Hallo Patrick:
Schatten schreibgeschützt
ich sehe hier vier ,eher fünf Teile. Ich drösele das mal auf, so wie ich es lese:
Teil 1
so still
ist der stein das
land der fluss das
du hörst wie die kleinen
kolben der stille
in ihnen stampfen
Teil2
du weißt – etwas
ist wahr das
du vergessen hast
Teil 3
und dein schatten
fegt licht vor der haustüre
Teil 4
bis die büroklammer erde
und himmel
papiere von schatten
und wind verschiedener stöße
zu einem roman heftet
dessen dunkel
schreibgeschützt bleiben muß
Teil 5
wenn man so redet
Vorab möchte ich noch sagen das die Zeilenumbrüche hier gut und schwierig gesetzt wurden. Sie verzögern, beinahe stoppen sie die erste Lesart und den Zugang zum Verstehen.
Ich denke das ist hier mit Absicht so gemacht worden.
Zum Beispiel die Umbrüche im ersten Teil auf „das“
Einmal Aufzählung, einmal „das“ als Nebensatz eingeführt. Wie soll man es lesen?
Gut gemacht ein Stolperer für den Hastigen Leser!
Ich versuche einmal das lyrische ich zu verorten. Also worüber wird hier gesprochen? Wo ist das ICH?
Vielleicht eine Person, eigentlich nur ein Schatten, also etwas vom Licht und Körper auf den Boden (der Tatsachen?) geworfenes (Teil 3). Das lyrische Du also vor einer Haustüre entkörpert „enticht“, ein Schatten der mäandert, weil er sich bewegt. Ist das das Leben? Das was einen Menschen kennzeichnet. Flüchtig wie ein Schatten, legen wir ebenso flüchtige Schatten auf den Boden.
Etwas das also unbeständig ist und um im Bild vom Schatten zu bleiben, keinen dauerhaften Eindruck in der Erde hinterlässt?
Und daraus wird dann der Roman des Lebens geheftet!
Genial.
So setzte ich hier den Ort des lyrischen Du.
Im Borchertschen Sprachjargon: „Draussen vor der Tür“.
Der Anfang, also Teil1, ist komplex. Ich denke textlich ist es hier als Voraussetzung zur Wahrnehmung von Teil 3 und 4 gedacht.
Die Umgebung muss so still sein:
das die kleinen Kolben der Stille gehört werden können.
Was will das sagen?
Die Stille hat hier einen Motor. Die Kolben der Stille, bewegen sich auf und ab, und lassen so erst die Stille entstehen und zur Wahrnehmung kommen.
Aber hier ist es so still, das der Motor der die Stille betreibt „lautlich“ wird: Sie stampfen.
Es gibt keine Stille in sich selbst! Sie muss „angetrieben“ werden um zu Existenz zu gelangen.
Welch schöner“ streitbarer“ Gedanke!
Und dann : „du weißt etwas
ist wahr das
du vergessen hast“
Hier bin ich im Gedicht selbst etwas auf dem Schlauch.
Nun ja, ich mag das Statement und die inneren Reibereien die solch eine Behauptung mit sich bringt.
Bin mir aber nicht sicher ob sie in diesem Gedicht von Bedeutung ist.
(Ich könnte mir vorstellen diesen teil herauszunehmen.)
Ich komme direkt zu einem wichtigen Abschnitt in teil 4:
„dessen dunkel schreibgeschützt bleiben muss“
Der dunkleTeil des Romans (des Lebens). Was sollte das sein. Oder, wie entsteht er?
Stelle ich mir einen Roman als Buch vor, so ist sein „dunkel“ der Text , wenn das Buch selbst verschlossen bleibt.
Er ist also unlesbar, bis ich den Buchrücken aufklappe. Ein schöner Gedanke, wobei ich glaube das es von dir hier nicht beabsichtigt ist.
Das „Dunkel“ also, ein Ort der verborgen bleibt, vielleicht so wie Ich – Es – und Überich“
Ein Teil unseres „bewußten Seins“ agiert im Verborgenen. Die Motive, die eigentliche Entstehungsgeschichte , die zum Lebensbuch selber führt, ist unantastbar, oder bildlich „unleserlich“.
Und dieses „dunkel“ muss schreibgeschützt bleiben. Also vor nachträglichen Veränderungen bewahrt!
Ob das gelingt?
Ist nicht die Vergangenheit wie Knete in den Händen der Gegenwart? Ist nicht gerade das schon Geschehene das „Plusquampefekte“ der ideale Besitz des „Bewußten Seins“ und kann nachträglich jederzeit korrigiert werden; damit am Ende aus den vielen Bruchstücken der einzelnen Gegenwarten überhaupt eine erzählbare Geschichte des Lebens wird, und nicht alles nur Stückwerk bleibt?
Aber so ist hier der Anspruch!
Vielleicht um Authenzität zu bewahren.
„wenn man so redet“
ein Ende das ich nicht recht begreifen will. Wer redet denn hier überhaupt?
Eigentlich niemand: lyrdu sagt kein Wort.
Ein „man“ taucht im Text selbst nicht auf!
Außer, ja außer diese Zeile bezöge sich auf das vorher geschriebene selber.
Als griffe der Dichter selbst hier in Geschriebenes ein!
Als hebe der Autor den Zeigefinger und ruft: Vorsicht, hier ist „Betrug“ am Werk.
Als bedeutete es nach dem uralten Spruch: Reden ist Silber Schweigen ist Gold.
„Wenn man so redet“,im Sinne von „was man so sagt“, „woher soll ich wissen was ich denke, bevor ich höre was ich sage“.
Da bin ich ganz unsicher.... genug geredet...
Dir einen schönen Tag
LG
Ralf