Sören

anemone

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Vor vielen vielen Jahren lebte ein Troll in einer schwedischen Kleinstadt. Die Menschen in dieser Stadt hatten sich so sehr an ihn gewöhnt, dass er dort einfach nicht mehr wegzudenken war, denn er tauchte überall und nirgends auf und immerhin war der Troll optisch auch nicht zu übersehen. Oft saß er an der Straßenecke der Fußgängerzone mit einem Teller vor seinen Beinen, um zu betteln, denn Trolle gab es eigentlich nicht. Sie waren nicht als Bürger der Stadt registriert und folglich nicht vorhanden. Dieser Troll allerdings hatte einen großen Magen und der wollte täglich gefüllt werden und wenn es ihn auch nicht gab, so knurrte dieser doch und Sören, wie sie ihren Troll nannten, hatte nur ein Bestreben und das war, diesen Bauch zu füllen.

Einmal ja, da hatte er Glück, da spendierte ihm eine Frau eine Pizza und während des Essens wurde er von ihrer Enkelin bestaunt und befragt. Das war aber schon lange her und seit dem hatte es für ihn nie mehr etwas außer der Reihe zu essen gegeben und er musste oft lange betteln, bis er Geld zusammen hatte für ein Mahl.

Sören schlief grundsätzlich vor dem Eingang eines Kaufhauses, versteckt vor der Sicht der Leute durch ein großes Stück Wellpappe, das er irgendwo gefunden hatte.
Es war schon besser, sich zu verstecken, denn er erregte doch immer wieder Aufsehen und das mochte er gar nicht. Manche Leute rümpften die Nase über ihn und viele zeigten mit Fingern auf ihn.
Sören störte das nicht weiter, er war es ja von klein an gewohnt. „Lass sie, die Leute!“ sagte er zu sich selber und ging seiner Wege, ohne jemanden zu verletzen oder auf die Füße zu treten.

Fortsetzung
 

flammarion

Foren-Redakteur
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hm,

da bin ich mal gespannt, wie es weitergeht. einen stolperstein möcht ich dir aufzeigen: . . .Wellpappe, die er schon einmal gefunden hatte . . . er fand sie also zweimal? oder was. lg
 

anemone

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2. Teil

Zufällig kam Sören eines Tages am Standesamt vorbei, durch dessen Tore gerade die Hochzeitsgesellschaft herauskam. Sofort stürzten sich die Leute auf ihn. Er sollte ihr Glücksbringer sein, ihr Maskottchen und nicht genug, dass er für Fotoaufnahmen eine Menge Geld bekam, so musste er auch noch mit der Gesellschaft speisen.

Dazu sollte Sören doch schon etwas sauberer sein und Grit steckte ihn in ihre Badewanne. Zum ersten mal im Leben hielt Sören einen Schwamm in der Hand und immer wieder quetschte er ihn über seinem Kopf aus. „Oh, wie schön!“ rief er aus und seine
wirre Haarpracht wurde von Grit mit Eifer geschrubbt.

Als sie mit Sören an der Hand zur Hochzeitsgesellschaft kam, blickten sie in einige enttäuschte Gesichter. „Das ist doch nicht der Troll, der uns eben begegnet ist!“ riefen die Leute aus. Sie vermissten seinen runden Bubikopf, der jetzt wohlgekämmt und mit einem Scheitel versehen war. Ja, wie sollte er ihnen jetzt beweisen, dass er es war? Während er noch überlegte, wurde die Hochzeitssuppe in der Terrine hereingetragen. Grit schenkte ihm den Teller voll und da sie so gut duftete und er so ein gutes Essen nicht kannte, begann er gleich damit die Nudeln mit seinen Fingern aus dem Teller zu fischen. Nun schauten alle Gäste zu ihm her, besonders, als er diese komischen Geräusche von sich gab, als er die Fadennudeln mit dem Kopf im Nacken in seinen Mund hineinschlürfte.

Die Gäste wollten es jetzt wohl glauben, dass der Troll sich an ihrem Tisch befand. Wenn sie vorbei liefen, streichelten sie seinen Schopf und sprachen ihm gut zu: „Iss nur kräftig, Troll,“
sagten sie, „Wer weiß, wann du je wieder so ein gutes Essen bekommst!“ womit sie sicher recht hatten und er nahm sich ihre Worte zu Herzen, denn es gab noch eine Menge leckerer Sachen, die alle verspeist werden wollten.
 

anemone

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Teil 3

So schön es bei der Hochzeitsgesellschaft auch war, irgendwann musste der Troll wieder zurück auf die Straße und es dauerte nicht lange, da sah er wieder so aus, wie immer mit den dicken ungewaschenen Haaren und seinem Bubikopf, doch lange noch dachte er an den herrlichen Badespaß zurück und während er sich für Wasser noch nie in seinem Leben interessiert hatte, so zog es ihn jetzt immer häufiger in die Nähe von Flüssen.

Beim Museum schlängelte sich recht idyllisch der Stadtgraben, den die Bürger zum Teil als FKK-Gelände nutzten. Sören besah sich vom gegenüber liegenden Ufer aus die Menschen dort und musste feststellen, dass es zwei Geschlechter bei ihnen gab. – Ob das bei Trollen auch so der Fall ist? – über diese Frage musste er lange nachdenken. Sein Erinnerungsvermögen ging nicht sehr weit und dass er jemals Eltern hatte, davon wusste er nichts mehr. Immer wieder zog es ihn jetzt allerding dort hin und eines Tages wagte er es sogar, bis zum gegenüber liegenden Ufer zu kommen. Die Leute freuten sich über seinen Besuch. „Hallo Troll“ sagten sie, „komm doch näher. Hier auf dem FKK-Gelände musst du allerdings deine Kleidung ablegen!“ Noch während der Troll sich auszog, kamen immer mehr Leute in seine Nähe, die neugierig darauf waren, ihn beim Sonnenbaden zuzusehen. Doch weit gefehlt: Sobald er sich seiner Kleidung entledigt hatte, zog es ihn dort hin, wovon er schon so lange geträumt hatte: Vorsichtig, sehr vorsichtig näherte er sich der großen Badewanne und als seine Zehen das kalte Wasser spürten wollte er nicht mehr hinein, doch er sah sich um: In der Ferne lachten zwei Leute und bespritzten sich mit Wasser. Sie steckten sogar mitten drin im Fluss. So wollte er es auch versuchen. Die Leute vom Ufer aus riefen ihm zu: „Du musst dich abkühlen!“ und er sah sie sprachlos mit runden Augen an, weil er nicht wusste, was sie von ihm wollten. Doch da kamen sie näher und bespritzten auch ihn zärtlich mit Wasser. Nun fand er den Mut sogar tiefer in den Stadtgraben zu gehen, der auf seinem Boden kleine Kieselsteine barg. Sie zwickten etwas unter seinen Füßen und wie die Leute das machten, wie eine Ente auf dem Wasser zu schwimmen, das wollte er sie noch fragen, denn ihm gelang es nicht.

Der Troll kam noch oft hier her und den ganzen Sommer über war er gern gesehen an diesem Strand des Stadtgrabens. Die Leute beantworteten seine Fragen gern und es gab sogar Frauen, die brachten Shompoo mit und wuschen ihm im Fluss die Haare, was eigentlich verboten war.
Aber Trolle, die es nicht gab, konnten auch nichts falsch machen, da hätte mal einer das Gegenteil behaupten sollen, dann wären die Leute recht zornig geworden.
 



 
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