Rubbel-Stielchen (Teil I)
Mitten im Wald, dort wo er wohl am dichtesten ist und wo die Wege zu dürftigen Trampelpfaden verkümmern- spätestens dort wird der einsame Wanderer von einem Schild aufgehalten, das ihn zur Umkehr auffordert.
- T O T A L R E S E R V A T -
B e t r e t e n v e r b o t e n
So steht es in großen schwarzen Lettern auf lindgrünem Grund.
Der junge Mann, der an einem herrlich warmen Sommernachmittag an diese Stelle kam, scherte sich nicht um dieses Verbot, sondern schritt zügig weiter. Er durfte das. Schließlich trug er eine khakifarbene Bluse, auf deren linken Ärmel die Aufschrift "Naturwacht" prangte. An seiner Brust baumelte das obligatorische Fernglas und in der Rechten trug er einen dicken Wälzer - wohl ein Tierarten-Bestimmungsbuch. Das Tempo, das dieser moderne Waldläufer vorlegte, durfte man durchaus als atemberaubend bezeichnen. Er folgte kaum erkennbaren Pfaden, turnte über massenhaft herumliegendes Totholz, sprang geschickt über unzählige Wurzeln und gelangte so schließlich an einen wild dahin gurgelnden Bach. Normalerweise wäre er beim Anblick des hier friedlich äsenden Schwarzstorches vor Entzücken wie angewurzelt stehen geblieben, aber heute hielt er sich damit nicht auf. Er folgte vielmehr dem stark mäandrierenden Bachbett, bis er schließlich zu einem reichlich mannshohen Wasserfall kam, dessen mächtiges Rauschen selbst den schrillen Lockruf der Waldzirpelente übertönte. Der Naturwächter entledigte sich seiner Schuhe und Strümpfe, steckte Buch und Fernglas schützend unter die Khakibluse und watete schließlich direkt auf die in breiter Front herab stürzenden Wassermassen zu. Ein winziges Zögern, dann ein entschlossener Schritt, begleitet von einem "Scheiße, iss das kalt!", dann war er bereits durch den Schleier aus Wasser und Gischt hindurch. Und siehe da. Im Felsen fand sich eine, hinter dem breiten Wasserstrahl verdeckte Öffnung, die sich als Eingang zu einer niedrigen Höhle entpuppte. Eigentlich handelte es sich mehr um einen engen, leicht aufwärts führenden Gang.
Gebückt ging der Mann einige Schritte weiter, ehe er halblaut "Hallo!" rief und für einen Moment horchend verharrte.
"Ja, ich bin zu Hause", kam es arg krächzend zurück.
Der Mann setzte seinen Weg fort und gelangte nach wenigen Metern in eine zwar niedrige, aber durchaus geräumige Höhle. Durch zwei schmale Felsspalten fiel etwas Licht in den Raum und malte helle Kringel auf die Platte eines niedrigen, aber recht klobigen Tisches, um den drei aus Weidengeflecht gefertigte Sessel gruppiert waren. Auf einem dieser rustikalen Sitzmöbel saß ein kleines schrumpeliges Männchen, das jetzt den Kopf hob, seine leicht ausgefranste Jacke aus derben Stoff zurecht zupfte und dem Eintretenden freundlich entgegen blinzelte. Ächzend schob er sich von seinem Sitz.
"Hallo Maik. Schön, daß Du gekommen bist. Hast Du das Buch dabei?"
Der Angesprochene nickte und ging auf den Hausherren zu, um ihm die Hand zu schütteln. Er mußte sich sogar ein wenig bücken, denn das alte Männchen reichte ihm gerade mal bis zum Bauchnabel.
"Nimm Platz. Darf ich dir einen Tee anbieten?"
"Ja gern", sagte Maik höflich. Der Alte huschte davon und verschwand hinter einem Vorhang aus dickem Filz. Maik war nicht zum ersten Mal hier und besaß daher keinen Blick für die verschiedenfarbigen Felle, die den der Fußboden bedeckten und die Wände verzierten. Er blätterte vielmehr in dem mitgebrachten Buch, suchte eine bestimmte Stelle und ließ es dann aufgeschlagen liegen.
Der Alte kam mit einem reichlich zerbeulten Teekessel zurück und goß die bereit stehenden Tassen randvoll.
"So. Dann wollen wir mal. Ist es das?" Damit zog er das dicke Buch an sich und machte es sich wieder auf dem Sessel bequem.
"Zumindest handelt die Geschichte von einem einsamen Zwerg", sagte Maik und wagte ein heimliches Grinsen. "Aber lies selbst."
"Rum...pel...stilz...chen", buchstabierte der Alte. Dann vertiefte er sich in den Text. Schon bald fing er an, heftig mit dem Kopf zu wackeln. "Von wegen Müllerstochter", grunzte er verächtlich. "Ihr Vater war weiter nichts als ein beim Müller angestellter Knecht."
Er schien immer erregter zu werden, denn die giftig genuschelten Kommentare rissen nicht mehr ab. Mit jedem Satz, den er las, schwollen seine Stirnadern gefährlicher an. Schließlich ließ er das Buch mit einem lauten Knall zuschlagen.
"Das ist eine bodenlose Frechheit", schnappte er aufgebracht. "Aber so ist das eben in unseren Gefilden. Jeder, der sich von der Normalität unterscheidet, der anders denkt oder auch nur anders aussieht, der wird diskriminiert und verteufelt. Welcher Schmierfink hat dieses Machwerk verfaßt?" Er schielte auf den Einband. "Gebrüder Grimm", las er laut. "Noch nie gehört, aber wenn ich diesen Brüdern einmal begegnen sollte, dann werde i c h grimmig."
"Sie sind längst tot", warf Maik ein und erntete ein: "Da haben die aber wirklich großes Glück."
Das zornige Männlein sprang auf, verschränkte die Arme hinter dem krummgezogenen Rücken und stürmte, wütend vor sich hin brabbelnd, im Raum auf und ab. Plötzlich blieb er vor Maik stehen, linste ihn von unten herauf an und fragte: "Soll ich dir erzählen, wie es sich wirklich zugetragen hat?"
Maik nickte eifrig. Der schnurrig poltrige Zwerg gefiel ihm, und sein mit einem mal so listiges Blinzeln verriet, daß es eine vergnügliche Geschichte werden würde.
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"Weißt Du, mein Junge", begann er. "ich war nicht immer ein kränklich krächzender und vom Rheuma verbogener Greis. Oh, nein - obwohl klein von Wuchs, so fühlte ich mich doch als ein recht kerniger Bursche. Ich war damals in die Gegend von... ach, das sagt dir ja doch nichts... gezogen, hatte die von meinem seligen Vater vermachten und durch mich nicht unwesentlich vermehrten Schätze in eine Komforthöhle geschleppt und damit begonnen, die nähere Umgebung ein wenig zu beschnuppern. Ganz in der Nähe meiner neuen Wohnhöhle lag eine kleine Stadt, in der auch der gnädige Landesvater sein bescheidenes Schloß hatte. In dem Buch ist natürlich von einem König die Rede. Typischer Fall von maßloser Übertreibung. Ein kleiner Graf war's, der über ein Ländchen gebot, das selbst ich mit meinen kurzen Beinen in knapp zwei Stunden zu durchqueren vermocht hätte.
Es war an einem der ersten warmen Frühlingstage, als ich mich ein wenig in diesem Kaff umzuschauen begann. Da gerade Markttag war, konnte ich im allgemeinen Gewühl nahezu untertauchen. Irgendwann fiel mein Blick auf einen Verkaufsstand, wo ein junges Mädchen vom Lande ihre selbst gebastelten Strohblumen feil bot. Hin und wieder blieben einige Leute stehen, um sich die kleinen Kunstwerke anzuschauen, sie zu befühlen, oder wenigstens anerkennend zu nicken. Nicht wenige ließen sich sogar zum Kauf hinreißen. Auch ich blieb stehen. Nein - nicht wegen der Strohblumen, das Mädchen war's daß mich mit ihrer auffälligen Schönheit in ihren Bann zog. Als ich diesen gertenschlanken Körper, diese wohlgeformten Glieder und dieses niedliche, leicht stupsnäsige Gesicht betrachtete, kochten seit Langen mal wieder sinnliche Gelüste in mir hoch, und ich begann mich zu erinnern, daß es schon sehr sehr lange her war, seit ich zum letzten Mal... Na, ja - du weißt schon. Grinse nicht - auch Zwerge haben ein Recht auf ein einigermaßen geregeltes Sexualleben. Ich ließ gerade meine Phantasie wilde Sprünge vollführen, als sich ein junger Mann, dessen hünenhafte Gestalt in der Livree eines gräflichen Bediensteten steckte, dem Stand näherte. Mit selbstverständlicher Leichtigkeit gelang es ihm, die schöne Strohblumenflechterin in eine nette Plauderei zu verstricken. Die sichtbare Bewunderung, mit der ihr Blick auf seinem athletischen Körper ruhte, erinnerte mich schmerzhaft an meine körperliche Abnormität. So begrub ich seufzend meine sinnlichen Träume und beschloß, unauffällig in der Menge unterzutauchen. Just in dem Moment trat ein älterer, ziemlich nachlässig gekleideter und wohl auch ein wenig angetrunkener Mann zu den Beiden. Er legte ungeniert seinen schweren Arm um die zarten Schultern des Mädchen und gab ihr einen widerlich schmatzenden Kuß auf die Wange.
"Nun, mein Herr - da staunen Ihr, was?" hörte ich ihn sagen. "Ja, meine Tochter Christine ist sehr geschickt. Sie vermag Stroh zu purem Gold zu flechten."
Und damit ließ er prahlerisch ein paar kleine Münzen - wahrscheinlich der Verkaufserlös der letzten Stunden - durch seine groben Hände gleiten. Das Mädchen lächelte ein wenig geschmeichelt. Der gräfliche Diener hob erstaunt die Augenbrauen, verabschiedete sich und lief hastig davon.
Am nächsten Markttag kreuzte ich wieder in der Stadt auf. Mein suchender Blick galt sofort eben diesem Mädchen, doch ich fand sie nirgends. Als ich einen Einheimischen daraufhin ansprach, musterte der mich erst mal mißtrauisch, ehe er mit dem ausgestreckten Arm zum Schloß wies.
"Eingesperrt hat man das Mädchen. Sie soll für den Grafen aus Stroh Gold flechten."
Ich begriff nicht gleich, erinnerte mich aber an die Worte ihres Vaters und zog weitere Erkundigungen ein. Langsam begann sich das Bild zu runden. Der gräfliche Diener hatte die Prahlerei des Vaters wörtlich genommen und die Nachricht von den ungewöhnlichen Gaben dieser Christine seinem Herren hinterbracht. Du mußt wissen, das Wort "Gold" besaß damals noch wesentlich magischere Anziehungskraft, als heute Dollar oder T-Aktie. Selbst große Herrscher hatten einen Goldtick und sperrten kluge Leute jahrelang ein, in der Hoffnung sie würden aus ein paar Tonklumpen dieses edle Metall gewinnen. Irgendwo habe ich mal aufgeschnappt, daß auf diese Weise das Porzellan erfunden worden wäre. Kann aber auch genauso ein Lügenmärchen sein, wie das in dem Buch da.
Während ich mich kopfschüttelnd über so viel Dummheit auf den Heimweg machte und auch das Mädchen ein wenig zu bedauern begann, kam mir plötzlich eine Idee, die schlichtweg zu einer fixen wurde und mich einfach nicht mehr loslassen wollte. In meiner Höhle angekommen, steckte ich ein paar kleine Goldstücken in die Tasche und machte mich bei einbrechender Dunkelheit auf den Weg zum Schloß. Ich hatte erfahren, welches Fenster zu dem Zimmer gehörte, in dem der Graf das Mädchen gefangen hielt. Es lag zwar im dritten Stock, aber das störte mich nicht. Ich klettere besser als jede Katze. Die reichlich ausgewaschenen Fugen des heruntergekommenen Gemäuers vermochte ich wie eine Leiter zu benutzen. Es war eine mondlose Nacht, und so konnte ich unbemerkt bis zum glücklicherweise unvergitterten Fenster vordringen. Da dies obendrein nur leicht angelehnt war, gelang es mir, nahezu geräuschlos in das Gemach einzudringen.
Das schöne Mädchen saß beim Schein einer blakenden Ölfunzel auf einem wackligen Holzstuhl, um sich eine Schütte Stroh gebreitet und war so sehr damit beschäftigt, sich die Augen aus dem Kopf zu heulen, daß sie mich erst bemerkte, als ich ihr sacht auf die Schultern tippte.
Entsetzt ließ sie den Rockzipfel fahren, in den sie sich gerade lautstark geschneuzt hatte, schaute mich entgeistert an, und ich mußte sie sogar festhalten, damit sie nicht vom Stuhl kippte.
"Wer bist Du?" fragte sie schließlich vor Angst fast schon hechelnd.
"Namen sind Schall und Rauch", sagte ich weise und begann vorsichtig ihr Knie zu streicheln. Sofort prallte sie zurück, und segelte nun wirklich vom Stuhl. Nie werde ich ihre furchtsam aufgerissenen Augen vergessen, als sie schrie: "Was willst Du von mir? Du...Du...Du alter häßlicher Zwerg!"
Also den Zwerg hätte ich ja noch durchgehen lassen, aber alt und häßlich? Du sollst nicht feixen - das ist immerhin ein paar hundert Jahre her! Damals war ich ein ausgesprochen schöner Zwerg. Verdammt, wo war ich stehen geblieben? Ach ja. Ich muß gestehen - ich war ein wenig wütend und fand sie mit ihrer verheult verschreckten Fratze auch gar nicht mehr so wahnsinnig anziehend. Vielleicht wurde sie es aber wieder, wenn sie sich auszog?
Da es mir greulich um die Lenden herum kribbelte, unterdrückte ich meinen berechtigten Ärger und sprach salbungsvoll "Ich bin hier, um dir zu helfen, mein Kind."
Schon ließ ich mich neben sie ins raschelnde Stroh gleiten.
"Ich weiß, daß Du aus diesen Strohhalmen hier Gold zusammenbasteln sollst. Der Graf muß reichlich bescheuert sein, wenn er so etwas für bare Münze nimmt."
"Er ist aber nicht davon abzubringen. Er hat sogar gedroht, mich töten zu lassen, wenn es mir nicht gelingt."
"Oh, was für ein arger Tyrann, aber Tyrannen wollen beschissen werden.
"Und wie?"
"Der Graf will nur Gold sehen, egal woher es kommt. Und ich werde es dir beschaffen. Nicht zu viel, denn wir wollen ja den Erlauchten nicht übermäßig verwöhnen."
"Was hast Du vor?" Sie schaute mich mit einer Mischung aus Mißtrauen, Zweifel und allmählich durchschimmernder Hoffnung an. In ihrer Angst würde sich an jeden Strohalm klammern. Innerlich kicherte ich über diese treffende Metapher.
"Nun, ich vermag ein wenig zu zaubern."
"Du kannst Gold herbei zaubern?" Sie hatte sich aufgesetzt, die Knie dicht ans Kinn gezogen und musterte mich nun mißtrauisch von oben herab. Ich genoß einen Moment lang den Anblick ihrer vollendet geformten Waden und riskierte sogar einen Blick auf die verführerisch weißen Schenkel, auf die das zuckende Öllicht verheißungsvoll tanzende Schatten warf. Meine Stimme muß wohl ziemlich belegt geklungen haben, als ich ihr sagte, daß ich das sehr wohl könne. Sie müsse mir dabei nur ein wenig zur Hand gehen.
Ich sprach's und öffnete meine ohnehin schon ziemlich eng gewordene Hose, was ihr einen kleinen spitzen Aufschrei entlockte.
"Was ist das? Etwa ein Zauberstab?"
Oh, welch Glück widerfuhr mir hier. Das Mädchen schien noch einfältiger, als ich es im Stillen erhofft hatte.
"Das ist mein Rubbel-Stielchen", sagte ich ernsthaft und nicht ganz ohne Stolz, denn im Gegensatz zu meinen sonstigen Körperproportionen vermochte sich mein Zauberstab durchaus mit denen von normal gebauten Männern zu messen.
"Rubbel-Stielchen? Davon habe ich noch nie etwas gehört", staunte sie und schaute mit neugieriger Skepsis auf die Zierde meiner Zwergigkeit.
Und nun begann ich mit einer recht langatmigen Erläuterung darüber, woher diese Bezeichnung stamme und wie man das Stielchen benutze. Ich vergaß auch nicht, vorsorglich darauf hinzuweisen, daß man die Rubbelei auf keinen Fall allzu wörtlich nehmen dürfe und sehr viel Einfühlungsvermögen geboten sei.
Christine begriff viel schneller, als ich zu erklären vermochte. Ihr weiblicher Instinkt sagte ihr mehr, als meine blumigen Worte. Und sie erwies sich wirklich als äußerst einfühlsam. Als ich schließlich nach geraumer Zeit ihres lustspendenden Tuns schließlich japsend und lustvoll die Augen verdrehend beim Uiih, Ooohhh und Aaaahhh angekommen war, besaß ich gerade noch soviel Geistesgegenwart, ihr eines meiner Goldstücke in die feucht gewordenen Hände zu schmuggeln. Sie betrachtete es mit kindlichem Erstaunen und meinte schließlich, daß sie sich das Ganze wahrlich nicht so leicht vorgestellt habe.
"Vor allem, wie schnell das ging!"
"Tja - wenn das Stielchen sehr lange nicht mehr benutzt wurde, dann geht es besonders rasch."
Eine Weile sann sie vor sich hin, drehte das Gold hin und her und äußerte schließlich Zweifel, ob den Herrn Grafen dieses kleine Stückchen auch zufrieden stellen würde. Ich wackelte ebenfalls bedenklich mit dem Kopf und meinte, ein wenig mehr müsse es wohl sicherlich noch sein.
"Funktioniert er denn noch?" fragte sie mit einem zweifelnd scheelen Seitenblick auf das trostlos in sich verkrochene Etwas, das wahrlich keine Ähnlichkeit mit einem Stab mehr besaß.
"Du vermagst dem Rubbel-Stielchen seine Zauberkraft wieder zurück zu geben. Du mußt nur kräftig..."
Aber da war sie auch schon zu Gange. Christine mühte sich nach Kräften und schien richtig begeistert, als sie spürte, daß die Zauberkraft tatsächlich zurück zu kehren schien. Ihre Bemühungen wurden nach und nach ungeduldiger, energischer und schließlich schmerzhaft fordernd.
"Du hast gelogen", sagte sie schließlich ganz außer Atem und rieb sich das schmerzende Handgelenk.
"Nein, ihm ist nur kalt", erklärte ich und wollte gerade zu weiteren Erläuterungen ausholen, als sie mir ins Wort fallend vorschlug, doch einfach die Ölfunzel drunter zu halten.
"Neiiin!" schrie ich entsetzt, und endlich gelang es mir - ich gebe zu, es geschah ziemlich umständlich - ihr klar zu machen, an welche sensibler Stelle ihres Körpers die Wärmeübertragung unbedingt stattfinden müsse, wenn sie den gewünschten Erfolg haben solle. Es kostete mich schon einige Mühe, ihr Mißtrauen zu zerstreuen, um schließlich zur Tat schreiten zu dürfen. Als sie den kleinen Schmerz spürte, den ich ihr zuzufügen nicht umhin kam, zuckte sie merklich zurück, und ich hatte schon Angst, sie würde in Wehgeschrei ausbrechen, welches unter Umständen sogar die Dienerschaft im Schloß aufwecken könnte. Doch meine Sorge erwies sich als unbegründet, vom ersten Aufschrei bis zu einem wohligen Seufzer war es nur ein winziger Moment und dann...
· * *
Hier brach der Alte ab, und Maik sah, wie er mit verklärt glasigen Augen einen imaginären Punkt im Raum anstarrte.
"Es war wahrlich traumhaft schön", sagte er nach einer Weile. Allmählich gelang es ihm, auch seinen Blick wieder zurück zu holen. und auf Maik zu heften.
"Aber was schwärme ich dir hier vor. Du weißt sicherlich viel besser als ich, wie beglückend es mit einer schönen Frau sein kann. Uns Zwergen ist das leider nur sehr selten vergönnt."
Seine Mundwinkel hingen einen Moment lang traurig herab, aber dann verzog sich sein Gesicht zu einem heiteren Grinsen. "Dafür leben wir länger."
"Und wie ging es dann weiter?" fragte Maik. "War der Graf mit dem Gold zufrieden?"
"Natürlich nicht. Solche goldgeile Kreaturen können nie genug bekommen. Christine flocht auf meinen Rat hin einige hübsche Strohblumen, die sie mit den Goldstücken verzierte. Der Graf war zwar entzückt, ließ sich aber von ihrem Betteln, sie doch bitte nach Hause zu lassen, nicht im geringsten erweichen. Sie blieb weiter eingesperrt, wurde nur mit mehr Aufmerksamkeit behandelt. Sogar ein vortrefflich weiches Federbett stellte man in ihr Zimmer. Was für aufregende Nächte durfte ich dort mit ihr verbringen! Ich hätte es sicherlich noch lange so ausgehalten, aber allmählich schmolz mein in harter Bergwerksarbeit erschufteter Goldvorrat spürbar zusammen. Außerdem wollte ich nicht einsehen, daß ich große Teile meines Schatzes diesem gräflichen Nimmersatt in den Rachen werfen sollte. Ich grübelte lange, und eines nachts, es war das elfte Mal, daß ich Christine besuchte, kam mir eine Idee.
"Weißt Du Christine, ich muß dir etwas gestehen. Der Zauberstab kann nur zwölfmal hintereinander Gold bescheren. Ab dem dreizehnten Mal funktioniert es zwar immer noch, aber das Gold bringt dann seinem Besitzer sehr großes Unglück. Nicht mal sein Tod läßt sich ausschließen. Übermittle das dem Grafen. Vielleicht läßt er es nicht darauf ankommen und schickt dich wieder nach Hause.
"Und wenn nicht?"
"Dann wird ihn tatsächlich ein Unglück ereilen, das dir die Freiheit beschert", sagte ich, besaß aber keinen Schimmer, wie das funktionieren sollte. Doch mir würde schon etwas einfallen. Im Moment vertraute ich einfach auf die Dummheit des Grafen. Und ich besaß Glück. Zwar war der vornehme Herr stocksauer, aber er wollte wohl kein unkalkulierbares Risiko eingehen. Mit meinem Gold war es ihm bereits gelungen, seinen maroden Haushalt zu sanieren. Der Rest würde wohl noch für etliche rauschende Feste reichen. Also entließ er Christine schweren Herzens, befahl jedoch einem Diener, das Mädchen auf Schritt und Tritt zu beobachten. Zufällig - oder absichtlich - wählte er den gleichen Knaben, der ihm schon die Nachricht von Christines angeblichen Künsten überbracht hatte. Sie kehrte glücklich ins Vaterhaus zurück und nahm ihr gewohntes Leben wieder auf. Stroh flocht sie allerdings nicht mehr.