Ohlsdorf

lester

Mitglied
Wolken auch über Hamburg und der Wind diesmal
zieht nach West,
der Sand rinnt durch die Finger,
so fest du ihn hältst,
feucht geworden in den letzten
drei Tagen seit Himmelfahrt,
und du denkst, himmelnochmal,
wie könnte man hier sein.

Den Mantel zu, famous blue raincoat,
nestelst nach der Zigarette, vorsicht, könnte tödlich sein,
und der Wind zieht nach West,
unterwegs mit einer Biographie jetzt, die er umträgt,
flüsternd und heulend um Häuser und Fenster,
aber nur einer horcht drauf:
sieh an, wie es ging, sagt er,
wo wir doch dann bleiben, immer, was wir sind.

Und geht vors Haus und sitzt auf der Schwelle,
unter dem Türstein und lauscht, und während
die Elben zu seinen Wünschen zustimmend die Hand
heben und er den Laurentiustränen nachsinnt, beginnen
neben ihm selbst die Silben zu schimmern,
und alles fällt, fällt wie von fern.
Ihm war in der Welt nichts zu erinnern,
auch nichts Arges, sagt er, aber was, was ihm gefällt?
 

Monochrom

Mitglied
Hi,

das ist schon bedacht gesetzt, arrangiert und Lehrbuchmäßig angegangen.
Jeder Schreibgruppenlehrer wäre begeistert.

Ich finde es irgendwie zu glatt, ohne Ecken und Kanten.
Das dröselt so behagt apathisch dahin wie in der Sonne schmelzende Zuckerwatte.

Auch ein paar Sachen zum Inhalt möchte ich nachfragen:

- Sand, der feucht wird, rinnt nicht mehr, oder?

- Die letzten fünf Verse in der zweiten Strophe, sind die absichtlich so gordisch,
geht es nicht einfacher? An sich wird da doch etwas ganz direktes ausgedrückt,
warum verschachtelst Du es so? Ich sehe da weder einen klanglichen oder inhaltlichen
Ausgangspunkt, sich da so zu verkünsteln

- Dasselbe auch in der dritten Strophe.

Schade eigentlich, weil ich diese Stimmung am Ende sehr gelungen finde, wie der Text von
gutem handwerklichen Können zeugt.
Vielleicht zu viel gewollt? Das überstolpert sich für mein Leseempfinden.

Ciao,
Monochrom
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
handwerk?, ach was

macht handwerk kunst? nein, ich glaube nicht. sprechen, singen und werben sind keine handwerke, sondern kommunikationswege. ich weiß auch nicht, was schreibgruppenlehrer sein sollen. was für ein scheußliches wort, es reizt mich dazu ein lied daraus zu formen, schreibgruppenlehrer, kneipschuppenkehrer, weibnuppenscherer ...

der kommunikation wegen hier nun einiges zur sprache dieser flatterrandprosa:

wo wir doch dann bleiben, immer, was wir sind.
doch, dann, immer - so viele adverben, es genügt:
wo wir bleiben was wir sind.
Ihm war in der Welt nichts zu erinnern,
"in der Welt" ist etwas dick;
"Ihm war nichts zu erinnern" hat einen merkwürdigen satzbau, als ob "erinnern" ein transitives verb sei, aber es ist reflexiv ("sich an etwas erinnern"), "nichts" ist als logisches objekt (oder subjekt passiven erinnertwerdens) nicht gut möglich, klingt so daneben wie das neumodische "ich erinnere nichts".

auch nichts Arges, sagt er, aber was, was ihm gefällt?
warum nicht einfach die direkte frage
aber was gefällt ihm?
 

lester

Mitglied
Danke fürs Lesen und für die Kommentare.

Schreibgruppenlehrer, gibt es sowas? Das werden dann wohl Bastel-Gedichte....
Ja, feuchter Sand rinnt nicht. Wenn es denn Sand ist. In einer Geschichte wäre Sand: Sand. Aber hier sind wir in Ohlsdorf. Und einer ist tot.

"Flatterrandprosa" gefällt mir, das Wort gefällt mir.

Doch, alles was ihr schreibt, kommentiert, bemängelt, als besserungswürdig anmerkt: stimmt. Aber das wäre dann ein anderer Text. Ich versuch es mal.

Mit Winken
Lester
 

revilo

Mitglied
Hallo... die ersten beiden Strophen gefallen mir......die dritte ist leider nur Lyrik/Prosalametta......Schade.....

Lg revilo
 

revilo

Mitglied
Jo, Du hast Recht...scheißegal, ob Lyrik oder Prosa....ich finde es nur schade, dass du mit der dritten Strophe einiges verschenkt hast......

LG revilo
 

lester

Mitglied
....las heute im Tagebbuch Oskar Loerke: "... mit leichter Hand ein Gedicht geschrieben". So geht es also auch.
 



 
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