Schreie, schreie deine Lieder

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Schreie, schreie deine Lieder

Rolf-Peter Wille

Pfuhl dich durch die Höllenpforte,
[ 2] Sachte nur, gleich bist du da.
[ 2] Schleich zum Klang der Frankenworte,
[ 2] Summ dir ein drakules La.
Labe dich an den Ergüssen
[ 2] Deiner feinen Poesie.
[ 2] Nasch nur von den Satanüssen
[ 2] Meiner fiesen Fantasie.
Und ersinne süsse Lieder,
[ 2] Sanft, sonor und stets perfider.

Suhle dich in der Spelunke,
[ 2] Sauf dich grünlich, lach dich blau.
[ 2] Schnalzt die Kröte mit der Schnunke
[ 2] Walzt Mephisto auf der Sau.
Aale dich in den Genüssen
[ 2] Einer schnöden Hedonie.
[ 2] Schaler soll die Muse küssen
[ 2] Solcher öden Parodie.
Und verleime deine Lieder
[ 2] Noch gemeiner, noch perfider.

Buhle um die Gunst der Gosse
[ 2] Und um Babels kranken Wein,
[ 2] Und ernenn dich zum Kolosse,
[ 2] Mein genialer Frankenstein.
Brenne nun in dem Genusse
[ 2] Deiner elenden Manie,
[ 2] Denn ich gebe dir im Kusse
[ 2] Meine ewge Agonie.
Schreie, schreie deine Lieder
[ 2] Immer wieder, immer wieder,
 

MarenS

Mitglied
bevor ich mich weiter auslasse...
"Pfuhl dich durch die Höllenpforte,"

was habe ich unter "pfuhl" zu verstehen?

Pfuhl ist eigentlich so etwas wie eine große Pfütze, ein kleiner Teich oder evtl. eine Jauche...
aber das Verb?

Grüße von Maren
 
L

label

Gast
MarenS
pfuhlen = sich wälzen
für menschen im bett
schweine(wilde) im pfuhl (pfütze, schlamm

pfuhlen wird mit unreinem, lasziven assoziiert

Rolf Peter

ich bin beeindruckt von deinen wortschöpfenden versen,
und von der reichweite deiner stimmigen assosationen.

jedenfalls feuert durch mein gehirn eine flut von bildern wenn ich dein gedicht lese und nochmal lese und lese

lesendes
label
 

MarenS

Mitglied
sorry, label....
verwechselst du das nicht mit "suhlen"?

Das Verb "pfuhlen" ist nicht aufzufinden...nicht in meinem Duden und auch sonst nirgends wo ich nachzuschlagen pflege...
Bilde mich gerne weiter...wo finde ich es?

Grüße von Maren
 
L

label

Gast
ups da habe ich wohl doch ein wenig daneben gelegen
ABER
[blue]laut grimmschen wörterbuch[/blue]
http://www.dwb.uni-trier.de/
PFUHLEN,PFÜHLEN, verb. pfuhlicht sein, nach einem pfuhl riechen, schmecken STIELER 446. LUDWIG 1403.

PFÜHLEN, verb. mit einem pfühl versehen, darauf betten:

(da sah ich) auf einem bett, gepfühlt von weichem moose ..
die liebste schlummernd.
RÜCKERT 1, 183;

du ruhest weichgepfühlt am ufer strombespült.
brahm. 5, 137.
UND
bei wilhelm Busch, max und moritz "in die Betten in die Pfühle, denn sie liegt nicht gerne kühle"

freundlich grüßendes label
 

MarenS

Mitglied
label...

fein...
pfuhlen = nach einem Sumpfe riechen oder schmecken
pfühlen = sich betten

...welches von beiden macht hier Sinn?

Grüße von Maren
 
L

label

Gast
lache, hoffentlich werden wir nicht wegen plauderei verbannt oder stirnrunzelnd von den lesern verwünscht

noch etwas: immer noch grimmsches wörterbuch
PFUHL, m.

palus. ahd. phuol, mhd. phuol, pfuol, md. pfûl, nhd. mit dehnungs-h pfuhl ...
1) im eigentlichen sinne eine gröszere tiefere pfütze.
a) im singular: mhd. swîn, daჳ sich weschet, und aber in den phuol vellet. Schönbach altd. pred. 94, 3 ...
b) im plural, mhd. phüele, pfüele: in den pfüelen oder lachen. Megenberg 258, 32; (die binse) wehset ...
2) übertragen, nur im singular.
a) zunächst biblisch von der hölle, gedacht als feuriger pfuhl, in dem pech und schwefel brennen ...
b) sonst bildlich: mhd. ungelouben, sünden, jâmers, riuwen, bannes u. s. w. pfuol Lexer 2, 268; ...


mir jedenfalls kam sofort das bild von wollüstigem tun in betten, oder dafür geeigneten aufenthaltsstätten, das nach katholischer moraltheologie ein expressticket zur hölle darstellt

grinsend
label
 
Hallo MarenS,

es gibt eine Reihe von Woertern hier, die es nicht (oder kaum) gibt. "Pfuhlen" als Verb habe ich nicht gehoert (aber die Woerter "Pfuhl" und "suhlen" verbinden sich beim Lesen, und man weiss, was gemeint ist). Man koennte es als eine "Verschiebung" oder ein erfundenes Wort ("Portmanteau") auffassen. "Frankenwort" (fuer ein erfundenes zusammegesetztes Wort) ist eigentlich auch nur im Englischen ("frankenword") bekannt. "Drakul" (Drakula + cool) als Adjektiv gibt es sicher auch nicht. "Satanuesse" waere auch entweder ein scherzhafter Plural von Satanas, oder ein Portmanteau von Satan + Nuesse. Und "Schnunken" gibt es vielleicht auch nicht...

Die Frage ist natuerlich: Was soll das?

Der Sprecher in diesem Gedicht (oder das "lyrische ich") ist offensichtlich ein zorniger Gott, oder ein Daemon - vielleicht sogar der Teufel persoenlich - und er spricht mit rhetorischen Mitteln, die evokativ wirken sollen (ironisch, zynisch, triumphierend, verdammend). Diese Art der (Mephisto) Rhetorik benutzt Wiederholungen, Verfremdungen, kroenende Sentenzen, Stabreime, Assonanzen und erfundene Woerter. Auch die Metaphern sollen pathetisch wirken. "Babels kranker Wein", in der letzten Stanze, entspricht dem Stil der Offenbarung (Apokalypse). Rationalitaet ist nur eines der Mittel im Arsenal solch einer Rhetorik (die hier uebrigens nicht gegen wirkliche Personen verwendet, sondern nur als Fiktion dargestellt ist).

Gruesse,
Rolf-Peter
 
Hallo label,

...ich kann's nicht glauben? Ich hab' was erfunden, was es schon gibt?

Aber es freut mich, dass Dir diese Assoziationen gefallen. Eigentlich ist es ja der Zweck von solchen Woertern, dass mehrere Deutungen, sogar gleichzeitig, moeglich sind. Es koennte fast eine Kunst sein, ein Wort genau so klanglich oder grammatisch zu verfremden, dass sich der Leser nicht entscheiden kann, welche Deutung den Vorrang hat; und besonders interessant wird es, wenn die Deutungsmoeglichkeiten weit auseinander liegen.

Wird nicht die Hoelle selbst oft als "Pfuhl" bezeichnet in der Offenbarung, z.B.? Und dann die "pf" Alliteration Pfuhl / Pforte verfuehrte mich. Alle drei Stanzen beginnen uebrigens mit einem "uhl" Wort (pfuhl, suhle, buhle).

(O je, ich muss mich pfuehlen..., 4 Uhr morgens..., ich empfehle mich)

Liebe gruesse,
Rolf-Peter
 

fenestra

Mitglied
Aale dich in den Genüssen
Einer schnöden Hedonie.
Schaler soll die Muse küssen
Solcher öden Parodie.
Meine Lieblingsstelle!

Lieber Rolf-Dieter,

das ist ein gewaltiges Schelmenstück! Es muntert den Geist auch zu später Stunde noch auf.

Erst nach mehrmaligem Hinsehen habe ich gemerkt, wie symmetrisch die Strophen aufgebaut sind, die letzten sechs Zeilen haben immer (fast) das gleiche Reimschema. Dass label einen deiner Wortkoffer in einem alten Wörterbuch fand, passt in sofern, dass das Lied ein bisschen wie ein mittelalterlicher Bänkelgesang klingt. Vor dem Auge erstehen Szenen von Hieronimus Bosch.


Genauso lesenswert und anregend, wie das Werk selbst ist wiederum dein Kommentar. Rot angestrichen (zum Wiederfinden) habe ich folgende Stellen:

Diese Art der (Mephisto) Rhetorik benutzt Wiederholungen, Verfremdungen, kroenende Sentenzen, Stabreime, Assonanzen und erfundene Woerter.
...
Eigentlich ist es ja der Zweck von solchen Woertern, dass mehrere Deutungen, sogar gleichzeitig, moeglich sind. Es koennte fast eine Kunst sein, ein Wort genau so klanglich oder grammatisch zu verfremden, dass sich der Leser nicht entscheiden kann, welche Deutung den Vorrang hat; und besonders interessant wird es, wenn die Deutungsmoeglichkeiten weit auseinander liegen.
Da kann ich dir nur zurufen:

Labe dich an den Ergüssen
Deiner feinen Poesie.
;)

dracoole Grüße
fenestra
 
Labe dich an den Ergüssen
Deiner feinen Poesie.
Liebe dracoole fenestra:

Der formosanisch tropischen Mittagshitze zum Trotze kriege ich aber jetzt doch eine Gaensehaut. Ich hatte ja insgeheim gehofft, dass man im "lyrischen du" hier durchaus NICHT den Autor, sondern einen anderen faustischen Pseudo-Poeten, erblicken moechte... :)

Aber vielen Dank natuerlich fuer Deine praechtigen Anmerkungen!

Bosch? Komisch..., genau ueber meinem Computer haengt eine grosse Kopie von "El Jardin de las Delicias" aus dem Museo del Prado. Und die Musiker sind alle in der Hoelle, wie ich sehe. Beeindruckend, in der Tat, wie die nackten Leiber in die Saiten der Lyra geflochten sind (eine "lyrische Metapher"?). Der Himmel dagegen ist rein von Musik...

Symmetrie: Ja stimmt! Urspruenglich dachte ich nur an eine Art "Mantra", aber, wenn man es sich bewusst machen wollte, koennte man die Stanzen natuerlich uebereinander legen - durchsichtig - und dann drei-dimensional lesen (linear "prosaisch" von links nach rechts innerhalb der Zeile; "versiert" von oben nach unten innerhalb der Stanze, und "stanziert" von vorn nach hinten innerhalb des Gedichts).

Freundliche Frankengruesse,
Rolf-Peter
 

MarenS

Mitglied
...grins...
Nun, da meine Neugier gestillt ist, kann ich auch genießen.

...pfuhle, suhle, buhle...das war wohl nicht zu übersehen, deshalb wollte ich ja unbedingt wissen, was du dem Begriff pfuhle mitgibst.

Dein Dämon, dein erboster Mahner ist dir gut gelungen, er spuckt für mich die Worte voller Abscheu aufs Papier, dabei jedoch oder gerade deshalb...sehr gewählte Worte.

Grüße von Maren
 
Danke, Maren!

Ja..., Abscheu und gewaehlte Worte. Sehr gut! "Mit gewaehlter Abscheu": Diese Verbindung von Wut und Intellekt ist vielleicht die Essenz des Daemonischen.

Dabei denke ich jetzt aber, dass so eine daemonische Rhetorik lieber nicht fuer sich allein stehen sollte. Ich muesste das Gedicht wohl in einen groesseren Zusammenhang stellen, wo es dann "nur" als Antithese wirkte. (Aber Faust Werke gibt's ja schon zu viel...)

Mir faellt da uebrigens noch Lenaus "Faust" ein (Liszt hat seinen "Mephisto Walzer" nach ihm geschrieben): vom Inhalt viel daemonischer als Goethe - nur Vers und Rhythmus leider etwas schal. Faust begeht Selbstmord hier, und das letzte Wort hat Mephisto:

Du warst von der Versöhnung nie so weit,
Als da du wolltest mit der fieberheißen
Verzweiflungsglut vertilgen allen Streit,
Dich, Welt, und Gott in eins zusammenschweißen.
Da bist du in die Arme mir gesprungen,
Nun hab ich dich und halte dich umschlungen!
Viele Gruesse,
Rolf-Peter
 

MarenS

Mitglied
" Da bist du in die Arme mir gesprungen,
Nun hab ich dich und halte dich umschlungen!"

...der Sprung von hier nach da...ein leichtes

Danke für diesen Ausschnitt...lächel

Liebe Grüße von Maren
 
L

label

Gast
Hallo Rolf Peter

das
Ja..., Abscheu und gewaehlte Worte. Sehr gut! "Mit gewaehlter Abscheu": Diese Verbindung von Wut und Intellekt ist vielleicht die Essenz des Daemonischen
hat mich gerade angesprungen, mir erklärt, warum man in bestimmten situationen besonders hilflos, machtlos ausgeliefert ist.

in filmen werden besonders perfide Situationen meist dadurch gekennzeichnet dass der böse lächelnd und nahezu höflich und formvollendet gnadenlose dinge sagt und tut.
Du bist da etwas auf die spur gekommen.......danke

label
 
Hallo label,

ich war auch instinktiv fasziniert von "gewaehlter Abscheu". Es gibt ein sehr eigenartiges Spannungsverhaeltnis zwischen dem "langsamen", nasalen "gewaehlt" und der schnell gespuckten "Abscheu". Gleichzeitig verdunkelt das Gewaehlte die versteckte Abscheu, die dann sublim ins Unterbewusste "spuckt"; und genau diese sublime Wirkung laehmt wiederum die objektive Wahrnehmungsfaehigkeit des Opfers, so dass die Eitelkeit der intellekuellen Scheinhuelle nicht schnell genug erkannt wird. Ein perfekter Sarkasmus funktioniert sicherlich so. Wenn man sich verteidigen will, ist es meist zu spaet. Aber die "vollendeten" Wortgefuege lassen sich im Nachhinein knacken (wobei die harmlosen rationalen sicher leichter zu analysieren sind als die giftig metaphorischen). Ausserdem laesst sich die sublime Wirkung bewusst machen. Man kann eigentlich nur "getroffen" werden, wenn man irgendwo eine "Zielscheibe" hat, und das Getroffenwerden ist dann auch eine Chance, diese "Zielscheibe" zu finden und zu "demontieren".

Viele Gruesse,
RP
 

fenestra

Mitglied
Ich hatte ja insgeheim gehofft, dass man im "lyrischen du" hier durchaus NICHT den Autor, sondern einen anderen faustischen Pseudo-Poeten, erblicken moechte...
Nun ja, ich habe doch extra eine ganz harmlose Stelle zum Zitieren ausgesucht... ;)

Ich denke, ein Schuss Selbstironie steht indes jedem Autor gut und ich vermutete ihn durchaus auch hinter diesem Gedicht!

lg
fenestra
 

alfi

Mitglied
pfui-pfuhle

Der Ursprung dieser Wörter lässt sich leider nicht mehr rekunstruieren. Die Rechtschreibreform hat sie einfach verschluckt.
Pfui = igitt igitt
Pfuhle- mandarin Chinesich= ogott- ogott.
Rolf Peter schaffe weiter solche Wortkreationen, damit die deutsche Sprache erhalten bleibt.
Es grüsst dich grinsend

alfi
 
Hallo alfi,

die alte sino-germanische Sprache wurzelt, wie es Forscher nun nachweisen, im Klingonischen. Ihre Wiederbelebung ist eine Frage von "taH pagh taHbe" (to be or not to be)...

LG,
RP
 



 
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