Norwegen

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Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Mein Vater wehrte sich vehement dagegen, als wir seinetwegen den Urlaub in Norwegen absagen wollten. Sein Krebs befand sich im Endstadium.
Also fuhren wir doch los, aber nicht so weit in den Norden wie ursprünglich geplant. Täglich rief ich ihn an und liebte die Momente, wenn er gerade keine Schmerzen hatte und mit fester Stimme Pläne für die Zukunft machte.
„Ja Vater, bald geht es dir gut.“, sagte ich dann leise und schrie hinterher meinen Kummer in der acht Grad kalten Nordsee über das Meer.
Nach zehn Tagen haben wir den Urlaub abgebrochen und sechs Wochen später ging niemand mehr ans Telefon.
 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gelöschtes Mitglied 21589

Gast
Lieber Franke,

ich kann mir vorstellen, dass sich noch keiner an diesen Text heran getraut hat, weil er sehr persönlich zu sein scheint. Ich habe auch gewisse Hemmungen, aber möchte doch ein paar Worte verlieren.

Mir geht es beim Lesen des Textes so, dass ich mich zwar einerseits berührt fühle, aber andererseits die literarische Ausformung vermisse. Meiner Ansicht nach hat diese ihren Höhepunkt vor allem im vorletzten Satz, da dieser einen starken inneren Konflikt anschaulich beschreibt. Ansonsten aber sind die wenigen Sätze von Norwegen in einem eher schildernden Stil verfasst, welcher zumindest bei mir auf die Emotionsbremse drückt. Mich persönlich erreichen z.B. die ersten beiden Sätze des Textes nicht so richtig, weil sie letztlich einfach etwas sagen, was in gezeigter Form in meinen Augen noch eine viel intensivere Wirkung hätte. Wenn man über jemanden sagt, dass er Krebs hat, dann fühlt man natürlich schon ein Bedauern, aber wenn man in einem Text anschaulich macht, was dies bedeutet (z.B. Krankenhausatmosphäre, oder der Patient kann nicht mehr richtig essen etc.), dann wird es fühlbar und die Wirkung des Textes wird stärker.

Ich denke folglich, dass der Text zu kurz gehalten ist, um die volle Tragweite seines Inhaltes vermitteln zu können.

Herzliche Grüße
Frodomir
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Frodomir,

der Text ist sehr persönlich, steht aber trotzdem zur Kritik.
Ich habe erst überlegt, ob ich die Krankheit näher beschreiben soll, aber mein Vater hätte das nicht gewollt.
Der vorletzte Satz beschreibt keinen inneren Konflikt, sondern den Schmerz eines 23-jährigen Mannes, der seinem Vater hilflos beim Sterben zusehen muss. Und trotzdem hat er darauf bestanden, dass wir nach Norwegen fahren.

Danke und liebe Grüße
Manfred
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
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Hallo Franke,

zwei Dinge gefallen mir hier nicht. Die Thematik steht dabei nicht im Fokus.

Mein Vater wehrte sich vehement dagegen, als wir wegen ihm den Urlaub in Norwegen absagen wollten.

Besser wäre: .... als wir seinetwegen den Urlaub in Norwegen absagen wollten.


„Ja Vater, bald geht es dir gut.“, sagte ich dann leise und schrie hinterher meinen Kummer in der acht Grad kalten Nordsee über das Meer.
Sechs Wochen später ging niemand mehr ans Telefon.

Das ist zeitlich ein großer Sprung und erweckt den Eindruck, der Urlaub habe sechs Wochen gedauert. So wird es nicht gewesen sein. Vielleicht kannst Du die Zeitspanne anders herausarbeiten.

Viele Grüße

DS
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo DS,

das sind sehr wertvolle Hinweise.
Gerade mit dem Schluss hatte ich auch etwas Bauchweh von Anfang an.

Liebe Grüße
Manfred
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Und wo steht da, dass du nicht mehr kommentieren sollst? Das ist eine reine Interpretation von dir.
Aber du kannst dich beruhigen, ich werde keine Kurzprosa mehr veröffentlichen hier.
 

molly

Mitglied
Hallo Franke,

ich kenene das von meiner Mtter: "Geht nur, ich komme zurecht. Bitte fahrt ruhig los." Du hast mit Deiner Kurzprosa wieder eine Erinnerung in mir wach gerufen und dafür danke ich Dir.

Viele Grüße
molly
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Molly,

manche Erinnerungen schmerzen, aber sie bergen fast immer einen schönen Kern und den gilt es zu finden.

Danke für deinen Kommentar und liebe Grüße
Manfred
 



 
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