Trübsinn

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Label

Mitglied
denn überall ist Schatten
vom hellen Licht in tiefes Schwarz
zurückgedrängt
scheint dort ein Verlangen
denen die
Schatten meiden Erleuchtung
suchen zu verdüstern

denn zu den zeiten
wenn sonne dich nicht wärmen kann
und strahlen dir nur schatten schärfen
gerät das leben blass
und dünn
da nach dem schock
inerte sinne keinen hunger kennen

wohl dem
der tiefe Wurzeln hat
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Label,

hier hast Du treffend eine Depression beschrieben.

Das ist tatsächlich so, fällt jemand in Depression (Trauer, deren Grund er nicht kennt), dann erinnert er sich nicht mehr, wie es war vor der Depression. Ein endloses Leiden scheint programmiert.

Einen Tippfehler hast Du in der letzten Zeile der 2. Strophe.

"Wohl dem, der tiefe Wurzeln hat."
Was könnte dieser Satz bedeuten?

Es gibt ja tatsächlich Menschen, die immer fröhlich sind, oder durch ihre Traurigkeiten (keine Depressionen) hindurchgehen bis sie auf den Boden des Schmerzes angelangt sind. Danach haben sie ihr Leid verarbeitet und die Seele atmet wieder auf.

Wo sie aber ihre Wurzeln für ein solches Verhalten herhaben, wer kann das wissen? Vielleicht aus einer behüteten Kindheit, vielleicht aus einem Erleben, dass sie gelehrt hat, wie man durch seinen Schmerz hindurchgeht.

Ein Text, der nachdenklich macht.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Mir fällt dazu übrigens Mutter Teresa ein. Sie hatte zwar darum gebeten, nach ihrem Tode ihre Briefe zu vernichten, aber höheren Orts hat man das nicht fertig gebracht, sie sogar veröffentlicht:"Mutter Teresa:"Komm sei mein Licht".

Was hat sie alles an seelischen Finsternissen erleiden müssen. Nachdem ich 2/3 des Buches gelesen hatte, konnte ich das nicht länger mitleiden und habe es erst einmal beiseite gestellt.

Dein Text passt gut zu ihrem Leben. Es muss immer so gewesen sein, als fiele sie in ein tiefes Loch.

Von meiner Seite fröhliche Grüße an Dich. :)
 
E

Einsprengsel

Gast
Hallo Label,

nein, als pathologische Depression lese ich dein Gedicht nicht, dem entspricht die etwas gehobene Sprache nicht. Sondern als Einsicht in bestimmte Zusammenhänge, ich werde sie nicht gesellschaftliche nennen, die keinen Ausblick bieten. Aber das Gedicht ist auslegbar, es verweigert die Konkretheit, bietet keinen Hinweis darauf, worum es dir eigentlich zu tun ist, man nennt dies auch Sklavensprache, was ich ganz neutral meine, alle Dichter aller Zeiten haben sich auf diese Weise vor Repressionen schützen wollen.

Die Conclusio weist meiner Ansicht nach darauf hin, dass der Mensch in schweren Zeiten einen Halt braucht und ihn in sich findet.

Dem Gedicht hätte vielleicht etwas mehr Poesie gutgetan, so kommt es sehr rational daher, und eingeschworene Poeten
lesen es mit einem Tränchen im Knopfloch.

Einsprengsel
 

Label

Mitglied
denn überall ist Schatten
vom hellen Licht in tiefes Schwarz
zurückgedrängt
scheint dort ein Verlangen
denen die
Schatten meiden Erleuchtung
suchen zu verdüstern

denn zu den zeiten
wenn sonne dich nicht wärmen kann
und strahlen dir nur schatten schärfen
gerät das leben blass
und dünn
da nach dem schock
betäubte sinne keinen hunger kennen

wohl dem
der tiefe Wurzeln hat
 

Label

Mitglied
Liebe Vera-Lena

bitte entschuldige meine späte Reaktion auf deinen Kommentar. Da der mir wichtig ist, habe ich auf dem Ganzen noch einmal herumgedacht.
hier hast Du treffend eine Depression beschrieben.

Das ist tatsächlich so, fällt jemand in Depression (Trauer, deren Grund er nicht kennt), dann erinnert er sich nicht mehr, wie es war vor der Depression. Ein endloses Leiden scheint programmiert.
In das Wort Depression werden heutzutage verschieden Gemütszustände zusammengefasst, die früher mit Schwermut, Trübsinn, Melancholie und auch Niedergeschlagenheit bezeichnet wurden.
Depression, da klingt Krankheit mit an. Etwas, das mit ein paar Pillen und Therapie heilbar ist.
Aber es gibt auch Menschen die depressiv sind, weil sie unheilbar krebskrank und nur noch ein paar Monate zu leben haben, sind - also durchaus Grund zu Freudlosigkeit haben.
Im Überdenken deiner und auch Einsprengsels Kommentare stieß ich auf, ich sage mal Einsicht, dass Lebensfreude wahrscheinlich eine gesellschaftlich allgemeine Erwartung an das Individuum ist. Mißmut zuweilen toleriert, aber Trauer gefürchtet und gemieden wird. "Trauerarbeit" hat ein Zeitfenster, für den ordungsgemäßen Ablauf sind Seelsorger und Psychologen zuständig, was darüber hinausgeht, ist behandlungbedürftig.

Die erste Strophe versucht die Gründe und die Ursachen auslösende Verdüsterung einer Seele ganz allgemein zu rationalisieren.
Die Zweite beschreibt was dies mit dem LyrIch macht. Die Kleinschreibung hier ist ein weiterer Ausdruck dafür.
Einen Tippfehler hast Du in der letzten Zeile der 2. Strophe.
Ich habe überlegt was du damit meinst, es muss sich wohl auf inert bezogen haben und habe endlich einen passenden Ersatz dafür gefunden der nicht so „gehoben“ klingt. (Ich glaube dass du dich darauf bezogen hast, Einsprengsel)
"Wohl dem, der tiefe Wurzeln hat."
Was könnte dieser Satz bedeuten?
Mit tiefen Wurzeln sind widrige Umweltbedingungen besser überstehbar. Deine Gedanken dazu fand ich hilfreich, meine eigenen besser zu verstehen.

Herzlichen Dank für deine Kommentare, ich habe mich darüber sehr gefreut.


Hallo Einsprengsel

Es freut mich, dass du die Grundstimmung dieses Gedichts hast nachempfinden können.
Die angesprochene „Sklavensprache“ habe ich nicht als negativ empfunden. Viele die sich politisch korrekt äußern, kennen die Diktatur des „das sagt man nicht“. Manch andere, die es nicht tun, entwickeln der Konsequenzen wegen, oftmals eine wahre Meisterschaft der Kommunikation zwischen den Zeilen.
Dem Gedicht hätte vielleicht etwas mehr Poesie gutgetan, so kommt es sehr rational daher
Ja, ich fürchte damit hast du recht, mein Ansatz zu Gedichten erfolgt über das rationelle Erfassen eines Gefühls/Situation und dies dann auf wenige Worte zu verdichten. Aber ich arbeite daran ;)

Vielen Dank für deine Rückmeldung und bitte entschuldige, dass ich Zeit brauchte, diese zu
bedenken und zu bearbeiten.

Liebe Grüße euch beiden
Label
 

JaneFond

Mitglied
Hallo,
die zweite Strophe entspricht dem Zustand nach einem Unfall mit Bewusstseinsverlust. Es muss nicht eine Depression sein, sondern einfach eine Dissoziation. Wurzeln können auch einfach ein Leben ohne Traumata bedeuten.

LG

JaneFond
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Label,
ich lese hier einen Text über Trauer. Da ist jmd., der hart um seine Fassung zu kämpfen hat, der darum weiß, wenigstens aus der Ferne, dass wer gut geerdet einem schweren Verlust begegnen kann, sich leichter tut. Vielleicht eine Mahnung, in guten Zeiten bereits sich um das Wesentliche zu kümmern, eben um solche Sachen, die gute Wurzeln füttern. Damit Trauer eben nicht entwurzelt ...

lg
die dohle
 

Label

Mitglied
Hallo Jane Fond

die zweite Strophe entspricht dem Zustand nach einem Unfall mit Bewusstseinsverlust. Es muss nicht eine Depression sein, sondern einfach eine Dissoziation. Wurzeln können auch einfach ein Leben ohne Traumata bedeuten.
Deine Sichtweise weist in die Richtung die ich mit diesen Versen ausdrücken möchte. Die zweite Strophe beschreibt den Gemütszustand nach einem traumatischen Geschehen. Während diese starken, immer wieder auftauchenden Eindrücke verarbeitet werden, überblenden sie die gegenwärtigen - eine Dissoziation.
Der Entstehung dieses Gedichts liegt tatsächlich so etwas wie ein Unfall zugrunde, das Unglück eines Hausbrandes mit Todesfolge.
Ich danke dir, dass du dich mit diesem Text auseinandergesetzt hast und für deine Rückmeldung.



Lieber Dohle

Was kann ich sagen außer - spot on
DANKE

liebe Grüße
Label
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Label,

die ersten Zeilen lesen sich wunderbar rhythmisch, doch dann stockt es.

Vielleicht so:

denn überall ist Schatten
vom hellen Licht in tiefes Schwarz
zurückgedrängt
scheint dort [strike]ein[/strike] Verlangen
[strike]denen die[/strike] uns allen die
wir
Schatten meiden
Erleuchtung suchen
zu verdüstern

denn zu den zeiten
wenn sonne dich nicht wärmen kann
und strahlen dir nur schatten schärfen
gerät das leben blass
und dünn
da nach dem schock
inerte sinne keinen hunger kennen

wohl dem
der tiefe Wurzeln hat
Sind eigentlich nur Kleinigkeiten.

Über die letzten beiden Zeilen kann man geradezu meditieren.

Liebe Grüße

Herbert
 

Label

Mitglied
Lieber Herbert

herzlichen Dank für deinen höchst willkommenen Vorschlag.
Genau diese Stelle hatte mir Kopfzerbrechen bereitet und mit einer kleinen Änderung trifft das ziemlich genau was ich zum Ausdruck bringen will.
inerte sinne keinen hunger kennen
du hast die ursprüngliche Fassung mit inert wieder hervorgeholt, das freut mich sehr, denn mittlerweile bekam ich Bedenken, dass dieses für mich exakt passende Wort, abgelehnt wird.
Über die letzten beiden Zeilen kann man geradezu meditieren
.
Deine einfühlsamen Worte haben mir gut getan. Danke.

Dir einen lieben Gruß
Label
 

Label

Mitglied
denn überall ist Schatten
vom hellen Licht in tiefes Schwarz
zurückgedrängt
scheint dort Verlangen
uns allen
die Schatten meiden
Erleuchtung suchen
zu verdüstern

denn zu den zeiten
wenn sonne dich nicht wärmen kann
und strahlen dir nur schatten schärfen
gerät das leben blass
und dünn
da nach dem schock
betäubte sinne keinen hunger kennen

wohl dem
der tiefe Wurzeln hat
 

Label

Mitglied
denn überall ist Schatten
vom hellen Licht in tiefes Schwarz
zurückgedrängt
scheint dort Verlangen
uns allen
die Schatten meiden
Erleuchtung suchen
zu verdüstern

denn zu den zeiten
wenn sonne dich nicht wärmen kann
und strahlen dir nur schatten schärfen
gerät das leben blass
und dünn
da nach dem schock
inerte sinne keinen hunger kennen

wohl dem
der tiefe Wurzeln hat
 

Label

Mitglied
Vielen Dank Walther, Herbert und dem Anonymen für die positiven Wertungen und vielen lieben Dank auch an Heidrun für den Vorschlag

Euch allen herzliche Grüße
Label
 
O

orlando

Gast
Hallo Label,
die letzte Fassung finde ich perfekt und hoffe, dass sie die endgültige bleiben wird.
Zum Inhalt muss ich nichts mehr sagen - freue mich aber über die Wiederauferstehung Inerts ;) und meine, dass dir hier etwas bemerkenswert Gutes gelungen ist.

Schöne Grüße
orlando
 



 
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