Rabenschwarz

LilyaLou

Mitglied
Und wieder einmal war sie gefallen. Tief, und ohne sich fangen zu können. Wie ein Stein ins dunkle Wasser, wie das Blatt eines alten Baumes, welches vom stürmenden Wind weit davon getragen wurde. Die Dunkelheit schien sie zu verfolgen, die schwarzen Krallen gierig nach ihr ausgestreckt. Und sie rannte um ihr Leben, versuchte, die qualvollen Erinnerungen aus ihrem Kopf zu verbannen, die sie jeden Tag, zu jeder Stunde in das tiefe, voll Trauer und Angst gefüllte Loch zurückziehen konnten. Viel zu lange hatte sie gewartet. Und schließlich war es zu spät. So gut wie jede Träne hatte sie geweint; keine war Narbe verblasst. Es war ihr egal. Nichts berührte sie mehr. Sie war taub. Und verlassen von Hoffnung, Liebe und Geborgenheit.
Damals.
Es war alles besser gewesen. Sie war klein, unschuldig. Niemand hatte ihr erklärt, dass ihr erbärmliches Leben es nicht verdient hatte, noch hier zu sein. Kein Mensch sollte je den Grund für ihre Abgrenzung erfahren, warum sie keine Hilfe annahm. Weshalb sie sich verstecken musste. Mit seinem warmen Licht hüllte der Vollmond sie ein. Es schien, als versuchte er, das Mädchen in eine Umarmung zu ziehen, ihr zu sagen, dass alles gut werden würde. Eines Tages. Doch sie wusste zu genau, dass Lügen nicht halfen. Nicht ihr. Niemals würde es den Hauch einer Chance geben, dass sich ein noch so schwaches Lädcheln auf ihre aufgesprungenen und kalten Lippen stahl. Stattdessen lebte sie für den Tod, auf irgendeine Art und Weise. Sollte er sie doch empfangen, mit ihrem Leben war so oder so nichts mehr anzufangen. Und bald würde es soweit sein. Endlich. Ein paar Schritte war sie nur noch entfernt von der Nacht, dem Tod, den Klauen des Raben, welche sie jede Minute mit sich reißen konnten. Aber vielleicht sah er sie nicht. Sie breitete die Arme aus, als ihre Füße die Spitze des Berges erreichten. Ein Versuch. Nicht mehr. Weit, sehr weit unter ihr plätscherte das Wasser und Felsen verzierten die Brandung. Jetzt schien der Mond sie nicht mehr trösten zu wollen. „Nein“, schien er zu sagen. „Du hast es nicht verdient.“ Sein Glitzern umgab sie, wie, als ob er ihr beibringen wollte, dass es tatsächlich Zeit war, zu gehen.
Für immer.
Ein Hauch Zufriedenheit überkam sie. Natürlich stimmte das. Was sonst war richtig?
Ihr letzter Versuch, dem Tod in die Arme zu laufen, war kläglich gescheitert. Wie jedes Mal. Und immer wieder hatte sie sich in den Kopf gerufen, dass der nächste Vollmond ihr die Wahrheit sagen würde. All‘ das waren Vermutungen gewesen. Doch dieses Mal war sie sich sicher. Ein besseres Leben würde auf sie warten, wenn sie nicht mehr hier war. Die Hoffnung stimmte sie fröhlich, auf eine Art, die den Moment unbeschreiblich und weit entfernt erscheinen ließ. Das Glück, oder wie man es nennen mochte, hatte stets an ihrer Seite gestanden, auch, wenn es für sie nichts Positives an sich hatte. Kein Tod, unerträgliches Leiden.
„Spring!“, schien eine Stimme hinter ihr sie aufzufordern. „Los!“
Und dann Stille. Grauenhafte Stille.
„Tu‘ es nicht…“, flüsterte die Hoffnung tief, ganz tief verborgen in ihr, die sie verloren geschätzt hatte. Und plötzlich war sie da. Die Angst, welche sie davon abhielt, ihr Leben zu verlassen. Und ohne Vorwarnung kullerte eine Träne ihre blasse Wange hinunter und fiel auf den rauen Boden. Sie sollte die letzte sein. Und das Mädchen schien sich in ihr widerzuspiegeln, sah eine zerbrochene Vase, dessen Rose verdorrt und schwach herunterhing, alles Leben ausgelöscht. Ihre Augen sagten vieles. Beschrieben die Mischung der Gefühle, die sich in ihr breit machten. Tatsächlich war sie glücklich, zufrieden damit, bald nicht mehr die Last des Lebens auf ihren Schultern spüren zu müssen, andererseits enttäuscht, sich aufgegeben zu haben. Und doch fühlte es sich an, als hätten ganz alleine ihre Erinnerungen entschieden. Sie sprang. Und fiel, schloss die Augen und lächelte. Das war das Ende. Ihr Ende.
Und es fühlte sich gut an.
 

Vagant

Mitglied
hallo lilaylou, ich möchte nur kurz anmerken; du bist seit ca. 10 tagen im forum, hast auf deine arbeiten auch schon entsprechende reaktionen bekommen, und lädst nun schon deinen vierten beitrag hoch, ohne auch nur einmal auf etwas geantwortet zu haben, oder dich um die geschichten der anderen forumsmitglieder gekümmert zu haben. deine produktivität in allen ehren, aber diese art der mitarbeit schiebt die beiträge anderer autoren, die auch ein recht darauf haben, dass ihre arbeiten bemerkt, besprochen, gewürdigt werden, so weit nach hinten, bis sie niemand mehr liest. nichts für ungut, aber ich finde diese art des stakkatoartigen hochladens, in einem forum das doch manchmal ein bisschen träge ist (habe ich das jetzt wirklich gesagt?) nicht gut. vielleicht denkst du mal drüber nach.
vagant

nachtrag. ich sehe gerade in deinem profil, dass du erst 15 jahre alt bist. das relativiert die sache ein wenig.
ich kann verstehen, dass man in diesem alter mit dem kommentieren von teilweise viel älteren forumsmitgliedern zurückhaltender, vielleicht auch etwas gehemmter ist. aber vielleicht kannst du dich, nach einer kurzen eingewöhnugsphase, hier doch noch etwas mehr einbringen.
vagant
 

Nosie

Mitglied
Servus LilyaLou,

Ein Suizidthema zu kommentieren, ist eine heikle Sache, weil der Rezensent nicht weiß, wie autobiographisch der Text ist, ich versuch's aber trotzdem, schließlich ist das der Sinn der LL.

Grundsätzlich muß man deiner Geschichte ankreiden, dass zwar die Neugier geweckt wird, was dem Mädchen zugestoßen ist, aber die Andeutungen so zahlreich, unterschiedlich und schwammig sind, dass man am Ende nicht weiß und auch nicht ahnen kann, was das Mädchen so weit gebracht hat.

Am ehesten kann ich mir noch eine vom Mädchen begangene Straftat vorstellen, aber dazu dauert der Zustand offensichtlich schon zu lange. Sie war ja schon (NUR!) aus ihrer Sicht wertlos, als sie klein war, nur hatte es ihr niemand gesagt. Auch Missbrauch käme in Frage, aber dann passt das Verstecken müssen nicht so recht.
Dass der nächste Vollmond ihr die Wahrheit sagen würde, ließ mich denken, es handelt sich um eine Fantasy-Geschichte à la Twilight, oder dass die Niedergeschlagenheit nur bei Vollmond auftaucht, ein übrigens häufiges Phänomen, das ich von mir selber kenne.

Sicher ist nur, dass das Mädchen unter einer tiefen Depression leidet und das schon länger. Das weckt das Mitgefühl beim Leser, aber ohne nähere Details bleibt alles zu diffus. Um das Mädchen im Kopf des Lesers auch real werden zu lassen, müsste er mehr über die Hintergründe erfahren.

Nun zum handwerklichen:

Du kannst gut formulieren und mit Sprache umgehen, allerdings bedienst du Klischees und Standardformulierungen allzu reichlich, z.B.

Stein ins Wasser
Blatt im stürmenden Wind
Dunkelheit mit gierigen, schwarzen Krallen
jede Träne geweint
erbärmliches Leben
.....

Besser als Adjektive zu verwenden, ist es eine Szene so zu beschreiben, dass der Leser empfindet, was du ausdrücken möchtest, ohne dass du ihn mit der Nase drauf stößt.
Ich würde zum Beispiel den ersten Absatz drastisch kürzen, weniger ist mehr:

[ 4]<Und wieder einmal war sie gefallen und fiel immer noch, ohne sich fangen zu können. Viel zu lange hatte sie gewartet. Nichts berührte sie mehr. >
[/blue]
Das genügt völlig, um die Phantasie und Neugier des Lesers zu wecken, jede nähere Beschreibung bremst das Kopfkino beim Leser.

Dasselbe auch hier:
<Und dann Stille. Grauenhafte Stille. "Tu's nicht">
Ausschmückungen dieser Art sind Kitsch.

Stille.
"Tu's nicht" wäre wirkungsvoller.

Den Schluss "Ihr Ende. Und es fühlte sich gut an." finde ich sehr gelungen.

Alles in allem sehe ich durchaus Potential bei dir. Bleibe dran am Schreiben, lies auch die Beiträge anderer Mitglieder und gib deine Eindrücke wieder. Es ist für uns alle hier in der LL interessant, wie unsere Geschichten bei anderen ankommen, nur das bringt uns weiter.

Liebe Grüße
Gertraud
 

LilyaLou

Mitglied
Hallo Vagant!
Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast, aber leider muss ich dazu sagen, dass ich nicht wusste, wie man antwortet, sodass der Beitrag persönlich an denjenigen gerichtet ist, der meinen Text kommentiert hat. Es tut mir leid, dass ich bis jetzt kein Wort gesagt habe, was jedoch nicht daran liegt, dass ich keine Lust dazu hatte. Ganz im Gegenteil. Ich wollte, konnte oder traute mich nicht. Siehe oberen Grund. Vielleicht hört es sich an wie eine Ausrede, aber genau das ist es nicht. Es ist die Tatsache, dass ich Angst habe, etwas falsch zu machen, jemanden zu kränken oder ähnliches. Genau das habe ich aber schon auf meinem Profil geschrieben. Vielleicht bin ich dann hier nicht richtig. Und fünfzehn Jahre bin ich seit genau sechs Tagen.Ich möchte daraus jetzt keine große Sache machen und hoffe, dass ich das mit dem Antworten hier richtig gemacht habe. Doch wie schon gesagt: Mein Zurückhalten hat nichts mit den Rückmeldungen anderer zu tun, sondern damit, dass ich kaum die Überwindung finde, meine Meinung offen zu vertreten. Und noch: Diesen Text habe ich mit vierzehn Jahren verfasst und gebe auch zu, dass er nicht besonders gut ist, doch wenn man mir ehrliche Antworten gibt, werde ich daraus lernen und das ist mein Ziel. Dinge anzunehmen und nicht persönlich auf mich zu beziehen. Aber wieso rechtfertige ich mich? Ich weiß schließlich, was ich tue. Und nebenbei bemerkt: Die Texte, die weit nach hinten geschoben wurden, lese ich sehr wohl.Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun!
Und noch einmal: Falls ich hier falsch geantwortet habe, mache mich doch bitte darauf aufmerksam.
Liebe Grüße
LilyaLou
 

LilyaLou

Mitglied
Hallo Nosie!
Vielen Dank für dein Feedback.
Ursprünglich war der Text für einen Wettbewerb auf einer Webseite gedacht, deshalb das Thema. Ich habe diesen Text mit vierzehn Jahren geschrieben, was nicht besonders lang her ist. Deswegen möchte dazu sagen, dass ich natürlich nicht perfekt schreiben kann und aus diesem Grund deine Hilfe sehr zu schätzen weiß. In Zukunft werde ich versuchen, meine Texte ein bisschen weniger kitschig zu gestalten, wobei ich zugeben muss, dass mir das nie aufgefallen ist.
Dass man nicht weiß, was mit dem Mädchen passiert ist und was vorher war, ist Absicht.
Nein, ich hatte nicht vor, eine Fantasy-Geschichte zu schreiben, zumal ich "Twilight" absolut nicht leiden kann.Mir war klar, dass man die Geschichte nicht verstehen wird, aber wenn ich sie erläutern würde, würde das dazu führen, dass eine weitere Diskussion ausbricht.
Ich habe gelernt, anders zu schreiben, seitdem ich auf meine Fehler aufmerksam gemacht wurde. Ich verwende deutlich weniger Klischees. Aber wie schon erwähnt: Dieser Text ist älter. Er ist nicht perfekt, er ist nicht gut.
Aber nun zu etwas Anderem: Ich lese die Beiträge anderer Mitglieder, aber antworte nicht gerne, da ich Angst habe, jemanden zu verletzten, kränken oder etwas der Art. Das war schon immer ein Problem, aber darauf möchte ich nicht näher eingehen.
Ansonsten danke ich dir nochmals für deine Rückmeldung, sie hat und wird mich weiterbringen.
Liebe Grüße
LilyaLou
 



 
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