selbst überschätzt

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würde am liebsten mit starken
und vielleicht wohl klingenden sätzen
jene großkotzigen untäter aufrütteln
für deren taten ich keine worte mehr finde

möchte ihnen in aller gelassenheit
in die aufgerissenen hassaugen sehen und
sie für ihre machtgier grenzenlos verachten

doch ich sitze vor meinem bescheidenen bildschirm
und tippe wütend in die tastatur
während sie mit goldenen füllfederhaltern
todesurteile unterschreiben
 

revilo

Mitglied
würde am liebsten mit [red]kernigen[/red]
und [red]zugleich[/red] wohl klingenden sätzen
[red]alle[/red] großkotzigen untäter aufrütteln
für deren taten ich keine worte mehr finde

möchte ihnen in aller gelassenheit
in die aufgerissenen hassaugen sehen und
sie für ihre machtgier grenzenlos verachten

doch ich sitze vor meinem[red] manierlichem / moderatem[/red] bildschirm
und [red]maltretiere[/red] wütend [strike]in[/strike] die tastatur
während sie mit goldenen füllfederhaltern
todesurteile unterschreiben

LG revilo
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Karl,

das Gefühl der Ohnmacht angesichts von Hasstiraden und populistischem Käse von zwei hier nicbt namentlich genannten Präsidenten ... das finde ich hier in Deinem Gedicht. Ich kann es gut nachempfinden. Und dann gibt es da noch den Schlächter, der sich nur Dank der Gnade eines dritten als vierter Präsident noch hat halten können... Mich packt die kalte Wut und Abscheu darüber, und die Furcht, doch nichts daran ändern zu können ...

Liebe Grüße

Herbert

PS Ich würde diesmal nichts mehr ändern wollen an Deiner Stelle.
 
Lieber Herbert,
ja, auch ich könnte mich stets aufs Neue in meine Wut hineinsteigern. Und ich bin froh, dass es Dir ähnlich geht.
Danke und herzliche Grüße
Karl
 
würde am liebsten mit kernigen
und zugleich wohl klingenden sätzen
alle großkotzigen untäter aufrütteln
für deren taten ich keine worte mehr finde

möchte ihnen in aller gelassenheit
in die aufgerissenen hassaugen sehen und
sie für ihre machtgier grenzenlos verachten

doch ich sitze vor meinem manierlichen bildschirm
und maltretiere wütend die tastatur
während sie mit goldenen füllfederhaltern
todesurteile unterschreiben
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
maltr[blue]ä[/blue]tiere

mal = übel
frz. traite von lat. tractare, traktieren = behandeln
 

revilo

Mitglied
immer wieder gerne...schreibt man das wirklich mit "ä"?....weiß nicht so recht.....

ja, Dein Wutschreiben liest sich sehr gut...politische Gedichte gehen häufig in der LL in die Hose....dieses hier nicht....und das liegt an der unbestrittenen Qualität Deiner Schreibe......

Lg revilo
 
würde am liebsten mit kernigen
und zugleich wohl klingenden sätzen
alle großkotzigen untäter aufrütteln
für deren taten ich keine worte mehr finde

möchte ihnen in aller gelassenheit
in die aufgerissenen hassaugen sehen und
sie für ihre machtgier grenzenlos verachten

doch ich sitze vor meinem manierlichen bildschirm
und malträtiere wütend die tastatur
während sie mit goldenen füllfederhaltern
todesurteile unterschreiben
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ist natürlich alles völlig wahr, unwidersprechbar.

würde am liebsten mit kernigen
und zugleich wohl klingenden sätzen
alle großkotzigen untäter aufrütteln
für deren taten ich keine worte mehr finde
Das lyrische Ich hat einen Wunsch, einen Willen, - welchen, in welche Richtung geht sein Wusch, wozu dient er?
Er scheint spontan zu sein, nicht eben durch eine Einsicht vermittelt oder von einer vernünftigen Absicht geleitet. Der Gefühlsgeleitete dieses Wunsches will eine Art Kampf mit dem Rivalen ausfechten, ihn aufrütteln, nicht aber ihn umdrehen, überzeugen oder zur Einsicht bringen. Das lyrische Ich sieht sich als moralisch überlegen, sucht aber nicht die gemeinsame Sprache oder eine dem anderen verständliche Zielrichtung. Das läßt es als psychologisches Kräftemessen erscheinen, nicht als Plan oder Gespräch.
möchte ihnen in aller gelassenheit
in die aufgerissenen hassaugen sehen und
sie für ihre machtgier grenzenlos verachten
Ja, wie gesagt. Es kippt geradezu um in die Haltung eines Attentäters, nicht eines Dialogpartners. Dieser "Verächter" des anderen hat es aufgegeben, Vernunftgründe oder praktische Klugheit sichtbar zu machen. Er sucht deshalb nicht die klugen oder gar listigen Argumente, sondern die "kernigen" Sätze, mit denen jeder erfolgreiche Redner für seine Sache wirbt, den Erfolg der Kraft, nicht den Erfolg der kompromißbereiten Problemlösung. Der eine kämpft mit dem anderen, es ist das, was Walter Benjamin die Ästhetisierung des Politischen nannte.

Mit dieser Ästhetisierung des Kampfes als Kräftemessen, der eine Kernige gegen den anderen Kernigen, der eine Verächter gegen den anderen Stolzen, der eine Urteilende gegen den anderen Urteilenden, baut das lyrische Ich eine Metaphern-Parallele, eine antithetische, auf: Feder gegen Füller, Kraftmüller gegen Kraftmeier.

Das ist schon interessant. Und auch traurig, weil es schiefgehen muß, auf tragische oder komische Art.

So "dialektisch" schräg sind moralisch sich überlegen fühlende Verse, einerseits völlig unwidersprechbar, weil jeder auf der guten Seite steht, andererseits ungenügend, weil das Rechthaben sich nicht in Überzeugung des anderen verwandelt: Es ist ja nicht Gespräch, sondern Bejahungssuche bei einem Publikum, das ein wenig nach der "eigenen Partei" aussieht.

Schwierig.
 
Hallo Mondnein.
natürlich ist viel dran an Deiner Interpretation. Allerdings gibt sich hier ein ohnmächtig/wütendes Lyr-Ich am Ende dadurch zu erkennen, dass es eine Tastatur bedient, die sicherlich nicht als adäquates Mittel in einem derartigen Machtkampf einsetzbar ist.
Herzliche Grüße
Karl
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
stimmt.

GrüßDich, Karl,

ja, das würde den understatement-Titel des Gedichts ja auch mittragen, wenn es um den Kampf von Tastatur gegen nichtmetaphorische Bomben ginge.

Aber die schlimmsten Diktatoren sind zugleich rhetorisch begabte Volkstribune. Da steht Wort gegen Wort und Rede gegen Rede. Da kann die sprachliche und erkenntnisweckende Intelligenz entscheidend sein, gemäß dem Spruch "Die Feder besiegt das Schwert".

Doch dann wäre der Unterschied noch immer der Unterschied des Mediums: die Tastatur des in der Leselupe verlorenen, ansonsten ungelesenen Dichters gegen den Rundfunk und die Presseorgane dessen, der über gleichgeschaltete Lautsprecher verfügt.
Nicht aber von vornherein der des Wortes. Wohl aber der Unterschied von dessen Hör- und Lesbarkeit.

Ist allerdings ein wesentlicher Macht-Unterschied, ja, Du hast recht.

grusz, hansz
 



 
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