Nehmen wir, Walther,
dieses hier, deins: Es ist - in meinem Verständnis - nicht parteilich, auch nicht anklagend. Die Troslosigkeit, die Dürre, die fahlen Fehlfarben, das ist wie in einer velassenen Westernstadt. Nur daß in Brandenburg nicht diese Dornkugelbüsche durch die Straßen wehen oder kaputte Scheinwerfer zeigen, daß es sich nicht gelohnt hat, die Kulissen abzureißen usw.
Mit dem Auspendeln der Gerechtigkeit meine ich natürlich nicht, daß man da Vorwürfe nach links mit denen nach rechts aufrechnet, sondern durchaus das komplexe Challenge-and-response-Spiel des Lebens.
Ich kannte mal eine Frau in Berlin, deren Partner als Künstler in der Stadt lebte, mit ihr und dem gemeinsamen Kind aber die paradiesische Kargheit des Oderbruchs genoß, so oft wie möglich. Als Hinterland des überquellenden Berlin, und zugleich in der Nähe zu der Millionenstadt mit ihren Ausstellungmöglichkeiten für Künstler (Galerien), mit ihren [blue]Lesungen für Dichter[/blue], von zahlreichen [blue]Poetrieslams [/blue]bis hin zu den großen Wettbewerben, bei denen dann der Anfahrtswege wegen nur Berliner zugelassen werden (da habe ich in der Oberlausitz ein bißchen Pech).
Mit Weizen ist das nun mal nichts in der Sandbüchse, da machen die eher in Gurken. Naja. Ich kenne die blaugrauen Geestböden in Niedersachsen, da schießt der Mais zwei Meter hoch, und die Luft ist gülleschwanger ("Schnupperstudium" in Vechta ..., der Geestverlag in Vechta, wo ich mal persönlich aufgetaucht bin, kann mich nicht leiden) -
aber - zurück zum Thema - im polennahen Osten wandert die gesamte Jugend in westliche Richtung ab, sei es zum Studium, sei es zu besser bezahlter Arbeit. Die Schulen sind eigentlich nicht leer, aber schon den Betrieben fehlen die Lehrlinge, die Arbeitslosenquote hat sich in Mangel an Arbeitskräften umgestülpt. Meine Frau findet keine Mädels für die Bedienung mehr für ihr Café. Vor zwei Wochen rannte ein Kind ihr in den Bauch (die Touristen-Eltern fanden das lustig), das Tablett mit allem, was drauf war, ging zu Bruch, sie mußte einige Tage schließen, weil sie böse gestürzt war, sie "hatte Knie". Sie überlegte schon, ob sie für immer schließen soll.
In der Stadt läuft der Bevölkerungsrest rum, selbstmitleidig und betrunken, denn die Jugend s.o.
Dafür sind die Mieten niedrig und ich hatte immer einen sicheren Job als Lehrer. Ohne Verbeamtung, klar (Sachsen), aber stabil, und in einer wunderschönen Stadt, an einem Gymnasium, das 1565 gegründet worden ist, aufgepfropft auf eine Schule der Franziskaner aus dem 13. Jahrhundert. Manchmal habe ich sogar Hebräisch-Schüler, zur Zeit auch zwei Griechischkurse, aber immer nur sehr sehr wenige Schüler in diesen Kulturbasisfächern. Das wird sich nicht halten lassen, ich habe keinen Nachfolger. Es ist dünner als meine Leserzahlen in der Leselupe. Den Spott über meinen Schreibstil bin ich schon gewohnt. Aber ich liebe meine Gedichte und meine Gedichte lieben mich.
Soviel zur Tristesse der Euroregion, "Fastpolen". Soviel zum Dichten und Berlinistzuweit zum Lesen,
aber wenn ich in anderthalb Jahren in Rente gehe, will ich Dich besuchen und bei Dir Gedichte lesen dürfen, drei bis fünf von (dann wohl) 2.000.
Ich habe gerade mein 13. Hundertliederbuch selbst gedruckt und mit Nadel und Faden geheftet, Auflage 7 Stück ...
grusz, hansz