Leben als seltsam undurchsichtiges Live-Kino empfindet, ist eben ein anderes Ich als das, welches schreibt und sich mit Text befasst. Andere mögen vielleicht wirklich aus Anonymitätsgründen Nicknamen benutzen – das damit verbundene Faschings- oder Spion-Gefühl (je nach Charakter) sei ihnen gegönnt. Alle Real-Name-User kann ich nur beglückwünschen: Dass sie erstens in ihrer Aufrichtigkeit so sicher sind, dass sie kein Versteckspiel brauchen, und dass sie zweitens so sie selbst sind, dass sie nur ein Ich haben, das keinen zweiten Namen braucht.
 
R

Ruth-Marion Flemming

Gast
Hallo jon,

gegen einen Nicknamen als solchen ist ja gar nichts einzuwenden. Das „Spielchen“ kann wirklich ganz „lustig“ sein. Nur muß man irgendwo einen Hinweis auf die Identität finden können, etwa im Profil. Dann wäre die Sache schon in Ordnung. Freilich, auch das Profil ist in dieser Hinsicht meist derart mager, daß man gut und gern darauf verzichten kann.

Mit „unanonymen“ Grüßen
Ruth
 

Criss Jordan

Mitglied
Noch mal: Hi, Markus
Ich hab noch mal drüber nachgedacht, über die Namen in den Geschichten, mein ich. Vielleicht SOLLTE man nicht unbedingt bedeutungsvolle Name geben, weil, wer versteht schon die Bedeutung?? Ich mein: Das mit Phoebe-Phobie ist ja noch nachvollziehbar, aber schon das mit dem Pilz, wer weiß das schon, als Literatur-Interessierter muß ich da unbedingt auch botanische, zoologische oder was weiß ich für Fachterminologie kennen?? Wenn ich mein Forschungs-Schiff (um die Namensmöglichkeiten mal zu erweitern) VENTANA nenne, wer weiß schon, daß das FENSTER heißt? Wohl die wenigsten.
Wenn ich mein Herzeblut an einen Namen hänge, nur damit er paßt, kann ich mir dann sicher sein, daß einer, der diese meine "Fach"-Kenntnisse nicht hat, meine Geschichte auch noch so versteht, wie ich sie meine? Ich denke, Literatur sollte nicht nur mit Insider-Wissen verstanden werden können. Kann aber auch sein, daß ich damit falsch liege...
Sach ma du...
MfG
Criss
 

Markus Veith

Mitglied
Charakter-Starthilfe und zum Verständnis von Bedeutungen

Wow, jetzt kommt es hier endlich in die Gänge. Ein toller Beitrag, Jon, wirklich, ich bin begeistert. Du hast vollkommen recht, wenn du sagst, dass man das eigene Kind auch mit völlig anderem Namen lieben würde. Was mich jedoch häufig wundert, ist der Effekt, dass ich noch nie einen Menschen getroffen habe, der n i c h t zu seinem Namen paßte. Geht euch der Gedanke auch manchmal durch den Kopf? Ich bin überzeugt davon, dass ein realer Mensch, der von Geburt an einen adelig klingenden Namen besitzt, aber aus ärmlichen Verhältnissen stammt, ein adeliges Wesen annimmt, einfach, weil er seinen Namen hat. Es scheint so, als w ü c h s e ein Mensch in seinen Namen hinein. (Aristoteles würde mich vielleicht bestätigen. Wäre eigentlich mal eine extra Geschichte wert. Ein Mensch, der n i c h t zu seinem Namen paßt.)
Erdachte Gestalten laufen jedoch Gefahr, ihrem Namen nicht wirklich gerecht zu werden, wenn man ihnen nicht die Gelegenheit gibt, in ihn hineinzuwachsen. Und diese Gelegenheit glaube ich, meinen Gestalten durch eine Bedeutung geben zu können, die schon einmal die Richtung vorgibt, in die sie sich entwickeln sollen. Eine Art Anschubser oder Starthilfe. Ich habe Geschichten gelesen, bei deren Figuren ich dachte, nein, da stimmt etwas nicht. Und warum? Weil der Autor einen Namen genommen hat, den er ‚nur' schön fand und nicht danach auswählte, zu dem jeweiligen Charakter zu passen.
Versteht ihr, was ich meine? Ich glaube, dass der pure, schöne, meinetwegen auch poetische Klang noch lange nicht den Charakter ausmacht.

Nun zu deinem Beitrag, Criss, der mich auch sehr gefreut hat, weil du dir echt Gedanken über das Thema gemacht zu haben scheinst. Trotzdem, ich möchte dir zustimmen und dir gleichzeitig widersprechen. Zum Verständnis von Bedeutungen:
Natürlich muß kein Schriftsteller mit umfangreicher Kenntnis sämtliche Wissensgebiete abdecken, nur um Anspielungen nutzen zu können. - Aber wie wertvoll ist es doch, w e n n man es k a n n. - Ich vergleiche es mal mit Asterix-Comics. Vielleicht ist es dir auch so ergangen. Ich habe noch niemanden getroffen, der gleich beim ersten Lesen eines Albums sämtliche Anspielungen, die Uderzo und Goscinny eingebaut haben, erkannt hat. Jedes Asterix-Heft ist gespickt mit Wortspielereien und Seitenhieben auf Politik, Zeitgeschehen und Weltgeschichte. Ich entdecke immer noch Kleinigkeiten, obwohl ich die Hefte seit Jahren auf dem Küchentisch liegen habe, um sie beim Essen zu studieren. (Ich weiß. Das ist ungesund.) -Die beiden Asterix-Väter haben nie auch nur mit einer Silbe auch nur eine Anspielung erklärt. Warum auch? Es macht mir als Leser viel mehr Spaß, selbst hinter die Subtexte und -bilder zu kommen. Diesen Effekt finde ich höchst faszinierend und möchte ihn selbst erreichen. Es ist mir überhaupt nicht maßgeblich wichtig, ob man Anspielungen in meinen Texten hundertprozentig versteht. Viel mehr möchte ich, dass diejenigen, die das entsprechende Hintergrundwissen haben, lesen, kapieren und über die Erkenntnis schmunzeln. Das klingt nun vielleicht angeberisch, ist aber nicht so gemeint. Wer "Löwenzähnchen" liest und erkennt, dass der Name des Pilzes Amanito eine Abwandlung der botanischen Bezeichnung verbirgt, der wird sich - so hoffe ich - ebenso über diese kleine Erkenntnis freuen, wie der Asterix-Leser, der begreift, dass der Namen des CircusMaximus-Moderators Francocampus nichts anderes ist als die lateinische Übersetzung des früheren Fernseh-Moderators Peter Frankenfeld. (Ja, dieses Beispiel ist nicht das beste, ich weiß. Hier hat der deutsche Übersetzer des Heftes gute Arbeit geleistet, doch im Original hat Goscinny einen entsprechenden Gag eingebaut.) Wenn man es beim Lesen nicht versteht, ist es nicht schlimm. Hauptsache, es ist subtil genug, dass es Leser nicht aus dem Fluß reißt. Doch w e n n sie es verstehen, ohne dass es erklärt werden muß, so fände ich das schön.
Mit literarischen Grüßen
Markus Veith
 



 
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