Sommernachmittagstraum

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Tula

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Sommernachmittagstraum

Auf der Ruine drückt der Tag wie Blei.
In ihren Augen lauert Totenstille.
Die Sonnenuhr des Ampfers steht auf drei
und irgendwo im Gras zirpt eine Grille.

Im Leib der Mauern klaffen tiefe Wunden.
Ein Netz von Schwären, die nichts heilen kann.
Der letzte Riss erschien vor ein paar Stunden:
Ein Trug von Schwingung mit vier Beinchen dran.

Abrupt ein Laut. Das Ächzen einer Strebe?
Der Schmerz sticht heftig in den kranken Bauch.
Ein Klumpen Stuck vermodert im Gewebe
und plumpst hinab. Sein Echo nur ein Hauch,

doch rollt wie eine Walze durch die Hitze.
Die Grille stürzt von ihrer Schrill-Tonleiter.
Der Riss huscht jählings in die nächste Ritze.
Die Sonnenuhr tickt einen Halm-breit weiter.
 

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Mann, Mann, ist das schön, lieber Tula!!!!!

Ich komme gerade von einem Wochenende auf meiner Lieblingsburg im Burgenland und wir haben dort gelernt, wie man Trockenmauern baut (und im Verlauf des Workshops gleich ein Stück alte Mauer neu aufgebaut). Du kannst dir also vielleicht vorstellen, auf welcher Ebene mich dein traumhaftes Gedicht sofort gefunden hat beim Lesen. ;)

Sprachlich und wortklanglich kann ich die Hitze und das Grillenzirpen beinahe körperlich wahrnehmen! Da sind so viele herrliche Klanggustostückerl in deinen Versen...einfach nur wunderwunderschön!

Sehr sehr gerne gelesen! Für mich ein Sommergedichtshighlight!

Liebe Grüße,
fee
 

Tula

Mitglied
Hallo liebe fee
Ich befürchtete schon, ich komme mit diesem etwas zu spät, wo sich der Sommer doch allmählich verabschieden wird und der Herbst in die Seelen und Verse der Dichter zieht ...
Deine Mitarbeit an der Instandhaltung alter Burgen finde ich sehr aufregend und solch ein Bezug zum Gedicht besonders erfreulich. Wenn ich irgendwann mal das Burgenland besuche, werde ich mich daran erinnern.

Dankend lieben Gruß
Tula
 

Agnete

Mitglied
alte Gemäuer haben oft eine faszinierend- morbide Atmosphäre. das hast du hier gut rübergebracht, Tula. Sie werfen uns auf uns selbst zurück. LG von Agnete
 

Tula

Mitglied
Hallo Agnete
In meiner Gegend findet man einige wunderschöne Ruinen, d.h. von ehemals stolzen Wohnsitzen des Adels, reicher Kaufleute usw. Die könnte man vielleicht für sozial-gute Zwecke wieder aufbauen, aber wahrscheinlich streiten sich da stets Dutzende oder mehr verarmte Ur-Ur-Urenkel um das Erbe. Schade ...

Dankend lieben Gruß
Tula
 



 
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