New Orleans

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ENachtigall

Mitglied
Doktor John verschrieb ein starkes
Abführmittel für die Nerven.
Und etwas Blaues
vom Himmel.
Eine Mutter-Kind-Kur
würde noch keinen Sommer machen.

Die Kinder mögen keine Einäscherungen;
Verbrennen wäre nicht gut
für den Kopf.
Und Horst-Hedwig, die Katze, frißt
Alles in sich rein.

Die Küche riecht frisch
nach Erbrochenem.
Aufgewärmt schmecken Wortlawinen
erst recht nicht.
Ich müsste mal
Meister Propper einladen.

Aber eigentlich will ich nur zurück
nach New Orleans.
 
Man könnte den Text vielleicht

durch ein wenig noch-sensiblere Wortwahl (noch etwas "kantiger" formulieren) noch etwas aufwerten!?
Das Thema, die Aussage(n) und die Tiefgründigkeit gefallen mir hier äußerst.
 

Inu

Mitglied
Hallo Nachtigall

Was willst Du mit dem GEdicht sagen? Ein paar kleine Anhaltspunkte würden mir sicher helfen. Ich verstehe hier nur Bahnhof. :(

Und warum "Du" bei all den Ungereimtheiten ausgerechnet nach New Orleans willst ( beim Hören des Namens denk ich noch immer an die Überschwemmungskatastrophe und sonstige Kalamitäten ), ist mir schleierhaft.

Weiß auch nicht, was Waldemar sich bei seinem Kommentar gedacht hat.

LG
Inu
 

ENachtigall

Mitglied
Danke für die Kommentare.

@ Waldemar: danke für´s "wirken lassen" und Gefallen daran finden. Ich verstehe, was Du meinst, mit "noch etwas kantiger" formulieren. Ich werde es mit Abstand nachbehandeln (sofern die Kreativität mitspielt - sie ist ja manchmal auch scheu). Das Ungehobelte ist durchaus gewollt.

@ Inu: Verzeih, wenn mir die Frage nach dem "was damit sagen wollen" immer ein Schmunzeln entlockt; ich kann es Dir aber nachfühlen, das unsortierte Gefühl, das einen Leser befremdet, wenn er keine Anhaltspunkte findet.
Das Grundthema ist: zweifelhafte Führungskraft einer Kleinfamilie am Rande des Nervenzusammenbruchs. Sequenzartig tauchen Spitzen des persönlichen Grauens auf, schon frazenhaft verzerrt (Kleinkinder, die über das Für und Wieder von Bestattungsarten reden, fressüchtige Haustiere, anwachsendes Chaos, Wortewälzen, das wiederwärtig wird), und am Ende: Realitätsflucht. Der Wunsch nach einem (unmöglichen) Zurück in eine verherrlichte aber verfluchte Vergangenheit. Daher New Orleans. Ja die Zerstörung durch die Flutkathastrophe. Und die Musik. (Dr.John/Goin´Back To New Orleans 1992 Warner Bros. Records Inc.)
Wie fast alle meine Texte hochgradig autobio.
Danke für´s Nachfragen Inu!

Ich grüße Euch herzlich
Elke
 

Inu

Mitglied
Hallo Nachtigall

Jetzt wo Du es erklärst, ist natürlich das Verständnis leichter. Ein geliebter Song über New Orleans ... aber wie man den in poetisch-legitimen Zusammenhang bringt mit der kotzenden Katze, irgendwelchen Einäscherungsüberlegungen nerviger Sprösslinge und Mister Proper wird mir ewig ein Rätsel bleiben

Ich kann ein solches Gedicht nicht gut heißen, in dem willkürliche Gedanken sich ohne Aufbau und ohne Zusammenhang aneinander reihen, das kann recht auffallend klingen, aber es reicht mir nicht, es tönt da irgend etwas hohl, was keinen 'Nährwert' hat, weder für den Geist, noch fürs Gemüt.

NEIN! ich mag den Text, so wie er ist, nicht.

Du sagst: hochgradig autobiografisch.
Vielleicht zu autobiografisch für ein Gedicht??

---

Ganz abgesehen von meiner Kritik: Meinst du den Song, den auch Bob Dylan gesungen hat: house of the rising sun? gefällt mir auch sehr gut ;)


Noch was, wenn man geschickt ist, kann man alles mit allem verquicken. Aber so geht es ja nun auch nicht beim Dichten, oder??


Gruß
Inu
 
D

Denschie

Gast
hallo enachtigall,
ich habe nicht an einen song gedacht, deshalb
wäre meine einzige frage auch die nach new orleans gewesen.
ansonsten funktioniert das bild des stressigen
familienalltags aber sehr gut, finde ich.
was heißt schon "tiefgründig"? keine ahnung. einige
formulierungen sind witzig/raffiniert/unterhaltsam,
z.b.: "Und Horst-Hedwig, die Katze, frißt
Alles in sich rein." 1. lustiger name, 2. doppeldeutig-
keit von "etwas in sich hineinfresse", 3. anspielung
daran, dass haustiere oft übermäßig vermenschlicht
werden.
so entsteht für mich insgesamt eher ein überzeichnetes
bild, über sich selbst lachendes bild, das mir gut
gefällt.
viele grüße, denschie
 

Senta

Mitglied
Voll aus (m)einem Leben gezogen....
Es gab eine Zeit, da sorgten meine drei Söhne abwechselnd für "frischen Kotzgeruch".Da ist man gedanklich allabendlich in New Orleans oder wünscht sich ans Ende der Welt....

Da half nur Augen auf und durch.
Danke für die Erinnerungen,
hab rückblickend verständnisvoll gelacht;)

Senta
 
@ Inu

Der Text ENachtigalls ist ein Befreiungsschlag, heraus aus der konfusen und letztlich belanglosen, aber nervtötenden provinziellen Enge.
Er zerreisst einen während des Textverlaufs aufgebauten Nebel aus lauter im Grunde unlebbaren vordergründigen Alpträumen wie einen "bösen" Schleier, und dahinter scheint ein sonnendurchwirktes, subtropisches ElDorado auf.

Fast der gesamte Text schildert diese "atemlosen" Engen im Aufriss, und in der letzten Zeile dann die "ganz schlichte" Traumflucht daraus, die nachhaltige(!) Befreiung. (die ENachtigall scheinbar für in Realität unmöglich hält?).

Ich könnte mir den Text einfach umschreiben, und "mein NewOrleans" hieße dann zB "Cartagena de las Indias", oder "Bogotá", oder "Santiago de Irgendwas", oder "Costa Rica" u.ä.

"NewOrleans" ist nicht eine beliebige Stadt, eingebettet in subtropische Sumpflandschaften an einem Golf, der zur Karibik mit ihren Traum- und Alptraumwelten öffnet, es ist nicht nur die Stadt, die der Hilfsschüler Bush in einem Hurrikan auf grausame Weise vorsätzlich vergaß (weil dort "Schwarze" leben), New Orleans, das ist ein Universum für sich.
Das ist der unvollendete amerikanische Bügerkrieg mit der unvollendeten Sklavenbefreiung, das ist "La Fayette" und die unvollendete franz. Aufklärung auf amerikanischem Kontinent, NewOrlans ist auch das gelebte Epos eines Idealismus, eines lebenssprühenden Optimismus wider alle äußere Realität. Aus diesem Universum stammen Musikrichtungen, Literaturen und gegenständliche Kunst, die Abermillionen weltweit begeistern. NewOrleans sind auch die magischen Erlebenswelten afro-amerikanischer Mischkulturen, und es ist die serene Heimat einer sehr spezifischen Südstaaten-Mafia.

"La ciudad real New Orleans" ist der täglich vollzogene "zeremonielle" und lebendige Beweis, dass Leben sich gegen völlig desaströse Wirklichkeiten dennoch lachend durchsetzen kann, und dass alle Konfusionen nicht lebensfeindlich zu sein brauchen, sondern als Dynamiken aufgegriffen, sogar lebensfördernd sind.

Das Universum NewOrleans ist ein Gärtrog, aus dem -völlig ohne die zB deutsch-sterile und unfruchtbare Reformopathie von oben- von selbst, von unten her, im alltäglichen Leben, Zukünfte entstehen, und zwar nicht eine, sondern ganze "Planeten" davon. Dieser "Baum" ist überaus fruchtbar, hier erzeugt (mix-kulturelles) Leben wie in einem Kaleidoskop ständig neues Leben.

Es ist wohl kein Zufall, dass der textliche Befreiungsschlag aus einem alltäglichen eher unfruchtbaren Alptraum-Chaos ausgerechnet in dieses überaus fruchtbare Traumchaos "NewOrleans" verweist.

Natürlich kann, wer New Orleans nur als Stadt begreift, den vorgelegten Text nicht verstehen.
Und dass man gerade in BRD, in der nun wieder mal auf unnachahmlich deutschdichterdenker-Weise "Ausländer" halbtot geschlagen werden, ein multikulti-lebenssprühendes Universum wie NewOrleans nicht gut begreifen kann, liegt in der Natur der Sache.
 

Inu

Mitglied
Waldemar

Was Du über New Orleans schreibst, ist gut zu lesen.

Aber:
wenn Nachtigall nicht die Erklärung für ihr Gedicht NACHGELIEFERT hätte, so hätte hier kaum einer den Sinn und die Aussage begriffen. Das will ich jetzt einfach einmal behaupten.


Gruß
Inu
 
@ Inu

Es ist die Aufgabe des Lesers einen Text zu entschlüsseln, und "Kunst" zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie eben nicht profan-entschlüsselbar oder gar in ihrem Gehalt trivial sein sollte.

Ich hab den Text lediglich bis zum Ende gelesen, es wurde immer enger dabei, bis zum primitiv-platt-plastisch-ekelhaften "Meister Propper", und dann ging "von Zauberhand" eine Türe auf, und ich sah "ElDorado" im subtropischen Sonnenglast vor mir liegen, als "NewOrleans" an der richtigen Stelle = am Ende des Textes als Kulmination auftauchte und hatte bildhaftes NewOrleans-Erleben.
Und der Text weist im Sinne einer Regression-nach-vorne "zurück nach N.O.", also in eine Geborgenheit, d.h. "NewOrleans" als Geborgenheit erleben (wo ausgerechnet zB. Deutsche doch nur Amoklaufen könnten vor Unverständnis und Überfordertsein).

Wirkte bei mir ähnlich wie ein Drogen-bedingter Flashback.
Der Text "spuckte" mich aus engem Gewürgtwerden förmlich in "NewOrleans" hinein, ich brauchte mich nur lediglich auf den Text einzulassen und "bewusst" dabei gar nichts zu tun.

Dieser Text kann für denjenigen, der ihn versteht, eine Wortedroge für Fantasiereisen sein.
So richtig: Alltag, Alltag, Alltag, immer enger und drängender, und dann "schnaaf", geht ein Tor auf, und man erschaut (ein) "NewOrleans".
Selbst das Timing im Text ist richtig angesetzt, "richtig" = es funktioniert.
 

Senta

Mitglied
Super:Wortedroge für Fantasiereisen....!

Plötzlich stand ich wieder mitten im Geschehen.
Und war getroffen und Erinnerungen überfielen mich.
Wirkungsvoller kann Lyrik nicht sein,-New Orleans ist eben manchmal ne gute Fantasiedroge, oder Panama.....oder...
S.
 
@ GabiSils

Die Ehre gebührt ENachtigall, die dieses Erlebenkönnen mit ihrem Text ermöglicht hat, und sie gebührt natürlich "New Orleans de la Esperanza", dem "New NewOrleans" für seine neue Zukunft als "Macondo" am Golf von Mexiko.

----

"Macondo", am Golf von Darién/ Karibik, einem anderen Traum/Alptraum-Strand, aus G.GarcíaMarquéz, "Cien Anios de Soledad"
 

ENachtigall

Mitglied
@ alle

Ich finde gut, dass Denschie den Hauch von Selbstironie aufgespürt hat, Senta sich verständnisvoll und amüsiert zurückerinnert, Inu entschlossen am Nichtgefallen festhält und Waldemar dieses unnachahmliche Plädoyer für New Orleans und mein Gedicht beigesteuert hat.
Ja, es ist überlebenswichtig Fluchtpunkte zu haben, sich kraft Fantasie, Illusionen, Utopien, Spleens wenigstens zeitweise aus dem Sumpf zu erheben. Träume und Gedanken eilen Taten voraus. Und tatkräftig/vital möchte ich bleiben.

Liebe Grüße
Elke
 
hallo elke,

ich lese in deinem gedicht, der selbsterhaltungstrieb lehnt sich auf gegen erdrückt werden und wünsche de rprotargonistin das sie bald eine insel mit dem namen new orleans findet- guten, erholsamen schlaf wünsche ich.

heike
 
B

bonanza

Gast
holper di polter über new orleans gestolpert.
angesichts der bewertung und der resonanz hatte ich mir
mehr erwartet.

bon.
 

ENachtigall

Mitglied
@ Heike: ja, rette sich, wer kann, ist angesagt. Heftig und intensiv, wie ein Gewitter, sind die Krisen, aber ich weiß, dass sie nicht dauern; und dass auch das Glück gewaltig ist - wenn es mich trifft.

@ bon: große Erwartungen werden selten erfüllt. Die Resonanzen sind zum großen Teil auf Waldemars Stellungnahme zurückzuführen. Außerdem ist das "Hausfrauensyndrom" nicht unbedingt Dein Thema und der Titel - sogesehen - irreführend. Ich habe Verständnis für Deine Enttäuschung.

Gruß und Dank für´s Schreiben.

Elke
 



 
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