Sinniere über die liebe

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Walther

Mitglied
Sinniere über die liebe


Die kahlen bäumen werfen ihr ast
gespinst auf lila blaue winter abend
himmel deren wölkchen rosa angemalt
aus ruhn bis ein nord wind sie weckt

Die sonne über schreitet horizonte
& übt schon mal den unter gang
in der wieder holung erst wächst ein
meister weiter links oben hat der mond

Seine lampe auf gehängt durch die hin
durch krähen einen schlaf baum suchen
wir hecheln unseren flackernden atem
nebel fähnchen hinter her irgend welchen

Zielen entgegen die sich nach fernen
wald rändern auf türmen bergen gleich
sam schwarz in die land schaft gelegt
um dieser ihre weite ab zu gewinnen

Ich höre deine schritte neben mir
knirschen auf der hell hörigen dunkel
heit des ein samen wald feld schneisen
wegs & sinniere über die liebe
 

Walther

Mitglied
Sinniere über die liebe


Die kahlen bäume werfen ihr ast
gespinst auf lila blaue winter abend
himmel deren wölkchen rosa angemalt
aus ruhn bis ein nord wind sie weckt

Die sonne über schreitet horizonte
& übt schon mal den unter gang
in der wieder holung erst wächst ein
meister weiter links oben hat der mond

Seine lampe auf gehängt durch die hin
durch krähen einen schlaf baum suchen
wir hecheln unseren flackernden atem
nebel fähnchen hinter her irgend welchen

Zielen entgegen die sich nach fernen
wald rändern auf türmen bergen gleich
sam schwarz in die land schaft gelegt
um dieser ihre weite ab zu gewinnen

Ich höre deine schritte neben mir
knirschen auf der hell hörigen dunkel
heit des ein samen wald feld schneisen
wegs & sinniere über die liebe
 

Walther

Mitglied
Hallo Marie-Luise,

danke für dein aufmerksames lesen. da war in der tat ein "n" bei den bäumen zuviel. :)

Prosit Neujahr!

W.


Lb Herbert,

danke für die freundliche wertung! :)

lg W.
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo Walther,
ich finde den Text hervorragend "gewortet" - Wortwahl, Bildersprache, Knappheit vermitteln Inhalt und Stimmung auf überzeugende Weise -, meine aber, dass die Kleinschreibung und vor allem die inneren Wortbrüche das Lesen unnötig erschweren, zumal sie beim lauten Vorlesen keine Rolle mehr spielen dürften. Oder hat die Form einen "tieferen Sinn" - die Brüchigkeit des Lebens, der Beziehung darzustellen?
LG
Mistralgitter
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
allesklein

liebes Mistralgitter!
seit der einführung der karolingischen minuskel wird zunächt alles klein geschrieben (bei den alten römern gab es nur großbuchstaben), diese kleinschreibung wurde für die anfangsbuchstaben der substantive und satzanfänge in der deutschen sprache zwar in renaissance und frühbarock abgeschafft, aber die brüder Grimm kehrten schon zu dem klassizistischen und international üblich gebliebenen allesklein zurück, und vor allem der George-kreis und einige andere dichter des 20.jahrhunderts taten dies auch. warum nicht auch die des 21.? ich (Mondnein) schreibe seit etwa einem jahr auch alles klein, zumindest in gedichten. das hat auch den vorteil der interpretatorischen mehrdeutigkeit bei wurzeln, die verben, adjektive oder substanzen zugleich sein können.

interessant ist gewiß auch Walthers getrenntschreibung der komposita. die hat den vorteil, daß die (häufige, aber nicht immer gültige) anfangsbetonung deutscher komposita damit aufgehoben wird und betonung des zweiten worts sich dem metrum günstiger einpaßt. die einzelelemente der nun vereinzelten kompositionsglieder gewinnen natürlich an gewicht, an eigenbedeutung.

das ist bytheway ein wunderschönes lied, ein echter Walther, und mir gefällt insbesondere, daß ich in der (titelgemäßen) erwartung getäuscht worden bin, hier auf der vordergrundbühne allgemeinplätze über liebe aufgedeckt zu bekommen. nein, gottseidank, im vordergrund ist es ein naturgedicht, auch im mittelgrund, und irgendwo im hintergrund bzw. so nebenher am ende die verdeckte reflexion, nur erwähnt, nicht inhaltlich entblößt. das ändert dann die rückwirkende interpretation des "bisdahin", wie man z.b. den einige hundert takte langen es-dur-akkord am anfang des rheingold als subdominante zur eigentlichen tonika (b-dur) versteht, sobald die nixe ihre onomatopoie dazu quersingt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
genau, liebe Marie-Luise: die von dir als link hier verankerte beispielsammlung (mehr ist das ja leider nicht!) zeigt eben das, was ich eben geschrieben habe:
kleinschreibung eröffnet die ambivalenten deutungen bei gleichen wortwurzeln.
so ist übrigens auch der titel dieses lieds zugleich als imperativ wie als verkürzung des "ich ..." zu verstehen (hier aber unabhängig von der kleinschreibung, da beide versionen verbformen sind).
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
ambivalenz durch kleinschreibung

ach ja, und natürlich auch "über die liebe", hier ist substantivisch und adjektivisch (aber substantiviert) zugleich: "über die liebe" im sinne der geliebten person also der lieben einerseits und im sinne der liebe andererseits.
 
Hallo Mondnein,
wenn ich deine Kommentare lese, sehe ich vor meinem geistigen Auge einen alten Indianer, der den rechten Arm hebt und sagt: „Howgh, ich habe gesprochen!“

Gruß,
Marie-Luise
 

revilo

Mitglied
Hallo Walther , sprachlich ein Meisterwerk ...eines der besten Gedichte , was ich je von Dir gelesen habe ..einziger Minuspunkt sind die Trennungen , die aufgrund ihrer Häufigkeit teilweise gekünstelt wirken .. Schade , weil das dieses ausgezeichnete Gedicht nicht nötig hat ... LG revilo
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
„Howgh, ich habe gesprochen!“
falsch zitiert. ich bin nur ein kleiner indianer und schreibe alles klein. howgh ich habe gesprochen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
ich dulde deinen widerspruch. würde ich sonst darauf antworten? ich nehme ihn wahr, verstehe ihn und geb dir was zurück. so wie jetzt, hier.
und du? was verstehst du von dem, was ich sage und was antwortest du darauf?
wo duldest und beantwortest du meinen widerspruch?
 

Walther

Mitglied
Hi Mistralgitter,

danke für deinen freundlichen eintrag.

in der tat steckt hinter der schreibung eine poetologie. zum einen ist sie ein stummer protest gegen das schnell-lesen, das im zeitalter von internet, chat und email um sich gegriffen hat. gedichte kann und darf man nicht schnell konsumieren - sonst entgeht dem leser das meiste am vergnügen.

zum anderen decouvrieren sich durch die auseinander-schreibung die wörter und führen zu den ambivalenzen und den wortstämmen. beim lesen verändern sich gelegentlich perspektiven. gleiches gilt für das weglassen der satzzeichen.

lg W.


lb mondnein,

danke für deine erläuterungen, bei denen ich in der tat immer wieder anerkennend hinnehme und konzediere, daß sie meist tiefschürfender und auch informativer als meine texte sind. das ist durchaus nicht lästerlich und hinterhältig gemeint, sondern ehrlich; wobei eine kleine prise clownesker chuzpe bekanntlich uns dichtern in jeder lage gut zu gesicht steht. oder vielmehr stünde, den i.d.r. steht uns dabei unser sensibles, aber dafür umso mehr ausgesprägtes, ego im weg.

in den tat sollten gedichte und sprache auf mehreren ebenen betrachtet werden. diese gedicht gehört in den zyklus "hinter dem wort", dessen ende evtl. die fortsetzung des bands "Die dunkle seite der nacht - schwarz gedichtetes auf blüten weiß" ist. es wird eine weiterentwicklung der dortigen poetologie und schreibung sein. man sollte den ehrgeiz haben, sich nicht zu wiederholen, weil man sich eigentlich sonst selbst als autor langweilt; nachdem der poet als autor verdammt schlecht bezahlt wird, rentiert sich diese langeweile nicht einmal monetär - also kann man sie sich gleich sparen.

ja, die liebesgedichte ...

und, ja, die lieben naturgedichte ...

man könnte darüber trefflichst und schier gar endlos sinnieren. wichtig erscheint mir, daß man sich etwas einfallen lassen sollte, wenn man beide topoi bearbeitet. das heißt nun durchaus nicht, daß das handlsübliche schlonzig-sülzige liebesreimwerk passé sei. auch schmand, träufelnder, überkandidelter, schmonzettender kitsch können tränenrührend schön und gut sein - müssen dies aber durchaus nicht.

der bescheidene dichter übt sich in selbstbeschränkung und verläßt sich auf umwege, die bekanntlich auch gelegentlich mitten ins herz führen. das ist meist risikoloser, als es zuerst erscheint ...

Prosit Neujahr & lg W.

@ All: die restl. antworten in kürze ... ;)
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo Walther,
das mit dem langsamen bedächtigen Lesen stimmt allerdings, und es leuchtet mir auch ein, dem Leser Möglichkeiten zu eröffnen, Worte und Ausdrücke in ihren vielfältigen Bedeutungen zu entdecken oder neue Wort-/Satzteil-Bezüge herzustellen. Doch es ist die Frage, wie weit kann man gehen? Wie hoch darf der Preis sein, den man zu zahlen bereit ist, um durch eine Lese-Erschwernis einen optimalen Lese-Genuss und das Verlangsamen des Lesens entgegen allem Trend zu erreichen? Ich bin mir da nicht sicher, wo die Grenze liegt. Und wenn ich mir die Vorlesesituation vorstelle, fällt alles kunstvoll Getrennte ja wieder zusammen. Auch die Kleinschreibung ist dann unerheblich. Dennoch kann ich diesem Spiel mit Möglichkeiten etwas abgewinnen.
LG
Mistralgitter
 
Hallo Walther,
ich finde deine Erklärung zur Auseinanderschreibung ein wenig lächerlich.
Vielleicht liest dadurch der ungeübte Leser langsamer, doch kann es auch zum Stottern führen. Gerade die Satzzeichen sind doch eine natürliche Bremse für Schnellleser.

Ich habe mir schon so oft vorgenommen, nichts mehr zu deiner skurrilen Schreibweise zu sagen, doch dann reizt es mich immer wieder, etwas zu schreiben, weil ich überhaupt kein Verständnis dafür habe.
Doch die guten Noten sagen mir ja, dass du damit ankommst. (Wie ich las, ist aber nicht jeder von der Schreibweise begeistert.)

Ein frohes Neues wünscht dir
Marie-Luise
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
gewiß gehst du, Walther, und ich selber gehe davon aus: daß mean ein lied mehr als ein oder zweimal lesen kann.

und auch davon kann man gewiß ausgehen, daß jeder leser schon mal englische oder französische gedichte gelesen hat, wobei mir letzteres ziemlich schwer fällt, weil ich nie sicher weiß, welche schlußsilben ich nun wiederherstellen muß oder verschlucken darf usw., ich läse sie gern flüssiger.

eigentlich "geübt" bin ich aber am lateinischen vers, der von der kleinschreibung abgesehen besonders durch wahnwitzige hyperbata aufgespreizt ist. oft völlig unnachahmlich in der übersetzung:
in nova fert animus mutatas dicere formas
corpora
in neue treibt mein geist verwandelte zu singen formen
körper
heißt
mein geist treibt mich in neue körper verwandelte formen
zu singen
von sanskrit ganz zu schweigen, wo unbegrenzt viele wortsilben in komposita aneinanderhängen können und die vieldeutigkeit der worttrennungen innerhalb der so entstehenden superzeilen rätsel über rätsel bergen.

dies nur nebenher,
und danke!

und ein fruchtbares neues jahr!
 



 
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