Nur ein Betriebsunfall

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S

suzah

Gast
hallo,

nicht "alle jahre wieder" aber alle zwei jahre holt irgendjemand diesen text hervor, der ja eigentlich 2003 bereits ausführlich kommentiert wurde.

ganz unabhängig von der qualität des textes frage ich mich, warum so häufig alte texte "aufgewärmt" werden, denn dies ist ja kein einzelfall.

langeweile?

suzah
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
vielen

dank, doc schneider.

ja, liebe suzah, manche orientieren sich an den grünen balken und möchten wissen, ob das werk den balken auch verdient, so meine vermutung.
lg
 
S

suzah

Gast
hallo flammarion,
das war kein (ab-) werturteil über deine geschichte.

ich sagte ja, das ist kein einzelfall! da guckt man mal wieder in die lupe und liest dann immer die "oldies". kann mir nicht passieren, ich lösche alles nach einiger zeit.

liebe grüße suzah
 
eine sehr erschütternde geschichte

mir fehlen fast die worte.
allerdings der schlusssatz ist für mein empfinden nicht wirklich direkt mit dem blinden kind in verbindung zu bringen.
denn die mutter wollte dieses kind von anfangan nicht.
daraus lässt sich vermuten das sie nun dieverlorenen jahre nachholen würde.
ich schließe mehr daraus das die komplette familie leicht schiziode züge trägt und zerüttet scheint.
l.g. heike
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
yep,

zerrüttete familie. der vater suchte sich dann auch noch ne jüngere frau . . .
besagte mutter des blinden kindes hat sich nur noch besoffen, eine andere schwester war 5x verheiratet und kleptomanin, und so weiter . . . alles in allem sehr traurig. könnte noch viel erzählen, aber mindestens eine der vielen geschwister lebt noch, da nimmt man etwas rücksicht.
lg
 
D

Dominik Klama

Gast
Aber so geht das doch nicht! So kann man das nicht machen. Das bringt fast gar nichts.

Es liest sich, als habe schon mal jemand eine Geschichte über diese ungewollte Schwangerschaft, die abtreibende Großmutter, das blinde Kind, die gehässige Mutter, die quälende Verwandtschaft geschrieben - und als habe später flammarion den Auftrag erhalten, eine Inhaltsangabe über dieses Stück Literatur zu verfassen.

Interessieren würde uns der Bericht, wenn etwas in ihm vorkäme, von dem wir noch nie gehört hätten oder an das wir noch nie gedacht hätten. Aber dass es vor der Erfindung der Pille ziemlich oft zu ungewollten Schwangerschaften kam, ist überaus bekannt. Ebenso dass es zur selben Zeit den werdenden Müttern meist verwehrt war, selbst zu bestimmen, ob sie das Kind austragen wollten oder nicht. Und wir wissen auch genau, dass es Eltern und Familienmitglieder gegeben hat (und weiterhin gibt), die Vergnügen daran finden, wehrlose Kinder sadistisch zu quälen. Auch, dass gerade Behinderte (oder andere Außenseiter, also solche, die "nicht so sind wie wir") derartigem relativ oft zum Opfer fallen. Nicht weniger unbekannt ist, dass sowohl trunksüchtige Eltern wie solche, die ihre Kinder nie gewollt haben und sie jetzt als Bürde ihres Lebens auffassen, die Entwicklung ihres Nachwuchses oft eher behindern als fördern.

Mehr steht in dem knappen Text aber eigentlich nicht drin. Auch formal ist er nur zweckmäßig, zur Informationsvermittlung gut geeignet, künstlerisch aber nicht bemerkenswert. Was, bitte schön, sollte einen Leser veranlassen, sich mit einem Text zu beschäftigen, der ihm ausschließlich Altbekanntes in einer formal nicht weiter spannenden Manier vorträgt?

Fesseln würde mich die Geschichte selbstverständlich, wenn mir die Figuren persönlich bekannt wären. Wenn mir z. B. jemand sagen würde: "Du kennst doch diese blinde ältere Frau von gegenüber? Weißt du, wie das zugegangen ist, als die geboren wurde?" Unter diesem Aspekt ist die Begebenheit selbstverständlich sehr fesselnd für flammarion. Aber sie leistet dann nichts, sie für mich, der ich keine der Personen, Zeiten und Orte kenne, interessant zu machen.

Insofern musste das irgendwann einfach mal passieren, was damals passiert ist, als sich "zugast" meldete und fragte: "Warum wird dergleichen denn hier veröffentlicht?" Und gelobt, könnte man hinzufügen. Aber dass wohl nirgendwo in der Leselupe Texte so in Serie verschlungen und gelobt werden, wie wenn sie von Foren-Redakteuren verfasst wurden, daran habe ich mich irgendwo mittlerweile schon gewöhnt.

Texte könnten geschrieben werden, in denen steht: "Da war ein Mann, der konnte seinen Durst auf Alkohol weniger und weniger beherrschen. Er kam spät zur Arbeit, verursachte viele Fehler, die er mit Ausflüchten entschuldigte. Oft war er auch aggressiv im Umgang mit Kollegen. Schließlich wurde er entlassen." Oder: "Da war eine Studentin und ein Student. Beide schwammen gern. Bei einem Turnier lernten sie sich kennen, verbrachten mehrere Abende miteinaner, hatten Sex. Sie beschlossen, gemeinsam am Plattensee Ferien zu machen. Dort war es wunderbar. Sie schwammen, fuhren Rad, tranken Wein und eines Abends merkten sie, dass sie sich wirklich liebten. Sie beschlossen zu heiraten. Heute haben sie drei Kinder und ein Haus."

Vergleichbar sind solche Geschichten dem Werk flammarions, weil sie menschliche Erfahrungen mitteilen, die jeden, der damit in Kontakt kommt, auf irgendeine Art berühren. Weil sie wahre Geschichten sind, die sich tatsächlich ereignet haben. Weil sie knapp, effektiv und vollständig berichtet werden. Weil sie sehr uninteressant sind für Leser von Literatur, weil sie auf diesem Feld nichts Neues mitteilen und aufgrund ihres "Zeitungsstils" ein innerliches Miterleben beim Leser nicht unbedingt fördern. Man schaut auf die Figuren, wie man durchs Glas auf Fische im Aquarium sieht.

Eine ebenso wahre Geschichte wäre: "Ich stieg auf den Kickelhahn, das ist ein Berg. Dort steht eine kleine Hütte. Ich setzte mich auf die Bank an dieser Hütte und sah mich um. In den Wimpfeln pfiffen die Vögel. Die Luft war angenehm. Es wurde Abend. Ich fühlte mich, als hätte ich eine tiefe Wahrheit über meine gesamte Existenz verstanden."
Es interessiert keine Sau! Und doch kann man genau dieses Nichts an Story zum Gegenstand einer literarischen Arbeit machen. Man konnte es vor 220 Jahren und man kann es immer noch. Bloß muss man halt dann nicht nur die Fakten referieren, man muss künstlerisch mit ihnen arbeiten. Und man muss dafür sorgen, dass das Leser-Ich seine Stelle innerhalb so einer Geschichte findet.

Ich wollte äußern, dass ich dieselbe Thematik schon oft und schon viel mitreißender in der Literatur gefunden habe. Ich wollte auf John Irvings Roman "Gottes Werk und Teufels Beitrag" (The Cider House Rules) (mit einem Arzt, der sowohl Geburtshelfer wie Waisenhausleiter wie Abtreiber ist) hinweisen, obwohl ich wahrlich kein Fan von Irvings Sachen bin. Und ich erinnerte mich an einen Film aus England über eine "Engelmacherin" in den fünfziger Jahren, die eigentlich bloß immer helfen will, am Ende aber als "Verbrecherin" vor dem Gericht landet. Wusste aber nicht mehr, ist dieses "Vera Drake" jetzt von Ken Loach oder von Mike Leigh gewesen. Also schlug ich den entsprechenden Eintrag in Wikipedia auf.

Und lese:
"... mit einer ausgesprochenen Liebe zum Detail ... eine eindrucksvolle Milieustudie ... unheimlich bewegend ...
Parabel ... brillant gespielt ... meisterhafte Milieu- und Charakterstudie ... authentisches Bild, das Zeit ... , gesellschaftliches Klima und Gefühle beklemmend perfekt widerspiegelt"

Weil sie das alles nicht leistet, halte ich flammarions Arbeit für unnötig.
 



 
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