Verstehen und verstehen, revilo,
davon gibts mehrere. Das mag bei mathematischen Beweisen anders sein (allerdings zeigen die Symmetrien in der Gruppentheorie Polyvalenzen an), aber in den Künsten, besonders seit dem 20. Jahrhundert, eröffnen sich andere Verstehensdimensionen als nur die der Erzählungs-Logik. Wobei es auch die Frage ist, ob die Logik einer Erzählung die wirkliche Eigenstruktur der Ereignisse, Zustände und Wechselwirkungen zeigt oder sich auf eine ganz bestimmte Handlungsfolge beschränkt, an wenigen Personen, meist nur einer, entlanggeführt.
Also in der Dichtung kann es so sein: daß die einzelnen Wörter, ja Silben isoliert nebeneinander stehen und eigene Welten in ihren Tropfen spiegeln. Das Gedicht selbst ist oft so eine Glaskugel zur Spiegelung und zugleich Einkapselung des Ganzen, also ein Tropfen. Dann oft die einzelnen Verse, so besonders bei Trakl, auch bei Benn. Die französischen Dichter machten es ihnen vor. Unvermittelte Bilder und Bedeutungen der einzelnen Worte, Motive und Sinngruppen, ihr unlogisches Nebeneinander ermöglicht neue Verbindungen: "Surrealismus" in der Dichtung kann so charakterisiert werden.
Hier stehen auch die Verse etwas gesondert voneinander; das hat damit zu tun, daß verschiedene Zitatstellen collagiert sind. Die zweite Strophe beginnt z.B. mit einer Wortfürwort-Übersetzung des Refrains von "Cry Baby Cry" - "she's old enough to know better" - , die im Deutschen in die Schieflage kommt. Im Englischen schon ist der Vers paradox, gegen jede Logik gebürstet - als ob die Stropheninhalte irgendwas Falsches, eine blöde Phantasie oder so, darstellten. Diese Paradoxie ist den Nonsens-Versen mancher Kinderlieder verwandt, vielleicht sogar aus einem Kinderlied zitiert.
Es geht (vor allem am Ende) um das Auseinandertreten von authentischem Autor und zitierendem Sprecher. Die völlige Abtraktheit eines verlesenen Textes. Cool Jazz. Konkrete Poesie. Musique concrête.
grusz, hansz