schmerz

1,00 Stern(e) 1 Stimme

lindenmarc

Mitglied
Schmerz

Tief unter der Erde lebt der Gott der Verdammnis,
gleich nachdem die neue Religion ausgerufen wurde,
haben sich Ihr alle Ungläubigen unterworfen-
Sie knien sich kollegial nieder und preisen ihn.

Die Priester in weißen Kitteln mit Ihren Theorien,
und die uneigennützige Schwestern
feiern ihn in sterilen Operationssälen,
der Gläubige liegt betäubt auf den Opfertisch.

Immer neue Versuchsanleitungen werden angefertigt
Maschinen steuern und kontrollieren die Vorgänge-
Tag und Nacht findet eine 100 % Überwachung statt
-um zu zeigen wie stark der Glaube ist- .

-um zu zeigen wie stark der Glaube ist-
wird Säure und Plastik serviert, um Gott zu besänftigen,
Ideale, Hoffnungen und Träume
werden mit einen sanftmütigen Lächeln geopfert

Die Priester prophezei´n bessere Zeiten
Gott lebt überall, in jeder Zelle
in jedem Molekül, welches sich im Rhytmus
des betrunkenen Trauermarsches selig wiegt.

Mit spitzen Nadeln in allen Körperöffnungen
tanzen die Jünger bunt bemalt und karg gekleidet
auf den Straßen der ewig feiernden Stadt.
Sie schlafen miteinander in Abrisshäusern.

Am nächsten Morgen tritt Ernüchterung ein
und Gott zeigt sein wahres Gesicht,
die Maske fällt und illusionslos gehen
sie wieder auf die Straßen tanzen.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Hinweis

Meinst du wirklich kollegial in der ersten Strophe?

Ist das SF oder Fantasy? Meiner Meinung nach weder noch…
 

lindenmarc

Mitglied
hmm...

Im nachhinein, finde ich kollegial auch nicht mehr so treffend, aber ich denke, daß man sich auch kollegialer Weise hinknien kann. Wenn man sich selbst verleugnet und man in einer Gruppe gefangen ist (die arbeitsmässige Strukturen hat und die Stimmung wie unter "Kollegen" wiederspiegelt) kniet man sich dann halt kollegial hin. Vielleicht nicht wirklich gut aber irgendwie doch treffend.
Ich habe auch überlegt in welche Rubrik es am besten passt und habe es erst unter Krimi und Horror gepostet, habe mich dann doch für Fantasy und SciFi entschieden. Es spricht ja eine Zeit an, die weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart liegt (in der Gegenwart vielleicht, dann aber doch überspitzt dargestellt: Gott ist der Schmerz und die Ärzte feiern ihn in Operationssälen und alle Ungläubigen glauben daran). Also habe ich mich für diese Rubrik entschieden. Es ist ja auch nur eine Fantasie, die meinen Gehirnwindungen entsprungen ist. Von daher für mich die am passenste Rubrik.

Lindenmarc:D
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ich weiß auch nicht…

…genau, wo es hingehört, aber ich habe nun mal ein recht konkretes Bild von SF & F (ist eben MEIN Gebiet) und dieser Text weißt keines der Genremerkmale auf. Ich hätte das unter Poesie gepostet – wissend, dass es in der dortigen Mischung untergeht – oder unter Satire. Oder unter Sonstiges…

Es ist schwer einen Text, der keine SF, keine Fantasy, kein Krimi, kein Märchen, keine Erotik… ist, irgendwo einzuordnen. Vielleicht sollte es eine Rubrik geben, die Weltgedanken heißt und Platz für Betrachtungen dieser Art bietet. Man könnte ja eines der 3(!) Poesie-Foren umfunktionieren…

Auch wenn SF&F-Forum-Stammgäste jetzt die Augen verdrehen: Nicht jede Fiktion ist Science Fiction, nicht jede Fantasie ist Fantasy. Zukunft, Alternativ- oder Parallel-Welt sind kein ausreichendes Kriterium für SF – wobei ich deinen Text zum Beispiel gar nicht als "anderswo angesiedelt" sehe. Er ist überspitzt, lyrisch extrem überhöht, aber anderswo…?

Kollegial… das hat primär nichts mit Selbstverleugnung zu tun, sondern erst, wenn es durch vorhergehenden Text als Prinzip um des Prinzips willen (o. Ä.) erntlarvt wird. Bei dir steht es aber am Anfang. Es klingt bei dir, als würde dem Gott der Verdamnis etwas Unangenehmes passieren, würden sich die andern nicht hinknien – und kollegial, wie sie nun mal sind und weil sie sich ja nichts abbrechen dabei und nichts verliern, tun sie's halt. Ich glaube, massenhaft wäre ein besseres Wort und würde – vermute ich – deiner Absicht (man preist ihn eben, weil alle ihn preisen ODER alle preisen ihn, weil niemand eine besser Idee hat) eher entsprechen…

In der letzten Strophe war ich ebenfalls irritiert: Vorher tanzen sie, bis zur (Sex)Extase, dann verlieren sie die Illusion und tanzen wieder. Irgendwie wird die andere Qualität des Tanzes am nächsten Morgen nicht deutlich. Vielleicht hilft schon ein Punkt, in dieser Weise:

Am nächsten Morgen tritt Ernüchterung ein
und Gott zeigt sein wahres Gesicht,
die Maske fällt und illusionslos gehen
sie wieder auf die Straßen. Tanzen.


… aber das sind nur so Ideen. Tatsächlich ist dein Text für mich zu spröde – ich konsumiere, wenn überhaupt, eher Lyrik „braverer“, prosanäherer Art.

In diesem Sinne: :)
jon
 

lindenmarc

Mitglied
...danke erst mal für deine ausgiebige Kritik an meinen "was- auch-immer-Werk". Man könnte kollegial sicherlich durch gemeinschaftlich ersetzen oder massenweise oder massenhaft, aber ich lasse es jetzt so wie es ist. Wäre ja Schade, wenn deswegen die Diskussion nach dem Veröffentlichen pfutsch ist.
Und tatsächlich habe ich in der letzten Strophe das "tanzen" erst durch Gedankenstriche abgegrenzt, wußte dann aber nicht so genau und habe dann dem Satzaufbau zuliebe das tanzen einfach so gelassen wie es ist.
Deine Idee ist aber auch gut. Wäre ein schönerer Schluß gewesen - der Schluß von Schmerz: die Heilung = tanzen.
Ich kann dir leider nicht so richtig folgen in der Diskussion was jetzt Fantasy und Sci-Fi ist. Aber wahrscheinlich gibt es da auch keine klaren Abgenzungskriterien zu anderen Stilen. Für mich ist Sci-Fi alles was in der Zukunft spielt oder alles denkbare in Zeit und Raum / Fantasy alles was irgendwie märchenhaft oder fantastisch (im Sinne von übernatürlich nicht greifbar) ist. Sicherlich ein Streitpunkt, bei den man schlecht auf einen Nenner kommen kann.
Ich überlege gerade, ob es auch ein "Werk" gibt, was mehrere Stile umfaßt. Es wäre dann ja nur konsequent, wenn man dieses dann in alle angesprochenen Genre`s schreibt. Oder müsste man dann abwägen, welcher Stil überwiegt?
Ich gebe dir auch recht, daß mein "Schmerz" ziemlich spröde ist, ist aber vielleicht auch so gewollt. Vielleicht sollte man einen neuen Stil schaffen "Punk-Rock-Poesie". Dann wäre es vielleicht doch überwiegend Satire.

Lindenmarc:D
 

jon

Mitglied
Teammitglied
SF

Hi lindenmarc,

nicht alles, was in der Zukunft spielt, ist SF – Prophezeiungen sind definitiv keine SF (nur mal so als Extrem-Beispiel) Und nicht jede fiktive Welt ist eine SF oder F-Welt. Nicht jeder unwiklcihe Aspekt macht ein Buch zur SF – niemand kann heutzutage einfach beschließen, nicht mehr zu wachsen, und trotzdem würde wohl keiner "Die Blechtrommel" zur SF zählen. Deutlich gesagt sind ALLE nichtdokumentarischen Werke fiktiv. Der Unterschied ist, Nicht-SF&F KÖNNTE hier und heute spielen, würde es die enstprechenden Personen geben.

Nun ist das bei Lyrik noch eine besondere Sache. (Komplex thematisierte) Gedichte MÜSSEN sich weitgehend vom Realen lösen, um in der Kürze des Textes die Komplexität zu verdeutlichen/verbildlichen. Es gibt auch SF- & F-Gedichte – solche, die in Versform eine SF- oder F-Geschichte erzählen (in der LL gibt's einge F-Epen) und solche, die eine SF- oder F-Realität zur Grundlage haben (z.B. wenn ein Vampir über etwas nachdenkt oder ein Außerirdischer die Schönheit seiner Welt besingt).

Tatsächlich ist es gelegentlich Ansichtssache, was SF oder F ist und was nicht, manchmal verschwimmt es untereinander, seltener mit anderen Genres. Bei "schmerz" würde ich mich auch nicht so vehement gegen die Einordnung in diesem Forum wehren wie bei „Das Licht“ (http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?postid=49085), obwohl das FORMAL SF sein könnte.

Und: Es gibt Texte, die mit mehren Genres spielen. (Siehe Gert Prokops „Samenbankraub“ oder „Wer stiehlt schon Unterschenkel?“) Dennoch würde (in Prokop-Fall) ein hartgesottener Krimi-Fan das von sich weisen, weil es eben SF ist. Das ist das – glaube ich – Besondere an der SF: Man kann auf dem SF-Boden alle anderen Genres "anbauen". Hantiert man dabei mit Magie wird es Fantasy. Hantiert man dabei mit Grusel, Gespenstern, Vampiren, Untoten und dergleichen, wird es Horror. Grob gesagt.

"Punk-Rock-Poesie"… gefällt mir als Stil-Bezeichnung, auch wenn es nicht mein Stil ist und ich nie wagen würde, dabei eine solche "Begrenzung" vornehmen zu wollen wie bei der SF.
 



 
Oben Unten