Nur Traum, Haiku

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Walther

Mitglied
Moin,

der satz ist nicht schlimm, er beschreibt die sachlage. was angezeigt ist, nennt man bescheidenheit vor der form. es gibt in jeder dichterkarriere einen entscheidenden wendepunkt, der ausmacht, ob es mit dem texten was wird oder nicht. auf diesen wendepunkt habe ich hingewiesen. der lautet kurz: weiter schlechtes zeugs schreiben oder wirklich lernen, wie's geht. auch gedichte schreiben kann man lernen. es fällt, wie auch das sprechen selbst, nicht vom himmel.

damit man dann aber auch den weg des lernens beschreiten kann, benötigt man kein gelaber über die demokratische kunsteinstellung sondern den hinweis, wo man die infos fürs lernen herbekommt. davon hat ein dichterkollege oder eine -kollegin erheblich mehr.

lg W.
 
C

Christian Jyren

Gast
"... die Bescheidenheit vor der Form", da muss ich schon laut lachen, ist doch nicht automatisch Diktatur, oder ... Bescheidenheit in der Form sich zu äußern, wäre aber mindestens dann angesagt, wenn jemand mal die Form durchbricht ... übrigens das einzige Verhalten, dass die Literatur je weiter gebracht hat.

Der Verweis, das alle anderen zu lernen hätten, nur du nicht, finde ich arrogant. Und nur du wüsstest, wie das geht und wo das steht ... und was gut und schlecht ist ... hüstel

"Gelaber ..." ist eine pejorative Wertung der Aussagen Anderer, man könnte auch Beschimpfung dazu sagen, tritt gerade meist dann auf, gerade wenn Bescheidenheit vor der Form oder Argumente fehlen. Und ist natürlich eine absolut dichterwürdige Sprache (Achtung begründeter Zynismus) - und ein großes Ausrufezeichen für gepflegte Streitkultur!

Und du willst doch nicht etwas sagen, das du ein Dichter bist?: Du schreibst Gedichte. Punkt. So wie wir alle.

Und nur weil jemand etwas weiß, oder glaubt etwas zu wissen, oder sich für etwas engagiert - was ja sehr positiv ist ... aber das gibt ihm immer noch nicht das Recht andere abzuwerten, abzukanzeln und ihnen den Mund zu verbieten, - oder sie auch nur mit rechthaberischen Gestus zum Üben zu schicken. Als Lehrer und Muliplikator versagst du hier kläglich. Willst du wirklich helfen, wären einzelne Hilfestellungen, Vorschläge behutsames Hinführen sehr viel zielführender. So entpuppt sich deine Hilfe einfach nur als Herablassung - und wodurch soll die gerechtfertigt sein?

... denn ich sehe, als ehemaliger Germanist, bei dir - wie vermutlich bei uns allen hier - auch nur Mittelmaß. Warum also stellst du andere in die Ecke und sprichst ihnen Haikureife ab? Was eine Kränkung ist, denn Haiku kann (nicht nur nach Auffassung einiger hier) eigentlich jeder, was aber nicht heißt, das es immer und jedem gelingt, und sollte daher auch keiner beckmesserisch beurteilen, da der Haiku ein Weg zum persönlichen Empfinden darstellt, jedenfalls meiner Auffassung nach, und dieser zutiefst lyrische Impuls sollte eigentlich selbst den wichtigen Mensch in diesem Bereich, so du denn einer wärest, und was auch immer ihre Verdienste um den Haiku sein mögen, und was ich nach allem, was du hier von dir gibst bezweifle, über alles gehen, noch vor der Qualität.


MfG
Christian Jyren
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Bei aller 'Lebendigkeit' dieser Haikudebatte muss eines gesagt sein: Haiku ist schwerer als sich mancher zu denken traut! Die Kunst eines Haiku besteht vor allem darin, etwas nicht zu sagen, also etwas anzubieten, was erst beim Leser sich vollendet! Dieser Vorgang ist für uns europäisch-abendländisch erzogenen Menschen kaum verständlich, da wir ja gehalten sind, Meinungen und Standpunkte einzunehmen, die wir in unseren Künsten, also auch der Literatur, zeigen und vertreten sollen. Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Wer Haiku schreibt, vertritt nicht eine Meinung, sondern beschreibt nur. Schon das fällt uns außerordentlich schwer. Was aber noch hinzukommt, ist, dass dieses Beschreiben keinesfalls banal oder langweilig sein darf, sondern gewissermaßen schwingen und tief im Empfinden und Denken des Lesers nachhallen muss. Geschieht das nicht, liegt allenfalls ein miserabler Dreizeiler vor - was leider in der LL fast immer der Fall ist. Ich bin seit etlichen Jahren im deutschsprachigen Haikugeschehen unterwegs und weiß, wovon ich rede.
Eines sei auch noch gesagt, und das in gewisser Weise zur Entlastung derer, die mit Haiku Schwierigkeiten haben: Wenn mir das klassische Haiku nicht so recht gelingen will, kann ich immer noch auf senryu umsteigen, denn in dieser besonderen Haikuform ist Meinungsäußerung möglich. Aber Achtung: Plumpes Geschreie und besserwisserisches Gehabe sind hier natürlich verboten! Denn senryu bleibt selbstverständlich japanische Dichtkunst.
Ein wenig Lehrer zum Schluss darf ich dann doch noch spielen: Haiku (immer in Großschreibung!) führt den sächlichen Artikel (das Haiku) und benötigt im Plural kein Schluss-S; senryu verbleibt, da es sich als Hauptwort nicht durchgesetzt hat, in der Kleinschreibung.


hinter windrädern
geschreddert
ein schönes untergehn​


Es grüßt
DOSchreiber
 
C

Christian Jyren

Gast
... danke, werde es beherzigen ... das finde ich eine sehr schöne Betrachtung ...

... mich reizt dann aber doch ein bisschen das Form durchbrechen ... lach

deswegen fällt vermutlich:

Haiku für alle
gerade weil man sich da
gut verstecken kann​

... flach ... lach.

MfG
Christian Jyren
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Nein, lieber Christian, Haiku fällt nicht für alle flach!
Von Australien über Sansibar nach Kanada, von Chile über Andorra nach Russland - überall auf diesem Globus werden Haiku geschrieben! Haiku ist ein Weltereignis! Aber, bitte schön: Wenn's ein Haiku sein soll, dann muss es auch eins sein!

Du willst die Form durchbrechen...nun, dann mach' es doch. Du wärst übrigens nicht der Erste, es gibt längst überzeugende Haiku, die nur aus einer einzigen Zeile bestehen. Die Formfrage ist nicht entscheidend, das Wesen des Haiku ist der Nabel, an dem nicht gezerrt werden darf, denn am anderen Ende ist sein Leben, verstehst du, sein Leben!


Schöne Grüße von
DOSchreiber
 

Kaetzchen

Mitglied
Haiku

Liebe Haikudiskutierer

Völlig blauäugig habe ich mein erstes Haiku geschrieben. Inzwischen habe ich mich mit euren Hinweisen beschäftigt und auch einschlägige Literatur dazu gelesen. Zumindest weiß ich jetzt, welches Heiku mir gefällt und welches nicht.
Besonders gefällt mir eine Beschreibung, die ich im Internet fand:
Ein Haiku soll eine konkrete Gegenwärtigkeit beschreiben und mit einem Gedankenblitz gewürzt werden. Es fokussiert sich auf den Augenblick. Man soll nur das Notwendigste sagen und in keiner Richtung kommentieren. Einfach formuliert enthält es meist Naturwörter und deutet das Wesentliche an.

Von Volker Friebel gefällt mir am besten:

Schreie der Alpendohlen.
Von irgendwoher
Schneeduft

Aber als Bewanderer der Allgäuer Alpen habe ich einen starken Bezug dazu.
Wenn ich nun nach diesen Hinweisen mein Haiku schreibe, ich bleibe mal bei meinem Thema, dann sieht es so aus:

Blüten am Baum
Nach grauen Tagen -
Ungewohnte Stille

So gefällt es mir. Ich denke, es entspricht den oben genannten Erklärungen von Gegenwärtigkeit mit Gedankenblitz, einfach formuliert, auf das Wesentliche reduziert. Also was soll daran falsch sein?
Ehrlich gesagt hat es mich jetzt gepackt, das Haikufieber und ich lerne gern dazu!
Vielen Dank für eure Hilfe und eure Leidenschaft für das Haiku, die mich beeindruckt.
Kaetzchen
 
C

Christian Jyren

Gast
7-5-2 ... und das von einer "Koryphae" ... das gefällt mir ... ;-)


Danke Kätzchen

MfG
Christian Jyren
 

Kaetzchen

Mitglied
Haiku

Hi DoSchreiber

Deine Worte waren mir hilfreich. Dein mitgeliefertes Haiku assoziiert bei mir das Problem mit den Fledermäusen. Für eine Ausstellung zum Thema Umwelt habe ich ein solches Bild gemalt, nur nicht so direkt - geschreddert.
Aber du meinst ja sicher den Sonnenuntergang?

Viele Grüße
Kaetzchen
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Hallo K,

sich an Volker Friebel in Sachen Haiku zu orientieren, ist völlig in Ordnung. Er gehört zum Besten am derzeitigen deutschsprachigen Haikuhimmel!
Und dass du in so kurzer Zeit mit

Blüten am Baum
Nach grauen Tagen -
Ungewohnte Stille

ein beachtliches, wenn auch nicht ganz stimmiges Gedicht ablieferst, zeigt dein ernsthaftes Auseinandersetzen mit dieser nicht einfachen Dichtkunst. Toll - du bist auf dem richtigen Weg!

Schöne Grüße von
DOSchreiber
 

Kaetzchen

Mitglied
Haiku

Naja, DoSchreiber,
da machst du mich schon neugierig, was du da nicht ganz stimmig findest! Das würde ich schon gern kapieren.
LG
Kaetzchen
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Hallo K,

Blüten am Baum
klingt ein wenig nach 'Blüten hängen am Baum' (so wie Früchte), da doch das Leuchtende/Duftende vordergründig sein sollte. Also gefiele wohl Baumblüten am besten.

Die Zäsur nach ...Tagen liest man problemlos, weshalb Satzzeichen nicht notwendig sind. Auch wenn die zweite Zeile durch den Trennstrich zur ersten rückt, ist die innere Linie zwischen ungewohnter Stille und grauen Tagen gegeben - man bräuchte also eines von beiden gar nicht. Ich plädiere für die Streichung der grauen Tage und die Einführung eines allgemeines Begriffs: Zeit! Sofort fällt mir folgender Versuch ein:

baumblüten
ihre zeit
umhüllt die stille​

oder anders durch einen Tausch im dritten Vers

baumblüten
ihre zeit
die stille umhüllt​

In beiden Fällen gäbe es eine Art Miteinander durch ein Gegeneinander - oder umgekehrt, jedenfalls kein sich gegenseitiges Bedingen wie in deinem letzten Text (was ich hauptsächlich als 'nicht ganz stimmig' hielt).
Aber bitte: Es sind nur Gedanken und Vorschläge, und vergiss nicht, dass du am Anfang auch das Erotische ansprachst. Darauf zurückkommend ergäbe bestimmt wieder einen neuen Haikuansatz.
Du siehst, der Kampf um ein Haiku geht nie zu Ende...

Es grüßt
DOSchreiber
 

Kaetzchen

Mitglied
Haiku

Hi DOSchreiber
Ich danke dir, das hast du gut verständlich erklärt und deine vorgeschlagenen Gedanken gefallen mir sehr gut. Ich finde so klingt es spannender. Es ist schon krass, wie weit man gehen kann bei einem Haiku,
Wenn ich könnte, würde ich dir den Stempel mit dem Bienchen geben.
Ja, die Sache mit dem erotischen Gedanken finde ich noch immer reizvoll. Darüber werde ich noch mal gründlich nachdenken.
Bis dahin
viele Grüße und frohe Ostern
Kaetzchen
 
C

Christian Jyren

Gast
baumblüten
ihre zeit
umhüllt die Stille

finde ich schön ... aber ist natürlich kein Änderungsvorschlag mehr, sonder mehr ein eigener Haiku.

Frohe Ostern
MfG
Christian Jyren
 

Kaetzchen

Mitglied
Haiku

Ja, da hast du recht, aber das macht nichts. Es zeigt mir wie es sein kann. Eher schade für DOSchreiber, es ist Seins, aber meine Grundidee.
Ebenfalls schöne Ostern
und

Fleißiges Suchen
Im Garten
Nach Wortgefechten

Kaetzchen
 



 
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