Stirb Langsam

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der Titel gefällt mir immer besser. Vermutlich werde ich, sollte ich den Film jemals sehen, dann sagen: Ach guck mal, der Benjamin!
:)
(So viel zur Langzeitwirkung von Texten. Oder ich sage zum Benjamin Bruce.)
 

sonah

Mitglied
Hallo Andreas,

das ist für mich eine sehr schön erzählte Geschichte. Die Figuren und der "Protagonist" nehmen schon beim ersten Lesen recht plastisch Gestalt an. Wunderbar, wieviel in den kurzen Text hineingepackt wurde.

Ganz witzig fand ich, dass nicht sogleich aufgelöst wurde, dass "Stirb langsam" eine Pflanze ist. Zumindest hatte ich beim Lesen zuerst ein anderes Bild. Die Auflösung hätte man möglicherweise noch weiter nach hinten ziehen können, es hätte einigen Mutmaßungen über ein mögliches Loswerden von "Stirb langsam" dann eine noch makaberere und absurde Note gegeben. Aber vielleicht kommt hier auch nur meine Vorliebe für das absurde und makabere zum Tragen.

Nach meiner Erfahrung ist ein Benjamini auch nicht gerade der pflegeleichteste im Gegensatz zu z.B. einer Yuccapalme. Ich bin aber nach dem Lesen der Geschichte überzeugt, dass "Stirb Langsam" an gebrochenem Herzen gestorben ist.

Liebe Grüße,

Sybille
 

anbas

Mitglied
Hallo Sybille,

vielen Dank für Deine Rückmeldung über die ich mich sehr gefreut habe.

Eine Vorliebe für das Makabere und Absurde habe ich auch - was in diesem Text durchaus zu erahnen ist. Manchmal kommt die leichte Prise besser als die volle Gewürzmischung ;).

Was Pflanzen angeht, so habe ich auch schon Kakteen und Yuccapalmen "um die Ecke gebracht" :D.

Liebe Grüße

Andreas
 

anbas

Mitglied
Liebe Andrea,

vielen Dank fürs Lesen, Gedankenmachen, Rückmelden und vor allem für das "Klasse!" :).

Mit der "Hin-oder-Her-Frage" werde ich jetzt sicherlich eine schlaflose Nacht verbringen. Von meinem Sprachgefühl hin ... nein her ... :D passt beides - und "her" liegt mir da näher.

Erst mal lasse ich es so, wie es ist - bin aber für Überzeugungsversuche offen.

Liebe Grüße

Andreas
 
E

eisblume

Gast
Schönen guten Morgen, Andreas,

ich kann dich da auch nur mit meinem Sprachgefühl überzeugen, das eindeutig zum "hin" tendiert.
Ich sehe das, wie etwas vor sich hin murmeln, vor sich hin starren, vor sich hin welken. Da käme mir jetzt nie in den Sinn, ein "her" zu verwenden. Mag natürlich sein, dass das vielleicht auch regional bedingt ist.
Wie gesagt, ist nur eine Kleinigkeit, über die ich aber halt gestolpert bin. Eine schlaflose Nacht wollte ich dir damit aber nicht bereiten :))

Wünsche dir einen schönen Tag
Andrea
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Hallo Andreas,

Nach einer ebenso schlaflosen Nacht, in der ich mich hin und her gewälzt habe, bin ich zu der einfach klingenden Lösung gekommen, dass man alles als „hin“ tut, was vom Protagonisten weg führt.

Alles was zu ihm führt, wird mit „her“ umschrieben. Starren tut man in der Regel weg von sich, müsste also „vor sich hin starren oder hinstarren“ heißen. Trotzdem bin ich immer noch hin und her gerissen, denn manche starren auch in sich rein. Aber es steht hier jetzt schon mal 2:1 für den Hinstarrer.

Gruß vom Ironbiber
 

anbas

Mitglied
Ja ... aber ...

Doch zunächst einmal vielen Dank für die Anteilnahme an meinen Schlafstörungen und das Solidaritäts-Hin-und-Hergewälze :D.

Ja, aber, also ...:

Er blättert - die Blätter fallen vor ihm auf den Boden - sie fallen vor ihn hin - also, blättert er vor sich hin (man mag ja durch aus, so vor sich her kotzen, aber eigentlich kotzt man dann doch eher vor sich hin, oder??? :D).

Auf eine weitere schlaflose Nacht - ab Freitag habe ich Urlaub und kann dann den ausgefallenen Schlaf nachholen ...


Liebe Grüße

Andreas
 

anbas

Mitglied
Stirb Langsam

Wir nannten ihn „Stirb Langsam“. Allerdings haben wir uns nie Gedanken darüber gemacht, ob nun „Stirb“ der Vor- und „Langsam“ der Nachname war, oder es sich um einen Doppelnamen handeln könnte.

„Stirb Langsam“ war hart im Nehmen, ein wahrer Kämpfer. Jahrelang hatte er einen festen Platz bei uns auf der Etage gehabt, doch dann musste er umziehen. Das bekam ihm nicht gut, aber er wehrte sich tapfer gegen sein Verderben.

Alles begann damit, dass an unserem Bürogebäude ein weiteres Haus angebaut werden sollte. Daher wurden die Fenster des etwa dreißig Meter langen Flures an dieser Seite zugemauert. Und genau dort hatte „Stirb Langsam“ zusammen mit anderen Pflanzen seinen Platz gehabt. Nun war es für ihn und seine Artgenossen zu dunkel geworden, um dort weiter stehen bleiben zu können. Während aber die übrigen Pflanzen neue Plätze in den Büros der Kollegen fanden, blieb „Stirb Langsam“ übrig. Dabei war er ein ansehnlicher, wenn auch recht schlanker Benjamini von etwa ein Meter fünfzig Höhe. Irgendwann stellte irgendjemand ihn dann in der Mitte des Flures neben einer Bürotür ab. Diese hatte ein großes Glasfenster, sodass ihn wenigstens etwas Tageslicht erreichen konnte. Dort blieb er dann stehen und blätterte langsam vor sich her.

Wir Kollegen versorgten ihn mit Wasser und machten uns unsere Gedanken. Niemand wollte ihn zu sich nehmen. Die einen mochten keine Pflanzen in ihrem Büro haben, die anderen hatten schon so viele, dass es keinen Platz mehr für ihn gab. Auch zu sich nach Hause nehmen wollte ihn keiner von uns. Wir versuchten herauszufinden, wem „Stirb Langsam“ gehören könnte, wer ihn ursprünglich einmal mitgebracht hatte. Doch die Recherchen blieben erfolglos. Vielleicht war er der Nachlass von einem Kollegen, der längst in einer anderen Abteilung arbeitete oder in den Ruhestand gegangen war.

Nach einiger Zeit bot „Stirb Langsam“ mit den wenigen Blättern an seinen dürren Zweigen ein jämmerliches Bild. Unsere Meinungen darüber, wie mit ihm weiter verfahren werden sollte, gingen weit auseinander. Frau Lindemann wollte ihn einfach aus dem Fenster werfen. Direkt unter ihrem Büro befand sich ein undurchdringliches Gestrüpp.

„Das fällt doch gar nicht auf“, ereiferte sie sich regelmäßig, wenn andere Kollegen Bedenken anmeldeten.

Herr Stanzer dagegen schlug vor, ihn vor dem Hauseingang zu platzieren, damit ihn ein Interessent einfach mitnehmen könne. Frau Söller wiederum bedauerte stets, wenn wir auf „Stirb Langsam“ zu sprechen kamen, dass sie wieder ihre Gartenschere zu Hause vergessen hatte.

„Sonst könnten wir ihn jetzt fein säuberlich zerschnippeln und in den Mülleimer der Teeküche werfen“, fügte sie dann mit einem leicht theatralischen Unterton hinzu.

Solchen Ansinnen widersprach dann Frau Timme energisch. Sie plädierte für einen Mail-Aufruf an alle Mitarbeiter der Firma, mit dem Apell, „Stirb Langsam“ bei sich aufzunehmen.

„Ach was, der schafft das schon. Der kommt durch, muss sich nur an seinen neuen Platz gewöhnen“, raunzte Frau Markmann dann jedes Mal. Ihr ging die Diskussion um „Stirb Langsam“ ziemlich auf die Nerven. Sie konnte nicht verstehen, warum man so viel Aufheben um das bisschen Grünzeug machte.

„… und wenn er bis Weihnachten überlebt, wird er der Trostpreis bei unserer Tombola!“, fügte Herr Bader dann breit grinsend hinzu.

Meistens endete die Diskussion, wenn sich Herr Vogt einschaltete.

„Solange die Eigentumsfrage nicht geklärt ist, können wir nichts weiter machen“, sagte er kurz und wandte sich dann wieder seinen Akten zu.

Doch dann kam der Tag, an dem „Stirb Langsam“ plötzlich verschwunden war. Nur ein paar welke, schrumpelige Blätter lagen an der Stelle, an der er die letzten Monate über gestanden hatte. Da die Putzkolonne immer abends die Büros reinigte und „Stirb Langsam“ morgens nicht mehr da war, musste es nachts geschehen sein. Sonst hätten die Blätter dort nicht mehr gelegen. Sein Verschwinden war und blieb für uns ein Rätsel, das für noch mehr Gesprächsstoff sorgte als die Frage, was mit „Stirb Langsam“ geschehen sollte. Manche hatten die Putzleute in Verdacht, andere beschuldigten bestimmte Kollegen des Diebstahls, was zu einigen heftigen Streitigkeiten führte. Es gab sogar welche unter uns, die sich in die wildesten Verschwörungstheorien hineinsteigerten.

Ich persönlich denke ja, dass „Stirb Langsam“ einfach gegangen ist – doch das werde ich niemals öffentlich sagen.
 



 
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