Eine Durchdringung des Krankseins, die gleichermaßen zart, verstörend und schön ist. „Sternblüth war zurück metastasiert“ ist paradox und ein Oxymoron (Doppeldeutigkeit schafft eine Poetik mit Tiefe), denn: Die Rückkehr geschieht durch Metastasen. Nicht das Heim, sondern die Krankheit ist der Ort der Wiederkunft. Der Name „Sternblüth“ steht für mich in starkem Kontrast zur kalten und klinischen Realität.
Du führst den Ton dann in eine Art schwebende Andacht über: Das „
stille Kind beim Nähen“ und die „
Zeremoniengewänder flüchtiger Wunder“ wirken fast sakral. Das Wunderhafte ist ephemer, aber es wird noch einmal heraufbeschworen.
Mut zum Polyglottismus: „
mutational landscapes / großer onkologischer Schönheit“... das ist eine kühne Formulierung, die das Krankheitsgeschehen, in dem Kasus Krebs, in eine nahezu perforierte Landschaft verwandelt. Es entsteht eine „
sublime pathology“, eine Erhabenheit im Zerfall; nicht im Trotz gegen das Grauen, sondern im Eingeständnis seiner Schönheit. Die letzte Strophe hat mich aber nochmal besonders angefasst, weil sie dieser vorangegangenen Abstraktion eine greifbare Figur gibt.
Hier wird es plötzlich konkreter: Der „
Glaube an die Stimmen der Eltern“, die sich „
viel freundlicher“ zeigen, wirkt wie ein inneres Bild des Trostes, das von erschütternder Zartheit ist, vielleicht aus der Kindheit, oder, vielleicht imaginiert. Das „Fenster zur Nachbarschaft“, das „leergeräumt“ wird, lässt an den Rückzug aus der Welt denken. Und dann diese leisen, letzten Gesten: das Verschweigen, das Belauschen der Amseln, das Sich-Lösen in ein offenes Ende.
Lieber Sufnus,
dein Gedicht hat eine für mich interessante Reife und schleudert mir den pflastersteinkaltengrund der Existenz mit einer solchen Radikalität entgegen, wie ich sie nur selten erlebt habe.
Ich bin unschlüssig, was den Einsatz der Adjektive betrifft: ob sie die Bildwelt vertiefen oder sie stellenweise überladen. Wahrscheinlich beides zugleich. Mein ehrlicher Eindruck ist: Ich kann es nicht abschließend beurteilen. Vielleicht würde ich nach
„metastasiert“ einen Punkt setzen, um die Erschütterung dieses ersten Bildes stärker isoliert wirken zu lassen.
Der
„lunatische Lymphpark“ ist klanglich schon sehr stark und die Alliteration sitzt. Trotzdem spüre ich eine kleine Kollision beim Zusammenspiel von
„lunatisch“ und
„Park“. Das eine suggeriert Entrückung oder Wahnsinn, das andere ist ein eher geerdeter, öffentlicher Raum. Vielleicht liegt genau darin auch ein Reiz. Begriffe wie
„Park“ tun dem Gedicht weitererseits wieder gut, denn sie nehmen Pathos und Larmoyanz heraus, verlagern den Blick zurück auf
Sternblüth und schaffen ein Gegengewicht zur Erhabenheit des Bildvokabulars. "-blüth" ist archaisierend geschrieben, oder? Ein, meiner Meinung nach, nicht unwesentliches Detail, das die Blickrichtung subtil nach hinten richtet, also in die Vergangenheit.
Sternblüth war zurück metastasiert.
im lunatischen Lymphpark
das stille Kind beim Nähen
Zeremoniengewänder flüchtiger Wunder
Um es für mich besser zu verstehen, breche ich es herunter auf:
im Lymphpark ist
ein Kind beim Nähen
an Gewändern für ein späteres Fest
Ist nur Gedankenspielerei. Der Tod ist Reduktion, manchmal in der Manier eines Kindes, das in Stille (für mich mittlerweile ein schwieriges Wort)
tut, was es tut. Ich finde tatsächlich, dass die Weglassung von "stille" dem Gedicht gut tun würde. Zeig die Stille im und um den Kind lieber
Maren