Sein Wille
Der Professor betrat sein Arbeitszimmer und verriegelte die verstärkte Tür hinter sich. Gemächlich schritt er auf den mächtigen, antiken Schreibtisch zu und legte seine schwere Tasche im Vorbeigehen vorsichtig darauf ab. Mit einem dumpfen Räuspern ließ er sich auf den großen, barocken Stuhl nieder. Fast zeitgleich griff er erneut zu der Tasche. Behutsam zog er den Papierstapel heraus und drapierte ihn direkt vor sich. Eilig aber dennoch vorsichtig durchblätterte er die Arbeiten. Dabei achtete er nur auf die Namen am oberen Rand.
Ungefähr in der Mitte des Stapels fand er sie.
»Eloy«, flüsterte der Professor voller Vorfreude und zog die Arbeit hervor. Er war gespannt darauf, ob sich der Junge seine Ratschläge und Hilfeleistungen zu Herzen genommen hatte.
Wie gewohnt fiel sein erster Blick auf das Literaturverzeichnis am Ende. Namen wie Kernberg, Wirth und Zimbardo suchte und fand er dort. Der Professor lächelte zufrieden. Positiv gestimmt begann er nun, die Arbeit von Beginn an zu lesen.
Die Einleitung war viel zu lang. Bereits auf Seite drei fand er den ersten Rechtschreibfehler. Eine der aufgestellten Thesen auf Seite sieben war eindeutig Muzafer Sherif zuzuordnen, was der Student jedoch nicht entsprechend angegeben hatte.
Der Professor spürte die Wut in sich aufsteigen. Mit jeder Zeile, die er las, schien sich seine Stimmung zu verschlechtern. Als er auf Seite elf einen weiteren Rechtschreibfehler entdeckte, nahm er die Unterlagen energisch in beide Hände und schlug sie mehrfach auf die robuste Schreibtischplatte. Erst als seine Fingerknöchel zu schmerzen begannen, hielt er inne. Regungslos und mit geschlossenen Augen versuchte er, sich zu beruhigen. Das Pochen in den Fingern wurde langsam erträglich, der Puls senkte sich wieder.
Abfällig legte er die Arbeit zurück zu den anderen. Dann wischte er sich mit einem Taschentuch nachlässig das Blut von den wunden Händen.
Seine Aufmerksamkeit richtete sich bereits auf die Schrankwand links von ihm. Er ließ das rote Tuch achtlos zu Boden fallen und schritt hinüber zu den dunklen Holztüren, um sie zu öffnen. Die opulente Technik im Inneren brachte er mit geübten Fingern schnell zum Laufen. Schon nach wenigen Sekunden sah er das Übertragungsbild der Kamera im Keller auf dem Monitor vor sich.
Einige Minuten lang beobachtete er die Szenerie, ehe er zum Mikrofon griff.
»Hallo Adam«, sagte der Professor und umklammerte dabei erregt das kleine Mikrofon.
Der Mann auf dem Monitor richtete sich auf. Erschrocken blickte er zu allen Seiten.
»Was? Wer ist da?«, rief er ängstlich. Durch die kleinen Lautsprecher klang seine Stimme etwas mechanisch und ziemlich leise.
»Wie geht es dir heute, Adam?«, fragte der Professor einfühlsam.
»Hören sie, hier liegt eine Verwechslung vor. Mein Name ist nicht Adam. Sie haben den Falschen. Lassen sie mich raus!«
Der Professor drehte an einigen Knöpfen, bis ihm der Klang aus den Lautsprechern besser gefiel.
»Und«, fragte er, während er immer noch mit der Armatur beschäftigt war, »wie gefällt dir dein neues Reich?«
Der Mann auf dem Bildschirm schaute irritiert um sich. Sein Blick fiel auf den Kunstrasen, die künstlichen Pflanzen und die blau und weiß gestrichenen Wände. Der Raum hatte keine Fenster und scheinbar auch keine Türen, so dass er sich fragte, wie er überhaupt hier herein gebracht worden war. Er blickte wieder auf die Kamera an der Decke.
»Hören sie mir eigentlich zu? Ich sagte, dass ich nicht dieser Adam bin. Sie haben den Falschen eingesperrt!«
Der Professor lächelte zufrieden.
»Es ist wunderschön, oder? Ein kleines Paradies.«
Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen. Der Vibrationsalarm seines Handys erzeugte ein störendes und unangenehmes Geräusch. Missmutig schaltete er das Mikrofon aus. Dann wühlte er in der Tasche nach dem Telefon. Eine junge Frauenstimme ertönte am anderen Ende.
»Herr Professor! Schön, dass ich sie erreiche. Ich hoffe, ich störe nicht. Sie hatten mir heute nach der Vorlesung gesagt, ich könnte sie am Nachmittag anrufen. Erinnern sie sich?«
Er fasste sich zerknirscht an die Stirn. Er hatte es vergessen.
»Ja, natürlich. Ich erinnere mich. Aber leider ist mir etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Ich fürchte, wir müssen unser Gespräch vertagen.«
»Oh. Ja, verstehe. Schade.«
Die junge Frau klang enttäuscht.
»Wissen sie, ich habe ein paar dringende Fragen zu meiner Hausarbeit. Der Abgabetermin ist bereits in dreizehn Tagen. Ich wäre ihnen unendlich dankbar, wenn wir zeitnah darüber sprechen könnten.«
Der Professor sah nachdenklich auf den Monitor.
»Ich mache ihnen einen Vorschlag: kommen sie doch einfach am Samstag zu mir nach Hause. Dann werde ich für sie Zeit haben. Die Adresse haben sie, richtig?«
»Ja, habe ich. In Ordnung, wunderbar. Vielen Dank. Wann passt es ihnen denn am Samstag?«
»Sagen wir um eins? Oder nein, besser um zwei Uhr.«
»Gut, ich werde da sein. Nochmals besten Dank!«
»Keine Ursache. Dann also bis Samstag, Eve.«
»Elisabeth!«
Der Professor horchte erschrocken auf. »Wie bitte?«
»Elisabeth!«, wiederholte die Frau. »Mein Name ist Elisabeth. Nicht Eve.«
»Ja, natürlich. Elisabeth!«, erwiderte der Professor aufgeregt. »Ich war in Gedanken.«
Der Professor betrat sein Arbeitszimmer und verriegelte die verstärkte Tür hinter sich. Gemächlich schritt er auf den mächtigen, antiken Schreibtisch zu und legte seine schwere Tasche im Vorbeigehen vorsichtig darauf ab. Mit einem dumpfen Räuspern ließ er sich auf den großen, barocken Stuhl nieder. Fast zeitgleich griff er erneut zu der Tasche. Behutsam zog er den Papierstapel heraus und drapierte ihn direkt vor sich. Eilig aber dennoch vorsichtig durchblätterte er die Arbeiten. Dabei achtete er nur auf die Namen am oberen Rand.
Ungefähr in der Mitte des Stapels fand er sie.
»Eloy«, flüsterte der Professor voller Vorfreude und zog die Arbeit hervor. Er war gespannt darauf, ob sich der Junge seine Ratschläge und Hilfeleistungen zu Herzen genommen hatte.
Wie gewohnt fiel sein erster Blick auf das Literaturverzeichnis am Ende. Namen wie Kernberg, Wirth und Zimbardo suchte und fand er dort. Der Professor lächelte zufrieden. Positiv gestimmt begann er nun, die Arbeit von Beginn an zu lesen.
Die Einleitung war viel zu lang. Bereits auf Seite drei fand er den ersten Rechtschreibfehler. Eine der aufgestellten Thesen auf Seite sieben war eindeutig Muzafer Sherif zuzuordnen, was der Student jedoch nicht entsprechend angegeben hatte.
Der Professor spürte die Wut in sich aufsteigen. Mit jeder Zeile, die er las, schien sich seine Stimmung zu verschlechtern. Als er auf Seite elf einen weiteren Rechtschreibfehler entdeckte, nahm er die Unterlagen energisch in beide Hände und schlug sie mehrfach auf die robuste Schreibtischplatte. Erst als seine Fingerknöchel zu schmerzen begannen, hielt er inne. Regungslos und mit geschlossenen Augen versuchte er, sich zu beruhigen. Das Pochen in den Fingern wurde langsam erträglich, der Puls senkte sich wieder.
Abfällig legte er die Arbeit zurück zu den anderen. Dann wischte er sich mit einem Taschentuch nachlässig das Blut von den wunden Händen.
Seine Aufmerksamkeit richtete sich bereits auf die Schrankwand links von ihm. Er ließ das rote Tuch achtlos zu Boden fallen und schritt hinüber zu den dunklen Holztüren, um sie zu öffnen. Die opulente Technik im Inneren brachte er mit geübten Fingern schnell zum Laufen. Schon nach wenigen Sekunden sah er das Übertragungsbild der Kamera im Keller auf dem Monitor vor sich.
Einige Minuten lang beobachtete er die Szenerie, ehe er zum Mikrofon griff.
»Hallo Adam«, sagte der Professor und umklammerte dabei erregt das kleine Mikrofon.
Der Mann auf dem Monitor richtete sich auf. Erschrocken blickte er zu allen Seiten.
»Was? Wer ist da?«, rief er ängstlich. Durch die kleinen Lautsprecher klang seine Stimme etwas mechanisch und ziemlich leise.
»Wie geht es dir heute, Adam?«, fragte der Professor einfühlsam.
»Hören sie, hier liegt eine Verwechslung vor. Mein Name ist nicht Adam. Sie haben den Falschen. Lassen sie mich raus!«
Der Professor drehte an einigen Knöpfen, bis ihm der Klang aus den Lautsprechern besser gefiel.
»Und«, fragte er, während er immer noch mit der Armatur beschäftigt war, »wie gefällt dir dein neues Reich?«
Der Mann auf dem Bildschirm schaute irritiert um sich. Sein Blick fiel auf den Kunstrasen, die künstlichen Pflanzen und die blau und weiß gestrichenen Wände. Der Raum hatte keine Fenster und scheinbar auch keine Türen, so dass er sich fragte, wie er überhaupt hier herein gebracht worden war. Er blickte wieder auf die Kamera an der Decke.
»Hören sie mir eigentlich zu? Ich sagte, dass ich nicht dieser Adam bin. Sie haben den Falschen eingesperrt!«
Der Professor lächelte zufrieden.
»Es ist wunderschön, oder? Ein kleines Paradies.«
Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen. Der Vibrationsalarm seines Handys erzeugte ein störendes und unangenehmes Geräusch. Missmutig schaltete er das Mikrofon aus. Dann wühlte er in der Tasche nach dem Telefon. Eine junge Frauenstimme ertönte am anderen Ende.
»Herr Professor! Schön, dass ich sie erreiche. Ich hoffe, ich störe nicht. Sie hatten mir heute nach der Vorlesung gesagt, ich könnte sie am Nachmittag anrufen. Erinnern sie sich?«
Er fasste sich zerknirscht an die Stirn. Er hatte es vergessen.
»Ja, natürlich. Ich erinnere mich. Aber leider ist mir etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Ich fürchte, wir müssen unser Gespräch vertagen.«
»Oh. Ja, verstehe. Schade.«
Die junge Frau klang enttäuscht.
»Wissen sie, ich habe ein paar dringende Fragen zu meiner Hausarbeit. Der Abgabetermin ist bereits in dreizehn Tagen. Ich wäre ihnen unendlich dankbar, wenn wir zeitnah darüber sprechen könnten.«
Der Professor sah nachdenklich auf den Monitor.
»Ich mache ihnen einen Vorschlag: kommen sie doch einfach am Samstag zu mir nach Hause. Dann werde ich für sie Zeit haben. Die Adresse haben sie, richtig?«
»Ja, habe ich. In Ordnung, wunderbar. Vielen Dank. Wann passt es ihnen denn am Samstag?«
»Sagen wir um eins? Oder nein, besser um zwei Uhr.«
»Gut, ich werde da sein. Nochmals besten Dank!«
»Keine Ursache. Dann also bis Samstag, Eve.«
»Elisabeth!«
Der Professor horchte erschrocken auf. »Wie bitte?«
»Elisabeth!«, wiederholte die Frau. »Mein Name ist Elisabeth. Nicht Eve.«
»Ja, natürlich. Elisabeth!«, erwiderte der Professor aufgeregt. »Ich war in Gedanken.«