Nicht mehr schlau - Sonett

4,80 Stern(e) 5 Bewertungen

Walther

Mitglied
Nicht mehr schlau

Der Wechselwind vertreibt die Wärme: Staub
Rauscht aus dem Feld, gelblich fahl die Sonne.
Da trudelt in das Blickfeld eine Tonne,
Die aus dem Innern Abfall kotzt, ein Raub

Der Krähen, die die Sämereien missen.
Im halb verlassnen Brandenburg ist braun
Die meiste Farbe. Da muss man nicht weit schaun.
Das Land ist abgebrannt. Man ist beschissen.

Die Zukunft ist nicht wolkig. Sie ist blau,
Und Trockenheit verdorrt die Birkenmoore.
Der Bauer prüft die Krume, weiß genau,

Der Weizen, der wird nichts. Der Tagebau
Schließt auch, und einsam rostet eine Lore.
Und aus dem Wetter wird man nicht mehr schlau.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ein konsistentes Bild, Walther,

"sonetttönend", und ich hoffe: nicht allzu sehr auf den trockenen Früh-Frühling gebaut, denn die letzten zwei-drei Wochen hat es zumindest hier in Ostsachsen, wo es zunächst genauso dürre dörrte wie im nahen Brandenburg, ziemlich viel geregnet. Ich mußte meinen Balkon-Komposteimer eine Zeitlang unter den Tisch stellen.

Zwei metrische Holperer; ein vermutlicher Hebungsprall:
Rauscht aus dem Feld, gelblich fahl die Sonne.
zwischen "Feld" und "gelb",
und ein einsamer Daktylus:
Die meiste Farbe. Da muss man nicht weit schaun.
"Farbe. Da muss" (XxxX)

Das bügelst Du leicht glatt, da bin ich mir sicher.

grusz, hansz
 

Label

Mitglied
Lieber Walther
hier ein paar Vorschläge zu den von Mondnein angemerkten Stellen

Rauscht aus dem Feld, [blue]färbt[/blue] gelblich fahl die Sonne.
Da trudelt in das Blickfeld eine Tonne,

Im halb verlassnen Brandenburg ist braun
Die meiste Farbe. [blue]Weit muss man nicht schaun. [/blue]

Da du in diesem Sonett einen locker-leichten Ton (Ganz neue Töne - so wirken Sonette gleich viel lebendiger :) ) verwendest, fände ich das Folgende etwas stimmiger.

Und aus dem Wetter wird man [blue]auch nicht[/blue] schlau.

ein freundlicher Gruß
Label
 

Walther

Mitglied
Nicht mehr schlau

Der Wechselwind vertreibt die Wärme: Staub
Rauscht aus dem Feld, gelblich fahl die Sonne.
Da trudelt in das Blickfeld eine Tonne,
Die aus dem Innern Abfall kotzt, ein Raub

Der Krähen, die die Sämereien missen.
Im halb verlassnen Brandenburg ist braun
Die meiste Farbe. Man muss nicht weit schaun.
Das Land ist abgebrannt. Man ist beschissen.

Die Zukunft ist nicht wolkig. Sie ist blau,
Und Trockenheit verdorrt die Birkenmoore.
Der Bauer prüft die Krume, weiß genau,

Der Weizen, der wird nichts. Der Tagebau
Schließt auch, und einsam rostet eine Lore.
Und aus dem Wetter wird man nicht mehr schlau.
 

Walther

Mitglied
Nicht mehr schlau

Der Wechselwind vertreibt die Wärme: Staub
Rauscht aus dem Feld, färbt gelblich fahl die Sonne.
Da trudelt in das Blickfeld eine Tonne,
Die aus dem Innern Abfall kotzt, ein Raub

Der Krähen, die die Sämereien missen.
Im halb verlassnen Brandenburg ist braun
Die meiste Farbe. Man muss nicht weit schaun.
Das Land ist abgebrannt. Man ist beschissen.

Die Zukunft ist nicht wolkig. Sie ist blau,
Und Trockenheit verdorrt die Birkenmoore.
Der Bauer prüft die Krume, weiß genau,

Der Weizen, der wird nichts. Der Tagebau
Schließt auch, und einsam rostet eine Lore.
Und aus dem Wetter wird man nicht mehr schlau.
 

Walther

Mitglied
Nicht mehr schlau

Der Wechselwind vertreibt die Wärme: Staub
Rauscht aus dem Feld, färbt gelblich fahl die Sonne.
Da trudelt in das Blickfeld eine Tonne,
Die aus dem Innern Abfall kotzt, ein Raub

Der Krähen, die die Sämereien missen.
Im halb verlassnen Brandenburg ist braun
Die meiste Farbe. Man muss nicht weit schaun.
Das Land ist abgebrannt. Man ist beschissen.

Die Zukunft ist nicht wolkig. Sie ist blau,
Und Trockenheit verdorrt die Birkenmoore.
Der Bauer prüft die Krume, weiß genau,

Der Weizen, der wird nichts. Der Tagebau
Schließt auch, und einsam rostet eine Lore.
Und aus dem Wetter wird man auch nicht schlau.
 

Walther

Mitglied
Hi mondnein und label,

ganz herzl. dank für eure hinweise und vorschläge, die ich umgesetzt habe. ich hoffe sehr, das paßt jetzt so etwas besser.

manchmal sollte man noch ein paar tage abwarten - aber das thema hat mich zu sehr bewegt. das ist immer ein guter ratschlag.

lg W.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Es ist eine deutliche Skizzenfolge starker Bilder, es hat alles einen Schwung, eine Weite mit der Klarheit der Einzeldinge.

Das geht schon mit dem ersten Vers los, ein Sprung ins Konkrete, der einen ins Gedicht hineinzieht, in das Beschreibende. Es macht einen Bogen vom landschaftlich-Einzelnen zum Allgemeineren, einer Art Blick in die Ferne, und kehrt zurück zum Konkreten, das man beispielhaft vor sich sieht.

Ein tolles Stück, ein gutes Lied!

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Es wird bei jedem Lesen besser, ein hervorragendes Stück!
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Walther, ein starkes Stück - so recht eigenwillig und gut, mir gefällt es sehr, man muss sich nur drauf einlassen. Dann lesen sich auch die über mehrere Zeilen gespannten Gedanken gut und treffen mit Wucht. ;)

Herzliche Grüße

Herbert
 

Walther

Mitglied
hi mondnein,

dank der tips ist es richtig brauchbar geworden, danke des lobes. der dichter verbeugt sich!

wir sollten mehr wagen und politischer sein. die zeiten schreien danach.

lg W.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, Walther,

wobei gewiß die Mehrschichtigkeit der Sprachebenen und die in den Himmel geschriebene Transfer-Dimension der Bedeutungen und Metaphern für den poetischen Reiz eines Liedes konstitutionell bleiben. Sonst kann die Verengung der Interessen, wie sie für politische Absichten typisch ist, das freie Schwingen der Gerechtigkeits-Waage aufhalten.

Ist immer neu abzuwägen.

grusz, hansz
 

Walther

Mitglied
Hi Herbert,

danke vielmals für wertung und eintrag. das ist mit der wucht ist durchaus zwiespältig. :) manchmal haben meine texte vielleicht wirklich zu viel (un-)wucht. ;)

das thema bedrückt mich. in einem solchen fall ist ein gedicht ein gutes mittel, sich vor sich und anderen gehör zu verschaffen.

herzl. gruß Walther
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Walther,

die Gedichte, die betreffen, Autor und Leser, hinterlassen am meisten, Eindruck und Betroffenheit. Von Unwucht hab ich nichts gelesen :)

Herzliche Grüße

Herbert
 

Walther

Mitglied
Hi Mondnein,

nicht parteilich sein, also nach fremden mund reden, aber partei ergreifen. man darf auch parteiisch sein; verkürzung, satirische überspitzung ist erlaubt.

nichtsdestoweniger sollte man gutes handwerk abliefern; dazu bedarf es eher der distanz. der heiße zorn sollte sich in kalte wut transformiert haben - das ist meine erfahrung.

lg W.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Nehmen wir, Walther,

dieses hier, deins: Es ist - in meinem Verständnis - nicht parteilich, auch nicht anklagend. Die Troslosigkeit, die Dürre, die fahlen Fehlfarben, das ist wie in einer velassenen Westernstadt. Nur daß in Brandenburg nicht diese Dornkugelbüsche durch die Straßen wehen oder kaputte Scheinwerfer zeigen, daß es sich nicht gelohnt hat, die Kulissen abzureißen usw.

Mit dem Auspendeln der Gerechtigkeit meine ich natürlich nicht, daß man da Vorwürfe nach links mit denen nach rechts aufrechnet, sondern durchaus das komplexe Challenge-and-response-Spiel des Lebens.
Ich kannte mal eine Frau in Berlin, deren Partner als Künstler in der Stadt lebte, mit ihr und dem gemeinsamen Kind aber die paradiesische Kargheit des Oderbruchs genoß, so oft wie möglich. Als Hinterland des überquellenden Berlin, und zugleich in der Nähe zu der Millionenstadt mit ihren Ausstellungmöglichkeiten für Künstler (Galerien), mit ihren [blue]Lesungen für Dichter[/blue], von zahlreichen [blue]Poetrieslams [/blue]bis hin zu den großen Wettbewerben, bei denen dann der Anfahrtswege wegen nur Berliner zugelassen werden (da habe ich in der Oberlausitz ein bißchen Pech).

Mit Weizen ist das nun mal nichts in der Sandbüchse, da machen die eher in Gurken. Naja. Ich kenne die blaugrauen Geestböden in Niedersachsen, da schießt der Mais zwei Meter hoch, und die Luft ist gülleschwanger ("Schnupperstudium" in Vechta ..., der Geestverlag in Vechta, wo ich mal persönlich aufgetaucht bin, kann mich nicht leiden) -

aber - zurück zum Thema - im polennahen Osten wandert die gesamte Jugend in westliche Richtung ab, sei es zum Studium, sei es zu besser bezahlter Arbeit. Die Schulen sind eigentlich nicht leer, aber schon den Betrieben fehlen die Lehrlinge, die Arbeitslosenquote hat sich in Mangel an Arbeitskräften umgestülpt. Meine Frau findet keine Mädels für die Bedienung mehr für ihr Café. Vor zwei Wochen rannte ein Kind ihr in den Bauch (die Touristen-Eltern fanden das lustig), das Tablett mit allem, was drauf war, ging zu Bruch, sie mußte einige Tage schließen, weil sie böse gestürzt war, sie "hatte Knie". Sie überlegte schon, ob sie für immer schließen soll.
In der Stadt läuft der Bevölkerungsrest rum, selbstmitleidig und betrunken, denn die Jugend s.o.

Dafür sind die Mieten niedrig und ich hatte immer einen sicheren Job als Lehrer. Ohne Verbeamtung, klar (Sachsen), aber stabil, und in einer wunderschönen Stadt, an einem Gymnasium, das 1565 gegründet worden ist, aufgepfropft auf eine Schule der Franziskaner aus dem 13. Jahrhundert. Manchmal habe ich sogar Hebräisch-Schüler, zur Zeit auch zwei Griechischkurse, aber immer nur sehr sehr wenige Schüler in diesen Kulturbasisfächern. Das wird sich nicht halten lassen, ich habe keinen Nachfolger. Es ist dünner als meine Leserzahlen in der Leselupe. Den Spott über meinen Schreibstil bin ich schon gewohnt. Aber ich liebe meine Gedichte und meine Gedichte lieben mich.

Soviel zur Tristesse der Euroregion, "Fastpolen". Soviel zum Dichten und Berlinistzuweit zum Lesen,
aber wenn ich in anderthalb Jahren in Rente gehe, will ich Dich besuchen und bei Dir Gedichte lesen dürfen, drei bis fünf von (dann wohl) 2.000.
Ich habe gerade mein 13. Hundertliederbuch selbst gedruckt und mit Nadel und Faden geheftet, Auflage 7 Stück ...

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 16867

Gast
Parodistisch-sadistischer

Quatsch, lieber Walther, der nix bringt.

Steck Deine Energie lieber in die Kommentare meiner Gedichte - dann werden wir beide wenigstens in den Schulbüchern später noch gelesen.
 

Walther

Mitglied
Parodistisch-sadistischer

Quatsch, lieber Walther, der nix bringt.

Steck Deine Energie lieber in die Kommentare meiner Gedichte - dann werden wir beide wenigstens in den Schulbüchern später noch gelesen.
bub, du langweilst. schulbuch isch over. braucht koiner. lg W.
 

Walther

Mitglied
Hallo mondnein,

politisch heißt nicht für eine politische richtung partei ergreifen. es ist mehr das, was der Spiegel einst als mantra verkündete: sagen, was ist. und das gut.

man muß seine sachen mögen - der beifall dritter ist zuerst einmal zweitrangig. es sei denn, man vesteht sich als ein literat, der "gelesen" und "be-" bzw. "erkannt" werden will. ich sehe das durchaus zwiespältig. mein ehrgeiz ist, wie wohl auch mein vermögen, begrenzt. das mindert die fallhöhe erheblich.

auch was verlage angeht, muß man vorsichtig sein. zuerst einmal finde ich die arbeit der kleinverlage sehr wichtig und ehrenwert. wenn der verleger zugleich sein eigener lektor ist, bekommt der verlag eine klare ausrichtung nach dem, was verleger und verlegerin "gefällt" - und das muß nicht unbedingt der weisheit letzter schluß sein. je länger ein verlag sich selbst erhält und den verleger ernährt, macht dieser wohl irgendetwas richtig.

ja, ich kenne Vechta und die güllegetränkte landwirtschaft drumherum. das grundwasser ächzt unter der last der massentierhaltung. das ist auch eine politische frage, deren betrachtung sich lohnte.

lg W.
 



 
Oben Unten