Sommernacht

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HerbertH

Mitglied
Überarbeitung

Was haltet Ihr von der folgenden Version?

Sommernacht

Am Tannensaum, gleich bei der Friedhofsmauer,
mischt Mondlicht helle Farben in das Blau
der Blüten rings um frische Gräber: Grau
beleuchtet Blätter, nass vom Abendschauer.

Den Nachtigallen lauscht die alte Frau,
sie trösten sie in ihrer bittren Trauer.
Den Rücken straffer harrt sie, starrt genauer
zum Ulmenschatten in der nahen Au.

Ist das ihr Mann, mit dem sie endlos lebte,
der bei ihr war bei ihren ersten Wehen,
mit dem sie ihren Lebensteppich webte?

Sie quält der Wunsch, dort wirklich den zu sehen,
an dem sie hing, wie eine Klette klebte.
Sie krampft den Mund, als bisse sie auf Schlehen.
Danke im Voraus für die Hilfe.

Herzliche Grüße

Herbert
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo HerbertH,
Nach meinem Empfinden ist deine erste Version wesentlich eindrucksvoller, als der neue Vorschlag. Wunderschöne Formulierungen werden jetzt ersetzt, so z.B.: "Gräbergrau" in "Gräber: Grau beleuchtet", "Bänder in die Haare band" in "ihren Lebensteppich webte", "alle Jahre ihres Glückes fand" in "mit dem sie endlos lebte".
Mein persönlicher Rat: lass es bei der alten Fassung. Sie ist kaum zu verbessern und wirklich sehr gelungen.
LG
Hermann
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Hermann,

Danke für Deine Antwort.

In einem anderen Forum wurden die Zeilen


[ 8]der Blüten rings um frisches Gräbergrau,

[ 8]sie künden ihr von eigner bittrer Trauer

[ 8]der alle Jahre ihres Glückes fand,


und

[ 8]Ihr ist, als rief' er sie ins Schattenland.

als verbesserungswürdig eingestuft. Daher habe ich mich an einer Überarbeitung versucht.

Ich warte jetzt zunächst ab, u.a. wegen Urlaubsreise, ob es noch weitere Meinungen und Vorschläge gibt.

Herzliche Grüße

Herbert
 
F

Fettauge

Gast
Hallo Herbert H.,

ich finde es ein ganz annehmbares Sonett, inhaltlich ein bisschen schmalzig, hart an der Larmoyanz, alte Leute am Grabe machen sich immer gut, aber nichtsdestotrotz, es ist noch lesbar. Sprachlich sind dir ein paar unverbrauchte Wendungen gelungen, das macht meines Erachtens den guten Eindruck des Gedichtes aus.

Nicht in Ordnung sind die Strophenenjambements, die haben im Sonett nichts zu suchen, auch wenn du glaubst, damit einer gewissen "Moderne" Ausdruck zu geben. Meiner Ansicht nach hättest du das Gedicht durchaus regelgerecht mit einer kleinen Formulierungsumstellung schreiben können. Das ist eben die Kunst des Sonetts, das Inhaltliche in die vorgegebene Form einfügen zu können, der Zwang zur Selbstdisziplin des Autors.

Was These - Antithese - Synthese angeht, die in deinem Sonett nicht eingehalten werden, so ist das nicht mehr zwingend erforderlich, statt dessen erweiterst du die Gedanken des 1. Quartetts, was man beanstanden kann oder auch nicht.

Interessant finde ich, dass du in den Quartetten die Reihenfolge der Reime vertauscht hast. Nicht ganz im Sinne des Erfinders, aber originell.

Die zweite Variante des Sonetts lässt, finde ich jedenfalls, gegenüber der ersten Variante in einigem nach, bleib mal bei der ersten.

Gruß, Fettauge
 
O

orlando

Gast
Lieber Herbert,
die neue Version wirkt von der Lautung her angepasster und wird deshalb in einigen Foren besser ankommen.
Aber: Ein gutes Gedicht, insbesondere ein Sonett, lebt nicht nur von seiner Regelmäßigkeit - mit Betonung auf "lebt."
Sondern von Anklängen, Anspielungen und Anverwandlungen.
Es bietet mannigfache Spielräume, die das Gattungssystem ausdrücklich erlaubt. Dies betrifft selbstverständlich auch den Einsatz von Enjambements.

Ichsaachmaso: Reim und Vierzehnzeiligkeit bilden die Gattungsnorm, die durchaus nicht immer streng befolgt worden ist, noch befolgt wird. - Als Beispiele mögen hier Christian Gryphius "Ungereimtes Sonett" und Durs Grünbein "Après l`amour" herhalten.
Mich macht es ein wenig traurig, wie überstarr diese elegante, und recht eigentlich leichtfüßige romanische (!) Form in den Foren auf die Anzahl ihrer Silben, Stilmittel etc. reduziert wird.
Noch dazu im Brustton der Überzeugung.
Deine Sommernacht (in der jetzigen Version) ist für mich ein gelungenes Beispiel, dass es eben auch ganz anders geht.
Hierzu meinen Glückwunsch.
orlando
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Herbert,
ich lese dein Gedicht gerade zum ersten Mal. Zur "Überarbeitung" finde ich keinen Zugang, sie lässt mich ziemlich kalt.
Dagegen gefällt mir die bisherige Version ausgesprochen gut, ihr Ton scheint mir wesentlich authentischer zu sein als die Nachbearbeitung.

lg wüstenrose
 



 
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