Spätherbst

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Eumeline

Gast
Hallo Buchstaben,

hier bin ich sicher voreingenommen, weil dein Vierzeiler formal ziemlich nahe an dem ist, was ich selbst mag und schreibe. Ich denke trotzdem, das trägt auch objektiv gesehen. Den "Bildteil", V1/V2, könnte man vielleicht noch etwas ausbauen, aber ob das wirklich nützt, bliebe zu schauen; der Text, wie er da steht, gefällt mir jedenfalls.

Eumeline
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
"Man sollte doch noch einmal etwas Neues wagen" -
das schreit geradezu nach Kürzung:
"Man sollte etwas Neues wagen"
oder noch kürzer:
"Man sollte Neues wagen"
kürzer:
"wage Neues!"

es sei denn, das lyrische Ich wolle als zaghafter Hampelmann geäußert werden. Immerhin wagt es nichts Neues, behauptet es bloß, und das noch in dieser Abundanz. Ja: "und wagt es nicht".
 

Buchstaben

Mitglied
Hallo
@Eumeline
es freut mich, dass dir mein Gedicht so gut gefällt. Und nachdem wir beide der gleichen Meinung sind, müssen wir auch gar nicht diskutieren. Aber für
@Mondnein ein bisschen Widerspruch und Anmerkungen:
Es ist sicher kein Aufmunterungsgedicht. Aber wegen einer Herbstdepression jemanden zum zaghaften Hampelmann zu erklären, ist etwas arg.
Zeile 3 kann gar nicht kürzer sein. Zunächst des Metrums wegen und außerdem muss ja die ganze Konjunktivstimmung untergebracht werden.
"Eigentlich müsste ich ja noch einmal den Arsch hochkriegen, aber das schaff ich ja doch nicht. Wenn ich's jetzt nicht mache, ist es wirklich zu spät.
Ach, scheiß drauf"

Es gäbe natürlich auch eine Variante für optimistisch Veranlagte:
Man spürt den Winter langsam in den Tagen.​
Bald schon kommt Weihnachten mit seinem Licht,​
dann werden Wünsche sich ins Werden wagen.​
Warum auch nicht.*​

*Eigentlich: Das Jahr wird halten, was es dir verspricht.
Aber die Vorlage war halt anders.-)

Norbert
 

Buchstaben

Mitglied
Eine neue Variante mit geänderter Zeichensetzung:

Der letzte Sommer schleicht sich aus den Tagen​
und lässt den Stunden nur ein trübes Licht.​
Man sollte doch noch einmal etwas Neues wagen. -​
Und wagt es nicht.​
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Buchstaben,

Punkt und Gedankenstrich gleichzeitig ist zu viel des Guten - den Punkt könntest du getrost weglassen.

Was mir nicht gefällt, ist das doch noch einmal . Für mich ist das ein Zungenbrecher. Vielleicht ginge

man könnte jetzt noch etwas Neues wagen

Gruß, Ciconia
 

Buchstaben

Mitglied
Hallo Ciconia,

ja, die Interpunktion ist hier das Schwierigste. Komma ist sicher zu wenig. Wenn ich was wegließe, wäre es aber der Gedankenstrich. Irgendwie sollte Neues wagen [großer resignierter Seufzer] Und wagt es nicht deutlich werden. Da wäre Vorlesen wahrscheinlich besser.
Das gilt auch für deine zweite Anmerkung: Es macht sicher einen Unterschied, ob man das Gedicht zum ersten Mal liest oder ob man es zig Mal hin und her gewälzt hat. Und da wäre der Vortrag eben gleichmäßig, ohne große Höhen und Tiefen in der Betonung. Dann sollte auch doch noch einmal nicht so rausstechen.
Eines aber muss ich direkt zurückweisen, auch wenn das durchaus einen gewissen Charme hat: könnte jetzt geht gar nicht. Das würde ja bedeuten, dass das lyrische Ich, das sich sogar schon hinter dem man versteckt, die Möglichkeit in Betracht zöge, etwas aus eigenem Antrieb zu machen. Wenn, kommt der Anstoß von außerhalb, müsste: zu stark, sollte: gerade unbestimmt genug.

Ihr seid halt einfach zu positiv :);)

Norbert
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Das Gedicht trägt den Titel "Spätherbst". Der Autor bezieht sich aber in Vers 1 erst mal auf den Sommer, logisch wäre, der Frühherbst bzw. der volle Herbst. Und dann: "Der letzte Sommer schleicht sich aus den Tagen" - Frage: Hat der Sommer seine Tage gehabt? Nun steht der Herbst als Synonym für etwas im Vergehen, also das Jahr geht an sein Ende. Da "was Neues wagen" kommt mir vor, als ob der Autor blind in seine Vorstellungskiste gegriffen und wahllos etwas herausgezogen hätte, damit es sich auf "Tagen" reimt. Nein, das ist kein ernstzunehmendes Gedicht, das ist überhaupt kein Gedicht, das eine lyrische sein wollende Geschwulst.

blackout
 

Buchstaben

Mitglied
Hallo,

zunächst @lapismont: Da haben wir doch schon einmal eine Frage für die FAQ-Liste:
Wie füge ich Sonderzeichen ein, die es nicht auf der Tastatur gibt? Und 2: Gibt es noch die Möglichkeit, zwischen Antworten zum Text und persönlichen Eindrücken zu unterscheiden?
und @molly, es freut mich natürlich, wenn es dir gefällt. Die Optimistenversion finde ich persönlich aber etwas gewollt und gestellt.
und @blackout

Und als letzte Anmerkung etwas zur Intention des DichAutors:
Es geht hier nicht um einen klar definierten Zeitpunkt wie meteorologischer Herbstbeginn (1.Sep) oder astronomischer Herbst (22./23.Sep) sondern um die Zeitspanne, in der die Töpfe mit den empfindlichen Pflanzen eingeräumt werden, noch einmal ein Dahlienstrauß geschnitten, weil die meisten Blüten sowieso schon angewelkt sind und man nicht weiß, ob sie nicht doch bald vom Frost erwischt werden. Es ist also lang nach den zwar reifen, aber noch stehenden Sonnenblumen, die meisten Rosenblätter liegen schon gelb-rußig am Boden, eventuell gibt es noch einen Trieb mit einer späten Blüte. Sogar die Hagebutten sind abgefallen beziehungsweise von den Vögeln geerntet. Am Futterhäuschen sieht man meistens Meisen und Spatzen, am Boden Amseln und ab und zu ein Rotkehlchen. Und die wenigen Tage, an denen doch noch einmal die Sonne scheint und es etwas wärmer ist, sind wie die letzte aus dem Topf gekratzte Schokoglasur.
Aber als Mensch sollte man sich von dieser ganzen Vergangenheitsschwelgerei nicht anstecken lassen, sondern auch jetzt noch etwas Neues anpacken, was zusammen mit dem Zeitaspekt auf naheliegende Weise zur Assoziation "wagen" und dann zum Reim "Tagen" führt. Schwieriger war da, zum resignativen "Nicht" einen Reim zu finden, der sich harmonisch einpasst.

Eigentlich soll man ja wohl Gedichte, zumal die eigenen, nicht erklären (außer in der Schule), aber ich hoffe, dass die Anmerkungen für andere, ob zustimmend oder ablehnend, konstruktive Anregungen für ihre eigenen Werke bieten.

Norbert
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der Gedankenstrich lässt sich über die Tastatur so eingeben ALT -Taste gedrückt halten und dann im Ziffernblock die 0150 eingeben. Für die Ellipse 0133 etc.

Oder das Gedicht in einen Schreibprogramm schreiben, das so etwas kann. Meins macht aus zwei Bindestrichen einen Gedankenstrich und aus drei Punkten die Ellipse.
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Buchstaben,
mir gefällt dein Vierzeiler in der vorliegenden Version, für meinen Geschmack sollte da nix verändert werden. Der etwas dahinplätschernde Tonfall in Zeilen 1 bis 3 bildet einen schönen Kontrast zur Schlusszeile, die mit einer knappen Geste alles wegwischt ...
Schöne Zeilen für (herbstliche) Vollblutmelancholiker!

lg wüstenrose
 

HerbertH

Mitglied
Eine neue Variante mit geänderter Zeichensetzung:

Der letzte Sommer schleicht sich aus den Tagen​
und lässt den Stunden nur ein trübes Licht.​
Man sollte doch noch einmal etwas Neues wagen. -​
Und wagt es nicht.​
Da Z1 und Z2 fünfhebig sind, wie wäre es mit folgender fünfhebiger Z3?

Man sollte doch mal etwas Neues wagen —​

Statt "doch mal" könnte man auch "einmal" oder "doch noch" wählen, mit jeweils etwas anderen Konnotationen.
Z4 könnte dann mit "und" beginnen...
 
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