Schnirkelpost im Gartenbeet (Tenos)

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sufnus

Mitglied
Schnirkelpost im Gartenbeet

Schnirkelschneck, Schnirkelschneck,
schnirkelst durch den Weltenzweck
und wenn deiner Schnirkeltour

einmal über den Salat
sich der Sinnbetrachter naht,
bleibt als Fund die Schneckenspur.

Wie jetzt? In das Zeitgedränge
schreibt sich klebrig-silbrig ein
so ein bisschen Schleimgemenge
und das solls gewesen sein?

Tja, so scheints im Seinsbetrieb,
aber, Mensch!, nimms nicht so schwer:
Lies von vorn den Schneckenschrieb
und nicht nur vom Ende her!


-------

Das "Tenos" (Sonet(t) rückwärts geschrieben) wurde nach meiner Recherchelage erstmalig bei einem gewissen Thilo Bock, der (u. a.) in der Berliner Literaturszene kräftig mitmischt, aktenkundig und wurde von diesem zum Ende des letzten Jahrtausends aus der Taufe gehoben. Während die Bock'schen Ur-Tenos, wenn ich das richtig deute, eher reimsparsam gehalten waren, knüpfe ich mit etwas traditioneller gewandeten Varianten an die ehrwürdige Tenos-Tradition an. Wichtig scheint mir, dass sich, neben der formalen Vorgabe der umgedrehten Sonett-Zeilen-Reihung, beim Tenos auch im Inhalt ein gewisses Spiel mit Normal- oder Nichtnormalperspektiven zumindest andeutet.
Weitere Lesebeispiele: hier oder hier
 

klausKuckuck

Mitglied
Hey sufnus,
Das ist ja ein wunderbarer Schnirkeldreher! Und zugegeben: Von "Tenos" habe ich noch nie etwas gehört – das werde ich, mit Verlaub, sofort ausprobieren.
Gruß KK
 

sufnus

Mitglied
Von "Tenos" habe ich noch nie etwas gehört – das werde ich, mit Verlaub, sofort ausprobieren.
Hey KK!
Ich danke Dir sehr für das Kompliment in Wort und Stern! :)
Was die Tenos angeht, so besitzt ein umgedrehtes Sonett im Terzett -Terzett -Quartett-Quartett-Habitus sicher weitaus mehr Mütter und Väter als den wohlversierten Herrn Bock und den schusseligen Suf.
Die "anderen" haben ihre schönen Invers-Sonette halt bloß nicht so benamst. Wobei ich mir allerdings zusätzlich zugute halten darf, diese Lyrikform um ein "inhaltliches" Programm erweitert zu haben (jetzt spätestens sollte ich nochmal explizit darauf hinweisen, dass all diese Ausführlichkeiten mit Augenzwinkervermerk versehen sind): Jedenfalls ist das Tenos nicht etwa wie das Sonett in These-Antithese-Prothese zu unterteilen, sondern thematisiert immer irgendwie eine Art "Topsyturvyness" (was sich auf rezentgermanisch leider nicht so schön bezeichnen lässt), es muss also irgendwas (im allerweitesten Sinne) auch inhaltlich kopfstehen, rumgedreht werden oder sonstwie mit den Füßen im Himmel zappeln. :)
LG!
S.
 

klausKuckuck

Mitglied
Hey suf,
da sehe ich Verwandtschaft zum "Fatras" – wie es beispielsweise von "FrankReich" einfallsselig gepflegt wird. (Zwei Exemplare haben wir auf der lyrikLeine stehen).
Grüße KK
 

sufnus

Mitglied
Hey KK!
Sehr coole Beobachtung! Ich bin großer Fan der mittelalterlichen Unsinnspoesie, seit ich durch das Buch von Ralph Dutli über "Fatrasien" darauf gestoßen bin. :) Und tatsächlich merke ich gerade, dass die Fatrasie (also der Vorgänger des Fatras) sogar auch formal eine direkte Ahnenreihe mit dem Tenos bildet. Die Fatrasie fängt nämlich tatsächlich auch mit einem schweifgereimten Sextett an, als wolle sich hier ein umgedrehtes Sonett entfalten. Dann geht es aber schon mit einem einzelnen Fünfzeiler anstelle zweier Quartette ins rasante Finale. :)
Bei der Fatras ist erzeugt die Sinn-Verklammerung der ersten beiden Zeilen und deren umrahmende wortgetreue Wiederholung im nachfolgenden "Unsinns-Textblock" für mein Gefühl einen etwas anderen, beinahe ein bisschen Pantun-artigen Sound, wobei aber die Neigung zum kopfverdrehten Wirrsinn auch hier sicher Tenos-Schwingungen verbreitet (bzw. richtiger: Das Tenos von den Fatras-Schwingungen zehrt). :)
LG!
S.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Interessant ist: man kann Deins vorwärts, aber auch rückwärts lesen.
 



 
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