Scherenschnitt

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S

steky

Gast
Was ist denn so schlimm an der guten alten Umgangssprache? Darf eine Ich-Erzählung nicht gewisse sprachliche Defizite aufweisen? Ich weiß, es ist nicht mein Text. Aber so manch gutgemeinter Rat würde dem Text sehr viel Sprachwitz nehmen, finde ich. Entscheiden muss eh der Autor ...

Zusammenfassend:

Der "heiße Schoß" und der "Pony" stiftet Verwirrung. Das könnte man im Nullkommanichts ändern. Wie wär´s mit "Semi-Erektion" und "adrettem Seitenscheitel"?

Auch den Schluss könnte man aufpeppen. @Alis Version - so grotesk sie auch sein mag (und das ist noch milde ausgedrückt) - übt einen gewissen Reiz aus. Gerade deswegen, weil sie so bizarr ist. Zumindest wünschte ich mir so etwas Ähnliches - etwas Neues, das schockiert. Dann kommt auch der Ödipus mehr zum Vorschein. Mach die Krankheit sicht- und spürbar! Ansonsten bleibt der Erzähler nur ein erwachsenes Muttersöhnen, wie man es in diversen Fernsehsendungen tagtäglich ... beobachten kann.

Diese zwei Punkte sind verantwortlich dafür, dass Dein Text bei mir als Leser falsch ankommt. Du brauchst einen eindeutigen Protagonisten, der mich durch sein Verhalten von seiner Krankheit überzeugt. Du machst es Dir etwas zu leicht, wenn Du diesen Part der Mutter überlässt.

PS: Schaum kann man übrigens tatsächlich hören - wenn man es sich in der Badewanne gemütlich macht, und dem leisen Knacken lauscht ...

LG
Steky
 

rothsten

Mitglied
Moin,

ich habe nie behauptet, dass hier ein Ödipus bei Muttern wohnt. Ich habe sehr viele "Vielleichts" benutzt, diese Version war eine davon. Ich lege mich bewusst nicht fest, das überlasse lieber ich dem Leser.

Was, steky, glaubst Du, wäre passiert, wenn ich exakt das Ende so formuliert hätte, wie ein gewisses Ohneglied hier einfordert? Richtig, mir wäre vorgeworfen worden, dass ich es übertrieben hätte, dass weniger mehr gewesen wäre, dass man nicht immer bis zum Anschlag aufdrehen soll usw. Du, steky, musst noch lernen, dass es geneigtem Ohneglied nicht darum geht, konstruktiv Texte zu bewerten, sondern lediglich darum, sein Aufmerksamkeitsdefizit auszugleichen. Er tut dass bevorzugt bei Leuten, von denen er sich die größte Reibung verspricht. Reibung gleich Aufmerksamkeit, so sein Denken. Ich nehme das mal als Kompliment.
Glaub mir, ich überlege ständig, was man besser machen kann. Gerne nehme ich Eure Hilfe dazu in Anspruch. Ich bin aber alt und klug genug um zu unterscheiden, wer es ernst mit mir meint und wer nicht.

Und bevor sich Ohneglied wieder die Blöße geben muss: Schaut mal nach bei "Häuser am Fluss". Da steht bestimmt besonders gut beschrieben, wie Ödipus ne Frisöse mit Sahne vollpampt, dann vögelt und dann gemeinsam mit Muttern in den Ofen schiebt. Oder so.

Danke Doc, Danke Ciconia. Zwei Unschönheiten sind mir selbst bereits aufgefallen, da ist sprachlich sicher noch Luft nach oben. Ich schaue es mir an.

lg
 
A

aligaga

Gast
@Ali hat sich des Frisierstuhl-Melodrams erst da angenommen, als Ödipus Rex aus dem Hut gezaubert wurde. Hihi - da musste etwas dazu gesagt werden! Alles andere ist, wie auch anderweitig schon festgestellt, pillepalle.

Dass @rothsten wieder mal mit derber Keule um sich haut, zeigt uns zweierlei:

1. @Alis Kritik hat ihn erreicht und zum Nachdenken gebracht;

2. er badet heimlich "In der Lagune".

Jetzt müsste man ihm nur noch den Unterschied zwischen Rasierschaum und Brombeergelee erklären. Und den zwischen einem Autor und dessen Protagonisten. Ob das wohl zu schaffen wäre?

Quietschend vor Vergnügen

aligaga
 

rothsten

Mitglied
Ich nehme auf dem Frisörsessel Platz. Sie stellt sich hinter mich, ich scheue ihren Blick im Spiegel. Es ist komisch, wenn man sich tief in die Augen blickt, obwohl man sich eigentlich gar nicht anschaut. Das ist eine ganz eigene Art der Nähe; eine Nähe auf Distanz. Man fühlt es zwischen den Körpern, dieses Abgewandsein, trotz dass man sich anschaut. Ein Blick im Spiegel ist kalt, ich halte ihn kaum aus, schon gar nicht ihren.

Sie streicht mir übers Haar und fragt, ob es wie immer gemacht werden soll. Und wie immer antworte ich mich einem klarem Ja. Sie fragt, wie immer, ob wir erst die Haare waschen sollen. Sie ist so freundlich, sie gibt mir das Gefühl, dass wir es gemeinsam täten, dass wir einander wüschen. Sie hätte auch sagen können, dass sie mir alleine die Haare waschen wird, aber sie hat eben das Wort „wir“ benutzt. Ich willige ein.

Ich lege meinen Kopf zurück in das große, weiße Waschbecken. Das Wasser läuft und ich höre, wie ihre Finger ab und an den Strahl unterbrechen. Sie prüft die Temperatur. Sie weiß, wie ich es mag, etwas über lauwarm. Dann richtet sie noch das Handtuch, damit mir kein Wasser in den Nacken läuft. Sie streicht meinen Pony zurück und lässt vorsichtig Wasser auf die ersten Strähnen laufen. Sie macht es in Bahnen, eine nach der anderen, und nach jeder Bahn, den der Strahl der Brause gezogen hat, streicht sie zärtlich hinterher. Mir scheint, sie schütze mich. Dann klemmt sie die Brause wieder in die Halterung ein. Ich mag das Geräusch des Shampoo-Spenders, dreimal drückt sie ihn runter. Sie reibt ihre Hände in der Seife, ich höre das Glitschen. Ich schließe die Augen und warte auf ihre Berührung. Mit kreisenden Bewegungen massiert sie meinen Kopf. Sie nimmt nur ihre Fingerkuppen. Ich höre den saftigen Schaum, und wie sie meine Haare darin knetet. Dann wäscht sie alles aus. Sie reibt mir die Tropfen aus dem Haar und schlägt das Handtuch zu einem losen Turban. Ich könne nun auf dem Sessel Platz nehmen. Ich bin bereit. Und kann es kaum erwarten.

Sie legt mir den Umhang an, reißt einen Klebestreifen ab und fixiert den Umhang an meinem Hals. Nur mein Kopf ist sichtbar, alles darunter ist verborgen, mein pochendes Herz, mein heißer Schoß, wie ich meine Hände vorsichtig reibe. Nur kurz wage ich einen gespiegelten Blick. Ihre Augen streifen meine, und sie lächelt. Ich schließe die Augen, ab diesem Zeitpunkt lasse ich sie zu. Sie fängt an.

Wieder und wieder geht sie um den Sessel, schneidet hier, prüft dort. Und bei jedem Positionswechsel streift sie meinen Körper. Sie führt die Schere, fängt an den Haaren oben auf dem Haupt an und geht dann immer weiter runter, bis ihre Fingerrücken schließlich die Haut meines Halses berühren. Dann zieht sie die Hand wieder hoch und beginnt von Neuem, wiederholt es. Sie steht ganz nah bei mir. Ich fühle ihre Brüste an meinen Schultern, ich fühle ihre Jeans an meinem Unterarm, den ich auf die Lehne presse, ich fühle ihre Gürtelschnalle, die Naht vor ihrem Schritt, und jeden einzelnen Knopf darunter. Ich ahne, was darunter liegt. Ich lasse die Augen zu. Und nach dem Föhnen vergisst sie nicht, mich sanft mit den feinen Borsten des Pinsels zu reinigen.

„So, fertig“. Ich öffne die Augen. Ich mag es, wie sie die letzte Silbe in die Höhe und Länge zieht, als ob sie einen an die Hand nähme und wieder auf die andere Seite bringen wolle.

Zuhause angekommen öffne ich die Haustür. Es duftet herrlich. Mutter muss gebacken haben. Ich hänge meine Jacke an die Garderobe, ziehe meine Schuhe aus, stelle sie in den Schuhschrank und hänge das Schlüsselbund an den Halter. In der Küche steht ein Kuchen. Ich käme spät, sagt sie, wo ich mich denn rumgetrieben hätte. Ich solle ihr doch Bescheid sagen, wenn ich länger weggehe. Ich wüsste doch, dass sie sich Sorgen macht, wenn ich einfach so das Haus verließe, gerade an meinem Geburtstag. Neben dem Kuchen stehen ein in Luftballonpapier verpacktes Geschenk und eine Karte. Auf der Karte prangt die 40.
 

rothsten

Mitglied
So, endlich bin ich zur Korrektur gekommen. Docs Vorschläge habe ich geschätzt zu 50% übernommen.

Sehr einverstanden bin ich mit steky, dass Umgangssprache die Qualität eines Textes erhöhen kann. Ich ergänze: so man diese autochtone Sprache beherrscht, und so man die richtige Konnotation trifft. Beides war hier nicht mein Anliegen, ich lasse eine Bewertung offen.

Hier bin ich mir aber absolut sicher:

PS: Schaum kann man übrigens tatsächlich hören - wenn man es sich in der Badewanne gemütlich macht, und dem leisen Knacken lauscht ...
Gewiss! Es blubbert, Bläschen platzen ...

Ich behaupte: Kein Schaum ohne Geräusch! Wie sonst wäre die Tollwut in diesem Forum erklärlich? :D

lg
 



 
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