Ich bin nicht krank. Ich möchte ja keinen Selbstmord begehen. Ich möchte nur einmal fliegen. Einmal in meinem Leben frei sein. Selbst entscheiden. Ich möchte keinen Selbstmord begehen. Nein, keinen Selbstmord. Es ist nicht falsch fliegen zu wollen. Wer will denn nicht mal fliegen? Aber ich darf nicht fliegen. Alle dürfen fliegen, nur ich nicht. Denn wenn ich fliege, dann sterbe ich. Wenn ich frei bin, sterbe ich. Und ich darf nicht sterben, weil ich fliege will. Denn wenn ich so sterbe sagen alle, ich hätte Angst gehabt. Alle würden sagen, ich sei ein Angsthase gewesen. Aber ich bin kein Angsthase. Ich bin stark. Ich will fliegen also darf ich nicht sterben. Ich darf niemals sterben.
Ich werfe noch einen letzten Blick nach unten. Autos, Menschen... Ich bin froh, dass sie mich hier oben, auf dem Dach des Hauses, nicht sehen können. Sie würden bestimmt mit ihren Fingern auf mich deuten und lachen. Ich wende mich schnell ab, renne auf die Tür zu, die ins Treppenhaus führt, laufe die Stufen hinunter. Die letzten drei überspringe ich jedes Mal. Ein kurzer Flug. Ich strecke dann meine Arme aus, wie ein Vogel. Ich wäre so gerne ein Vogel. Ich bleibe vor unserer Tür stehen, 10ter Stock, atme tief durch, strecke meine Hand aus, drücke mit dem Zeigefinger auf den Namen Taube, was für eine Ironie. Ich höre es auch von hier draußen: Ein kurzer, schriller Klingelton. Schwere Schritte, meine Mutter reißt die Tür auf. Einen kurzen Moment hält sie inne, dann hebt sie ihren Arm, schmeißt mir meinen Schlüssel ins Gesicht. Es tut weh, aber ich weine nicht. Ich bin kein Angsthase. Sie schreit mich an: „Wie kann man mit 11 Jahren noch seinen Schlüssel vergessen?“ Ich antworte nicht, bleibe einfach nur stumm stehen, starre auf meine Füße. Meine Mutter schreit weiter: „Dummes Ding, nun komm schon rein, oder willst du den ganzen Tag da rum stehen?“ Sie fast mich am T-Shirt, zerrt mich in die Wohnung, durch den Flur. Sie schubst mich in mein Zimmer, schließt die Tür hinter mir ab. Ich höre, wie die Wohnungstür ins Schloss fällt.
Ich blicke mich um. Mein Zimmer ist nicht sehr groß. Eine Matratze zum schlafen, ein Schreibtisch, ein Regal mit Klamotten und ein par Büchern. Ich greife nach meinem iPod. Er liegt auf dem Schreibtisch und ist das einzige elektronische Gerät, welches ich besitze. Ich habe ihn von meinem Onkel bekommen. Mit meinem iPod kaure ich mich auf die Fensterbank. Ich schalte ‚Saint Veronika’ von Billy Talent ein und blicke durch die Fensterscheibe hinauf in den Himmel. Eines Tages werde ich über den Wolken fliegen. Verträumt fasse ich mir an die Schläfe. Dort, wo der Schlüssel mich getroffen hat, hat sich eine Beule gebildet. Ich drücke drauf, fest und fester. Es tut weh, ich lebe. Ich klettere von der Fensterbank, gehe zum Schreibtisch, öffne die einzige Schublade. Aus ihr hole ich ein scharfes Küchenmesser. Ich lasse mich auf die Matratze fallen, betrachte die Klinge. Mein Gesicht spiegelt sich in ihr, eine verzerrte und hässliche Fratze. Langsam richte ich mich auf, lehne mich gegen die Wand hinter mir und ziehe die Beine bis zum Kinn an. Ich lege die Klinge an mein Handgelenk, streiche vorsichtig mit ihr die Adern entlang. Es ist kalt. Ich spüre eine unglaubliche Angst, tief in meinem Innersten. Bedenken. Ist dies wirklich der richtige Weg? Aber ich bin kein Angsthase. ICH BIN KEIN ANGSTHASE. Ich drücke die Klinge nach unten, ziehe sie ein kurzes Stück meine Arm hinauf. Blut. Wunderschönes, dunkelrotes Blut läuft meinen Arm hinunter. Es ist warm. Ich grinse. Ja, es tut weh. Es tut unglaublich weh. Es ist wirklich wunderbar. Meine Entscheidung. Es war meine Entscheidung. Aber ich will nicht sterben. Ich drücke schnell die Decke gegen die Wunde. Sie saugt das Blut auf, verfärbt sich rot. Ich klammere mich fest an die Decke, da ich angefangen habe zu zittern, und schlafe ein.
Am nächsten Morgen wache ich von dem Geräusch eines Schlüssels auf, der sich im Schloss dreht. Meine Mutter sperrt meine Tür wieder auf. Sie schaut nur kurz ins Zimmer, das Blut bemerkt sie nicht. Ich gehe ins Bad, wasche das Blut von meinem Handgelenk. Dann wechsle ich in ein langärmliges T-Shirt. Die Lehrer sind aufmerksamer als meine Mutter. Ich packe schnell meinen Ranzen, nehme eine Scheibe Toast ohne Aufstrich. Wieder einmal renne ich die Treppen hinunter. Die letzten drei Stufen überspringe ich. Als ich endlich aus dem Haus trete bin ich schon außer Atem.
Ich hasse die Schule, die vielen Menschen und ich liebe die Schule, endlich bin ich weg von zuhause.
Als ich aus der Schule zurückkomme gebe ich meiner Mutter, welche in der Küche vor einer Flasche Wein sitzt, einen Zettel von meinem Lehrer. Er hat meine Geschichte über das Fliegen gelesen und will nun unbedingt mit meiner Mutter sprechen. Ich sehe ihr an, dass sie wütend wird. Ich habe Angst. Ich bin kein Angsthase, aber ich habe Angst. Sie wird mich schlagen, denke ich nur, drehe mich um und renne aus der Wohnung auf das Dach. Bis an den Rand. Ich blicke mal wieder hinunter auf die Straße. Doch heute ist es anders. Normalerweise lässt meine Mutter mich hier oben alleine, doch dieses Mal ist sie mir gefolgt. Sie fängt an zu zittern, als sie mich am Abgrund stehen sieht. Langsam kommt sie auf mich zu. Ich höre Stimmen. Sie sind überall: „Komm, komm, komm zu uns. Flieg mit uns.“ Es ist soweit. Endlich werde ich fliegen. Ich werde frei sein. Doch ich will, dass meine Mutter auch frei ist. Ich lache, renne auf sie zu, packe ihre Hand. Sie reagiert nicht. Ich rufe ihr voller Vorfreude zu: „Komm, lass uns fliegen.“ Ich zerre sie zum Rand des Daches, spring, ziehe sie mit mir in die Tiefe. Wir lachen. Wir sind frei!
Ich werfe noch einen letzten Blick nach unten. Autos, Menschen... Ich bin froh, dass sie mich hier oben, auf dem Dach des Hauses, nicht sehen können. Sie würden bestimmt mit ihren Fingern auf mich deuten und lachen. Ich wende mich schnell ab, renne auf die Tür zu, die ins Treppenhaus führt, laufe die Stufen hinunter. Die letzten drei überspringe ich jedes Mal. Ein kurzer Flug. Ich strecke dann meine Arme aus, wie ein Vogel. Ich wäre so gerne ein Vogel. Ich bleibe vor unserer Tür stehen, 10ter Stock, atme tief durch, strecke meine Hand aus, drücke mit dem Zeigefinger auf den Namen Taube, was für eine Ironie. Ich höre es auch von hier draußen: Ein kurzer, schriller Klingelton. Schwere Schritte, meine Mutter reißt die Tür auf. Einen kurzen Moment hält sie inne, dann hebt sie ihren Arm, schmeißt mir meinen Schlüssel ins Gesicht. Es tut weh, aber ich weine nicht. Ich bin kein Angsthase. Sie schreit mich an: „Wie kann man mit 11 Jahren noch seinen Schlüssel vergessen?“ Ich antworte nicht, bleibe einfach nur stumm stehen, starre auf meine Füße. Meine Mutter schreit weiter: „Dummes Ding, nun komm schon rein, oder willst du den ganzen Tag da rum stehen?“ Sie fast mich am T-Shirt, zerrt mich in die Wohnung, durch den Flur. Sie schubst mich in mein Zimmer, schließt die Tür hinter mir ab. Ich höre, wie die Wohnungstür ins Schloss fällt.
Ich blicke mich um. Mein Zimmer ist nicht sehr groß. Eine Matratze zum schlafen, ein Schreibtisch, ein Regal mit Klamotten und ein par Büchern. Ich greife nach meinem iPod. Er liegt auf dem Schreibtisch und ist das einzige elektronische Gerät, welches ich besitze. Ich habe ihn von meinem Onkel bekommen. Mit meinem iPod kaure ich mich auf die Fensterbank. Ich schalte ‚Saint Veronika’ von Billy Talent ein und blicke durch die Fensterscheibe hinauf in den Himmel. Eines Tages werde ich über den Wolken fliegen. Verträumt fasse ich mir an die Schläfe. Dort, wo der Schlüssel mich getroffen hat, hat sich eine Beule gebildet. Ich drücke drauf, fest und fester. Es tut weh, ich lebe. Ich klettere von der Fensterbank, gehe zum Schreibtisch, öffne die einzige Schublade. Aus ihr hole ich ein scharfes Küchenmesser. Ich lasse mich auf die Matratze fallen, betrachte die Klinge. Mein Gesicht spiegelt sich in ihr, eine verzerrte und hässliche Fratze. Langsam richte ich mich auf, lehne mich gegen die Wand hinter mir und ziehe die Beine bis zum Kinn an. Ich lege die Klinge an mein Handgelenk, streiche vorsichtig mit ihr die Adern entlang. Es ist kalt. Ich spüre eine unglaubliche Angst, tief in meinem Innersten. Bedenken. Ist dies wirklich der richtige Weg? Aber ich bin kein Angsthase. ICH BIN KEIN ANGSTHASE. Ich drücke die Klinge nach unten, ziehe sie ein kurzes Stück meine Arm hinauf. Blut. Wunderschönes, dunkelrotes Blut läuft meinen Arm hinunter. Es ist warm. Ich grinse. Ja, es tut weh. Es tut unglaublich weh. Es ist wirklich wunderbar. Meine Entscheidung. Es war meine Entscheidung. Aber ich will nicht sterben. Ich drücke schnell die Decke gegen die Wunde. Sie saugt das Blut auf, verfärbt sich rot. Ich klammere mich fest an die Decke, da ich angefangen habe zu zittern, und schlafe ein.
Am nächsten Morgen wache ich von dem Geräusch eines Schlüssels auf, der sich im Schloss dreht. Meine Mutter sperrt meine Tür wieder auf. Sie schaut nur kurz ins Zimmer, das Blut bemerkt sie nicht. Ich gehe ins Bad, wasche das Blut von meinem Handgelenk. Dann wechsle ich in ein langärmliges T-Shirt. Die Lehrer sind aufmerksamer als meine Mutter. Ich packe schnell meinen Ranzen, nehme eine Scheibe Toast ohne Aufstrich. Wieder einmal renne ich die Treppen hinunter. Die letzten drei Stufen überspringe ich. Als ich endlich aus dem Haus trete bin ich schon außer Atem.
Ich hasse die Schule, die vielen Menschen und ich liebe die Schule, endlich bin ich weg von zuhause.
Als ich aus der Schule zurückkomme gebe ich meiner Mutter, welche in der Küche vor einer Flasche Wein sitzt, einen Zettel von meinem Lehrer. Er hat meine Geschichte über das Fliegen gelesen und will nun unbedingt mit meiner Mutter sprechen. Ich sehe ihr an, dass sie wütend wird. Ich habe Angst. Ich bin kein Angsthase, aber ich habe Angst. Sie wird mich schlagen, denke ich nur, drehe mich um und renne aus der Wohnung auf das Dach. Bis an den Rand. Ich blicke mal wieder hinunter auf die Straße. Doch heute ist es anders. Normalerweise lässt meine Mutter mich hier oben alleine, doch dieses Mal ist sie mir gefolgt. Sie fängt an zu zittern, als sie mich am Abgrund stehen sieht. Langsam kommt sie auf mich zu. Ich höre Stimmen. Sie sind überall: „Komm, komm, komm zu uns. Flieg mit uns.“ Es ist soweit. Endlich werde ich fliegen. Ich werde frei sein. Doch ich will, dass meine Mutter auch frei ist. Ich lache, renne auf sie zu, packe ihre Hand. Sie reagiert nicht. Ich rufe ihr voller Vorfreude zu: „Komm, lass uns fliegen.“ Ich zerre sie zum Rand des Daches, spring, ziehe sie mit mir in die Tiefe. Wir lachen. Wir sind frei!