Liebe Shoshin!
Mindestens zwei Ebenen schichten sich hier übereinander.
Eine unmittelbare Bedeutungsebene, und damit würde ich anfangen, und dann ein Spiel mit Bedeutungsvarianten, metaphorisch.
Sätze sind Prädikationen von Subjekten, das ist ein alter aristotelischer Grundsatz der Grammatik, der den "Satzglieder"-Funktionen in unseren Grammatiken zugrundeliegt. Das bedeutet zunächst einmal: Jeder Aussagesatz ist Prädikation, d.h. Aussage über etwas, und zwar Aussage über das Satzsubjekt. Da setzt der erste Vers an.
Aber er spielt sofort mit der anderen, der erkenntnistheoretisch-philosophischen Bedeutung von "Subjekt": Dort ist nämlich nicht das gemeint, wovon Aussagen getroffen werden, sondern eher die Person, die die Aussagen trifft. Und wenn ein Subjekt Aussagen über sich selbst macht, überkreuzen sich beide Bedeutungen des Begriffes "Subjekt".
Dann folgt gleich ein entsprechendes Spiel mit der Doppeldeutigkeit von "Prädikat".
Da würde ich ansetzen beim Verstehenversuch.
"kaut schuh kleider" liest sich auch als "Kautschuk-Leider".
Die Doppeldeutigkeit von "latex" habe ich schon oben angemerkt.
Von der zweiten zur dritten und eben in dieser dritten Strophe baut sich ein Bild auf: Vier Personen stehen an einem Beckenrand, etwa im Schwimmbad, und springen ins Wasser. Sie stehen vielleicht für die Selbst-Prädikation des Ichs, des "Subjekts, das sich zum Subjekt hat".
Die zweite Strophe sieht die Selbstprädikation kritisch: Blick "ins nichts", oder durch das Nichtsichselbstspiegeln des Spiegels ("nichts") scheinbar hindurch ins Spiegelbild, und dann folgt eben das Bild der dritten, wo die Ambivalenz zwischen Gebetshaltung der gefalteten Hände und der Sprung-Handhaltung von Schwimmern changiert.
Zuletzt die Doppeldeutigkeit des "zeugens".
Das wären einige Ansatzpunkte, ich hoffe, sie helfen.
Auf jeden Fall aber danke, danke sehr!, für das Lesen und Dichbeschäftigen mit den drei Strophen. Sie sind kein bloßes Klangspiel, so sehr ich sowas schon mal liebe, sie reflektieren die Sprachreflexion des sich selbst prädizierenden "Ich bin ...", und dies in dem Bewußtsein, daß das Bewußtsein sich in Bildern sieht, immer nur in Bildern, und vielleicht in allen möglichen Bildern, "facultas imaginandi", wie Kant die "Einbildungskraft" als Grundfunktion des "Ich bin ..." in der "Kritik der reinen Vernunft" latinisiert hat.
Aber dieses Gedicht setzt weder Aristoteles noch Kant voraus, wohl aber die schulisch gängigen Satzteil-Begrifflichkeiten von "Subjekt", "Prädikat" und deren alltagssprachlichen Krümmungen oder Spielvarianten ("Prädikatswein"), und beginnt eben mit der Definition des Aussagesatzes: Sätze sind Prädikationen von Subjekten, Aussagen über Satzgegenstände.
grusz, hansz