Sommer in Amsterdam

Sommer 1977

Hugo saß in einem Café an der Prinsengracht und drehte eine Ansichtskarte in seinen Händen. Was sollte er an Elke schreiben? Etwas Wichtiges hatte er ihr nicht zu sagen, außer dass es von ihm aus gesehen vorbei war, aber das wollte er weder auf einer Ansichtskarte noch in einem Brief oder am Telefon mitteilen.
Vielleicht hatte sich die Sache inzwischen von selbst erledigt. Wenn Rotschopf geschaltet hatte und seine Worte an Silvester richtig interpretiert hatte…
„Ich muss für einige Zeit weg. Kannst du dich um Elke kümmern?“
Matze hatte es versprochen. Aber ob er das richtig übersetzt hatte?
„Ich kann mich nicht mehr um die Kleine kümmern. Spann sie mir bitte aus.“

Die Tür des Cafés öffnete sich und Mees, Hugos Kumpel, kam herein. Ohne Umschweife setzte er sich zu ihm und warf eine Ausgabe der Zeitung „De Telegraaf“ auf den Tisch.

„Was sagst du dazu?“

Hugo blickte auf die Schlagzeile. „Ich kann kein Niederländisch. Weder sprechen noch lesen. Müsstest du eigentlich inzwischen wissen.“

„Das ist aber nicht schwer.“ Mees griff nach der Zeitung und übersetzte laut die Schlagzeile: „Täter nach schwerem Kunstraub in Amsterdam immer noch flüchtig.“ Er ließ die Zeitung sinken und schaute Hugo an. „Und darunter steht, dass eine Belohnung ausgesetzt worden ist, wenn jemand Angaben machen kann, die zur Ergreifung der Täter führen.“

„Na sowas“, Hugo grinste, „dass wir mal in die Zeitung kommen …“

„Mir passt das gar nicht. Und unserem Auftraggeber sicher auch nicht.“

„Ach was, dem ist das egal.“ Hugo steckte sich eine Zigarette an, blies Kringel in die Luft und blickte versonnen auf die Gracht hinaus. Das Wasser glitzerte im Sonnenschein. Nicht nur die ankernden Hausboote waren zu sehen, auch kleinere Boote belebten das Bild. Das schöne Sommerwetter hatte viele Ausflügler ins Freie gelockt. Das Schönste an Amsterdam war, dass man hier in der Masse der Touristen untertauchen konnte.

„Ich möchte mal wissen, was er mit den Bildern anfangen will. Kann er doch nicht verscherbeln …“, sinnierte Mees vor sich hin.

„Ich glaube, ihm hat es nicht gepasst, dass der Typ, den wir beklaut haben, mehr berühmte Bilder hatte als er selbst. War wohl eher was Privates.“ Hugo war selbst von dieser Erklärung überzeugt. „Weißt du was, ich hätte Lust, ins Museum zu gehen. Das Rijksmuseum ist gar nicht weit von hier. Ein paar Bilder anschauen …“ Er brach in Lachen aus, als er Mees‘ ungläubiges Gesicht sah. „Keine Angst, ich habe nicht den Verstand verloren. Wollte dich nur ein bisschen erschrecken.“

„Ist dir gelungen. Ich dachte schon, du meinst es ernst.“

„Manchmal denke ich, ob die zu Hause wissen, was ich alles weiß. Wohl kaum. Ich wette, keiner käme auf die Idee, dass ich mich mit Kunstwerken auskenne.“ Bei diesen Worten fiel ihm Elke wieder ein. Er schaute auf die Ansichtskarte, die er fast vergessen hatte. Mees folgte seinem Blick.

„Du wirst nicht so bescheuert sein, von hier eine Ansichtskarte nach Hause zu schicken. Damit jeder weiß, wo du bist.“

„Meiner Freundin habe ich sowieso erzählt, dass ich nach Amsterdam fahre. Was ist denn dabei? Mit einer Ansichtskarte mach ich mich nicht verdächtig. Und du glaubst nicht im Ernst, dass sie mich mit einem Kunstraub in Verbindung bringt, selbst, wenn sie das in den Nachrichten gesehen oder gelesen hat.“

„Ich hoffe, du hast ihr sonst nichts erzählt“, knurrte Mees. Er sprach ungewöhnlich gut Deutsch, ohne den geringsten niederländischen Akzent.

„Ich will die Kleine nicht in Schwierigkeiten bringen. Ich mache Schluss.“ Hugo sah wieder auf die Karte. „Das heißt, ich hoffe, mir nimmt das jemand ab. Ich habe da eine Idee.“

Er beugte sich über die Karte und schrieb:

„Hallo Matze!

Ich hoffe, dir geht es gut. Hast du dich um Elke gekümmert? Ich weiß ja, dass ich mich auf dich verlassen kann. Wird noch einige Zeit dauern, bis ich wieder heimkomme, habe jede Menge zu erledigen, wie immer, und hier einen festen Job gefunden. Da bleibt für Elke einfach keine Zeit mehr. Ich möchte aber nicht, dass sie sich langweilt. Also Roter, streng dich an! Du weißt schon, was ich meine, bist ja nicht auf den Kopf gefallen. Aber Elke muss das nicht wissen.

Viele Grüße aus dem sonnigen Amsterdam

Dein Hugo.“

Das würde Matze nicht missverstehen können …

„So“, sagte er zufrieden und blickte Mees an. „Jetzt können wir uns um unsere Karriere kümmern.“


*Anmerkung:
Diese Geschichte folgt auf die Geschichte:
 
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