„Sterben heißt dies alles ungelöst verlassen“

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F

Frodomir

Gast
Hallo Ralf Langer,

dein Gedicht gefällt mir sehr gut, es hat etwas an sich, das sowohl Melancholie als auch Weisheit vereint.

Besonders gut gefällt mir, dass du es schaffst, zwei zeitliche Perspektiven aufzuwerfen. Zum einen die gesamte Lebenszeit ("spät im Sein"), zum anderen das konkrete Jahr ("spät im Jahre"). Damit zeichnest du in meinen Augen das Bild einer (heute wohl verlorengegangenen) Zyklenhaftigkeit des Lebens, die sich im Kleinen jedes Jahr, im Großen aber im gesamten Leben ausdrückt.

Das Jahreszeitliche kommt zudem noch einmal in Strophe 3 detaillierter vor, sodass der Text sehr kohärent wirkt. Nur die letzte Strophe fällt für mich ein bisschen ab, was an den letzten beiden Versen liegt. In meinen Augen liegt das daran, dass du in Strophe 1 Präsens verwendest, in Strophe 4 aber Präsens und Präteritum, wobei die Vergangenheitsform genau das erklärt, was du in den Strophen zuvor durch die Posie bereits so wunderbar ausgedrückt hast. "Du suchtest das Wahre" ist doch jene Aussage, die durch dein Gedicht schwingt, weshalb erklärst du das am Ende des Poems noch einmal? Ich finde, hier geht der Zauber ein wenig verloren.
"Einpacken" wirkt zudem noch etwas floskelhaft, dadurch erleidet das Gedicht beinahe eine ironische Veralberung, die ihm meiner Meinung nach nicht gebührt.
Demnach würde ich die letzten beiden Zeilen also wieder ins Präsens setzen und nach Möglichkeit einen anderen Inhalt finden. Vielleicht könnte die erste Strophe gar nochmal in Gänze wiederholt werden...

Noch zwei Mal Rechtschreibung:

1. Da waren Stunden im geliebten [red]B[/red]lau

2. Spät [red]i[/red]m Jahre

Sehr gern gelesen!

Viele Grüße
Frodomir
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Frodomir
Danke für den sehr einfühlsamen und sehr fundierten Kommentar.
Mit dem Wechsel der Zeiten sprichst du tatsächlich einen Schwachpunkt an. Ich arbeite gerade an ein paar Umstellungen
Ich habe hier versucht eine sehr einfache Sprache zu wählen um mich
dem thematischen Schwerpunkt des Gedichtes zu nähern
Insofern finde ich das "einpacken" einerseits nicht sehr lyrisch den Ausdruck nach,
aber eigentlich angemessen.
"das Wahre suchen"
Wahrscheinlich hast du recht, das könnte redundant sein.
Aber es ist auch ein wenig dem Reim geschuldet,
der aufrecht erhalten werden "muss".
Das Zyklische ist schon wichtig. Du hast das richtig erkannt.
Aber, der Mensch endet, während die grossn Kreise weiterdrehen.

Deswegen, aber das nur am Rande wählte ich den Titel
( eine tiefsinnige Zeile eines Bennschen Gedichts"Monolog".

Bis hierhin erst einmal herzlichen Dank

Ich werde das Stück ein wenig überarbeiten, und freue mich
über eine neuerliche Antwort deinerseits....
Lg
Ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Sterben heißt dies alles ungelöst verlassen

Spät im Jahre
also spät im Sein
stellst du die Frage
nach dem Leben ein

Da waren Stunden
die knieten sehr
doch alle Wunden
bluteten leer

Da waren Himmel
im geliebten Blau
und andere Himmel
novembergrau

Spät im Jahre
also spät im Sein
du suchtest das Wahre
jetzt packst du ein
 



 
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