tritonussen

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
tritonussen


wo ton höhen lösen sich auf nach
dem grad der verschmelzung​
wo das was sich sträubt unauflösbar
zurück bleibt: tritonen​

gebläse durch perlmutter hörner
auch kleine sekunden​
die lösen sich nimmer – sie bleiben
schier scharf in aeonen!​

begriffen bewusstsein zu geben
heiszt: welches bewusstsein​
wird öffnen den frage wind keim in
pythagoras bohnen?​

die sehnsucht der venus begleiter
nach ihrem cupido​
erprobt sich in psyches vermählung
mit stuck putten klonen​

da lacht sie und wählt einen unsicht
bar klein fast vergessnen​
falsett amoretto sich aus: der
darf gern ihr bei wohnen​
 

Soljanka

Mitglied
Lieber Mondnein,

Ich versuche mich mal in Interpretation...

Es geht um die Sphärenharmonie. Pythagoras, der sie angeblich hören konnte, behauptete, dass die Planeten bei ihrem Umlauf um die Erde Töne erzeugen. Der Kosmos ist ein Akkord aus diesen Tönen. Also: Jede Bohn einen Ton. Der Weltakkord ist, so interpretiere ich die ersten beiden Strophen, nicht so harmonisch, wie die Theorie glauben macht. Er enthält Spannungen, die eigentlich nach Auflösung schreien: Intervalle wie den Tritonus oder die kleine Sekunde. Aber der Kosmos mit seiner Sphärenharmonie ist mit seiner gleichförmigen Bewegung ewig. Es gibt keine Auflösung der Dissonanzen, nichts Neues. Nichts keimt im Weltbild eines Pythagoras.
Christliche Verfechter der Sphärenharmonie bringen diese mit dem himmlischen Gesang der Engel in Verbindung. Daher die albernen Stuckputten? Die Venus ja dann doch nicht zu albern findet, wenigstens einen von ihnen. Aber den Teil habe ich noch nicht so ganz verstanden. Vielleicht einen Hinweis?

Herzliche Grüße
von Soljanka
 

James Blond

Mitglied
Dem Religionsbegründer Pythagoras (von Samos) müssen Bohnen einst arg zugesetzt haben, sonst hätte er seinen Anhängern wohl nicht ausdrücklich von ihrem Verzehr abgeraten. Ob P. tatsächlich als Urheber für die quintenreine Stimmung des Mittelalters gelten kann, ist nicht belegt. Der seinerzeit als dissonant empfundene Tritonus F - H geht über die drei Ganztonstufen F - G - A - H, italienisch auch Fa-Sol-A-Si. Und "Fasola" ist auch die polnische Bezeichnung für "Bohne", was wohl P. noch nicht, aber einem Görlitzer Autor durchaus bekannt sein dürfte. Si Senor, nicht die Bohne? Wo Nick KnatterTon ermittelt, bleibt kein Amaretto verputtelt. ;)

Grüße
JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Changierend 3- und 2- hebig, daktylisch-amphibrachisch - wie ein schlichtes Lied, das uns auf diese Weise das Schwere klingend näher bringt.
Die Amphibrachen tritonen - aeonen - ...as bohnen - ...en klonen - bei wohnen, einzig als Reimungen präsent, verbergen etwas, Hansz ist Schelm genug, so etwas zu tun. Darf ich an das noch nicht vollständige griechische Planetenbild klopfen?

Schönen Gruß von
Dyrk
 

James Blond

Mitglied
Aber gewiss verbergen sie es noch: Es ist die neue Bohn-Pflicht, die unseren Bon-Aparte seine Inter-Falle ins tritonische Schneckenhorn blasen lässt. Die scharfen Zutaten der Bildungsbohnensuppe sollen ja noch Äonen überdauern, ob dieses pythagoreische Tripel jedoch aufgeht, darf bezweifelt werden, notfalls muss zum Pythagoreischen Komma gegriffen werden, mit dessen Schneide sich das Kreuzworträtsel vorsichtig aus seinem Perlmutterkuchen lösen lässt. Nur nicht K. putt machen, sonst gibt's Stuck.

Grüße
JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Herzliche Dankeschöns für Eure Beträge, Ihr Lieben -
bin heute aus dem Krankenhaus zurückgekommen, Herzoperation, es geht mir ausgezeichnet.
Schöne, sinnvolle Beiträge - ich selbst würde das Gedicht in engster Nähe zu James Blond interpretieren.

Den Anfangsgedanken bildet die Reihe der Intervalle gemäß ihrem Verschmelzungs-Charakter, wie Hindemith sie der temperierten chromatischen Reihe entgegengesetzt hat, die vor allem Schönbergs Zwölftonmusik zugrundliegt.
Die stärkste Verschmelzung (Konsonanz) zweier Tone, sodaß viele, die Ohren haben zu hören, sie kaum unterscheiden können, haben Prime und Oktave, dann Quinte und Quart (vor allem für "quintentaube" Hörer), dann große Terz und die entsprechende kleine Sext, sodann die kleine Terz und ihre Entsprechung in der großen Terz, schließlich große Sekunde und kleine Septime, und schließlich die schärfste Dissonanz beim großen Septimensprung und der kleinen Sekunde.
Die Saitenlängen (ursprünglich bei Pythagoras die Gewichte von drei Schmiedehämmern, belegt durch den Bericht bei Boethius in der bedeutendsten musiktheoretischen Schrift der Antike und dann des Mittelalters "De inventione musicae") mit den Frequenzen der jeweiligen Töne stehen laut Pythagoras, unabhängig von dem Sphärenakkord, in den Verhältnissen kleiner natürlicher Zahlen.

Das gilt als seine wichtigste Entdeckung. Ich habe die Anfangskapitel des Boethius-Werkes selbst übersetzt (siehe 12koerbe.de) und kann bezeugen, daß die Pythagoras-Theorie von den Intervallen und sein Schmiedehämmer-Erlebnis eigentlich ganz gut belegt ist.

Nur der Tritonus, im strengstmöglichen Sinne, wo seine Umkehrung (zu einem Entsprechungsintervall, wie z.B. große Sekunde zur kleinen Septime umgekehrt wird, aber nicht identisch sind) und ebenso seine Selbstanwendung (z.B. von C zu Fis und genauso von Fis zu c) jeweils kongruieren - dieses mittlerste Intervall innerhalb der chromatischen Leiter-Oktave hat keine kleine natürliche Zahl im Nenner oder im Zähler des Quotienten, des Verhältnis-Bruchs im Verhältnis der Saitenlängen, oder der Frequenzen (modern gemessen, denn natürlich konnte man in der Antike die Frequenzen nicht messen, sie sind aber proportional zur Saitenlänge), oder bei Pythagoras im Gewicht irgendwelcher Schmiedehämmer. Das Verhältnis ist eine irrationale, eine relle Zahl. Ich glaube, es ist Wurzel 2 im Verhältnis zum Grundton, also zugleich zu dessen Verdopplung im Oktavton. Ich habs schon lange nicht mehr nachgerechnet.

Der Pythagoras-Scherz mit den Bohnen ist natürlich nichts Musikalisches, Spaß muß sein. Kommt auch im Moby Dick vor, dieses Bohnen-"Gesetz des Pythagoras" (nicht identisch mit dem vom Hypotenusenquadrat als Summe der beiden Kathetenquadrate).

Der Brücke zur Venus maritima (Galatea), der Mutter des Amor=Cupído - das sind die muschelblasenden Tritonen, wie sie uns durch Arno Schmidt in einer gar nicht so langen Textpassage in James Joyce' "Finnegans Wake" aufgedeckt worden sind, das ist "Der Triton mit dem Sonnenschirm".
Dieser Triton findet sich (vor James Joyce) in Raffaels "Galatea".
Und (vor Raffael) im Märchen von Amor und Psyche, einem zentralen Stück innerhalb des Metamorphosen-Romans von Apuleius: Dort ist es Venus herself, die mit tutenden Tritonen auf einer Muschel über das Meer fährt, um ihrem Sohn Cupído eine Gardinenpredigt zu halten.

Das kalauernde Wortspiel von "Triton" und "Tritonus" konnte ich nicht vermeiden. Spaß muß sein, (Wurzel 2 dieses Bahamesen),

grusz, hansz
 
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James Blond

Mitglied
Ja,
der Tritonus ist ein schönes Beispiel, wie ein harmonisches System sich aus sich selbst heraus ad absurdum führt. Ausgerechnet das Intervall mit der höchsten Symmetrie, welches die pythagoreische Tonleiter in zwei gleiche Hälften teilt, wird da zum Teufelswerk, denn der hat darin die √2 versteckt: Wenn die Halbierung (1/2) einer schwingenden Saite die doppelte Tonhöhe, also eine Oktave erzwingt, dann bewirkt die Kürzung der Saite um √2 (1/√2) genau eine halbe Oktave.

Die Griechen, insbesondere die esoterischen Pythagoräer, waren von solchen Verstößen gegen die göttliche Harmonie nicht sonderlich begeistert und ihre eigene (zunächst vermutlich geheime) Entdeckung der irrationalen Zahlen führte letztlich zu einer neuen Mathematik. Und zu dem bleibenden Verdacht, dass esoterisches Wissen letztlich auf Ignoranz basiert, welche die zwangsläufigen Widersprüche ausblendet.

Man braucht auch den Joyce nicht gelesen zu haben, schneckenmuschelblasende Tritonen wanderten aus der griechischem Mythologie als wasserspeiender Nippes in die Brunnen europäischer Schlossanlagen, lange bevor sie von moderneren Schriftstellern aufs Papier gebannt wurden. Aber der Kalauer verrät eben auch die Bildungsbohnensuppe, die uns sein Koch hier vorsetzt. Vielleicht taugt ja die humanistische Bildung zu nichts anderem.

Grüße
JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Nun ja, James,

die Tritonen waren nicht begrifflich isoliert, sondern es ging um ein ganz bestimmtes szenisches Bild: Venus maritima, die auf einem Muschelwagen übers Meer schwebt, den ein Delphin zieht (ich habe nicht alle Attribute der Meersfahrt ins Lied hineingenommen, sondern nur die Hauptfiguren), und den hintergründigen Zusammenhang mit der Liebe von Amor und Psyche, zu dem das Bild "gehört", thematisch gemacht. Tritonen, die einen Sonnenschirm über die Rosmarie oder Galatea oder Mater Cupidinis halten, kommen glaubich nicht so häufig vor, wie Du es den weit verbreiteten Tritonendarstellungen zuschreibst, es ist schon ein besondererer Archetyp.

Das mit den Zahlenverhältnissen war von den Pythagoräern über die septem artes liberales (beruhend auf demselben Boethius, der alle sieben brotlosen Künste und in dem Zusammenhang besonders ausführlich die pythagoräische "Musikwissenschaft" schulisch lehrbar gemacht hat) bis in die Domschulen und gotischen Universitäten hinein natürlich keine "esoterische", sondern eine Grundlagenwissenschaft, so wie wir heute in den Schulen Binomische Formeln und das Periodensystem der Elemente lernen.

Daß der Tritonus die Wurzel Zwei der Okaktavierung des Grundtons ist, "stimmt" nur bei temperierter Stimmung. Ohne Temperierung baut die Harmonik einzig und allein auf Oktaven und Quinten auf, deren Frequenzverhältnisse als Obertonreihe deutlich werden. Und diese Reihe hat nichts Esoterisches an sich, sie ergibt sich einfach aus dem Ganzen, Halben, Drittel, Viertel, Fünftel usw. der Saitenlänge, oder der Frequenz, oder des Schmiedehammergewichts, oder der Luftsäule in der Flöte, der Trompete oder der Orgelpfeife.

Die Griechen kamen mit der Wurzel Zwei eigentlich ganz gut zurecht, solange sie in der Geometrie anschaulich wurde; siehe das "Sklavenexperiment" des Sokrates in Platons "Menon": Verdopplung eines Quadrates, so daß wieder ein Quadrat resultiert. Das läuft über die Diagonale des Quadrats (und eben nicht über die Halbierung einer Seitenlinie oder einer Saitenlänge), und das ist die anschauliche Form der Wurzel Zwei. Während die arithmetische Darstellung, die in den Zahlensymbolen des Zehnersystems, gar nicht exakt ausgeführt werden kann, da die Zahlenkolonne hinter dem Komma nicht abschließend aufgeführt werden kann, obwohl sie unabänderlich feststeht und sich keiner Konvention beugt - es sei denn, wir runden auf oder ab, erlauben uns den kleinen Fehler, die Wurzel Zwei zu einer pi mal Daumen rationalen Zahl zu erklären. Aber das nennst Du "esoterisch". Ich nenne es nur auf- oder abgerundet, vereinfacht, so ein wenig an der Wahrheit vorbei. Wie es exoterisch üblich ist.

grusz, hansz
 
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James Blond

Mitglied
  • Zunächst zur Bildungsbohnensuppe: Trotz aller Bemühung von Cupido, Venus, Amor, Psyche kommt es hier lediglich zu einer phonetischen Beziehung von Triton und Tritonus, ein "übergreifendes Thema" gibt es im Text - außer der besagten Suppe - nicht.

  • Nun zur "Esoterik": Dies war die ureigene Bezeichnung der Pythagoräer für die tiefer (in die Geheimlehre) Eingeweihten, die erst nach langjähriger Prüfung zum inneren Zirkel gezählt wurden. (Wiki: Esoterik (von altgriechisch ἐσωτερικός esōterikós ‚innerlich‘, dem inneren Bereich zugehörig‘). Hier geht es zu einem ausführlicheren Aufsatz über die Esoterik des Pythagoras.

  • Nun zu den irrationalen Zahlen. Selbstverständlich war die Diagonale des Quadrats den Griechen als anschauliches Bild für √n geläufig. Nur glaubten sie zunächst, dass sich alle Zahlen als Brüche darstellen und sich damit auch alle Tonintervalle im Verhältnis kleiner ganzer Zahlen ausdrücken ließen. Dies war zunächst auch die Grundannahme des Pythagoras. (Die pythagoreische Stimmung des Mittelalter basiert auf reinen Quinten, dass sie auf P. zurückgeht, ist Legende). Beim Tritonus, also einer halben Oktave, gilt diese Annahme schon nicht mehr. Nun ist es natürlich einfach, zu behaupten, dieses Intervall gäbe es in einer reinen Stimmung gar nicht, Teufelswerk also. Allerdings lehrt uns der Blick in den Quintenzirkel etwas anderes: Ausgehend von F in reinen Quinten landet man nach 6 Schritten beim H, nämlich über F - C - G - D - A - E - H. Damit ist auch der teuflische Tritonus (F - H) das Ergebnis einer reinen Quintenstapelung. (Wiki: Pythagoreische Stimmung.

  • Noch einmal zurück zur Bildungsbohnensuppe. Für mich wird auch im Text das alte Rezept zum pythagoreischen Eintopf erkennbar; alles hängt harmonisch mit allem zusammen: Musik, Geometrie, Astrologie und Religion werden durch die Mathematik zu einem harmonischen Kosmos zusammengefügt - allein durch die göttliche Zahl (bei P. war's noch die 10, inzwischen geht der Trend mehr zur 2 ;)). Und was nicht passt, wird eben - nach Prokrustesart - passend gemacht: Gibt's nicht, Teufelswerk, etc. Mir scheint auch der Autor nach genau diesem Prinzip zu verfahren - der Wunsch nach einem harmonischen Ganzen überdauert die Kulturen und treibt stets neue esoterische Blüten; nur: avantgardistisch ist diese Sicht sicher nicht.

Grüße
JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Seufz, ach James,

Du schiebst all die Behauptungen nach, die ich vorher schon widerlegt habe. Zum Beispiel das mit der selbsternannten "Esoterik" der pythagoräischen Schule. Ich habe die Schlüsselstellung von Boethius geklärt, durch den das 1000 Jahre vorher vielleicht noch "Exoterische" dieser Schule (der wir den "Pythagoräischen Lehrsatz" vom Hypotenusenquadrat verdanken - und das soll jetzt "esoterisch" sein? Schon bei Platon sind die Gesetzmäßigkeiten der Geometrie allgemeingültig und in offener Diskussion "exoterisch") aber Du schmeißt den Schlüssel weg und knallst die Türe zu.

Deine Erklärung des "Tritonus" bleibt auch weit hinter meiner Argumentation zurück. Den Sprung von H nach fis als Aufeinanderschichtung dreier Ganztöne (und welcher Ganzton ist dann gemeint? Der vom achten zum neunten oder der vom neunten zum zehnten Teilton?) zu erklären, ist ja gerade die Methode der Musikwissenschaftler der Antike, deshalb nannten sie dieses Intervall ja "Tritonus". Aber der Sprung von F zu H ist nicht identisch mit dem von H zu f. Das gilt nur in der anti-pythagoräischen Temperierung.

"Mir scheint auch der Autor nach genau diesem Prinzip zu verfahren - der Wunsch nach einem harmonischen Ganzen überdauert die Kulturen und treibt stets neue esoterische Blüten" - weiß nicht, wen Du da meinst, mich trifft dieser Blumenpfeil nicht. Den Autor, so wie ich ihn als nachgeborener Leser noch zu kennen glaube, schon gar nicht.

Und das mit dem flachen Wortkalauer "Triton"-"Tritonus" stammt zwar zugegebenermaßen von mir, - aber sind wir hier auf einer amerikanischen Polizeistation, wo alles, was man sagt, gegen einen verwendet wird? In der Tat ist das Verbindungsstück zwischen den beiden Begriffen das Getute der Hormbläser, nicht (nur) die tritonische Homonymie. Und die antipythagoräische (!) Unrationalisierbarkeit der Dissonanz, was ihre Auflösung ins Unendliche, Ewige, Frageoffene treibt. Hicht ewige Harmonie - die ist schneller befriedigt als die Sexualität des Mannes - sondern ewige Unbefriedigtheit, Spannung, Dissonanz eben.

Summa summarum: Ich bin Dir überaus dankbar für die Diskussion der Pythagoras-Hintergründe.
Der "Psyche"-Vordergrund des Gedichtes, wie er in den Schlußstrophen exoterisch präsent wird, hat in meiner Sicht das größere Gewicht. Der Oudh-Nachklang von "Amor und Psyche" von - wie hieß der noch? Pessilier oder so ähnlich? in Patrick Süskinds "Parfum". Was der geniale Mörder in dem Roman leicht kopiert und schnell übertrifft. Und alle sterben in seiner Nachklang-Spur eines überraschenden Todes. Sogar er selbst. Schließlich. Mit einem Punkt: .

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Das schließt den Kreis zu Deiner, Soljanka,

Interpretation. Ja, natürlich:
Wenn Musik die gemeinsame Achse der Intervallkunde der Pythagoräer, der mathematischen Musik des Ganzen einerseits und andrerseits der horntutenden Tritonen in Raffaels Galatea-Bild ist
(wo aber im Zusammenhang mit der großen Deckenmalerei über dem Bild, die das Märchen von Amor und Psyche szenisch erzählt, die dargestellte Göttin die heranrauschende Venus maritima ist, die Mutter des in Psyche verliebten Amor) -
wenn also die Musik des Ganzen die gemeinsame Achse zwischen dem Nordpol der Bruchrechnung und dem Südpol der Amor-und-Psyche-Paarung ist,
dann ist das in sich stimmig:

das Ganze als Musik ist das Sphärenglasharmonium.

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, Dyrk,

"wie ein schlichtes Lied, das uns auf diese Weise das Schwere klingend näher bringt" - als die Musik selbst.

Aber letztendlich, bei der Vereinigung des Begehren-Gottes mit der Seele, geht es in dem Gedicht, vermute ich, eigentlich nur ums Ficken.

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Auch um das Musikalische, dein Strophensetzen hat's mir angetan. Was das F-Wort betrifft: Da bin ich und bleibe ich an der Seite des katholischen Irrläufers Heinrich Böll, bei dem ich wohl zum ersten Mal beiwohnen gelesen habe.

Und - ganz allgemein - zur Gesundheit: Immer ganz viel davon, denn hier hat jemand von einem 'Erzeugnis' geplappert. Sowas bedarf eines Erzeugers ... (ganz ruhig, musst ja nicht gleich erröten). ;)

Gruß v. Dyrk
 
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Soljanka

Mitglied
Sphärenglasharmonium, das gefällt mir!
Und zum Spaß noch einen Beitrag zur Bohnensuppe: meine 4-jaehrige Tochter sagt Schlabohne statt Schablone :)
Gruß von Soljanka
 

James Blond

Mitglied
A propos Kalauern:

Wie wär's mit: "Harmonium bringt Omi um"? ;)

Ja, gewiss ließen sich ins Nachhinein noch etliche Bohnen einrühren. Da ist der Ein-Topf als Alt-Zopf längst Programm, libidinöses Ziel des einen großen Begehrens, die Synthese der Synästhesien. Doch wer soll sie auslöffeln? Sprache könnte ja eine Brücke sein, hier aber führt sie in den Nebel.

Nicht nur Pythagoras litt unter der Bohnenkost, auch mir bereitet das althumanistische Bildungsblabla am Ende nur Blähungen. Hätte gern etwas von der antipythagoreischen Dissonanz etwas im Gedicht gefunden, vielleicht noch etwas über den Protestklang des tritonalen Jazz, die menschliche Seite der Musik, doch leider erschöpft sich der Text wieder mal im Dropping von Stichworten als esotherisches Raunen eines Altphilologen, bei dem am Ende alles in das eine alte Loch fällt. Also doch eher All-Raunen.

Im Einzelnen:
  • Um es aus der Vernebelung zu ziehen: Esoterisch war die Religionslehre der Pythagoräer nach deren eigenem Verständnis. Dass sein geometrischer Beweis an den Schulen des Mittelalters Publizität erlangte, ändert daran nichts

  • Es stimmt, dass erst durch die gleichabständige Stimmung eine Tonleiter exakt halbiert wurde, schließlich wurde erst mit ihr die √2 als Grundlage zur Berechnung der Tonleitern eingeführt. Erst durch diesen "schmutzigen Trick" ergab sich eine Geschlossenheit des Quintenzirkels, der zuvor als Spirale immer neue Töne ausbrütete. Seitdem entspricht - abgesehen von der Oktave - auch kein Tonintervall mehr der reinen Lehre des P.

  • Daher stimmt auch, dass der auf reinen Quinten basierende Tritonus die Oktave nicht genau halbiert, das Intervall F - H hat hier den Wert von ca. 590 Cent anstatt der halbierenden 600 Cent (, das Komplementärintervall H - F beträgt demnach 610 Cent). Allerdings ändern die 10 Cent nichts an seinem Klang, nichts an der dissonanten Kraft des Tritonus, der sich, wie bereits erwähnt, bereits als Naturklang aus der Stapelung reiner Quinten ergibt.
Damit wir uns recht verstehen:
Ich habe nichts gegen gelegentliches Kalauern in Versen, doch frage ich mich zunehmend nach dem Sinn solch ververster Kreuzworträtsel, in denen das Joyce-Begehren aufflackert: "Ah, großartig! - ich habe die kryptischen Chiffren verziffert!"

Wenn das nicht esoterische Onanie ist, was ist es dann?

Grüße
JB
 

Soljanka

Mitglied
Ich lese Hanszens Gedichte so: Hänsel verstreut hier und da seine philosophischen Glitzerperlensteine, um den Heimweg zu markieren. Das Problem ist nur, dass es in der Postmoderne kein gemeinsames zu Hause mehr gibt. Und wo man dann rauskommt, wenn man den Spuren folgt, das kommt auf die Voreinstellung an. Und natürlich auch auf Google und Wikipedia, wenn man keine vernünftige Bibliothek zur Hand hat (seufz). Je nachdem kommt man mal bei irgendwelchen Mythen raus, mal im Buddhismus, mal beim Wohnen und mal bei einem Brocken Brot oder einem Topf voll Bohnensuppe...
So ist das halt mit dem Sinn und Unsinn, wenn es keinen gemeinsamen Sinnzusammenhang mehr gibt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
"Das Problem ist nur, dass es in der Postmoderne kein gemeinsames zu Hause mehr gibt." - das wäre nur dann ein sinnvoller Satz, wenn die "Postmoderne" ein neues Haus wäre. So, wie das "Ende der Geschichte" nur dann eingetreten wäre, wenn dieses Ende historisch eingeordnet wäre.
Wenn Postmoderne nur Desinteresse und Ignoranz bedeuten würde - aber so haben deren Vertreter es nie gemeint - wäre die angebliche Obdachlosigkeit entweder die Freiheit chaplinesker Tramps, oder eine lösbare Problemsituation.

Das hier mehrfach zitierte Bild von Raffael ist eine weitbekannte Ikone. So selten, seltsam und kostbar sind meine Beziehungsknoten nun auch nicht.

Perlen bleiben kostbar, auch wenn die Schweine sie angeblich zertreten (laut Jesus). Ich liebe Schwein, und ich werde weiterhin Perlen so rumschleudern wie Zazie.

Wer auch immer Zazie ist.

Es bleibt die musikalische Lesart. Die postmoderne Lesart liebe ich auch. Die ignorante allerdings ist ein Abgrund, schauderhaft. Und dennoch: "Ein Abgrund ruft es dem andern zu".

Beisewei:
Wer schreibt denn Klanglyrik, konkrete Poesie, Silbensilber - außer mir? Wer lotet denn die Postmoderne aus, wenn nicht ich? Wer muß sich die Einpunktbewertungen unter seine Lyrik gefallen lassen, sobald sie die Sprachgrenzen verfalten, es sei denn der erste Leser der Feire-Fiz-Lieder?

Wenn das schon am grünen Holze geschieht ...
 
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Soljanka

Mitglied
Ich habe nicht behauptet, dass die Postmoderne ignorant oder desinteressiert wäre. Lediglich, dass das gemeinsame Ziel, der eine große Sinnzusammenhang und Deutehorizont so nicht mehr vorhanden sind. Ich mag die Postmoderne mit ihrer Skepsis gegenüber "der Wahrheit" oder "der Gerechtigkeit" oder wie die Dinge so alle heißen, für die es sich zu leben, zu sterben oder gar zu töten lohnt.

Ich habe auch nicht behauptet, dass deine Perlen, Mondnein, wertlos wären. Nur, dass die Spur, die du damit legst, den Weg nicht einfach festlegt, sondern eher Wege eröffnet. Und dass mich das an die Philosophie der Postmoderne erinnert.

Sorry, wenn da was blöd rübergekommen ist. War eigentlich eher als Kompliment gedacht.
 



 
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