Neuanfang - aufregend anders

Der schneidende Wind schlug Andrew entgegen, als er die Wagentür öffnete und ins Freie trat. Er atmete tief durch und ließ den Blick schweifen. Südengland hatte Mitte Oktober etwas raues, kaltes – was hatte ihn nun doch wieder hierher getrieben? An diesen Ort wo alles begonnen hatte, dorthin wo er das größte Glück seines Lebens erlebt hatte und dahin zurück, wo vor nunmehr drei Jahren alles auf einmal vorbei war.

Das Leben des mittlerweile Sechsunddreißigjährigen hatte sich schlagartig geändert, als Diane ihm damals von heute auf morgen eröffnete hatte, dass sie sich scheiden lassen wollte. Das junge Glück hatte nach ihrer Hochzeit nicht einmal zwei Jahre gehalten. Noch vor ihrem zweiten Hochzeitstag hatte die Blondine ihre Koffer gepackt und war zurück in die Anliegerwohnung ihrer Eltern gezogen.

Gedankenverloren schaute er auf die Wellen des Ärmelkanals, die sich an den Steinen brachen und schwelgte in Erinnerungen.

Begonnen hatte das Ganze schon kurz nachdem Andrew den Job an der Schule in Brighton angenommen hatte.Der damals achtundzwanzigjährige Mathematik- und Sportlehrer hatte nach einer neuen Herausforderung gesucht und war aus Liverpool in die Küstenstadt Brighton gekommen. Der Job mit den Teenagern machte ihm Spaß, von den neuen Kollegen wurde der junge Mann mit offenen Armen empfangen und genau aus diesem Grunde hatte Andrew sich hier auch gleich heimisch gefühlt.

Diane unterrichte ebenfalls die „SixthForm", also die Oberstufe, an der High School. Mit der jungen Kollegin, die gerade ihr Referendariat beendet hatte verstand Andrew sich auf Anhieb und auch sie schien ihm nicht wirklich abgeneigt zu sein. Man unterhielt sich in den Pausen, tauschte sich aus und näherte sich dadurch immer weiter an. Man schien auf einer Wellenlänge zu liegen, wie man so schön sagte. Das erste Date ließ nicht allzu lange auf sich warten und der großgewachsene sportliche Mann spürte schnell, wie groß die Anziehungskraft der attraktiven Kollegin war. Auch Diane konnte ihm nicht wirklich widerstehen,obwohl sie zu Beginn skeptisch gewesen war. Er sah umwerfend aus! Andrew war sportlich, grüne Augen, dunkelblonde Haare und ein Lächeln, das selbst einen Eisblock in Sekunden zum Schmelzen bringen konnte. Mit seinen knappen eins-neunzig war er natürlich ein Frauenschwarm und somit hatte die junge Frau anfangs ihre Zweifel, ob man einen solchen Mann für sich alleine haben würde. Er flirtete oft und gerne und die Damenwelt lag ihm schnell zu Füßen. Auch wenn er immer wieder versicherte, dass er sich nichts dabei dachte und andere Frauen ihn nicht interessierten, behielt Diane ihn skeptisch im Auge. Das größte Problem damals war die Tatsache, dass er mit etlichen seiner vorwiegend weiblichen Schülerinnen in einem sozialen Netzwerk befreundet war. Musste so etwas sein? Diese Frage hatte sich die Blondine wohl gefühlte einhunderttausend Mal gestellt und nicht nur einmal war es genau deshalb zum Streit zwischen ihnen gekommen.Drew sah sich immer als Kumpeltyp und punktete damit bei seinenSchülern – eine Tatsache, die er bis Heute auch so beibehalten hatte – aber die immer wieder für schlaflose Nächte bei Diane gesorgt hatte, weil sie sich fragte, ob da nicht doch mehr dahintersteckte, als er zugab. So konnte man doch nicht die nötige Distanz zu den Schülern wahren und ihrer Meinung nach ging durch dieses Verhalten auch jeglicher Respekt verloren. Andrew sah das natürlich vollkommen anders und genau deshalb gerieten die Beiden schon vor einer festen Beziehung immer mal wieder aneinander. Trotz aller Zweifel ließ sich die junge Lehrerin darauf ein und schwebte schon bald gemeinsam mit ihm auf Wolke sieben. Er war der perfekte Mann, der sie mit seinem Charme und seiner zeitgleichen Dominanz vollkommen um den Finger wickeln konnte. Warum war ein solcher Moment irgendwann vorbei? Warum konnte man nicht ewig diese Verliebtheit fühlen, die zu Beginn einer neuen Beziehung so präsent war, dass man die Realität vergaß? Niemand vermochte heute noch zu sagen warum die Magie des Augenblicks dann doch so schnell verflogen war.Bis zu ihrer Hochzeit hatten sie geglaubt, das nichts und niemand sie je wieder trennen könnte. Die Beiden waren verliebt wie am ersten Tag, als sie sich nach zweieinhalb Jahren Beziehung am 01. August das Ja-Wort gaben. Die Sonne schien vom blauem Himmel und irgendwie hätte man dies doch als perfektes Omen deuten können. In der Tat hatten sie geglaubt, was sie sich schworen: Glücklich – bis das der Tod sie scheiden würden. Doch es kam anders. Noch immer arbeiteten sie zusammen und der frischgebackenen Miss McAllister blieb natürlich nichts verborgen. Kurz nach ihrer Hochzeit begann sie damit Andrew zu kontrollieren. Sie bekam mit wie seine Schülerinnen über ihnsprachen und die Eifersucht kochte immer weiter in ihr hoch. „McSexy"wurde er oftmals auf dem Pausenhof genannt, wenn er es nicht mitbekam. Diane hörte die älteren Schülerinnen darüber sprechen,wie heiß ihr Mann in seinen Sportsachen aussah und nicht nur einmal bekam sie mit, wie sich die jungen Mädchen fragten, warum er sich für die unscheinbare Geschichtslehrerin entschieden hatte, wenn er doch auch bei einer von ihnen gute Chancen gehabt hätte. Siezweifelte an sich, stellte Drews Liebe und Treue in Frage und verfluchte seine offene und charmante Art, die er allgegenwärtig an den Tag legte. Es war einfach nicht angebracht in ihren Augen und so gab es immer wieder neuen Zündstoff für einen handfesten Streit nach Feierabend.

Andrew seufzte tief, zog den Reißverschluss seiner Jacke noch etwas weiter nach oben und schützte sich dadurch gegen den eisigen Wind, der ihm immer noch entgegenschlug. Er lehnte sich an seinen Wagen und stellte sich abermals die Frage, ob es richtig gewesen war wieder hierher zukommen.

Der junge Mann strich sich die Haare aus der Stirn, die der Wind dorthin wehte und schaute auf das aufgewühlte Wasser, das sich in immer wiederkehrenden Wellen an derfelsigen Küste brach. Noch immer hing der Lehrer seinen wirren Gedanken nach und stellte seine Entscheidung nach wie vor in Frage. Warum zweifelte er so? Er hatte das Angebot einer High School hier in Brighton bekommen nachdem sein Vertrag in London ausgelaufen war. In der englischen Hauptstadt hatte er die letzten drei Jahre verbracht und hätte man seinen Vertrag verlängert, wäre der junge Mann mit den schottischen Wurzeln auch gerne dort geblieben, doch so hatte ersich nach einer Alternative umsehen müssen. Viele Bewerbungen hatte er gar nicht geschrieben und das ihn ausgerechnet eine Schule in Brighton einstellte hätte er sich auch nicht träumen lassen. Aber nun war er wieder hier und all die Erinnerungen an Diane und ihre gemeinsame Zeit waren präsenter denn je. Er schloss seine Augen und in Sekundenbruchteilen, waren seine Gedanken wieder bei ihr und mittendrin.

Er dachte an ihre Hochzeit. Vielleicht hatten sie doch nicht die besten Voraussetzungen für eine gemeinsame Zukunft, aber soweit hatte keiner von ihnen gedacht. War es am Ende möglicherweise sogar ihre permanente Eifersucht, die ihn veranlasst hatte, um ihre Hand anzuhalten? Wollte er ihr damit vielleicht nur beweisen, dass er nur sie liebte und sie ihm vertrauen konnte? Hatte sie vielleicht auch nur deshalb ’Ja’ gesagt, als er vor ihr auf die Knie gegangen war? Nur um ihn auf ewig an sich binden zu können und um noch mehr Einfluss auf sein Leben ausüben zu können?

Es war an Silvester gewesen – sie hatten genau hier gestanden, am Brighton Pier. Ihr Blick war auf die Küste gerichtet und dank einer klaren Nacht war das Glitzern der Raketen beinahe magisch. Der perfekte Moment! Andrew war in dieser Hinsicht mehr als traditionell. Beim Weihnachtsessen mit ihrer Familie hatte er bei ihrem Vater um ihre Hand angehalten und Sean Jenkings hatte ihn nach erster Überraschung väterlich in die Arme geschlossen. An seine Worte erinnerte Drew sich noch heute, als wäre es erst gestern gewesen, das Sean sie gesagt hatte: „Mein Junge –endlich... Natürlich, ich freue mich für euch und weiß, dass du meine Tochter glücklich machen wirst!" Dann wanderte sein Blick in den Nebenraum, wo man Dianes liebenswertes Lachen hören konnte.

„Sie ist so glücklich mit dir!" lächelte ihr Vater und wirkte ebenfalls zufrieden, wenn auch leicht sentimental. So war das wohl, wenn die eigene Tochter erwachsen wurde und heiraten wollte. Eine Vater-Tochter Beziehung war doch in gewisser Weise etwas besonderes und wahrscheinlich auch etwas unergründliches. Diane war Einzelkind, was es ihrem Vater unter Umständen nur noch schwerer gemacht hatte loszulassen, doch in seinen Augen war Drew der perfekte Schwiegersohn. Das Andrew diesen hohen Erwartungen doch nicht entsprechen konnte ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Mit Mr. Jenkings Segen fasste Andrew deshalb in der Silvesternacht all seinen Mut zusammen, den Ring hatte er schon einige Wochen vorher gekauft und in dieser Nacht war es soweit.Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er vor ihr stand und ihr seine Liebe abermals gestand. Sie lächelte, schien zu ahnen was kommen würde und als er sich hinkniete konnte man das Glänzen in ihren Augen erkennen. Ihre Tränen ließen auch den jungen Lehrer schlucken und er selbst kämpfte mit seinen überwältigenden Emotionen, als er sie fragte, ob sie seine Frau werden wollte.

Nach einer kurzen Pause, in der man nicht mal mehr das Knallen des Feuerwerks wahrnahm hauchte sie ein’Ja’, zog ihn wieder hoch und versank in einem innigen Kuss mit ihm.Dieses Glück und diese wunderbaren Gefühlen ließen sich gar nicht mehr in Worte fassen, aber man konnte dem Strahlen der Beiden entnehmen, dass es überwältigend sein musste, was in ihnen vorging.

Ein Hochzeitstermin war schnell gefunden. Diane bestand darauf einen ganz besonderen Tag, als Hochzeitsdatum zu nehmen und so fiel die Wahl auf den 01. August. Die beiden frisch Verlobten verbanden einige Erinnerungen mit diesem Tag und das Datum war mindestens genauso magisch, wie diese Nacht. Das es kein Glück bringen würde lag sicherlich nicht an der Terminwahl und noch rechnete auch keiner damit, dass das junge Glück nicht für die Ewigkeit gedacht war. Die Zeit bis zur langersehnten Hochzeit, die einem zu Beginn noch endlos vorkam, verging schneller als gedacht.Die ganzen Vorbereitungen spannten sie vollkommen ein. Hier stellte Diane ihr Organisationstalent voll unter Beweis und plante alles perfekt bis in jedes noch so kleine Detail. Dinge, die Andrew nicht einmal im Traum eingefallen wären hatten für sie eine riesengroße Bedeutung. Er war wirklich froh, dass sie sich um all diese Dinge kümmerte, wenn er es in die Hand genommen hätte wäre schon die Vorbereitung kläglich gescheitert und die Hochzeit sicherlich in einem Desaster geendet. Auf einmal und eh man sich versah war ihr großer Tag gekommen. Auch hier hatten sich die Beiden an Traditionen gehalten. Am letzten Wochenende waren beide getrennt voneinander unterwegs gewesen, um ihren Junggesellenabschied zu feiern und auch die letzte Nacht hatten sie nicht zusammen verbracht.

Wieder drang ein leises Seufzen über Drews Lippen, als er seine Diane wieder vor dem inneren Auge sah. In ihrem bodenlangen weißen Kleid mit den roten Verzierungen. Sie sah aus wie eine Prinzessin, strahlte und stellte alle anderen in denSchatten. Mit klopfendem Herzen hatte Andrew dagestanden und gewartet, als sie an der Seite ihres Vaters den Gang entlang schritt und schließlich seine Hand ergriff.

Es war wirklich so wie man sagte, der schönste Tag in ihrem Leben und nach dem Ja-Wort wurde mit den rund siebzig Gästen bis spät in die Nacht ausgelassen gefeiert.

Das Rauschen der Wellen, die sich anden Steinen brachen lenkten Andrews Erinnerungen nun zu ihren Flitterwochen, die sie damals auf den Malediven verbracht hatten. Es war so unwirklich gewesen, aber zeitgleich einfach nur traumhaft. Trotz der eisigen Kälte konnte er förmlich den weichen, heißen Sand wieder unter seinen Füßen spüren. Seine Erinnerungen zeigten ihm, wie er mit Diane auf der kleinen Terrasse vor dem Bungalow saß und dann wieder Hand in Hand mit ihr am Strand entlang rannte, um wenig später in das kristallklare Wasser des Indischen Ozeans einzutauchen.

Hier hatten sie auch das erste Mal darüber gesprochen eine Familie zu gründen und damit ihr gemeinsames Glück vollkommen zu machen. Das auch dies nur einVersuch war Drew weiter an sich zu binden und ihre krankhafte Eifersucht in den Griff zu bekommen war damals noch keinem von ihnen wirklich bewusst. Unterschwellig war das möglicherweise Dianes Plan, doch richtig realisiert hatte sie es damals sicher selbst noch nicht. Sie wollten es zum damaligen Zeitpunkt beide und zu dieser Zeit dachte auch niemand nur im Traum daran, dass ihr Glück schon bald vorbei sein sollte.

Heute konnte man wohl von Glück reden, das Diane nicht schwanger geworden war. Sie hatten es probiert, aber der Kinderwunsch war unerfüllt geblieben. Möglicherweise hatte es an Dianes Verbissenheit gelegen. Sie wünschte es sich so sehr, dass sie sich allein mit dem Gedanken an ein Kind wohl zu sehr unter Druck gesetzt hatte. Das war zumindest die einzig logische Erklärung, die ihnen diverse Ärzte liefern konnten, nachdem sie sich gut ein Jahr nach ihren Flitterwochen untersuchen lassen hatten, weil es einfach nicht klappen wollte. Der Wunsch nach einem Baby war so groß und aus medizinischer Sicht gab es auch nichts, was dagegen sprach.

Schon zu dieser Zeit schienen in ihrer Beziehung dunkle Wolken aufzuziehen. Diane schien Streit zu suchen, ließ ihre Frustration über den unerfüllten Kinderwunsch immer häufiger an Drew aus und verkroch sich immer weiter und tiefer in ihrer eigenen Welt. Sie war lustlos, distanzierte sich von Freundinnen, die schwanger wurden und zog sich mehr und mehr zurück. Die junge Frau veränderte sich. Sie hatte keine Lust irgendetwas zu unternehmen, saß nach der Arbeit oft alleine zu Hause und beschwerte sich über vieles was Drew tat. Recht machen konnte er es ihr schon lange nicht mehr, wenn er zum Sport ging maulte sie ihn an, hielt ihm mangelndes Interesse an ihrer Person vor und versuchte ihm ein schlechtes Gewissen einzureden. Zunächst mit Erfolg, aber nachdem er auf vieles verzichtete, was ihm wirklich am Herzen lag, kam auch bei ihm Unzufriedenheit auf. Die logische Konsequenz daraus waren neue Streitigkeiten.

Egal was er sagte, sie hatte Gegenargumente, egal was er tat, es passte ihr nicht.

Das Ganze zog sich über einige Wochen, bevor sie gemeinsam entschieden, das es so nicht weitergehen konnte. Man entschied sich dazu einen gemeinsamen Urlaub zu verbringen. Ein Tapetenwechsel war dringend nötig und vielleicht würde man dort auch ein wenig Ruhe und Entspannung finden. Etwas, das Beide so sehr brauchten. In der Tat ging dieser Plan auf. Die vierzehn Tage, die sie auf Teneriffa verbrachten sorgten dafür, dass sie sich wieder näher kamen. Manchmal war es eben doch richtig dem Alltag zu entfliehen und einfach mal die Seele baumeln zu lassen. Auf der Kanareninsel war alles anders, sie unternahmen viel und konnten dadurch zunächst alles vergessen, was ihren Alltag daheim überschattet hatte. Man sagte nicht umsonst, das man Probleme ansprechen musste, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Genau das tat das junge Paar. Es hatte nicht nur einen abendlichen Spaziergang am Strand gegeben, stundenlange Gespräche und Tränen inklusive. Dieser Neuanfang, wie die Beiden ihn nannten war der richtige Weg. Zumindest für den Augenblick waren die Verliebten dieser Meinung. Auch nach ihrer Rückkehr schienen sie noch davon überzeugt zu sein und augenscheinlich ging ihr Plan auch auf.

Allerdings war ihr Glück nicht mehr von langer Dauer. Gute sieben Monate später fiel Diane wieder in alte Muster zurück. Sie war lethargisch, verfiel in Depressionen, weil sie sich nicht als richtige Frau sah solange sie nicht schwanger war und natürlich machte sie Andrew für diese Misere verantwortlich.

Resignierend versuchte er immer wieder das Gespräch zu ihr suchen, scheiterte aber gnadenlos daran. Zu dieser Zeit fing sie auch wieder an ihn zu kontrollieren. Anfangs wusste er nichts davon, doch er sollte noch herausfinden, dass sie seinen E-Mail Account, sein Handy und das soziale Netzwerk durchstöberte, weil sie ihm unterstellte etwas mit einer anderen Frau zu haben.

Es war ein Abend im April, als er sie nach dem Joggen dabei erwischte, wie sie sich durch sein Profil und seine Nachrichten in dem sozialen Netzwerk klickte, in dem er angemeldet war.

Fassungslos starrte er sie an, stellte sie zur Rede und wurde zum ersten Mal in ihrer Beziehung wirklich laut. Genau das legte sie ihm natürlich so aus, als hätte er was zu verbergen und überschüttete ihn mit haltlosen Vorwürfen. Diane unterstellte ihm, dass er nicht so ausrasten würde, wenn er nichts zu verbergen hätte und das sie es gleich gewusst hatte, das er nicht treu wäre und die kleinen Mädchen aus der Schule vögelte, kaum das sie ihm den Rücken zudrehte.

Andrew kochte und ließ derartige Verleumdungen natürlich nicht auf sich sitzen. Nie, niemals hätte er eine seiner Schülerinnen angefasst! Er verschwendete nicht einen Gedanken an eine andere Frau und umso verletzter war er von Dianes Worten. Wie konnte sie ihm so etwas vorhalten? Kannte sie ihn wirklich so wenig, das sie derartige Vermutungen anstellte? Verletzt warf er ihr seinerseits auch einiges an den Kopf, was ihm im Nachhinein wirklich leid tat und wofür er sich auch ein paar Stunden später entschuldigte, während er vergebens darauf wartete, das sie ihr eigenes Verhalten ebenfalls bereute und es ihm gleichtat.

Irgendwie rauften sie sich dennoch wieder zusammen, doch die Beziehung hatte einen tiefen Riss und schon zwei Wochen später brach sie den nächsten Streit vom Zaun, weil sie ihn nach der Schule gesehen hatte, wie er mit einer Schülerin gesprochen hatte. Sicher tat er das – er war Lehrer, da war es normal, dass man nach dem Unterricht mit dem ein oder anderen Schüler ein Wort wechselte, eine Frage beantwortete und einfach nur zuhörte, wenn man um Rat gefragt wurde. Wer, wenn nicht Diane, sollte das verstehen können? Bei ihr war es doch nicht anders.

Ihrer Meinung nach wäre das aber etwas ganz anderes. Als er sie darauf ansprach beharrte sie darauf, er hätte mit dem Mädchen geflirtet und sie wüsste ganz genau was da ablief. Nein, sie wusste gar nichts und langsam kam es Drew so vor, als suchte sie nur nach Gründen sich mit ihm zu streiten. Warum hatte sie ihm keinerlei Vertrauen entgegenbringen können? Noch nie hatte er ihr einen Grund dazu gegeben an seiner Ehrlichkeit und Treue zu zweifeln. Er wusste nicht mehr weiter, denn derartige Vorwürfe könnten ihm beruflich schaden und ihn seinen Job kosten. Sie musste damit aufhören!

Genau das tat Diane auch, allerdings anders als er gedacht, erwartet und gehofft hatte. Ein paar Tage später packte sie unter Tränen ihre Sachen, eröffnete ihm das ihr Anwalt bereits eingeschaltet wäre und sie die Scheidung wollte. Was? Das war nun wirklich ein Schock für den jungen Lehrer. Sicher hatten sie Probleme, aber man konnte doch über alles reden und eine Ehe war nun mal nicht immer eitel Sonnenschein. Es gab Höhen und Tiefen, die man seiner Meinung nach gemeinsam meistern musste. An gelösten Problemen wuchs man und zusammen konnte man alles schaffen, wenn man es wollte. Doch sie wollte nicht! Dianes Entschluss stand fest und davon ließ sie sich auch nicht mehr abbringen. Andrew redete auf sie ein, bat sie darum noch einmal nachzudenken und vernünftig in aller Ruhe mit ihm zu reden. Vergebens, sie zog zurück in die Anliegerwohnung ihrer Eltern und ließ ihn alleine zurück. Vor Problemen wegrennen schien in ihren Augen der richtige Weg zu sein und daran konnte Andrew zu seinem eigen Bedauern nichts ändern. Er musste ihre Entscheidung hinnehmen und seinerseits damit klarkommen. Es fiel ihm nicht leicht sich mit der neuen Situation zu arrangieren,weil er Diane, trotz ihrer Macken, noch immer liebte. Doch das Leben ging weiter und das war auch Drew bewusst.

Es dauerte auch nicht lange bis dieTrennung an der Schule die Runde machte. Flurfunk funktionierte eben überall. Gerade am Anfang war es für die beiden Lehrer auch nicht leicht, sich weiterhin auf der Arbeit zu begegnen. Sie wussten nicht wie sie miteinander umgehen sollten, versuchten sich so gut wie eben nur möglich aus dem Weg zu gehen und sprachen nur das Nötigste miteinander. Allerdings musste man ihr wohl hoch anrechnen, dass sie ihre haltlosen Beschimpfungen und Unterstellungen für sich behielt. Nicht ein Wort zu Andrews angeblichen Techtelmechteln mit denSchülerinnen, keine Erklärungen warum man sich getrennt hatte. Es ging auch niemanden etwas an und sowohl Andrew als auch Diane schwiegen sich darüber aus, wenn es doch mal Jemand wagte sie darauf anzusprechen.

Trotz allem wurde die gemeinsame Arbeit unerträglich. Schlussendlich war es Andrew, der seine Konsequenzen aus der Sache zog. Er suchte sich einen neuen Job und brach die Zelte in Brighton ab. Er musste hier einfach weg, weg von Diane, weg aus Brighton und vor allem weg von all diesen Erinnerungen. Es war einfach nicht zu ertragen seiner großen Liebe jeden Tag so nah zu sein und doch zu wissen, dass es nie mehr so sein würde wie früher.

Nun war er doch wieder hier und fragte sich, wie es Diane wohl ging. Warum ihn diese Frage beschäftigte wusste er selbst nicht so genau. Das letzte Treffen hatte vor Gericht stattgefunden, als ihre Scheidung amtlich geworden war. Danach warder Kontakt komplett abgebrochen, obwohl Andrew wenigstens zu ihrem Geburtstag und an Feiertagen anfangs versuchte hatte anzurufen und ihren Anrufbeantworter vollgetextet hatte. Später hatte er sich darauf beschränkt eine Mail oder SMS zu schreiben, aber auch diese waren unbeantwortet geblieben, bis auch diese Art von Kontakt komplett eingeschlafen war.

Würde er sie wiedersehen? War sie im Gegensatz zu ihm in einer neuen Beziehung? War sie möglicherweise nun sogar schon Mutter und glücklich in ihrem neuen Leben?

Diese Dinge beschäftigten den jungen Mann mehr als er sich selbst eingestehen wollte. Und auch wenn er an einer anderen Schule unterrichten würde hieß das nicht, dass man sich nicht zufällig über den Weg lief. Wie würde sie auf ihn reagieren? Brighton war zwar sicherlich kein Dorf, aber Möglichkeiten sich zu begegnen gab es dann doch unzählige. Ihm war durchaus bewusst, das es immer und überall möglich sein könnte, vorausgesetzt sie lebte noch immer hier. Irgendwie war genau dieser Gedanke im Augenblick mehr als erschreckend für ihn. Sie waren verheiratet gewesen und heute wusste er rein gar nichts mehr von ihr.

Er fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht, als könnte er so seine Gedanken beiseite wischen. Das hier war ein Neuanfang und diesen sollte er auch nutzen ohne über das ’was wäre wenn’ nachzudenken.

Das nahm er sich zumindest nun auch für den Augenblick vor, ob es klappen würde und welche Überraschungen das Schicksal noch für ihn bereithalten sollte, würde die Zeit zeigen.

Der Himmel war wolkenverhangen und so wunderte es ihn nicht, als dann auch erste Regentropfen auf seine Haut trafen. Zeit zu gehen. Er richtete einen letzten Blick auf die Küste, atmete hörbar aus und stieg wieder in seinen Wagen, um den Heimweg anzutreten. Heimweg, wie das klang – er war nun knapp eine Woche wieder hier, morgen wäre sein erster Tag an der neuen Schule, aber zu Hause fühlte er sich hier noch lange nicht.

Unterschwellig hatte er sogar das Gefühl hier nicht willkommen zu sein und stellte nicht zum ersten Mal seine Entscheidung, ausgerechnet wieder hierher zurückgekommen zu sein, in Frage.

Aber es war zu spät für Zweifel, der Vertrag war unterschrieben und er konnte auch nicht ewig vor seiner Vergangenheit fliehen. Dieses Kapitel war zu ende und ein neues würde nun beginnen. Etwas worauf man sich freuen sollte.

Niemand wusste was der nächste Tag bringen würde, doch meist waren es zufällige Begegnungen und Kleinigkeiten, die zum großen Glück führten und das Leben lebenswert machten.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo KirstyMcCallen, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq

Eine traurige Geschichte, die Du noch lebendiger gestalten könntest. Wörtliche Rede, mehr Individuelles, keinen reinen Bericht-Stil, mehr Emotionen schildern. Oder nur eine Szene ganz ausgestalten. Das als kleine Tipps zur Verbesserung.


Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 



 
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