sprungbrett

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mondnein

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sprungbrett


denn immer nur will ich in liebeslust schmelzen
zum beispiel wenn harrisons something dahinflieszt
orgasmus der offenen frage - ich weisz nicht
denn etwas (singt er) in dem weg den sie wegwegt

dies etwas was ist es ich weisz nicht ich weisz nicht
o no - a dont no! - (dekadente kadenz in
der modulation die den teppich mir unter
den sohlen weg zieht) und ich stürze ins becken

und dringe tief ein bis zum anschlag in tiefen
die du meine süsze dir kaum je erträumt hast
du saugst meine zunge ich saug deine lippen
und stosz wieder zu dir - o no! - wie du mir zu


 
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Mimi

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Hmm ... also ich kann aus dem Gedicht jetzt nicht unbedingt entnehmen, dass das LyriIch (oder sein LyriDu) Rentner darstellen ...
Und George Harrison gibt da auch
keinen Hinweis in diese Richtung ...
 

mondnein

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George Harrison gibt da auch
keinen Hinweis in diese Richtung
Tote klappern zum Totenpop, Untote schleimen zum Untotenpop, Dichter verdichten den Dichterpop, Zensoren fremdschämen sich für Polyvalenzen.

Ich liebe Polyvalenzen, allerdings nicht in der Verdächtigungssprache der Inquisitoren, sondern nur in den weiten Spielräumen der Stilfiguren, die grundsätzlich mit Vieldeutigkeiten arbeiten.
Aber wer liebt schon Dichtung.

Es geht um die Erotik des Tonartenwechsels in Harrisons "Something". Ist nicht jedermanns Empfindung. Es hat nicht jeder Hörer einen Sinn für den Glücksmoment beim Schritt von der Dominante in die parallele Durtonart der Tonika.
Wahrscheinlich gibt es so etwas wie verbotene Metaphern für prüde altenglische Victorianer. Tot, untot, zum Fremdschämen verdichtet.
 
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sufnus

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Hm.
Der explizite Geschlechtsakt ist in seiner eher eindimensionalen phallischen Bezogenheit zumindest altmodisch (und zwar ungefähr seit den Epigonen von Catull). Andererseits ist das Thema Sex immer einen lyrischen Versuch wert und gerade weil hier ästhetische Abstürze drohen (wie im wahren Leben) bringe ich solchen Gedichtversuchen einiger Grundsympathie entgegen.
Neben der etwas schwanzfixierten Verengung würde ich dem Text aber auch noch vorwerfen, dass sich hier Bildungsballast mit plakativem Sex zu schmücken versucht und vice versa. Ich finde das bekommt beiden Seiten nicht besonders gut und sie sollten es auch nicht nötig haben.
Also... irgendwie... Licht und Schatten...
LG!
S.
 

wiesner

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Andererseits ist das Thema Sex immer einen lyrischen Versuch wert

Für mich seit langem die Frage ... wie schnell rutscht man auf Sprachwendungen aus, die man aus zeitlichem Abstang gelesen lieber nicht verwendet haben sollte. Die letzten (belletristischen) Zeittexte, die ich las, waren Feuchtgebiete und diese 50 grauen Schatten ... um Gottes Willen ... da stand so viel Scheiße drin, dass man mit dem Spülen nicht nachkam! Im übrigen scheint es mir entschieden sinnvoller zu sein, Sex zu machen als darüber zu schreiben!

Gruß
Béla
 

mondnein

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Der explizite Geschlechtsakt ist in seiner eher eindimensionalen phallischen Bezogenheit zumindest altmodisch
mag sein.

aber hier geht es um einen Tonartwechsel, nicht um einen "Geschlechtsakt", schon gar nicht um dessen Explikation oder demonstrative Vorführung.
und "phallisch" ist hier gar nichts. nicht einmal in der freudianischen Deutung, Regenschirme, Türme, Spazierstöcke, Kugelschreiber und was noch alles länglich aussieht, für ein Symbol für menschliche Organe zu halten.

ach so, Du meinst die "Liebeslust". nett, aber es ist die Lust, die man beim Hören von "Something" hört, genauer, der Tonartwechsel, s.o.

"orgasmus der offenen Frage" ist etwa so pointiert wie der moderne "Orgasmus im Mund" bei den Feinschmeckern. aber ich halte diese abgelutsche Formulierung vom "Orgasmus im Mund" für schräg. da sie im Sinnlichen verbleibt.
hier, in diesem Gedicht, ist aber ein forschender Grammatiker am Werk, der sich für offene Fragen interessiert. natürlich die zum Höhepunkt des Liedes gestaltete offene Frage im Harrison-Text. Das bereitet mir eine Lust, vergleichbar der "Philosophie" im Empfinden meines Meisters Novalis und der Verwandlung Isoldes in pure Musik ("Liebestod"), subtil und immer neu.

die Metapher vom "orgasmus" ist insofern unpassend, denn ich muß micht müde einschlafen nach dem unendlichen Ergründungsversuch in den Tiefen der Unbeantwortbarkeit.
es ist eine Lust, die sich durch Verfeinerung steigert, vergleichbar dem sprachlich sich explizierenden Liebesakt in der berühmtem Novalishymne Nr.7 in den "Geistlichen Liedern".

Aber wenn hier nur brutal übersexualisierte Phantasien das Verständnis des Liedes bestimmen, nehme ich es wieder raus.

ist halt nicht für jeden
 
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mondnein

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Aber wenn hier nur brutal übersexualisierte Phantasien das Verständnis des Liedes bestimmen, nehme ich es wieder raus.
nein, ich lasse es drin, es offenbart die antipoetische Fixierung mancher Interpretatoren, denen Mehrdeutigkeiten verhaßt sind, sogar die selbstironischen, all die lockeren Späße beatlemanischer Musikwissenschaftler und Schwimmbadturmspringer
 

zurabal

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Hallo mondnein,

Kennst Du die Anekdote? Der Komponist Alban Berg soll mal in einer Orchesterprobe für eine Uraufführung zu den Musikern gesagt haben, sie sollen mehr sexy spielen. The rest is noise.

Viele Grüße zurabal
 

mondnein

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nun ja, es ist beliebt bei den Musikern, das Wort "emotional" durch das knackigere, kürzere und geilere Wort "sexy" zu verwenden, und auch die Nichtmusiker sagen, wenn etwas nicht gleich in die Emotionen greift, das beurteilte Stück sei "nicht sexy". Zu Alban Bergs Zeit war das Wort noch nicht so ausgelutscht.
"the rest is noise" ist ein Buchtitel (Verneinung des Hamlet-Schlußsatzes "the rest is silence"), aber ob es innerhalb des Buches mit Bezug auf Alban Berg zitiert wird, weiß ich nicht

grusz, hansz
 

mondnein

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und stosz wieder zu dir - o no! - wie du mir zu
oh, ich glaube, ich verstehe die viktorianischen Kritiker (heute würde man sagen "Spießer") aus dem 19. Jahrhundert nun allmählich: sie stoßen sich an der Doppeldeutigkeit des Wortes "zustoßen":

1. etwas stößt mir zu, z.B. ein Unglück (unabhängig davon, ob einer auf diese Liedstelle "stößt" oder sich daran wie an einem Spolperstein, griech. einem "skandalon", "stößt")

2. Personengruppen stoßen anderen Personengruppen zu, z.B. Armeen

ich vermute, es ist (3. ?) immer ein Unglück, wenn eine Person einer anderen rein physisch zustößt, hier: wenn einer vom Dreimeterbrett springt und auf einen Schwimmer trifft, der verbotenerweise unter dem Turm rumschwimmt, und sein Opfer noch verantwortlich macht, etwa weil das dem Sprung des Springers Widerstand entgegengestellt hat

ziemlich zweideutig, dieses "zustoßen".

grusz, hansz
 

mondnein

Mitglied
P.S.:
du saugst meine zunge ich saug deine lippen
das wird blutig, bei so einem Sturz, da ist "Saugen" eine extrem untertreibende Verniedlichung der heftigen Berührung, so wie wenn man sagt "grüß dich!" und tritt mit zarter Fußspitze tief in den Schlund der begrüßten Geliebten.

antierotisch, absolut!
 

mondnein

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du saugst meine zunge ich saug deine lippen
das wird blutig, bei so einem Sturz vom Turm in die Schöne, da ist "Saugen" eine extrem untertreibende Verniedlichung der schmerzhaften Berührung, so wie wenn man mit kurzem Blick in der halben Sekunde des Hinabgleitens denkt "grüßdich!" und tritt mit zarter Fußspitze tief in den Schlund der so überraschend begrüßten Geliebten.
Eine allzu untertriebene Metapher:

Verspottet dieses Bild eher den armen George Harrison, auf musikanalytischer Ebene, als habe der bei dem seligen Tonartwechsel nur an das verführerische Dahinschreiten der Geliebten gedacht, das ihn in den Wahnsinn, ins Nicht-mehr-weiter-Wissen, in die Verzückung treibt?
Orgasmus pur

oder die Sexbesessenen?

die,
die eine harmonische Modulation​
von der oberen kleinen Mediante​
(das wäre die parallele Durtonart zur Tonika, wenn die Moll wäre)​
in die untere kleine Mediante hinüber​
(das ist die parallele Molltonart zur Tonika, nun aber selbst in Dur)​
wie z.B. beim Schritt vom E-Dur-Dreiklang​
über die Dominante der C-Dur-Grundtonart, also über G-Dur,​
ins strahlende A-Dur einer gedoppelten Zwischenstrophe​
hinein ...​
nun überraschenderweise​
nicht von der Dominante auf die erwartete Tonika schließen läßt,​
das wäre dann der C-Dur-Dreiklang,​
so wie ja schon nach der ersten Strophe der Refrain​
in den nächsten Strophenbeginn,​
d.h. in eben diese Strophe hier eben noch​
hinein​
mündete,​
sondern nun hinüber ins überraschend glücklich strahlende A-Dur,​
in die neue Tonart​
hinauf​
gleiten läßt​

gleich und nur als Metapher für das Erreichen der Lustschwelle be-greifen?

als einen metaphorischen "Sturz vom Turm in die Schöne hinein --
da ist "Saugen"
eine extrem untertreibende Verniedlichung der schmerzhaften Berührung,
so wie wenn man mit kurzem Blick
in der halben Sekunde des Hinabgleitens
denkt "grüßdich!"
und tritt mit zarter Fußspitze tief in
den atmenden Schlund der
so überraschend aufgetauchten Geliebten.

ja, das ist antierotisch, absolut!
ich stimme den Sexbesessenen zu,

eindeutig zweideutig

grusz, hansz
 
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