Sapir-Whorf-Hypothese

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Sapir-Whorf-Hypothese
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie


Die Sapir-Whorf-Hypothese sagt aus, dass es bestimmte Gedanken einer einzelnen Person in einer Sprache gibt, die von jemandem, der eine andere Sprache spricht, nicht verstanden werden können. Sie sagt aus, dass die Art und Weise, wie ein Mensch denkt, stark durch seine Muttersprache beeinflusst sei. Wenn man eine andere Sprache spräche, denke man auch anders. Die kontrovers diskutierte Annahme wurde von Benjamin Whorf aufgestellt, der sich auf den Sprachwissenschaftler Edward Sapir beruft und die Hypothese gemeinsam mit ihm vertrat. Whorf selbst war Chemieingenieur und hatte seine linguistischen Kenntnisse autodidaktisch erworben.
Die Hypothese wurde in den 1950er Jahren bekannt, als Whorfs Schriften zu dem Thema posthum veröffentlicht wurden.


Inhaltsverzeichnis

1 Linguistisches Relativitätsprinzip

2 Argumente

3 Beispiel, wie die Sprache die Wahrnehmung beeinflusst

4 Politik und Etikette


Linguistisches Relativitätsprinzip
1955 entwickelte Dr. James Cooke Brown die Loglan-Sprache (die eine Quelle für Lojban bildete) um die Hypothese zu testen. Nach schwerer Kritik durch die Linguisten um Noam Chomsky wird die Hypothese von den meisten Linguisten heute nur in der schwachen Form akzeptiert, dass die Sprache Einfluss auf unser Denken haben kann, auch als linguistisches Relativitätsprinzip bezeichnet. Eine Diskussion der Argumente Chomskys findet sich zum Beispiel in Steven Pinkers Buch: "Der Sprachinstinkt".

Der zentrale Gedanke der Sapir-Whorf-Hypothese ist die Idee der linguistischen Relativität, die aussagt, dass die Bedeutungsunterschiede zwischen verwandten Begriffen in einer Sprache oft beliebig sind und nur für diese Sprache gelten.

Whorf ging einen Schritt weiter und behauptete, dass die Weltanschauung, die Weltsicht einer Person stark von den Vokabeln und der Syntax ihrer Sprache bestimmt werden (linguistischer Determinismus). Whorf selbst nannte seine Version linguistisches Relativitätsprinzip.


Argumente
Ein mögliches Argument gegen die "starke" Version, dass alle Gedanken durch die Sprache beschränkt werden, in der man sie ausdrückt, kann durch eine persönliche Erfahrung gefunden werden. Jeder hat sicher bereits die Erfahrung gemacht, dass es manchmal schwierig ist, den "richtigen" Ausdruck zu finden und und war sich bewusst, dass die gefundenen Worte nicht dem entsprachen, was man eigentlich sagen wollte, was man meinte. Manchmal findet man auch nicht die geeigneten Worte, einem Anfänger etwas zu erklären, obwohl man selbst es versteht. Das zeigt, das Gedanken nicht allein aus einer Menge von Worten und deren Verknüpfungen bestehen, denn man ist in der Lage, etwas zu verstehen, ohne es in Worte fassen zu können.

Das entgegengesetzte Extrem, dass Gedanken gar nicht durch Worte beeinflusst werden, wird ebenso weithin als falsch betrachtet. Zum Beispiel kann gezeigt werden, dass die Unterscheidbarkeit von ähnlichen Farben davon beeinflusst wird, wie in der jeweiligen Sprache die Namen der Farben gebildet werden.

Eine Studie zeigte, dass gehörlose Kinder von hörenden Eltern manche kognitiven Aufgaben, die nichts mit dem Hören zu tun hatten, nicht lösen konnten, während gehörlose Kinder gehörloser Eltern damit keine Probleme hatten. Das lag daran, dass ihre Eltern die Zeichensprache besser beherrschten.

Computerprogrammierer, die unterschiedliche Programmiersprachen kennen, betrachten ein Problem oft in völlig unterschiedlicher Weise.


Beispiel, wie die Sprache die Wahrnehmung beeinflusst
Benjamin Lee Whorf arbeitete als Inspektor bei einer Versicherungsgesellschaft. Dort untersuchte er Schadensfälle.

Ein Kessel, der vorher Flüssigbrennstoff enthielt, war mit einer Aufschrift gekennzeichnet: "leer". Es kam zu einer Explosion, weil die Arbeiter nicht an die Möglichkeit glaubten, dass ein leerer Behälter gefährlich sein könne. Das Wort "leer" hatte ihnen die Möglichkeit genommen, an eine Gefahr zu denken. Eine relevante Information wäre gewesen: "Vorsicht! Kessel kann explosive Gase enthalten."


Politik und Etikette
Einige haben versucht, die Hypothese in ein politisches Werkzeug zu verwandeln. Sogenannte "politisch korrekte" Sprache stammt von dem Glauben, dass man, zum Beispiel, wenn man eine "sexistische" Sprache verwende, auch sexistisch zu denken tendiere. (Entsprechend gelte wohl auch die Umkehrung, wenn man den "Sexismus" aus der Sprache verbanne, verbanne man ihn auch aus dem Leben.) In der strengsten Form ist die Denkweise, dass durch Sprachbeschränkungen aktuelle politische Ziele zu erreichen seien, wohl eine Form des Wunschdenkens. So hat der Gebrauch des Großbuchstaben "I" (liebe FreundInnen) wenig für die tatsächliche Gleichberechtigung gebracht.

Allerdings kann eine neue Form politischer Etikette durch politisch beschränkte Sprachformen durchaus erreicht werden, die unerwünschte Anwendung von Wörtern als Bruch der sozialen Norm darstellt.

Streitbar ist jedoch die These, dass die politische Etikette die Empfindungen bzw. Auffassungen ändere. Der Philosoph Steven Pinker betrachtete zum Beispiel die sogenannte "euphemism treadmill" (Euphemismus-Tretmühle) - den Effekt, dass euphemistische Neologismen alle negativen Assoziationen der Wörter aufnahmen, die sie ersetzten. Ein deutsches Wort in diesem Zusammenhang ist das euphemistische Wort "Abwickeln", welches das Wort "Schließung von Betrieben und Einrichtungen" ersetzen sollte und den negativen Charakter übernahm. Ebenso darf man wohl behaupten, dass die Assoziationen mit z.B. den Wörtern "Behinderter" oder "Azubi" sich bei vielen Menschen nicht von denen unterscheiden, die früher "Krüppel" und "Lehrling" hatten. Beispielsweise wurde das Wort "behindert" schon bald nach seiner Einführung in den Alltag ebenso für viele Menschen zum Schimpfwort wie einst "Krüppel".

Es ist in der historischen Linguistik auch festgestellt worden, dass Worte aus dem Sexuellen und Ausscheidungs-Bereich (also aus Bereichen, die in praktisch allen Kulturen ein Tabu darstellen) in den meisten Sprachen nach jeweils nur wenigen Generationen durch andere ersetzt werden, denen dann bald wieder das gleiche Schicksal droht. Bei Schriftsprachen ist dies, genau wie der allgemeine Sprachwandel, etwas verlangsamt.



Bedeutende Linguisten

Johann Gottfried von Herder
Wilhelm von Humboldt
Ferdinand de Saussure
Walter Benjamin
Noam Chomsky

GNU-Lizenz http://www.wikipedia.de

Mitwirkende am Artikel:
http://de.wikipedia.org/w/wiki.phtml?title=Sapir-Whorf-Hypothese&action=history
 

Schakim

Mitglied
Da habe ich eine Frage, Bernd:

Sie sagt aus, dass die Art und Weise, wie ein Mensch denkt, stark durch seine Muttersprache beeinflusst sei. Wenn man eine andere Sprache spräche, denke man auch anders.
Die arabische Sprache besitzt einen grösseren Sprachwortschatz als z.B. die deutsche. Kann man dann den Schluss ziehen, dass alle Menschen, die Arabisch sprechen, wortgewaltiger in ihrer Sprache umzugehen vermögen? Ich denke jetzt z.B. auch an die Übersetzerschwierigkeiten, die arabische Texte mit sich bringen, weil es für verschiedene Wörter schlichtweg keine passende Übersetzung gibt. Den Zauber, den dann diese Sprache in sich trägt, kann nicht vermittelt werden mangels fehlender Worte. Das Denken wäre demzufolge bei den Arabern unserem erhaben, da ihre Sprache vielfältiger ist ...

Ich merke, ich begebe mich auf ein heissgefahrenes Geleise ...


Einen guten Start in die neue Woche!
Schakim
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Schakim,

tatsächlich ist die Sapir-Whorf-Hypothese umstritten, zumindest in der strengen Form, dass man nicht denken könne, was nicht in der Sprache ist. In der abgeschwächten Form wird sie wohl akzeptiert, dass ein Einfluss der Sprache auf das Denken besteht.

Wenn man etwas darüber nachdenkt, hat die Sprache ja mehrere Ebenen. Da ist zum einen das, was gedacht wird, dann das, was gesagt wird, das was verstanden wird.

Bereits innerhalb der Muttersprache kann das unterschiedlich sein. So kann ein Wort verschiedene Bedeutungen haben. "Untiefe" heißt: keine Tiefe, also ein Felsen, der fast bis zur Oberfläche reicht. In meinem Wortschatz hieß es aber lange: unermessliche Tiefe. Nach einem Streit guckte ich nach und fand, ich war im Unrecht, sofern ich Fachsprache verwende. In der Umgangssprache aber gibt es beide Bedeutungen, die ja entgegengesetzt sind.

Beim Übersetzen ist das noch mehr zu bemerken. Jede Sprache hat ihre Eigenheiten, und einiges ist wohl nicht übersetzbar.

Manches erscheint reicher, manches abstrakter usw. Das führt auch dazu, dass in unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich gedacht wird.

Ich las mal, das die chinesische Sprache, die ja die Tonhöhe mit verwendet, in zusätzlichen Gebieten des Gehirns gespeichert wird.

Die arabische Sprache ist mit unserer nicht oder nur sehr entfernt verwandt. Ich denke, sie beinhaltet dadurch in einigen Gebieten andere Denkweisen.
Das heißt aber weder, dass sie besser, noch, dass sie schlechter sei.

Da ich sie nicht kenne, will ich lieber Englisch als Beispiel nehmen:

In Englisch gibt es auch das Geschlecht. Aber es wird (im Wesentlichen) nur Personen zuerkannt (und Schiffen, Katzen und wenigen anderen). In Englisch ist das grammatische Geschlecht außerdem versteckt, man kann es nur durch Ersatz durch Fürwörter (er, sie, es) grammatisch erkennen.

In Deutsch wird jedem Gegenstand, jeder Sache, ein Geschlecht zugeordnet. Es stimmt mit dem natürlichen Geschlecht nicht überein. Der Baum, die Beute, das Mädchen.

Traditionell wird das sächliche Geschlecht als neutral angesehen und das Geschlecht unabhängig vom natürlichen verwendet.
Das bedingt zum Teil unterschiedliche Denkweisen.
Beim Menschen wird das grammatisch männliche Geschlecht in der Tradition als neutral angesehen. Durch Einfluss der feministischen Bewegungen wird nun versucht, dem grammatischen Geschlecht eine neue Bedeutung in Deutsch zu geben. Geschlechtsneutrale Sprachweise wird durch ein Binnen-I erreicht. Die MenschInnen ...
Die FeministInnen nahmen dabei an, dass durch das Binnen-I und "nicht-sexistische" Sprache die Politik geändert würde und Gleichberechtigung erreichbar sei. Tatsächlich hat es zum Nachdenken über die Problematik geführt, nicht aber zu mehr als formaler Gleichberechtigung.

Grundlegend unterschiedliche Sprachen erzeugen zum Teil völlig andere Denkweisen in der Oberflächenstruktur. In der Tiefenstruktur, das heißt, wie das Denken grundlegend erfolgt, vermute ich aber weitgehende Ähnlichkeiten.

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Mache einen Gedankenversuch. Du hast eine Zeitmaschine gebaut und triffst Faust. Erkläre ihm die Funktionsweise eines Fernsehers, eines Elektromotors und einer Pockenschutzimpfung unter Berücksichtigung seines Wortschatzes.

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Der Sprachwortschatz ist eine Seite, noch größeren Einfluss haben wohl Grammatik. Stelle dir eine Sprache vor, in der es den Unterschied zwischen Verb und Substantiv nicht gibt. (Ich denke, so eine Sprache gibt es sogar.) Auch in dieser Sprache kann man alles ausdrücken, was notwendig ist. Was man nicht ausdrücken kann, wird zunächst durch Bilder ersetzt, die dann neue Wörter bilden oder einen neuen Sinn erhalten.

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Ist erst mal alles, was ich hier schreiben kann, vielleicht später mehr.

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Grüße von Bernd
 

Jarolep

Mitglied
Und noch etwas...

Also,

Jetzt mal abgesehen von liguistischen, sprich philosophischen Überlegungen, die das eine vermuten, während das Gegenteil nicht ausgeschlossen bleibt...

Ich fühle mich spontan eher im Schakim´s Lager.

Dass die Sprachen sich von einander unterscheiden, grammatikalisch, lexisch, phonetisch etc. ist klar. Aber dass die Schwierigkeiten bei der Übersetzung auf die unterschiedliche Denkweise der Menschen zurückzuführen sind, ist weit hergeholt. Ich bin der Meinung, dass die Menschen so ziemlich gleich in ihrer Denkweise sind: sie freuen sich über dasselbe und trauern ebenfalls gleich, die logischen Zusammenhänge funktionieren auch bei allen normalen Menschen gleich...
Die Übersetzung als solche beschäftigt sich nicht so sehr mit dem Problem, wie man ein Gedanke, ein Gefühl, eine Handlung in einer Sprache in einen anderen Gedanken, anderes Gefühl, andere Handlung der anderen Sprache überträgt. Eine Übersetzung ist die Kunst, passende Wörter und Wendungen für dasselbe in einer anderen Sprache zu finden.
Das Beispiel mit den Farbnamen ist meines Erachtens nicht besonders gut. Das menschliche Auge unterscheidet nun mal so und soviel Farben, die menschliche Sprache - ob Arabisch, Chinesisch, Deutsch bemüht sich dementsprechend, diese Farben zu benennen. Ich bin fest davon überzeugt (ohne alle Sprachen zu kennen), dass es zum Beispiel die Kombination Blau-Dunkelblau-Azurblau-Himmelblau usw. in allen Sprachen gibt.
Hinzu kommt, dass, wie ich glaube, jede Sprache unterschiedliche Niveaus aufweist: von primitiv bis hochintelektuell. Die Komplexität der Grammatik und der Wortschatz ändern sich dementsprechend.
Außerdem empfinde ich die besagte Theorie als irgendwie menschenverachtend bzw. menschentrennend. Der Rückschluss, je mehr Wörter, desto weiter entwickelt, oder auch die Menschen unterschiedlicher Nationen sind dazu verdammt, einander nie verstehen zu können, liegt ziemlich nahe.

In diesem Sinne,

jarolep
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Gerade bei den Farben führt die Benennung zu unterschiedlichen Ergebnissen. Bei uns sind Hellblau und Dunkelblau Nuancen der blauen Farbe, in Russisch sind es verschiedene Farben (Sinij und Goluboi in angenähertem lateinischen Alphabet)

Kann ich etwas unterscheiden, wenn ich es nicht benennen kann? Ich muss mindestens die Unterscheidung benennen können.

Grüße von Bernd
 

Schakim

Mitglied
Danke, Bernd, für Deine Ausführungen, die - wie immer - sehr interessant sind.

Kann ich etwas unterscheiden, wenn ich es nicht benennen kann? Ich muss mindestens die Unterscheidung benennen können.
Dieser Satz von Dir irritiert mich. Meines Erachtens muss ich etwas nicht benennen können, um es zu unterscheiden. Unterscheiden kann ich auch ohne Benennung, aber das Wichtige dabei ist, was Du vermutlich sagen wolltest, wenn ich diese Unterscheidung einem andern mitteilen will, dann muss ich es benennen können. Fehlen mir die Worte dafür, wird es schwierig mit der Mitteilung und dem Mich-Verstehen des andern, weil er mich nicht verstehen würde mangels fehlender Mitteilungsmöglichkeiten ... Hier könnte also eine Sprache, die sich differenziert und über mehr Worte zur Unterscheidung verfügt, von Vorteil sein.


Nächtliche Grüsse!
Schakim
 

Jarolep

Mitglied
Sinij und Goluboi

Hallo Bernd,

Sinij und goluboi sind keine zwei verschiedene Farben, sondern zwei verschiedene Wörter, die nicht miteinander verwandt sind, daher empfindet man sie als Bezeichnungen zweier Farben und nicht zweier Nuancen.

Dass Sinij und Goluboi (Blau und Hellblau) beides Blau sind, sieht und kennt ein Russe genauso wie ein Deutscher. Es gibt übrigens ein Synonym zu "Goluboj" - "Swetlo-Sinij" = "Hell-Blau".

Die Hypothese ist sehr interessant, übrigens, jedoch muss ich sie besser kennen, um darüber diskutieren zu können.

Viele Grüße

jarolep
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke, Jarolep.
Sinij und Goluboi sind zwei nicht verwandte Worte, und werden als verschiedene Farben aufgefasst. Welches aber ist der russische Oberbegriff für die beiden Farben, der dem deutschen "blau" entspricht? Das ist mir nicht klar. Vielleicht kannst du helfen.

In Deutsch gibt es jetzt (von der englischen Sprache stammend) das Wort "Pink". Jetzt gibt es eine Bezeichnung für ein bestimmtes Rosa, die vorher keine hatte. Pink ist sehr ähnlich zu Rosa, aber doch nicht ganz das selbe. Man kann es jetzt ausdrücken.
Wenn mehr Nuancen unterschieden werden können, ändert sich auch das Denken darüber. Doch denke ich, dass das an der Oberfläche so ist. In der Tiefenstruktur denkt man wohl (zumindest auch) ohne Worte. Ich selbst glaube nur teilweise an die Sapir-Whorf-Hypothese. Aber etwas scheint schon dran zu sein.

Das Beispiel mit den Farben wird immer mal wieder angegeben, als Modell oder Muster.

Viele Grüße von bernd
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Schakim, du hast einen wichtigen Einwand gegen die starke Form der Hypothese, dass die Sprache das Denken bestimme, gebracht. In der starken Form wird sie jetzt auch von den meisten Wissenschaftlern abgelehnt. Die schwache Form, dass die Sprache das Denken beeinflusse, wird dagegen akzeptiert.
Grüße von Bernd
 

Jarolep

Mitglied
Blau

Hallo Bernd,

Oberbegriff heisst "Sinij", also Blau. "Sinij" kann man überall anwenden, wo "goluboj" in Frage kommt, umgekehrt ist es aber nicht möglich.
Ich habe interessante Beiträge zu der Hypothese bei Uni-Münster und Uni-Köln gefunden und bin gerade am Studieren. Vielleicht kann ich nachher mehr sagen.
Grundsätzlich sollte man Äpfel mit Birnen nicht vergleichen und zwischen physischen und psychischen Aspekten der Sprache, wenn man so sagen darf, unterscheiden. Die Sprache ist eine Reflexion der psysischer, von unserem Empfinden unabhängiger Welt, der Mensch ist bestrebt, diese Welt zu benennen. Auf welcher Weise wir das auch tun, hört diese Welt nicht auf, zu existieren, und übt weiterhin Reize auf unseren Verstand, der wiederum weiter versucht, die Welt noch besser zu definieren.
Die Geschlechter von Nomen existieren nahezu in allen Sprachen. Meist werden die Wörter, die auf stimmvollen Konsonanten enden, mit männlichem Geschlecht belegt, weil sie "härter", "kantiger" klingen. Die Wörter mit einem Vokal am Ende sind dagegen meist weiblich. Hängt wohl auch mit unserem Empfinden zusammen.
Was die Farbe "Pink" betrifft, ist es für mich so etwas wie "Knallrosa", die Künstler haben bestimmt ihre eigene Bezeichnung dazu, nur kennen wir womöglich diese nicht.

Bis dann

jarolep
 

Schakim

Mitglied
"Farben"

Ich möchte auch noch etwas zu den "Farben" sagen. Ab dem Zeitpunkt, wo eine Farbe sich farblich von der anderen unterscheidet, indem man ihr spezifisch einen Namen zuordnet, wird dieser Unterschied - sofern der neue Begriff auch Anwendung findet in der breiten Öffentlichkeit - wahrgenommen. Dafür ist "Pink" sicherlich ein Paradebeispiel. Bevor man diese Unterscheidung machte, existierte einfach "Rosa" in allen möglichen Farbschattierungen und Verlaufformen. Durch die Einführung des englischen Wortes "Pink" wird dieses Rosa anders wahrgenommen. Obwohl "Pink" übersetzt nichts anderes als "Rosa" heisst. Hört man nun "Pink", dann assoziiert man sofort ein spezielles Rosa im Unterschied zum "normalen" Rosa.

In der Druckindustrie benennt man die Druckfarben speziell. Ich wähle nun "Magenta" aus, ein spezielles Rotviolett, das verwendet wird, um alle Farbtöne, die anteilsmässig Rot enthalten, herzustellen. Für jene aus der Branche sind diese Farben sofort "bekannt". Für den normalen Bürger aber dürfte es ein Problem werden, sich unter "Magenta" etwas vorzustellen.

Dazu die Erklärung aus Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Magenta_(Farbe)
Magenta bezeichnet einen rotblaue Farbe, die auch als Purpur bezeichnet wird. Es ist eine der drei Grundfarben der Subtraktiven Farbmischung.

Magenta entsteht durch die Mischung der Farben Rot und Blau in gleicher Intensität in der Additiven Farbmischung, es ist die Komplementärfarbe zu Grün mit der Wellenlänge von 535 nm.

Im RGB-Farbraum hat Magenta den Wert RGB = (255, 0, 255) dezimal bzw. FF00FF hexadezimal.

Magenta war eine der ersten künstlich hergestellten Anilinfarben. Ihren Namen erhielt sie nach der norditalienischen Stadt Magenta, die kurz vor der Entdeckung der Farbe durch die Schlacht von Magenta bekannt geworden war.

Dieser Farbton ist mehrheitlich nur jenen Leuten bekannt, die damit fachspezifisch zu tun haben. Also einem kleinen Kreis - sozusagen. Sie assoziieren sofort in ihrem Kopf diesen Farbton, wenn der Name "Magenta" fällt. Ich kann dann lange und breit versuchen zu erklären, dass es sich um eine Art Rotviolett handelt, aber ob ich mich dem Gegenüber verständlich genug ausdrücke, damit er genau diese Farbe "Magenta" sieht? Dazu braucht es ein "assoziatives Wissen", damit meine ich, ein Mehrwissen. Die Sprache nützt erst ab dem Zeitpunkt etwas, wenn sie sich erklärbar gemacht hat.

Schöne Grüsse
Schakim
 

MDSpinoza

Mitglied
Das Erfassen von Begriffen ist eine Frage der Epistemologie. Bin ich in der Lage, Unterschiede zu erkennen, zwischen Nuancen zu differenzieren, finde ich auch einen Weg, sie auszudrücken. Es gibt auch in der deutschen Sprache sehr viel mehr Begriffe, um Farbnuancen in blau differenziert wiederzugeben (azur- see- meer- himmel- nacht- kobalt- preußisch- pastell- kornblumenblau fallen mir da aus dem Ärmel. Türkis, violett, lila, auch pink als Mischfarben. es lohnt sich, mit exakten Definitionen zu arbeiten, nötigenfalls, sie zu schaffen. Das ist das eigentlich Kreative am Schreiben. Semantik ist alles andere als eine exakte Wissenschaft, aber man tut sich keinen Gefallen, wenn man sein Handwerkszeug nicht pflegt.
Sprache und Gedanken sind wechselseitig voneinander abhängig. Beherrsche ich die Sprache nicht, kann ich einen Gedanken gar nicht erst erfassen. Beherrsche ich den Gedanken nicht, kommt Politikergeblubber heraus.
Etwas das ich erkenne kann ich verstehen lernen - und lieben. Erst wenn ich erkenne, was sich in meiner Umgebung abspielt, bin ich in der Lage, es zu beschreiben. Überlegt einmal, warum es so viele miserable Werke über Liebe und Sex gibt. Die Autoren sind sich nicht darüber im Klaren, was sie ausdrücken wollen und empfinden auch keine Liebe beim Schreiben. Ich kann eine zärtliche Liebesnacht nicht mit den neutralen Worten eines Nachrichtensprechers oder Buchhalters beschreiben. Erst wenn ich erkenne, kann ich be-schreiben. dau muß ich mich in meine Figuren hineinversetzen können, ich muß sie lieben.
Hat sich je einmal jemand gefragt, warum im Alten Testament die Männer ihre Frauen "erkennen", damit sie ihnen ein Kind gebären? Im Hebräischen gibt es zwischen "erkennen" und "lieben" keinen Unterschied, beides wird mit "lada'at" ausgedrückt. Sex bedeutet dort nicht nur Sinnenfreude sondern auch, den anderen Menschen zu erkennen, zwei halbe Seelen zusammenzuführen und daraus Neues zu erschaffen.
Das gilt nicht nur im rein physischen Sinne, auch in allen anderen Bereichen hilft uns nur das erkennen, Neues zu erschaffen.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Sapir-Whorff-Hypothese sagt nun (in der scharfen) aus, dass ich gar nicht erst in der Lage bin, Unterschiede zu formulieren, wenn ich sie nicht in der Sprache habe, weil ich sie nicht denken und ausdrücken kann. Aus diesem Grund erscheinen Unterschiede anders. Ich selber she das aber als einen Entwicklungsprozess.

In Deutsch gibt es den Unterschied nicht zwischen "Gender" und "Sex", den es in Englisch gibt. Damit lässt sich der Unterschied auch nur schwierig ausdrücken, darstellen und denken. Die Feministinnen versuchen nun, den Begriff "Gender" in deutsch einzuführen. Es gibt ihn auch schon in vielen Dokumenten.

Nehmen wir als weiteres Beispiel die Hartz-IV-Reform. Für Clement ist es kein Problem, im Januar 2005 kein Geld auszuzahlen, da die Empfänger gar nicht bedürftig seien. Er sieht keine Zahlungslücke. Seine Gegner dagegen sehen mit dem Begriff "Zahlungslücke" eine Lücke von einem Monat. Durch unterschiedliche Begriffe (Sprache) können beide Gruppen praktisch nicht mehr miteinander kommunizieren. Sie verstehen einander nicht mehr.

Clement behauptet, das Geld würde ausgeglichen, da man das Geld nicht zurückzahlen brauche, wenn man Arbeit bekäme.

Ich musste 1995 das Geld zurückzahlen für den laufenden Monat, als ich (endlich) wieder Arbeit hatte.

Hier folgt eine unterschiedliche Auffassung durch unterschiedliche Sprachen, dabei ist beides deutsch, nur in der Kultur ist es unterschiedlich.
 

MDSpinoza

Mitglied
Daß Politiker eine, äh, etwas andere Perzeption der Realität haben als der normale Bürger, dürfte bekannt sein. Wenn Politikerlügen allerdings als Kultur gelten, ziehe ich jederzeit die Barbarei vor.
 



 
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