Nie zuvor gab es jemanden, der ein größeres Vergnügen bei der Erfüllung seiner Pflichten gehabt hätte als Tarlis, oberster Archivar und Kurator im Palast der Missgeschicke. Nacht für Nacht saß er an seinem Schreibpult inmitten des gläsernen Pantheons und strahlte eine würdevolle, wenn nicht sogar düstere Feierlichkeit aus, die mit der des gewaltigen, auf tumhohen Säulen errichteten, Rundtempels zu konkurrieren schien. Eingehüllt in ein dunkles Übergewand arbeitete Tarlis zwischen Regalen, die rings um ihn herum so hoch emporragten, dass die obersten Ablagen, blickte man länger hinauf, aufeinander zuzustreben schienen. Denkende Treppen, geschaffen aus einem beweglichen Material, über dessen Herkunft man Tarlis stets im Unklaren gelassen hatte, schmiegten sich an die gewaltigen Stellagen und führten mal im Zickzack, mal in tollkühnen Windungen, aber nur selten über eine längere Strecke ohne die geringste Krümmung an die Spitze. Als Tarlis noch jünger war, brauchte er nur eine halbe Nacht, um nach oben zu gelangen, obwohl ein Aufstieg nie dem anderen glich. Von Zeit zu Zeit nämlich gerieten die Treppen durcheinander, kreuzten und wendelten sich neu, schoben sich wie sanfte Riesen mit bedächtigem Knarzen durch die gläserne Halle, immer darauf bedacht, den in seine Listen vertieften Archivaren an seinem Pult nicht durch ein unbesonnenes Krachen zu erschrecken, und wussten Tarlis auf diese Art und Weise von der unmittelbaren Zukunft zu berichten. Denn anhand ihrer neuen Anordnung erkannte er, der diesen Vorgang über die Jahre hinweg aufmerksam beobachtet hatte, sogleich, wie es um seinen nächsten Arbeitstag bestellt sein würde. Vor den Regalen, wo die Kreuzungen besonders dicht, die Wendelungen auffällig verspielt, aber es auch nur zu einer winzigen Überschneidung zweier Stufen gekommen war, gab es für Tarlis in der nächsten Nacht zu tun, galt es, zu jeder Unregelmäßigkeit im Treppenmuster hinaufzusteigen, um ein Missgeschick zu versenden oder auf die Rückkehr eines vollbrachten zu warten, um es sodann seiner Archivierung zuzuführen.
In seinem gläsernen Pantheon verwahrte, ordnete und sammelte Tarlis große und kleine Missgeschicke, die bis zum Zeitpunkt ihres Versands in den mächtigen Regalen zwischen lagerten und je nach Art ihres Ausmaßes einen Platz in den unteren, mittleren oder obersten Ablagen fanden. Zitternde Kalamitätenphiolen, randvoll mit verpatzten Prüfungen, teilten sich die untersten Ränge mit zahlreichen Debakelkrügen, in denen es leise zeterte. Hierin lagerten kleine Betrügereien, die darauf warteten, an ihrem jeweiligen Bestimmungsort aufzufliegen. Sonderbar geformte Dramenkelche mit entdeckten Seitensprüngen standen weiter oben als die kleinen bunten Malheurkästchen, in denen misslungene Speisen hämisch lachend auf ihren Einsatz warteten. Waldbrände, Schiffskollisionen, Flugzeugabstürze und Malariaerkrankungen sammelten sich im oberen Drittel der Regale in matt geschliffenen Fatalitätenflacons. Notstandtonnen und Tragiktruhen bargen weitaus gefährlichere Inhalte als die zu Tarlis Leidwesen langsam überhand nehmende Menge geschwätziger Schlamasselsäckchen. Wann immer ein Missgeschick nach erfolgreicher Betätigung zurückkehrte, wurde es sogleich archiviert und auf einer der vielen Listen erfasst, die in großen Stößen das Schreibpult des fleissigen Archivaren bedeckten.
In letzter Zeit war es erstaunlich ruhig gewesen. Die Treppen wechselten ihren Standort, so schien es Tarlis, mehr, um ihm eine Freude zu machen, denn um auf ein aus- oder eingehendes Unglück hinzuweisen. Den letzten, größeren Aufstieg brachte er vor einem Monat hinter sich, als es ein großes Wendelgedränge vor den Ablagen mit wartenden Kontinentalverschiebungen gegeben hatte. In jener Nacht seufzte Tarlis schwer, bevor er sich in seine Schlafkammer in der Vorhalle des Pantheons zurückzog, diesmal aber vergeblich darauf hoffte, durch das für ihn bereits zur Nachtmusik gewordene Knarzen der wandernden Treppen einzuschlafen. Lange lag er wach und blickte durch das gläserne Dach auf den anbrechenden Tag, das letzte schwache Aufglimmen vereinzelter Sterne, die, so schien es ihm, auch nicht zur Ruhe kommen wollten. Eine plötzliche Angst überkam Tarlis in seinem Gemach. Er, der um den Lauf der Dinge wußte wie kein anderer, fürchtete nicht etwa den beschwerlichen Aufstieg zu den hoch unter der Kuppel ruhenden Erd- und Nachbeben, die er in der nächsten Nacht nach Südamerika zu verschicken gedachte. Die möglichen Ereignisse nach der Katastrophe waren es, die ihm Kopfschmerzen bereiteten. So, wie die Wendelungen zusammengelaufen waren, deuteten sie auf ein noch größeres, vielleicht sogar auf das schwerste Unglück in seiner langen Zeit als Archivar und Kurator in den Hallen der Missgeschicke hin. Schon lange dauerten ihn die Menschen nicht mehr, für die er noch zu Beginn seines Amtes großes Mitleid empfand und selbst bei einer winzigen Stufenkreuzung mit bangem Herzen die Treppen hinauf eilte, um nachzusehen, ob es sich um ein kleines oder ein großes, ein ankommendes oder zu verschickendes Pech handelte. Wie groß war seine Freude, kehrte ein Waldbrand zurück, ohne dass ihm auch nur ein einziger Vogel zum Opfer gefallen war, wie unermeßlich aber sein Gram, erhielt er den Versandbefehl für einen harmlosen Sturz. Diese Zeit aber lag lange hinter ihm. Tarlis einzige Sorge galt dem möglichen Verlust seiner Verpflichtungen, mit denen er sich unwiderruflich und für alle Zeiten verwachsen fühlte.
Nach dem Versand des Erdbebens trat eine ungewöhnliche Ruhe ein, die seit nunmehr vier Wochen anhielt und Tarlis im höchsten Maße beunruhigte. Bis auf eine kleine affektierte Wendelung vor den Kelchen, in denen weibliche Eifersüchteleien köchelten, hatten die denkenden Treppen sich nicht mehr geregt und auch heute war es still um Tarlis, der sich von düsteren Gedanken abzulenken suchte und über einer Liste mit gescheiterten Blitzeinschlägen vom vergangenen Jahr brütete, die er nach sorgfältiger Bearbeitung an den zuständigen Archivaren in den Palast der glücklichen Zufälle weiterzuleiten plante . So saß er Stunde um Stunde, strich und ergänzte, seufzte und gähnte, bis ihn ein Rucken der größten Wendeltreppe unsanft aus der Ruhe riss. Tarlis blickte überrascht auf, legte die Liste beiseite und lauschte entzückt dem Knirschen sich überkreuzender Stufen hoch oben über seinem Haupt. Andere Treppen setzten sich in Bewegungen, strebten aufeinander zu und bildeten in großer Höhe verwegene Knoten. In seiner Freude über das so lange vermisste Tun bemerkte Tarlis nicht gleich, dass die denkenden Riesen sich nicht mehr wie bislang mit sanftem Knarzen an ihm vorbeischoben. Ungeachtet seiner Anwesenheit passierten sie schneller und schneller sein Schreibpult, rieben sich knirschend aneinander, taumelten, so als seien sie in höchster Eile, aufeinander zu, um sich mit einem letzten Krachen an höchster Stelle, dort, wo Tarlis die größten Tragödien auf lange Frist gelegt hatte, zu einem ensetzlichen, letzten Knoten zu vereinen.
In der nächsten Nacht machte Tarlis, oberster Archivar und Kurator im Palast der Missgeschicke, sich auf seinen beschwerlichen Aufstieg zu den nuklearen Störfällen.
In seinem gläsernen Pantheon verwahrte, ordnete und sammelte Tarlis große und kleine Missgeschicke, die bis zum Zeitpunkt ihres Versands in den mächtigen Regalen zwischen lagerten und je nach Art ihres Ausmaßes einen Platz in den unteren, mittleren oder obersten Ablagen fanden. Zitternde Kalamitätenphiolen, randvoll mit verpatzten Prüfungen, teilten sich die untersten Ränge mit zahlreichen Debakelkrügen, in denen es leise zeterte. Hierin lagerten kleine Betrügereien, die darauf warteten, an ihrem jeweiligen Bestimmungsort aufzufliegen. Sonderbar geformte Dramenkelche mit entdeckten Seitensprüngen standen weiter oben als die kleinen bunten Malheurkästchen, in denen misslungene Speisen hämisch lachend auf ihren Einsatz warteten. Waldbrände, Schiffskollisionen, Flugzeugabstürze und Malariaerkrankungen sammelten sich im oberen Drittel der Regale in matt geschliffenen Fatalitätenflacons. Notstandtonnen und Tragiktruhen bargen weitaus gefährlichere Inhalte als die zu Tarlis Leidwesen langsam überhand nehmende Menge geschwätziger Schlamasselsäckchen. Wann immer ein Missgeschick nach erfolgreicher Betätigung zurückkehrte, wurde es sogleich archiviert und auf einer der vielen Listen erfasst, die in großen Stößen das Schreibpult des fleissigen Archivaren bedeckten.
In letzter Zeit war es erstaunlich ruhig gewesen. Die Treppen wechselten ihren Standort, so schien es Tarlis, mehr, um ihm eine Freude zu machen, denn um auf ein aus- oder eingehendes Unglück hinzuweisen. Den letzten, größeren Aufstieg brachte er vor einem Monat hinter sich, als es ein großes Wendelgedränge vor den Ablagen mit wartenden Kontinentalverschiebungen gegeben hatte. In jener Nacht seufzte Tarlis schwer, bevor er sich in seine Schlafkammer in der Vorhalle des Pantheons zurückzog, diesmal aber vergeblich darauf hoffte, durch das für ihn bereits zur Nachtmusik gewordene Knarzen der wandernden Treppen einzuschlafen. Lange lag er wach und blickte durch das gläserne Dach auf den anbrechenden Tag, das letzte schwache Aufglimmen vereinzelter Sterne, die, so schien es ihm, auch nicht zur Ruhe kommen wollten. Eine plötzliche Angst überkam Tarlis in seinem Gemach. Er, der um den Lauf der Dinge wußte wie kein anderer, fürchtete nicht etwa den beschwerlichen Aufstieg zu den hoch unter der Kuppel ruhenden Erd- und Nachbeben, die er in der nächsten Nacht nach Südamerika zu verschicken gedachte. Die möglichen Ereignisse nach der Katastrophe waren es, die ihm Kopfschmerzen bereiteten. So, wie die Wendelungen zusammengelaufen waren, deuteten sie auf ein noch größeres, vielleicht sogar auf das schwerste Unglück in seiner langen Zeit als Archivar und Kurator in den Hallen der Missgeschicke hin. Schon lange dauerten ihn die Menschen nicht mehr, für die er noch zu Beginn seines Amtes großes Mitleid empfand und selbst bei einer winzigen Stufenkreuzung mit bangem Herzen die Treppen hinauf eilte, um nachzusehen, ob es sich um ein kleines oder ein großes, ein ankommendes oder zu verschickendes Pech handelte. Wie groß war seine Freude, kehrte ein Waldbrand zurück, ohne dass ihm auch nur ein einziger Vogel zum Opfer gefallen war, wie unermeßlich aber sein Gram, erhielt er den Versandbefehl für einen harmlosen Sturz. Diese Zeit aber lag lange hinter ihm. Tarlis einzige Sorge galt dem möglichen Verlust seiner Verpflichtungen, mit denen er sich unwiderruflich und für alle Zeiten verwachsen fühlte.
Nach dem Versand des Erdbebens trat eine ungewöhnliche Ruhe ein, die seit nunmehr vier Wochen anhielt und Tarlis im höchsten Maße beunruhigte. Bis auf eine kleine affektierte Wendelung vor den Kelchen, in denen weibliche Eifersüchteleien köchelten, hatten die denkenden Treppen sich nicht mehr geregt und auch heute war es still um Tarlis, der sich von düsteren Gedanken abzulenken suchte und über einer Liste mit gescheiterten Blitzeinschlägen vom vergangenen Jahr brütete, die er nach sorgfältiger Bearbeitung an den zuständigen Archivaren in den Palast der glücklichen Zufälle weiterzuleiten plante . So saß er Stunde um Stunde, strich und ergänzte, seufzte und gähnte, bis ihn ein Rucken der größten Wendeltreppe unsanft aus der Ruhe riss. Tarlis blickte überrascht auf, legte die Liste beiseite und lauschte entzückt dem Knirschen sich überkreuzender Stufen hoch oben über seinem Haupt. Andere Treppen setzten sich in Bewegungen, strebten aufeinander zu und bildeten in großer Höhe verwegene Knoten. In seiner Freude über das so lange vermisste Tun bemerkte Tarlis nicht gleich, dass die denkenden Riesen sich nicht mehr wie bislang mit sanftem Knarzen an ihm vorbeischoben. Ungeachtet seiner Anwesenheit passierten sie schneller und schneller sein Schreibpult, rieben sich knirschend aneinander, taumelten, so als seien sie in höchster Eile, aufeinander zu, um sich mit einem letzten Krachen an höchster Stelle, dort, wo Tarlis die größten Tragödien auf lange Frist gelegt hatte, zu einem ensetzlichen, letzten Knoten zu vereinen.
In der nächsten Nacht machte Tarlis, oberster Archivar und Kurator im Palast der Missgeschicke, sich auf seinen beschwerlichen Aufstieg zu den nuklearen Störfällen.