Marie-Luise, ich kenne Karls Gedichte seit Jahren. Fast immer hatte ich das Gefühl, dass da ein guter Ansatz ist, dass er aber auf halbem Wege stehenbleibt, nicht so recht das ausdrückt, was auszudrücken wäre, eher unterdrückt, dass er sehr darauf bedacht ist, immer etwas zurückzuhalten, und das in der allerknappsten Sprache, was das Verständnis für den Durchschnittsleser sowieso noch erschwert. Und was für ein Gedicht, wie ich finde, nicht sehr förderlich ist, er vermeidet jede Emotion, mit der er den Leser ansprechen kann.
Ich kritisiere das nicht, das ist seine Sprache des Gedichts, obwohl ich mir manchmal doch etwas Emotion wünsche.
Ich habe das Gedicht gelesen. Der Flüchtling übt sich in einer Art zurückhaltenden "Galgenhumors", er weiß, er ist hier nicht gern gesehen, er hat dazu offensichtlich bereits Erlebnisse gehabt, und versucht nun in höflicher, bitter-ironischer Form, die dennoch aggressiv ist, dem LI zu sagen, warum er hier ist. Ein sehr gutes, anklagendes Gedicht, wie ich finde. Hier finde ich alles beisammen, was ein gutes Gedicht ausmacht.
Aber es ist nun mal so in der Poeten-Praxis, dass nicht jedes Gedicht so eindeutig, so scharf akzentuiert gelingt. Das meiste, was man schreibt, ist Durchschnittsmüll, jedenfalls dann, wenn ich davon ausgehe, was ich (nicht nur hier) zumeist lese. Wobei es mir zusagt, wenn nicht alles glatt über die Bühne geht, sondern man merkt, da hat einer mit sich und mit dem sprachlichen Ausdruck gerungen.
blackout