rahmenlos

G

Gelöschtes Mitglied 21589

Gast
Hallo Spirulina,

ich finde dein Gedicht grundsätzlich schon schön, aber bei genauerem Hinsehen weist es einige Schwächen auf. Diese sind weniger im handwerklichen Bereich zu finden, sondern betreffen die Logik deiner Wortwahl.

Zunächst die ersten beiden Verse:
Meine Liebe ist ein kleines Bild,
für das es keinen Rahmen gibt,
Hier benutzt du ein rahmenloses Bild als Metapher für die Liebe. Ich kann diesen Zeilen emotional durchaus etwas abgewinnen, aber es erscheint mir gleichzeitig nicht ganz stimmig zu sein. Eine Metapher muss ja immer auch in einem logischen Bezug zum Objekt stehen, welches sie umschreibt. Diesen sehe ich bei der Liebe und dem kleinen Bild aber nicht wirklich. Aber gut, ich versuche, mich trotzdem darauf einzulassen und gehe weiter im Text.

Der beschreibt in Zeile 3 das Aussehen des Bildes, in Vers 4 dann, so würde ich es interpretieren, den Herstellungsprozess. Aber ist es logisch, dass ein Bild gesiebt wird? Okay, bei der Papierherstellung wird ein Sieb benötigt, aber hier geht es ja nicht um das Papier, sondern um das, was letztlich darauf zu sehen ist. Unabhängig davon ist es für mich auch nicht wirklich erklärbar, wie etwas durch ein Herz gesiebt werden kann. Das Wort gesiebt wirkt deshalb für mich mehr dem Reim geschuldet, als dass es inhaltlich Sinn ergeben würde.

Vergisst man diese Inkonsistenz, wirken dagegen die beiden ersten Verse der zweiten Strophe gelungen. Sie haben etwas Rührendes. Der dritte Vers wiederum ist etwas komisch, denn das LI verschenkt ja eigentlich die Liebe, aber der Beschenkte muss diese nun tragen - dies wirkt so, als wäre es eine Last, wenn auch nur eine leichte. Aber vielleicht wolltest du diese Ebene auch in das Gedicht einweben.

Das Gedicht schließt letztlich mit dem Reim auf Gewicht, nämlich bricht. Doch wie schon das Wort gesiebt wirkt dieses wieder dem Reim geschuldet, denn ein rahmenloses Bild kann nicht brechen, außer, es wäre auf einem sehr harten Untergrund wie z.B. Holz gemalt wurden. Logischer wäre es, wenn es nicht so leicht reißen würde.

Fazit: Meiner Meinung nach hat dein Gedicht grundlegend eine freundliche und lesenswerte Aussage, aber es ist bei der Nutzung der Metaphern und in der Wortwahl so inkonsistent, dass seine Aussage in den Hintergrund rückt. In meinen Augen funktioniert dein Gedicht deshalb leider nicht so richtig und bedarf einer Überarbeitung.

Liebe Grüße
Frodomir
 

Spirulina

Mitglied
Hallo Frodomir,

zuallererst - danke für diese ausführliche Kritik, mit der ich auch etwas anfangen kann.

Gut, ich sehe, dass meine Intuitionen nicht erkennbar sind. Ich bin sehr gerne bereit daran weiterzuarbeiten.

Meine Liebe ist ein kleines Bild,
für das es keinen Rahmen gibt,
damit hatte ich sagen wollen, es sind die Gefühle des LI und nicht die eines anderen und
es ist nur ein kleines, chancenloses Bild, da es keine Aussicht auf eine feste Beziehung geben wird

bunt schillernd wie ein Regenbogen,
trotzdem gab es schöne bunte Momente in dieser unfesten Affaire, in der Liebe blühte
hauchdünn durch mein Herz gesiebt.
das ist jetzt schwieriger zu erklären,
das LI alleine musste damit klar kommen, und ihr Herz filterte und speicherte diese Liebe


Ich möchte es dir trotzdem schenken;
sie ist trotzdem bereit sich darauf einzulassen und ihre Gefühle zu zeigen
rahmenlos, hat es doch kaum Gewicht.
in seinem Leben wird es kaum ins Gewicht fallen, oder etwas ändern,
So kannst du es auch leichter tragen,
wenn von ihm keine Zukunft oder Verbindlichkeiten erwartet werden
nur die Gefahr ist größer, dass es bricht.
nein ein Bild kann nicht brechen, es sei denn, es ist Glasmalerei,
aber die Liebe kann daran zerbrechen und das sehr viel schneller
und einfacher
- eigentlich müsste es dann heißen "dass sie bricht", aber die Liebe
und das Bild habe ich gleichgesetzt


Das mal fürs erste. Ich bin gespannt.

Liebe Grüße
Spirulina
 

L'étranger

Mitglied
Hallo Spirulina,

Ich hatte dein Gedicht nicht so sehr wie Frodomir mit dem kritischen Verstand gelesen, und mich deshalb an der nicht durchgehenden Bildern hier nicht gestört. Ich verstehe aber Frodomir. Schöner ist es natürlich, wenn man es mit allen Sinnen genießen kann, auch mit der kritischen Logik.

Ich hätte noch einen zweiten Aspekt. Ich frage mich, ob man wirklich im ersten Vers alles preisgeben muss oder soll, noch dazu so klischeebeladenen Begriff wie die Liebe nennen.

Stünde da nur so etwas wie "ich habe hier ein kleines Bild", dann wäre es für mich viel spannender, und dann wäre es eine echte Nagelprobe, ob so etwas abstraktes wie die "Liebe" durch deinen Text anschaulich wird.

Gruß Lé.
 

Spirulina

Mitglied
"rahmenlos" war eines meiner allerallerersten Gedichte, als ich noch nicht den Hauch von Metrik und Gedichtarten
beherrschte.
Ich war übelst in meinen damaligen (verheirateten) Gitarrelehrer verknallt.
Und irgendwann merkte ich, der auch retour.
Dem habe ich dieses Gedicht geschrieben.
Zu eurer Beruhigung: es blieb platonisch.
Heute würde ich es sicher nicht mehr so schreiben. Am Wochenende habe ich es aus der Schublade gekramt und wollte
es aufpeppen, aber es wollte mir alleine nicht gelingen. Deshalb steht es jetzt hier.

Irgendwie finde ich es zu schade, es verstauben zu lassen. Da lässt sich bestimmt etwas draus machen, ohne
das es seinen Charakter total verliert.

Liebe Grüße und danke Lé
Spirulina

Heute Nacht hatte ich schon zwei neue erste Zeilen im Kopf, im Halbschlaf,
aber jetzt weiß ich sie nicht mehr.
 
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