Eigentlich wollte ich für heute das Forumsein mal sein lassen. Hehe, funktioniert ja prächtig. Nun sufnus...
Beim spontanen Fastwegklicken erspähte ich aber den Titel, der mir bereits ein recht komplexes (inhärentes) Paradox um die Ohren haut: "Nein, EV, mach es irgendwann!", "Ich will es aber besenfen, weil es Spaß macht". Nun denn.
Was der Titel "Selbstgespräch für gemischtes Publikum" nicht ist: Ein Kissengeflüster, dafür ist er ein Paradoxon. Wir haben hier Alliteration, Symbolik, wir haben hier Kontrast und Ironie, wir haben Ambiguität, einen Neologismus, Enjambement und Fragetechnik.
Mir erscheint der Titel wie eine Erkundung oder eine Selbstbefragung. Normalerweise ist ein Selbstgespräch ja eine private Angelegenheit, aber hier wird es für ein „gemischtes Publikum“ geführt. Dies könnte bedeuten, dass die Gedanken, obwohl persönlich und innerlich, für eine diverse Zuhörerschaft bestimmt sind. Hier denke ich an Wahrnehmungsebenen, die reflektiert werden, über die Rolle des Individuums innerhalb einer Gemeinschaft und wie diese Gemeinschaft diese Informationen verarbeitet, sie annimmt oder ablehnt und verdaut. Vielleicht ist es ein lyrisches Johari-Fenster.
Vielleicht geht es auch um Sprachmacht und die Fähigkeit zu kommunizieren und zu schweigen. Ein Selbstgespräch führt man ja nicht mit anderen. Vielleicht nur dann, wenn jemand nicht zuhört. Hier aber vermute ich, dass es sich um Lyrik dreht bzw. um die Kommunikation des Autors und seiner Leser. So viel zum Titelumriss.
"Hört jemand da draußen den Leiselaut?" Sofort fällt auf, dass hier kein Fragezeichen folgt (keine Separation). Der Neologismus wirkt intim, aber irgendwie auch distanziert, nicht aufgebend aber zurückhaltend. Das Wort besitzt eine gewisse - unausgesprochene - Spannung und Bedeutung. Wie jemand, der eingesperrt ist, an die Wand klopft und zögerlich fragt, ob jemand das "Leislaute" hört. Interessant ist, dass es dabei nicht um das LI geht. Es ist also kein "Hört-mich-jemand?". Interessant!
"Am Bestimmungsort der Sprache", hier wird es etwas spezifischer, wie mir scheint. Die Sprache als eine Art Gratwanderung, als einen Weg, der in und aus der Sprache führt. Bestimmung ist empfangend bzw. klar definiert, was ein Bestimmungsort ist. Das wird ja deutlich, wenn wir aufs Klo müssen. Dann heißt es Bestimmungsort Lokus. "Bestimmungsort" impliziert außerdem ein gewisses "Müssen". Vielleicht ist der Weg eine Suche, die des Verstehens mächtig wird oder, noch besser, werden will.
"Der Mund der Mündung." Ich frage mich, welche Mündung? Da es um Sprache geht, wird es den Kern des Bildes einer Flussmündung aufgreifen. Vielleicht ist es eine linguistische Fusion aus Sender und Empfänger und beschreibt entweder dessen Zenith oder dessen Auslöschung. Dabei kann es auch in seiner Schärfe eine Mündung einer Waffe sein (Sprache ist eine Waffe). Das Bild ist kniffelig für mich. Andererseits, wenn es eine Entität wäre, und die Mündung einen Mund hätte, wäre es ein empfangender Durchfluss.
"An der wir einander zum Schweigen bringen", hier wurde der Höhepunkt überschritten. Eine interessante Konklusion bzw. Implikation, die eventuell eine Form der Stille oder des Schweigens schafft, in der Klarheit und Missverständnis münden. Aber auch der Zwang des Harrens innerhalb einer Erwartungshaltung. (Man wünscht sich stattfindende Sprache von A nach B).
Da kommt mir der "Rezensent" in den Sinn, in dem er die Literaturkritiker seiner Zeit kritisierte (Schlag ihn tot, den Hund!).
Mittlerweile aber bin ich mit Schlussfolgerungen bei deinen sehr klugen Gedichten vorsichtig geworden. Betrachte dieses Hervortreten als mein "leiselautes". Ich denke, dass deine Gedichte niemanden etwas recht machen wollen. Und das feiere ich!
Mich würden interessieren was Typen wie George Lakoff, Roman Jakobson, Mark Johnson und Noam Chomsky zu dem Werk zu sagen hätten.
Ich denke... Werke wie dieses besitzen die Macht andere kleinzukarieren. In den Zeilen steckt viel Inhalt.
So, ich habe fertig und bin müd.
Lg EV