Unter Beobachtung

Sonja59

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Unter Beobachtung

1
Annemarie Kamp löste sich von den Zeilen des Buches, in dem sie las und sah aus dem kleinen Fenster der Boeing 737, die sie zurück nach Ägypten brachte.
Wie Zuckerwatte lagen die Wolken unter ihr. Doch ein Stück weiter vorn türmten sie sich zu einem dunkel und bedrohlich wirkendem Gebirge auf, welches von züngelnden Blitzen erhellt wurde.
Das wird ein paar heftige Turbulenzen geben, dachte sie kurz und blätterte, davon unbeeindruckt, auf die nächste Seite ihres Buches.
„Eine schwere Lektüre. Verstehen Sie denn etwas davon, worüber Sie da gerade lesen?“, fragte ihr Platznachbar neugierig. Anne sah in das freundlich lächelnde Gesicht des Mannes, der ihr schon beim Check-in auf dem Flughafen aufgefallen war.
„Na ja, ich versuche es jedenfalls“, antwortete sie höflich. Dann vertiefte sie sich wieder in den Text der aufgeschlagenen Seite.
„Ich meinte ja nur“, meldete sich erneut ihr Nachbar, „weil da so viele Fachbegriffe drinstehen, die nicht unbedingt jeder versteht.“
Wieder sah Anne zu dem Mann mit den stahlblauen Augen auf, die so gar nicht zu seinem schwarzen Haar zu passen schienen, ihn aber gerade deshalb irgendwie besonders machten.
„Ach“, meinte sie und Sarkasmus schwang in ihrer Stimme mit. Dabei huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, „ich überlese diese doofen Begriffe einfach und denke mir meinen Teil. Ansonsten gucke ich mir ja auch nur die schönen, bunten Bilder an.“ Doch bei sich dachte sie: Warum glauben immer alle, dass blonde Frauen auch blöd sein müssen? So ein Macho fällte sie ihr Urteil über diesen Mann. Leicht schüttelte sie ihren Kopf und las weiter in ihrem Fachbuch über Rebreathertechnik.
Wenig später ertönte die Stimme des Flugkapitäns über die Lautsprecher des Bordfunks, der die Passagiere bat, sich anzuschnallen, da sie gleich eine kleinere Schlechtwetterfront durchfliegen müssten und es leichte Turbulenzen geben könnte. Ein Flugbegleiter ging noch einmal durch den Gang und kontrollierte, ob auch alle Passagiere angeschnallt und die Rückenlehnen in senkrechte Position gebracht wurden. Die beiden Flugbegleiterinnen im hinteren Teil des Flugzeuges sicherten in der Bordküche alles, dann begaben sie sich selbst auf ihre Plätze und schnallten sich an. Für Anne ein sicheres Zeichen, dass es nicht nur kleine Turbulenzen geben würde.
Schon wenig später wurde die Maschine das erste Mal kräftig durchgeschüttelt und sackte danach kurz in ein Wolkenloch. Sie beobachtete, wie einige Mitreisende ihre Finger in die Armlehnen krallten und musste schmunzeln. Eine Frau schrie sogar ängstlich auf und Kinder begannen zu weinen. Wieder sah Annemarie aus dem kleinen Fenster und sah voller Faszination, wie die grellen Blitze aufleuchteten und um das Flugzeug tanzten, wie in der Walpurgisnacht die Hexen ums Feuer.
Nach einer Weile hatte sie genug gesehen. Sie zog ihre Kopfhörer aus der Jackentasche, setzte sie auf und verband den Stecker mit ihrem MP3-Player. Unbeeindruckt von dem, was um sie herum passierte, las sie weiter in ihrem Buch, während es das Flugzeug immer wieder kräftig durchschüttelte.
Plötzlich bemerkte sie, wie sie an der Schulter berührt wurde. Schnell nahm sie den rechten, kleinen Lautsprecher aus ihrem Ohr und sah ihren Nachbarn fragend an.
„Haben Sie denn gar keine Angst?“, fragte dieser, wie es ihr schien, etwas besorgt.
„Nein, warum? Sollte ich etwa?“, antwortete sie lächelnd und sprach, ohne eine Antwort abzuwarten, weiter. „Die Jungs da vorn im Cockpit wissen schon, was sie tun. Sie machen ihren Job und sie machen ihn gut. Sonst dürften sie diese Maschine nicht fliegen.“
„Wow“, staunte der Mann neben ihr. „Sie sind aber cool. Vertrauen sie allen Menschen so?“
„Für gewöhnlich nicht“, gab sie ehrlich zu. „Doch diese Männer da vorn wollen ja auch lebend runterkommen, also werden sie auch alles dafür tun, damit wir nicht abstürzen. Nicht umsonst haben Piloten von Passagiermaschinen keinen Fallschirm an Bord. Das ist so, damit sie sich nicht einfach aus dem Staub machen können, wenn sie der Meinung sind, dass es für sie zu brenzlig wird. Also tun sie auch alles, um das Flugzeug heil runterzubringen“, antwortete sie ruhig, wie sie es einem kleinen Kind erklärt hätte. Dann sah sie freundlich lächelnd in das Gesicht des ihr so unsympathischen Mannes und sagte noch: „Ich hoffe, ich habe Ihnen das so erklärt, dass Sie es verstehen und keine Angst mehr haben. Sie können sich also beruhigt zurücklehnen und den Flug genießen. Auf eine Achterbahn geht man doch auch freiwillig, um Spaß zu haben und nicht um damit zu rechnen, dass der Wagen aus den Schienen geschleudert wird.“ Dabei war deutlich der Sarkasmus aus ihrer Stimme herauszuhören. Doch ihr Platznachbar tat so, als hätte er das nicht bemerkt.
„Gesunde Einstellung. Und danke für diese Erklärung. So habe ich das wirklich noch nie als Begründung zu hören bekommen. Aber es klang sehr einleuchtend“, meinte er lächelnd und stellte sich höflich als Andreas Wildner vor. Doch schnell merkte er, dass die Frau neben ihm an keinem Gespräch interessiert war, denn sie erwiderte seine Vorstellung nicht, sondern vertiefte sich wieder in ihre Lektüre. Leicht zuckte er daraufhin mit den Schultern und sah weiter auf den kleinen Monitor über sich, wo ein Video lief.
Schon nach einer viertel Stunde war dann der ganze Spuk vorbei und die Boeing steuerte weiter ruhig und sicher ihrem Ziel entgegen. Die Flugbegleiter begannen, ein leichtes Essen zu servieren.
„Sagen Sie“, begann der Mann wieder. „Warum beschäftigen Sie sich eigentlich mit solcher Lektüre, wenn Sie doch in den Urlaub fliegen und, wie ich annehme, da tauchen gehen wollen?“
„Wieso?“, wollte Anne wissen. „Es ist doch ein Buch über Tauchtechnik.“
„Ja, stimmt schon. Aber wen interessiert da schon Rebreathertauchen und noch dazu mit all den fachlichen Details? Wenn sie damit mal Schnuppertauchen gehen sollten, interessiert doch wohl kaum einen gleich der gesamte Aufbau und die Funktionsweise des Gerätes. Oder wollen Sie mir weiß machen, dass Sie nur, weil Sie ein bisschen Spaß im Urlaub haben wollen, deshalb auch die genaue Funktionsweise von allen Teilen kennen und selbst reparieren könnten. Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie da einfach mal solch einen Atemregler oder eine erste Stufe reparieren, die abbläst? Dafür gibt es doch Servicepersonal. Also brauchen Sie sich doch damit nicht zu belasten und ihr schönes Köpfchen zu zerbrechen. So wie ich es sehe, werden Sie, wenn überhaupt, dann nur Schnuppertauchen gehen, denn ich habe sie schon auf dem Flughafen gesehen. Sie standen beim Check-in nur wenige Meter vor mir. Als wirklicher Taucher hätten Sie Ihr eigenes Equipment und nicht nur so einen kleinen Koffer dabei gehabt“, gab er zurück, dabei grinste er die Frau neben sich an.
„Gut beobachtet“, meinte sie und tat dann ganz erschrocken. „Oh mein Gott, Sie haben ja so recht. Es wäre doch viel zu gefährlich. Ich mit meinen zwei linken Händen. Wenn ich da was falsch machen würde. Was da alles passieren könnte. Nicht auszudenken“, sagte sie, entsetzt spielend, schon etwas genervt. Was denkt sich dieser Kerl eigentlich, wer er ist, dachte sie bei sich und weiter, so ein eingebildeter Fatzke. Doch laut sagte sie: „Na klar, Sie müssen es ja wissen. Nur nicht alle Leute hier im Flieger sind auf dem Weg in den Urlaub.“ Dabei schlug sie das Buch demonstrativ wieder auf.
Nach einer Weile trat eine Flugbegleiterin an die Sitzreihe heran. „Anne?“, fragte sie vorsichtig und sprach weiter, als die junge Frau ihr zunickte. „Der Kapitän erwartet Sie im Cockpit. Wenn Sie mir bitte folgen würden.“
Anne bedankte sich und wartete geduldig, bis ihr die beiden Männer, welche neben ihr saßen, Platz gemacht hatten, damit sie aufstehen und auf den Gang treten konnte. Dabei stand dieser arrogante Schnösel, wie sie ihn heimlich betitelte, genau neben ihr. Als sie an ihm so eng vorbeimusste, um auf den Gang zu gelangen, besah sie ihn sich unauffällig genauer. Er war sehr groß, sie schätzte ihn knapp an die 1, 96 bis zwei Meter, da sie zu ihm aufsehen musste. Seine Schultern waren breit und so, wie es durch das T-Shirt aussah, war er ziemlich muskulös. Dann ging sie, in Begleitung der netten Flugbegleiterin, nach vorn. Der Mann schaute der Frau in dem gut sitzenden roten Hosenanzug, mit den blonden Haaren, die streng zu einem Knoten hochgesteckt waren, neugierig hinterher. Er beobachtete, wie sich nach dem Anklopfen die Tür von innen öffnete und seine Sitznachbarin nach dem Eintreten hinter sich die Tür wieder schloss.
Erst kurz vor dem Landeanflug kam die junge Frau fröhlich lächelnd aus dem Cockpit und schlängelte sich zurück auf ihren Platz.
„Oh, jetzt verstehe ich“, meinte ihr Platznachbar. „Sie sind wohl eine Art Inspektor der Fluggesellschaft. Meine Hochachtung.“
„Wenn Sie meinen“, gab Annemarie daraufhin, noch immer lächelnd, nur vage zurück. Das Interesse von Andreas für diese Frau, die neben ihm saß, war nun erst recht geweckt. Eine Fluginspektorin, die sich für solche Tauchtechnik interessierte, gab ihm Rätsel auf. Nur leider hatte er keine Zeit mehr, das näher herauszufinden, denn schon in wenigen Minuten würden sie landen und dann in unterschiedlichen Richtungen auseinandergehen.
Nachdem die Maschine sicher gelandet und am Hangar angelangt war, drängten sich die Passagiere zum Ausgang. Anne nahm sich dagegen Zeit. Sie ließ die gestresst wirkenden Menschen an sich vorbei, ehe sie selbst aufstand und ihr Handgepäck aus dem Fach über sich holte. Als sie die Gangway betrat, wehte ihr der warme Wind der Wüste entgegen. Sie griff nach hinten und zog eine Spange aus ihrem Haar. Sofort löste sich der streng aufgesteckte Knoten. Der Wind spielte mit ihrem Haar und ließ es wie einen goldenen Schleier erscheinen, der ihr Gesicht und ihren Oberkörper umspielte. Sie blickte noch einmal zum Cockpit zurück und winkte dem Piloten fröhlich zu, ehe sie die Stufen nach unten ging und in den wartenden Bus stieg, der sie zum Flughafengebäude brachte.
Während sich die anderen Mitreisenden an der Einreisekontrolle drängelnd anstellten, als hätten sie Angst, den Anschluss zu verpassen, setzte Anne sich auf eine Bank und beobachtete die nervösen, oft sogar schimpfenden und unzufriedenen Menschen. Sie kamen eigentlich hier her, um sich zu erholen, und doch machten sie sich Stress, der gar nicht nötig war. Das hatte sie noch nie verstanden.
Sie hielt Ausschau nach ihrem lästigen Platznachbarn aus dem Flugzeug und wollte sehen, ob er da mittendrin stand und fleißig mit am Drängeln war.
Bei seiner Länge müsste sie ihn doch schnell in den Massen finden, überlegte sie. Aber sie konnte ihn nicht entdecken. Suchend schaute sie auch noch einmal kurz hinter sich und entdeckte ihn, wie er in aller Ruhe am Schalter Geld tauschte. Danach setzte er sich, ebenso wie sie, auf eine Bank und wartete ab. Als der größte Trubel vorbei war, ging sie langsam zur Passkontrolle und unterhielt sich mit dem Beamten sogar eine Weile freundlich. Dann musste sie erneut geduldig warten, bis das Gedränge und wilde Treiben am Gepäckband nachließ, um sich ihren kleinen Koffer nach dem zweiten Durchlauf vom Band nehmen zu können.
Während die anderen Mitreisenden sich bei ihren Reiseveranstaltern einfanden, um mit ihrem Gepäck zu den einzelnen bereitstehenden Bussen zu gehen, ging Annemarie Kamp, mit ihrem Koffer und dem Rucksack, zu einem kleineren, seitlich gelegenen Parkplatz. Sie schnallte den Koffer auf den Gepäckträger ihres Motorrollers vom Typ Piaggio NRG 50, welcher mit einer feinen Sandschicht bedeckt war. Holte den Helm aus der Sitzbank und startete kurz darauf die Maschine. Langsam und vorsichtig fuhr sie an den auf die Touristen wartenden Reisebusse vorbei. Dabei entdeckte sie den Mann, der im Flugzeug neben ihr gesessen hatte. Absichtlich fuhr sie dicht an ihm vorüber.
Der Mann sah der rätselhaften Frau mit dem blonden, im Fahrtwind wehenden Haar, welches lang unter dem Helm hervorschaute, nach. Anne lachte kurz auf, als sie im Rückspiegel den Mann so verdattert dastehen und ihr nachblicken sah. Dann gab sie Gas, um schnell ihr Ziel zu erreichen.

2
Etwas müde und geschafft von der Reise, schloss Anne die Tür ihres Hauses auf und schaltete, nachdem sie ihren Koffer im Flur abgestellt hatte, die Klimaanlage ein. Schnell packte sie einige mitgebrachte Lebensmittel in den leeren Kühlschrank und machte sich einen Kaffee. Während dieser durchlief, fuhr sie ihren Computer hoch und meldete sich per E-Mail bei ihren Freunden und Eltern in Deutschland, dass sie gut angekommen war. Als der Kaffee endlich durchgelaufen war, setzte sie sich mit einer Tasse des heißen Getränks auf ihr Sofa und legte die Beine auf den niedrigen Couchtisch.
Schon morgen würde sie ihre Arbeit auf der Tauchbasis aufnehmen. Ihr schien der Urlaub in der Heimat viel zu kurz gewesen zu sein. Doch sie war auch froh, wieder bei sich zu Hause zu sein.
Nachdem sie geduscht und sich etwas Frisches übergezogen hatte, ging sie ein paar Häuser weiter, die Straße hoch, zu ihren Nachbarn. Sie begrüßte sie herzlich und bedankte sich mit einem Mitbringsel bei ihnen, weil sie sich in der Zwischenzeit so lieb um ihre Katze gekümmert hatten. Nachdem sie ihren Nachbarn etwas von ihrem Urlaub in Deutschland erzählt und einige der Urlaubsbilder gezeigt hatte, verabschiedete sie sich wieder von ihnen.
Sie nahm ihren weißen Perserkater Miekosch in den Arm und ging zurück zu ihrem Haus, welches auf einem Hang oberhalb von Hurghada lag. Von ihrer Terrasse aus konnte man auf ein Stück der, nun schon erleuchteten, ständig wachsenden Hotelstadt und das Meer sehen.
Anne hatte ihre Wohnung hell und freundlich eingerichtet. Sie liebte es, viel Raum zu haben, also war sie bei der Einrichtung mit Möbeln sehr sparsam umgegangen. Sie mochte es praktisch und hatte bewusst auf Schnickschnack, wie sie die verschiedensten unnützen Staubfänger bezeichnete, verzichtet. Ihre wenigen Möbel im Wohnzimmer, die aus einem Bord entlang der Wand zur Küche, einem Regal voller Bücher und einem Sekretär bestand, hatte sie in heller Buche gehalten. Die kleine Polstergarnitur, bestehend aus einer praktischen Liegecouch und zwei nicht so plumpen Sesseln, die sie mitten im Raum vor einem niedrigen Glastischchen platziert hatte, war in einem dezenten Ocker. Auch die Bezüge der Stühle in der Essecke hatten dieselbe Farbe. Die gesamte längliche Zimmerfront, gegenüber vom Flur und der Tür zum Schlafzimmer war aus Glas. Sie gab den Blick auf ihre Terrasse mit dem verhältnismäßig großen Pool und einer kleinen gepflegten Gartenanlage, die aus Rasen, ein paar niedrigen Sträuchern und Palmen bestand, frei. Eine blau-weiß gestreifte Markise sorgte für ausreichend Schatten auf der Terrasse mit der Hollywoodschaukel, vor der ein weißer Plastiktisch mit zwei Stühlen stand. Am Tag war es Anne möglich, die Jalousien herunterzulassen, um ihr Wohnzimmer angenehm kühl zu halten. Sie kam gut mit der Wärme zurecht und verzichtete zumeist auf ihre Klimaanlage, die sie eigentlich nur nutzte, wenn sie aus Deutschland zurückkam, bis sie sich wieder an das hiesige Klima gewöhnt hatte. Was meist nicht lange dauerte.
Mit einem leichten Fingerdruck betätigte sie einen Schalter und stellte so die Unterwasserbeleuchtung ihres Pools an. Wenig später sprang sie in das kühle Nass, um sich etwas zu erfrischen und zu erholen. Morgen würde der Alltag wieder sehr früh für sie beginnen.

3
Als der Wecker klingelte, war es noch dunkel, doch nicht mehr lange und die Sonne würde über dem Meer aufgehen. Anne setzte sich zum Frühstück, nur bekleidet mit ihrem blauen Sleepshirt, auf ihre Terrasse. Der leichte Wind spielte mit ihrem, noch offenen Haar. Sie genoss diese Zeit am Morgen immer sehr und beobachtete, wie die Sonne langsam am Horizont aus dem Meer stieg und die Wasseroberfläche mit ihrem Feuer zu überfluten schien.
Wenig später stand sie vor ihrem Haus. Sie stülpte sich den schwarzen Helm über das zu einem dicken Seitenzopf geflochtene Haar und startete ihren kleinen Flitzer, um damit schnell runter durch die Stadt zur Tauchbasis zu gelangen. Immer wieder hupte sie und winkte fröhlich den befreundeten Ägyptern zu, die ihr auf dem Weg dahin begegneten.
Anne würde heute den Halbtagesausflug mit nur einem Tauchgang zusammen mit ihrem Kollegen Rolf Wagner übernehmen. Damit hatte sie noch ausreichend Zeit, ihr Tauchequipment zu überprüfen, bevor die ersten Tauchgäste eintreffen würden. Freudig wurde sie von all ihren Kollegen und Kolleginnen auf der Basis begrüßt. Jeder freute sich über die Mitbringsel, zumeist waren das Süßigkeiten oder Lebensmittel, wie Wurst und Schwarzbrot, die es in Ägypten nicht zu kaufen gab, aber bei den deutschen Mitarbeitern heiß begehrt waren.
Langsam füllte sich die Terrasse mit Gästen. Und der ganz normale Trubel auf einer Tauchbasis begann auch wieder für Anne. Sie half mit im Office, um Fragen zu beantworten, bei kleineren Problemen zu helfen und sortierte neue Anmeldungen ein.
Als die blauen Toyota-Pick-ups die ersten Tauchgäste samt ihrer Tauchtaschen abholten, um sie in den nahen Hafen zu den Booten zu bringen, trat kurzzeitig wieder Ruhe auf der Basis ein. Doch diese sollte nicht lange währen. Schon bald würden die Gäste, die nur noch einen Tauchgang machen wollten, weil sie am Folgetag die Heimreise antreten würden, sowie die Neuankömmlinge die Tauchbasis belagern.
Anne war an diesem Tag für die Neuen zuständig, die bei ihr ihren Bleicheck und Checkdive absolvieren mussten, bevor sie zu ihrem ersten Tauchgang starten durften.
Gerade, als sie sich im Office über die Personenzahl informiert hatte, trafen die ersten Tauchgäste der Halbtagsfahrt ein.
Sie wollte ihren Augen nicht trauen, als sie aus dem kleinen Officefenster auf die Terrasse der Basis schaute und inmitten der anderen Leute den groß gewachsenen Mann wiedererkannte, der im Flugzeug neben ihr gesessen und sie so genervt hatte.
„Na Klasse“, grummelte sie leise. „Auch das noch. Der Tag fängt ja gut an.“
Rolf hatte seine Gruppe bereits zusammengetrommelt, um mit ihnen zum Hafen zu fahren. Zurück blieben fünf Leute, die neu auf dieser Basis waren, die ab jetzt Anne zu betreuen hatte.
Freundlich lächelnd trat sie auf die kleine Gruppe von Männern und Frauen zu und stellte sich als Annemarie Kamp vor. „Ihr könnt aber bitte einfach nur Anne sagen. Willkommen im >Red Sea Dive Resort<. Gleich zur Information für die, die es noch nicht wissen sollten, wir sprechen uns hier unter Tauchern für gewöhnlich mit Du an“, sagte sie fröhlich. Dann machte sie die Gäste mit der Tauchbasis und dem genauen Ablauf vertraut. Sie gab die Formulare aus, auf die sich die Tauchgäste mit ihrem Ausbildungsgrad und der Anzahl der bereits absolvierten Tauchgänge eintragen, sowie die Belehrung unterschreiben mussten. Während sie zurück ins Büro ging, um sich kurz die ausgefüllten Blätter anzusehen, halfen Kollegen vom Office bei der Ausgabe von Equipment für die neuen Gäste, die kein eigenes besaßen.
Zwei der Tauchgäste hatten erst zehn Tauchgänge, auf die musste sich Anne besonders konzentrieren. Ein Paar war dabei, welches schon über fünfzig Tauchgänge und eine Ausbildung als Advanced Open Water Diver besaß. Diese beiden konnte sie nach dem Checkdive problemlos allein losziehen lassen. Dann besah sie sich den ausgefüllten Fragebogen von diesem Andreas Wildner. Da stand, AOWD - Nitrox mit siebenundvierzig Tauchgängen, doch in Klammer dahinter war ganz kleingeschrieben die Zahl + 6.736 zu erkennen.
So ein Spinner, meinte sie und legte das Formular mit zu den Anderen, damit es abgeheftet werden konnte. Sie ließ sich dann noch schnell die Brevets und Logbücher der fünf Tauchgäste zeigen und kontrollierte die Gültigkeit der ärztlichen Tauchtauglichkeitsbescheinigungen. Wobei ihr das Logbuch von diesem Wildner unbenutzt und neu vorkam, obwohl sogar zwei Untersuchungsbescheinigungen, eine von vor drei Jahren und die aktuelle sowie die siebenundvierzig Tauchgänge darin verzeichnet waren. Es hätte, ihrer Meinung nach, entschieden abgegriffener aussehen müssen. Komisch, dachte sie, aber gab dann die Logbücher an all ihre Tauchgäste zurück.
In der Zwischenzeit traf der blaue Pick-up, der die anderen zum Hafen gebracht hatte, wieder ein. Annes Gruppe konnte ihr Gepäck auf die Ladefläche des Wagens packen und sich mit dazusetzen. Als Letzte sprang sie auf und platzierte ihre Tasche zusammen mit dem Notfallsauerstoffkoffer inmitten der Tauchtaschen und fuhr auf der Stoßstange stehend mit.
Andreas beäugte die Frau, die ihr Tauchguide war, heimlich aus dem Augenwinkel. Er war sich nicht sicher, doch irgendwoher schien er sie schon zu kennen.
Klar, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf, es ist diese distanzierte, rätselhafte Frau, die neben ihm im Flieger gesessen hatte. Nur sah sie jetzt ganz anders aus. Seine Zielperson hatte also schon im Flugzeug neben ihm gesessen, ohne dass er es bemerkt hatte. Ein leichtes Lächeln zog über sein Gesicht. Das also war ihr Geheimnis. Nur warum wurde sie ins Cockpit gerufen und ist so lange dortgeblieben, fragte er sich noch immer, als der Jeep neben einem Boot direkt am Kai anhielt.
„Das ist unsere >Al Shams< zu Deutsch die Sonne“, erklärte Anne freundlich und stellte den Kapitän, und die beiden Besatzungsmitglieder des Bootes vor, während ägyptische Angestellte der Tauchbasis dabei halfen, die schweren Tauchtaschen der Gäste an Bord zu bringen. Während die Tauchtouristen ihre Neoprenanzüge auf die dafür vorgesehenen Bügel hängten und ihre Westen mit Atemgerät an die bereitstehenden Pressluftflaschen anschlossen, begrüßte Anne freudig die Besatzung der >Al Shams< und steckte ihnen kleine Mitbringsel aus Deutschland zu.
Andreas beobachtete die Frau aus dem Augenwinkel und lauschte heimlich, wie sie mit den Männern Arabisch sprach. Ihre nette Art, wie sie sich gegenüber der Einheimischen gab, dabei selbstsicher auftrat, gefiel ihm immer mehr.
Während es sich die beiden Paare auf dem Oberdeck gemütlich machten, um die Sonne zu genießen, zog es den groß gewachsenen Mann nach vorn zum Bug, wo er sich bekleidet mit langer Hose und Shirt ganz an die Spitze setzte.
Anne saß auf der Sitzbank neben dem Kapitän am Steuer und sah, geschützt durch ihre Sonnenbrille, neugierig zu dem Mann nach unten, der da vorn so allein am Bug saß und die Beine über Bord baumeln ließ. Scheint ein Einzelgänger zu sein, sonst würde er sich mit zu den anderen dazugesellen und sich nicht so absondern, schlussfolgerte sie für sich.
Die >Al Shams< hatte ihr Ziel erreicht und machte am Ankertauplatz von >Sha`ab Samit< fest. Anne rief kurze Zeit später die Tauchgäste zum Briefing aufs Oberdeck.
Auf einer Tafel, auf der sie das Riff mit seinen Besonderheiten aufgemalt hatte, zeigte sie den fünf Gästen das vor ihnen liegende Tauchziel, und erklärte den zuvor zu machenden Bleicheck und den unter Wasser folgenden Checkdive. Danach teilte sie die Buddyteams ein. „Isolde und Uwe werden wir nach dem Checkdive verabschieden, sie können dann allein weiter um das Riff tauchen. Marcel und Ute bleiben bei mir“, bestimmte sie. Dann sah sie Andreas an. „Und wie ist es mit dir, Andreas? Willst du dich, Isolde und Uwe anschließen?“, fragte sie.
„Nein, ich gehe mit euch“, entschied er. „Aber bitte nicht Andreas, Andy reicht völlig“, fügte er dann noch hinzu.
„Okay, Andy“, sagte Anne, „Dann schließt du dich uns mit an. Und bitte, denkt daran, ihr seid im Urlaub und nicht auf der Flucht, also genießt euren ersten Tag auf See ohne Stress und Hektik. Viel habt Spaß. Oh, und noch etwas, bevor ihr ins Wasser springt, denkt an den gegenseitigen Buddy-Check“, erinnerte sie.
Alle begaben sich danach aufs untere Deck, um ihre Neoprenanzüge überzuziehen und ihre Tarierwesten mit dem Equipment anzulegen.
Anne erkannte sofort, dass Andreas eine profimäßige Ausrüstung besaß. Doch sie ging nicht darauf ein, sondern kümmerte sich um das Paar mit den wenigen Tauchgängen, um mit ihnen den Bleicheck durchzuführen, während es die anderen drei für sich selbst testeten. Wie sie bemerkte, hatte nur dieser Andreas gleich schon zu Beginn die richtige Bleimenge in sein bleiintegriertes Jackett gepackt, ohne es für sich noch einmal überprüfen oder aufstocken zu müssen. Sondern er half den anderen mit, die für sie entsprechende Bleimenge zu bestimmen. Nachdem alle gut ausgebleit waren, gab Anne das Okayzeichen und das Handzeichen zum Abtauchen. Dabei begleitete sie die beiden mit der geringsten Taucherfahrung bis zum sandigen Grund, wo die anderen geduldig auf sie warteten. Denn sie kannten diese Prozedur schon.
Dort angekommen, kniete die kleine Gruppe in einem Halbkreis nieder. Anne gab nacheinander jedem der Taucher das Zeichen, seine Maske zu fluten und beobachtete genau, wie derjenige die Tauchermaske wieder ausblies, was sie mit einem Händeklatschen honorierte. Dann zeigte sie mit einem Handzeichen an, dass sie keine Luft mehr hatte und forderte jeden Einzelnen zur Wechselatmung aus seinem Atemregler auf. Auch diese Übung konnte sie bei jedem mit einem Händeklatschen honorieren. Sie zeigte auf das Buddyteam mit den über fünfzig Tauchgängen, hielt beide Zeigefinger zusammen, dann winkte sie ihnen zu. Was so viel heißt wie: Ihr zwei seid ein Team. Ihr könnt los, viel Spaß. Als Nächstes wandte sie sich an das junge Paar und Andreas. Sie zeigte einzeln auf sie und hinterher mit Zeige- und Mittelfinger auf ihre Augen, was bedeutete, sie sollen auf sie achten, dann gab sie mit der längs ausgestreckten, flachen Hand die Richtung an, in die sie tauchen wollten.
Immer wieder beugte sich Anne nach vorn über, um so die kleine Gruppe hinter sich im Auge zu behalten, während sie sie ums Riff führte. Dabei ließ sie sich viel Zeit und zeigte ihnen einen Steinfisch, wobei sie zur Erklärung die Faust auf die flache Handfläche hielt. Einige Zeit später, als Anne wieder nach ihrer Gruppe hinter sich sah, bemerkte sie, wie bei einem Taucher viele große Luftblasen von der ersten Stufe, die sich direkt an der Pressluftflasche befand, entwichen. Schnell erhob sie die Hand zu einem Stopp, zeigte auf den Taucher und dann schlug sie mit Mittel- und Zeigefinger auf ihre flache Innenhandfläche. Damit wollte sie von diesem Taucher wissen, wie viel bar an Luft er noch in seiner Flasche hatte. Als dieser aber nicht auf sie reagierte, schwamm sie zu ihm hin und schaute selbst auf das Finimeter von Marcel, der gerade panisch geworden, schnell an die Wasseroberfläche schwimmen wollte. Noch bevor Anne reagieren konnte, war Andy zur Stelle. Er hielt den Mann von hinten an der Flasche fest und drückte ihn damit sacht wieder nach unten. Dann zog er ihm das Mundstück, welches er mit festem Biss umklammerte, aus dem Mund und steckte seinen Oktopus stattdessen zwischen die Zähne des Mannes. Die hellen, blauen Augen schienen hinter der Maske zu leuchten, als Andreas das Okayzeichen an Anne gab. Sie nickte nur kurz und nahm die nun etwas verstörte Ute an die Hand. Auf ihr Zeichen hin tauchten alle vier gemeinsam zurück zum Boot.
„Danke Andy, für die schnelle und richtige Reaktion“, sagte Anne kurz nach dem Auftauchen.
„Kein Problem. Immer wieder gern“, antwortete der Mann grinsend. „Hättest mir an Bord der Maschine ruhig sagen können, was Du machst. Jetzt komme ich mir deshalb ziemlich blöd vor.“
„Aber warum hätte ich das tun sollen? Du hast mich doch nicht danach gefragt, sondern dein Urteil gleich gefällt“, antwortete sie frech lächelnd, nachdem sie ihre Ausrüstung abgelegt hatte, während die Bootsbesatzung den anderen noch dabei half.
Sie holte eine kleine Schachtel aus ihrem Gepäck und ging damit zu Marcel, um sich die erste Stufe seines Lungenautomaten anzusehen, aus der die Luft so schnell entwichen war. Routiniert schraubte die erste Stufe von der Flasche und stellte sofort fest, dass der kleine O-Ring gerissen war.
„Schau Marcel, daran hat es gelegen“, erklärte sie und zeigte es ihm. Der Mann war immer noch ganz außer Puste vor Aufregung, aber schaute interessiert zu, wie die Tauchlehrerin mit nur ein paar gekonnten Handgriffen einen neuen O-Ring einsetzte und mit Silikonfett dünn einschmierte. Dann schloss sie eine andere, noch volle Pressluftflasche an, um den Lungenautomaten zu testen.
„Na bitte“, stellte sie fest, „nun ist wieder alles in Ordnung.“ Dann sah sie den jungen Mann aber ernst an. „Und“, fragte sie, „weißt du, was du vorhin da unten fast falsch gemacht hast?“ Marcel zog nur etwas beschämt die Schultern hoch.
„Wenn Andy dich nicht festgehalten hätte, wärst du wie ein Korken nach oben geschnellt und das mit angehaltener Luft. Aber was wurde dir in deinem Tauchkurs gelehrt? Wie ist es mit dem Lungenvolumen, wenn man aus größerer Tiefe aufsteigt? Ich hoffe, du weißt, was dir da hätte passieren können. Also noch mal zum Mitschreiben, Probleme, die unter Wasser auftreten, sollten auch unter Wasser geklärt werden. Oder, wenn das nicht möglich ist, mit einem kontrollierten Notaufstieg, die Betonung liegt auf kontrollierten, an die Wasseroberfläche zurückgekehrt werden. Aber nicht so, wie du es vorhin in Panik machen wolltest. Denn genau deshalb geht man mit einem Buddy tauchen, damit man einander helfen kann. Ist das klar?“, dabei sah sie den jungen Mann mit den strohblonden Haaren eindringlich fragend an.
„Ja, ist okay, ich werde es mir merken“, versprach Marcel. Er bedankte sich noch einmal bei Andreas und stieg erleichtert mit seiner Freundin aufs Oberdeck.

Andreas hatte gleich nach dem Tauchen das nasse Shirt, welches er unter seinem Neoprenanzug getragen hatte, schnell und unbemerkt gegen ein frisches, trockenes getauscht. Er saß auf der Taucherplattform und ließ seine Füße im Wasser hin und her baumeln. Sein schwarzes, schulterlanges Haar wurde mit einem Gummi zusammengehalten, und der kleine Zopf lag lockig auf seinem starken Nacken. Die breiten Schultern und die schmalen Hüften ließen sein Kreuz wie ein V erscheinen. Während Anne sich noch ihr Haar abtrocknete, ging sie auf den Mann zu. „Tut mir leid wegen des verpatzten Tauchgangs für dich“, sagte sie entschuldigend. „Da wärst du mit den anderen beiden besser gekommen.“
Andreas drehte sich leicht zu ihr um und meinte nur: „Ist doch nicht so schlimm. Ich habe drei Wochen Urlaub und somit noch viele schöne Tauchgänge vor mir.“ Dann grinste er sie an und seine Augen schienen zu funkeln, als er sagte: „Kannst es ja wiedergutmachen und in der Zeit mein Guide sein. Mir hat es gefallen, wie du uns Tiere gezeigt hast, an denen wir sonst vorbei getaucht wären. Hast eben Heimvorteil.“
„Das mit dem Guide kann ich dir nicht versprechen, kommt darauf an, wie mich die Chefs einteilen, und wenn, dann werde ich vorwiegend Anfänger dabeihaben, sodass die Tauchgänge meist etwas kürzer sind. Aber du kannst dich heute Nachmittag in die Liste für morgen einschreiben und dort dein Wunschboot oder den Wunschguide mit dahinter schreiben. Falls es möglich ist, berücksichtigen sie es im Office, wenn sie die Gruppen für den nächsten Tag zusammenstellen“, erklärte Anne, dabei lächelte sie den Mann höflich an. „Aber das mit dem Heimvorteil stimmt schon. Mit der Zeit kennt man einige Plätze, wo sich bestimmte Fische und andere Tiere aufhalten, sich verstecken und zu finden sind“, gab sie zu, während sie auf dem Weg in den Salon war, um sich einen trockenen Badeanzug zu holen.
Dreißig Minuten später tauchte das andere Buddyteam hinter dem Boot auf und berichtete gleich völlig aufgeregt, was sie alles gesehen hatten. Auch ihnen half die ägyptische Besatzung sofort und nahm ihnen als Erstes die schweren Flaschen ab, kaum dass sie aus dem Wasser gestiegen waren.
Nach einer Weile trat Ruhe auf dem Boot ein. Einer der Bootsbesatzung war in der kleinen Kombüse zugange, um den Gästen ein gutes Essen zuzubereiten, während der Kapitän und der Schiffsjunge sich in ihre Kajüten zurückgezogen hatten. Die Urlauber lagen auf dem Oberdeck und genossen die Sonne.
Andreas Wildner hingegen saß auf der Taucherplattform, schlenkerte mit den Füßen im Wasser und starrte gedankenversunken übers Meer. Anne hatte sich wieder ein T-Shirt und eine lange, leichte Hose übergezogen und saß bequem in einer Ecke im Salon. Sie hatte die Beine hochgelegt und las in einem Buch, als Omar auf der anderen Seite damit begann, den Tisch zu decken.
„Anne holen kann Leute“, sagte er dann im gebrochenen Deutsch.
„Nein, Omar, es heißt, du kannst die Leute holen“, berichtigte sie ihren Freund, der es gleich noch einmal nachsprach. Er war ihr sehr dankbar, dass sie ihm dabei half, Deutsch zu lernen. Eigentlich lernten sie voneinander. Er Deutsch von ihr und sie verbesserte dank seiner Hilfe die Aussprache ihres ägyptischen Dialekts.
Sie schlug ihr Buch zu, stieg das Stück die Treppe zum Oberdeck hoch, um die Tauchgäste zum Essen zu rufen. Schnell kamen die vier in den Salon gelaufen und ihnen gingen die Augen über, was Omar alles in seiner Küche, noch dazu in der kurzen Zeit, gezaubert hatte. Falafeln, Pommes, Spaghetti, Huhn, verschiedene Soßen und Salate, Fladenbrot und vieles mehr. Für jeden Geschmack war das Richtige dabei.
Anne bemerkte, dass noch ein Gast fehlte, obwohl er sich auch fürs Essen an Bord gemeldet hatte. Also ging sie noch einmal raus aufs Deck, um ihn zu holen. Andreas hatte sich auf der Taucherplattform hinter der niedrigen Begrenzung zum Deck eine schattige Ecke gesucht und war eingeschlafen. Er hatte das Shirt ausgezogen und vor sich auf den Oberkörper gelegt, wo es ihm unbemerkt heruntergerutscht war. Als Anne leise auf ihn zutrat, bekam sie einen Schreck. Kreuz und quer, schräg über seine Brust verliefen viele lange, rosafarbene Narben. Als sie ihn ansprach, dass das Essen auf dem Tisch steht, verdeckte er sie schnell wieder mit seinem Shirt. Sie tat so, als hätte sie noch gar nicht zu ihm hingeschaut und die Narben nicht gesehen, die er zu verstecken versuchte.
„Ja, ich komme sofort“, sagte er schnell und zog sich das T-Shirt in aller Eile über.
Nach dem Essen hatte die Gruppe noch etwas Zeit und verbrachte diese beim Schnorcheln an der Riffkante. Nur Anne und Andreas blieben an Deck. Die dreiköpfige ägyptische Crew setzte sich im Salon, um zu essen. Dann war der Bootsjunge mit dem Abwasch dran. Als alle wieder an Bord waren, wurden die Leinen losgemacht und die >Al Shams< nahm Kurs auf den Hafen der Basis. Kurz vor der Einfahrt in den Hafen packten sie ihr Tauchequipment zusammen und freuten sich auf ein frisches, kühles Bier, welches nach dem Tauchen gern als „Dekobier“ bezeichnet wird. Dabei wollten sie gemeinsam ihre Logbücher ausfüllen.
Im Hafen angekommen, wurden sie von dem schon bereitstehenden Jeep abgeholt, damit sie das Stück nicht zu laufen brauchten. Anne war die Einzige, die ihr gesamtes Tauchequipment auf der Fahrt zur Basis wieder mit dabei hatte. Alle Anderen ließen es gleich in dem kleinen, verschließbaren Schauer am Hafen, weil sie morgen wieder tauchen gehen würden. Als sie bei der Tauchbasis ankamen, sprang Anne von der Stoßstange des noch langsam fahrenden Wagens und ließ sich von Marcel ihre Tauchtasche und den Sauerstoffkoffer herunterreichen. Schnell wusch sie ihren Anzug und das Jackett aus und hängte ihn zum Trocknen auf. Dann ging sie ins Büro, um ihre Meldung abzugeben. In der Zwischenzeit trafen nacheinander auch die Tauchgäste von den anderen Booten mit ihren Guides und Tauchlehrern ein. Schnell füllte sich die Terrasse der Basis. Jeder Tauchguide schrieb den Schiffsnamen und den Namen der Riffe oder Ergs, welche er mit seiner Gruppe betaucht hatte, an eine große Tafel, damit es die Tauchgäste, richtig geschrieben, in ihr Logbuch übernehmen konnten. Nachdem auch Anne das getan hatte, ging sie zu ihrer Gruppe. Geduldig erklärte sie den beiden Anfängern, wie sie ihren Tauchcomputer auslesen und die Daten abrufen konnten, um so die Tiefe und Tauchzeit in ihr Logbuch eintragen zu können. Andreas kam mit zwei Flaschen Bier von der nahen Bar der Basis zurück. Eine davon stellte er vor Anne hin, wofür sie sich bedankte, aber auch gleich fragte, wofür das denn sei.
„Ach, nur so oder als Entschuldigung für mein aufdringliches Verhalten im Flieger“, meinte der Mann lächelnd und setzte sich mit zu der Gruppe. Gemeinsam stießen sie auf ihren ersten Urlaubstag und Tauchgang an.
Anne konnte nicht lange bleiben. Sie hatte heute noch Dienst hinter der Ausgabetheke, um geliehenes Tauchequipment von Gästen zurückzunehmen, die heute ihren letzten Tauchgang hatten und morgen Abend oder übermorgen früh wieder heimfliegen würden.
Es dauerte nicht lange und die ersten Gäste ließen sich zurück in ihre Hotels fahren. Nachdem sich die Terrasse langsam leerte, mischte sich das Ehepaar, welches die Tauchbasis führte, mit unter die wenigen Gäste. Die meisten von ihnen zählten schon mit zum festen Stamm derer, die jedes Jahr wiederkamen. Es kam eine richtige, familiäre Stimmung auf. Andreas gefiel das sehr gut und er blieb gern noch eine Weile länger, denn er hatte eh nichts mehr an diesem Abend vor. Er hörte sich die Gespräche der anderen Gäste an und lachte mit über deren kleine Episoden, die sie zum Besten gaben. Aber selbst sagte oder erzählte er nichts. Ein Mann im nassen Tauchanzug kam mit seinem Lungenautomaten und berichtete, dass er seinen Tauchgang am Hausriff abbrechen musste, weil ihm die Luft über die zweite Stufe, direkt am Atemregler, abblies. Er fragte höflich, ob sie ihm helfen könnten oder ob er nun einen Regler von der Basis leihen müsse.
„Ich glaube, damit gehst du am besten mal zu unserer Anne. Vielleicht kann sie dir helfen“, sagte Alfred, der Chef der Tauchbasis. „Sie ist hier nämlich unsere Technikerin.“
Als Andreas das hörte, senkte er den Kopf und sah Anne nur verlegen von unten her an.
Sie tat so, als hätte sie es nicht bemerkt, aber tief in sich drin, feierte sie doch. Sie sah sich den Atemregler an. „Oh, ich hoffe, dass wir etwas für dieses Modell da haben. Oder hast Du ein eigenes Reparatur-Kitt dabei?“, fragte sie den Tauchgast.
„Leider nicht. Ich habe das Teil doch erst neu gekauft und habe nur vier Tauchgänge damit gemacht. Da kann er doch nicht schon kaputtgehen“, sagte der Mann enttäuscht.
„Na, dann komm mal mit nach hinten in die Werkstatt, wir schauen uns das erst einmal an“, meinte Anne.
„Kann ich mitkommen?“, fragte Andreas schnell.
„Oh, du hast wohl Angst, dass ich nichts davon verstehe und es lieber dem Servicepersonal überlassen sollte, die ja dafür schließlich auch da sind“, konterte Anne sofort, das Gespräch aus dem Flugzeug aufgreifend.
„Nein, das nicht. Ich bin überzeugt, dass du das kannst und richtig machst. Aber vielleicht kann ich ja was lernen“, meinte er kleinlaut. Anne lächelte dem Mann zu und so zogen sie zu dritt in die Werkstatt. Schnell nahm sie den Atemregler auseinander. „Also der O-Ring hier ist es schon mal nicht. Der ist in Ordnung. Aber schau mal hier“, dabei zeigte sie dem Mann, dass die Membran im Regler selbst einen kleinen Riss hatte.
„Aber wie kann das sein?“, fragte der entsetzt. „Das Teil ist doch nagelneu.“
„Das hat nichts zu sagen“, erklärte Anne ruhig, während sie in den Schubladen nach einer neuen Membran dieser Marke suchte. „Du weißt ja nicht, wie lange der Regler zuvor schon beim Händler gelegen hat. Wenn der kleine Kipphebel hier, siehst du“, dabei zeigte sie an die entsprechende Stelle, „die gesamte Zeit darauf gedrückt hat, dann kann das schon mal passieren. Du kannst den Regler reklamieren und tauchst den Rest des Urlaubs mit einem unserer Regler, oder ich wechsle dir schnell das Teil hier aus“, bot sie an, dabei hielt sie eine neue Membran zwischen ihren Fingern hoch.
Natürlich wollte der Tauchgast lieber wieder mit seinem eigenen Regler weiter tauchen. Also reparierte sie das Teil und überprüfte gleich die richtige Funktionsweise an einer dafür bereitstehenden Pressluftflasche. Dankbar für die schnelle Hilfe ging der Mann mit seinem Atemregler voraus. Anne und Andreas folgten ihm zurück zu den anderen Gästen, die langsam immer weniger wurden. Am Ende war Andreas der letzte Gast.
„Andy, in welchem Hotel bist du denn untergebracht? Vielleicht können wir dich ja mitnehmen?“, fragte die Chefin ihn höflich.
„Danke, das wäre sehr nett, aber ich werde auch allein zurechtkommen. Ich habe ja zwei gesunde Beine zum Laufen“, gab er lächelnd zur Antwort und nannte dann aber trotzdem den Namen seines Hotels.
„Anne, das ist doch deine Richtung“, bemerkte der ältere Mann und Chef.
„Ja klar, wenn sich Andy traut hinten auf meinen Roller zu steigen, habe ich damit kein Problem. Ich muss eh dort vorbei“, gab sie zur Antwort. Er lächelte sie an und nahm das Angebot dankend an.
„Aber brauche ich da nicht einen Helm?“, fragte er etwas unsicher.
„Nein, hier besteht keine Helmpflicht wie in Deutschland. Aber wenn du dich damit sicherer fühlst, gebe ich dir gern meinen. Das heißt, wenn er dir passt“, antwortete Anne lachend.
Bevor er sich verabschiedete, ging er den Besitzern der Tauchbasis noch einmal ins Office und unterhielt sich mit ihnen. Als er wieder heraustrat, stand Anne mit ihrem Roller bereits startklar vor der Basis. Schnell nahm er seinen Rucksack auf den Rücken und setzte sich hinter sie.
„Sorry, wenn ich dir nun etwas nahekomme, doch für meinen Hintern ist hier nicht viel Platz“, scherzte er.
„Kein Problem, kannst dich auch ruhig an mir festhalten“, gab die lachend zurück, „Ist vielleicht sogar besser.“
Andreas bedankte sich dafür, zog es jedoch vor, seine Hände lieber bei sich zu behalten, um nicht aufdringlich zu wirken. Aber schon nach wenigen Metern, als bei dem Roller im losen Sand immer wieder leicht das Hinterrad ausbrach, hatte er seine Hände dann doch schnell um ihre Taille gelegt. Was sie mit einem Lächeln registrierte.
Als sie auf der befestigten Hauptstraße angelangt war, gab sie ordentlich Gas und reihte sich in das Hupkonzert des Verkehrs ein. Immer wieder schlängelte sie sich durch schmale Lücken hinter oder nebeneinander fahrender Autos und Kleinbusse, die hier als Taxen unterwegs waren, hindurch, dass Andreas in manchen Situationen lieber die Augen schloss. Bereits zehn Minuten später hielt sie vor seinem Hotel.
„Wow“, sagte er, während er abstieg, „wir waren schneller als auf der Hinfahrt mit dem Auto. Verdammt wilde Fahrweise. Ich möchte nicht wissen, wie du erst fahren würdest, wenn du ne große fünfhunderter Maschine hättest.“
„Anders kommt man hier nicht vorwärts. Hier gibt es nur eine Verkehrsregel, entweder der Stärkere oder der Schnellere hat Vorfahrt“, erklärte Anne verschmitzt lächelnd.
„Danke fürs Mitnehmen und bis morgen, ich wünsche dir noch einen schönen Abend“, verabschiedete sich Andreas von seiner Fahrerin.
„Danke. „Keine Ursache“, entgegnete sie kurz und gab bereits wieder Gas, um heimzukommen, wo ihr Kater schon auf sie wartete.

4
Liebevoll begrüßte sie ihren Kater, als sie zur Tür ihres Hauses hereinkam und gab ihm gleich sein Futter und frische Milch. Dann warf sie ihre Kleidung direkt vor die Waschmaschine und stieg in die Duschkabine, um sich das Salz vom Körper zu waschen. Bekleidet mit ihrem Bademantel und offenem Haar trat sie auf die Terrasse, setzte sich auf die bequeme Hollywoodschaukel und genehmigte sich eine Zigarette. Immer wieder spukten ihr die großen, noch rosafarbenen Narben und das Verhalten des Mannes durch den Kopf. Ob er sich für die Narben schämte? Die sahen noch so frisch aus. Wo er die wohl herhatte? Vielleicht hatte er Angst, deshalb von den Menschen abgelehnt zu werden? Sollte sie ihn bei Gelegenheit mal darauf ansprechen? Anne ertappte sich dabei, dass sie diesen Mann, der neben ihr im Flugzeug gesessen und sie leicht genervt hatte, doch zu interessieren begann. Selbst in der Nacht ließen ihr die Gedanken an ihn keine Ruhe. Immer wieder sah sie sein geheimnisvolles Lächeln, die stahlblauen Augen in dem gebräunten Gesicht und sein tiefschwarzes Haar vor sich. Und dann wieder diese Narben.
Als am Morgen der Wecker klingelte, fühlte sie sich wie gerädert. Die fast schlaflose Nacht steckte ihr in den Gliedern. Miekosch, ihr Kater, räkelte sich auf ihrer Bettdecke am Fußende, als sie sich müde und schwerfällig aus dem Bett rollte. Eigentlich hätte sie eine Stunde länger schlafen können. Doch sie hatte sich nun einmal vorgenommen, jeden Morgen erst ein paar Bahnen in ihrem Pool zu schwimmen, bevor sie zur Arbeit fuhr.
Da ihr Grundstück samt Pool von keinem ihrer Nachbarn einzusehen war, sprang sie nackt, wie sie war, ins Wasser, welches sich über Nacht angenehm abgekühlt hatte, und zog ihre Bahnen. Als sie eingehüllt in ihren Bademantel zurück in die Küche kam, stand schon ihr kleiner Freund vor dem Fressnapf und wartete miauend auf sein Futter.



5
Andreas war bereits vor dem Klingeln des Weckers wach. Er trat auf den Balkon seines Zimmers und schaute übers spiegelglatte Wasser des Meeres, aus dem gerade die Sonne stieg.
Sein Handy klingelte. Er meldete sich nur knapp mit einem „Ja“ und lauschte dann angespannt und konzentriert seinem Gesprächspartner. Mit einem ebenso kurzen, „Okay, alles klar“ unterbrach er die Verbindung wieder und sah weiter der Sonne zu, wie sie dem Meer zu entsteigen schien. Doch seine Gedanken waren ganz woanders. Er hatte zwar zufällig neben der blonden, attraktiven Frau im Flugzeug gesessen, aber es war kein Zufall, dass er sich auf der Tauchbasis angemeldet hatte, auf der sie als Tauchlehrerin arbeitete. Doch außer ihm wussten das nur sehr wenige Eingeweihte.
Eigentlich wollte er das Rauchen aufgeben, doch an diesem Morgen zündete er sich eine Zigarette an. Er setzte sich auf den Balkon, rauchte, noch immer in Gedanken versunken, und trank dazu eine kleine Flasche Wasser, die er sich gut gekühlt aus seiner Minibar geholt hatte. Als sein Wecker klingelte, drückte er die halb aufgerauchte Zigarette im Aschenbecher aus und ging ins Bad, um sich frisch für den Tag zu machen.
Er war fast allein beim Frühstück in dem großen Speisesaal des Hotels.
Nachdem er in Ruhe gegessen hatte, setzte er sich mit seinem Rucksack raus auf die Stufen des Portals und wartete auf seinen Pick-up von der Tauchbasis, der wenig später eintraf. Schnell warf er den Rucksack auf die leere Ladefläche und setzte sich mit ins Fahrerhaus.
„Sab´Bach all chier“, begrüßte er freundlich den ägyptischen Fahrer und bekam ein eben so freundliches „Sab´Bach all full“ vom Fahrer zurück, als dieser den Toyota-Jeep wieder startete.
„Sprichst du deutsch?“, fragte Andreas den Fahrer, als sie losgefahren waren.
„Ja, etwas, aber nicht gut“, antwortete der Ägypter stolz.
„Kennst du Annemarie Kamp gut?“, wollte sein Fahrgast wissen.
„Oh Anne. Anne ein gut Frau, gut Mensch“, sagte dieser, während er einen Bus mit lautstarkem Hupen überholte. „Anne mir uns schon oft holfen allen. Warum du fragen und wollen wissen das?“
„Ach, nur so“, winkte Andreas ab, als wäre es nicht weiter wichtig. Der Fahrer sah seinen Fahrgast an und sagte ganz ernst: „Anne gut Freund. Wir auf sie passen auf. Keiner tut weh ihr, keiner fassen sie darf an.“
Andreas hatte verstanden. Er lächelte dem kleinen ägyptischen Fahrer zu und meinte: „Das ist gut, mein Freund. Dann tut das auch weiter.“
Nun sah Ali den Mann neben sich genauer an und fragte etwas vorsichtig: „Warum?“
„Ach, tut es einfach. Um Annes Willen“, antwortete Andreas daraufhin ausweichend. Wenig später trafen sie an der Tauchbasis ein. Er nahm seinen Rucksack von der Ladefläche und bedankte sich fürs Bringen mit einem „Schukran“ beim Fahrer, was Ali mit einem „Afran“ erwiderte und auf dem Vorplatz wendete, um die nächsten Tauchgäste vom nahen Hotel abzuholen.
Als Andreas die Tauchbasis betrat, waren schon alle Tauchlehrer und Guides, aber erst wenige Tauchgäste versammelt.
Langsam schlenderte er zur kleinen Bar. Unterwegs dort hin grüßte er höflich die Männer und Frauen, die noch gemütlich miteinander schwatzend an den Tischen saßen und auf ihre Gäste warteten. Er kaufte sich zwei große Flaschen Wasser, die er mit in seinem Rucksack verstaute, dann setzte er sich in eine ruhige Ecke der Terrasse. Er beobachtete unauffällig aus dem Augenwinkel die blonde, schlanke Tauchlehrerin und die nähere Umgebung um sie herum.
Langsam füllte sich die Basis mit Tauchtouristen, und es war kaum noch ein freier Platz übrig. Alfred kam mit der von den Gästen erwarteten Liste aus dem Office und befestigte sie an der Tafel, wo dann jeder sehen konnte, auf welchem Boot und mit welchem Guide er mit hinausfahren würde.
Als sich das Gedränge um die Tafel langsam auflöste, trat Andreas an das Brett und suchte seinen Namen. Er stand unter weiteren dreizehn Namen bei einem Boot namens >Queen II<. Nicht das, was er sich erhofft hatte.
Als er da noch immer stand, trat Alfred, der Chef der Basis, an ihn heran.
„Tut mir leid, Junge, aber es haben sich so viele Taucher gemeldet, dass wir kein Boot freihalten konnten“, meinte er entschuldigend, dann lächelte er ihn leicht verlegen an. „Aber da wir keinen neuen Anfängerkurs haben, können wir dir, wie gewünscht, Anne als persönlichen Guide zur Verfügung stellen.“
Andreas lächelte höflich zurück, als er sagte: „Oh danke, das reicht mir für den Anfang schon. Ich danke dir, Alfred. Aber wäre nett, wenn du meinen Wunsch nach einem kleineren Boot mit im Auge behältst, wie zuvor besprochen, ich zahle dafür gut, kein Problem.“ Alfred nickte ihm verstehend zu und versprach noch mal mit seiner Frau zu sprechen, ob sie sich vielleicht von einer befreundeten Tauchbasis ein großes Boot gleich mit Tauchguides leihen könnten, wenn sie dort nicht so viele Tauchgäste haben sollten.
Die Besitzer der benachbarten Tauchbasen halfen sich gern untereinander aus, wenn es möglich war.
Nacheinander fuhren die Jeeps der Basis vor und die Gäste wurden damit zum Hafen gebracht, wo sie ihre Taschen aus dem Verschlag holten, um dann zu dem Boot zu gehen, auf das sie eingeteilt waren. Die Guides überprüften nochmals die Personenzahl und riefen jeden Einzelnen dazu auf, hakten ihn auf der Liste ab, zählten noch einmal gewissenhaft die Pressluft- und Nitroxflaschen an Bord durch und gaben das Ergebnis an Alfred weiter. Der stand direkt am Kai an Land und trug dafür Sorge, dass alles reibungslos ablief. Auf der >Queen II< meldete Dirk vierzehn Taucher mit drei Tauchlehrern, 26-mal Luft und achtmal Nitrox, plus je zwei Ersatz.
Nacheinander verließen die Boote den kleinen Hafen. Die meisten fuhren Richtung Süden, nur die Tauchgäste der >Queen II< hatten den Wunsch geäußert, in nördliche Richtung zu den Riffen zu wollen, die nicht so überfüllt von anderen Tauchern waren. Einer der Männer sagte, er hätte in dem Urlaub schon genug Neoprenfisch gesehen und habe endlich mal Lust auf echte Fische. Die meisten der kleinen Gruppe mussten darüber lachen und stimmten gern zu, nach Norden zu fahren. Also gab Rolf dem Kapitän Bescheid und die Reise ging zuerst nach Nordosten zum Tauchplatz >Carless Reef<, womit alle Tauchgäste einverstanden waren und sich schon sehr darauf freuten.
Nachdem sie ihre Neoprenanzüge aufgehängt und ihr Equipment an die bereitstehenden Flaschen angebracht und geprüft hatten und die meisten der Leute endlich nach oben gegangen waren, machte Andreas sich daran, sich um seine Ausrüstung zu kümmern. In aller Ruhe zog er den noch feuchten Tauchanzug aus seiner Tasche, fand einen freien Bügel und hängte ihn zwischen all die anderen Anzüge auf, die kunterbunt waren. Seiner aber war einheitlich schwarz, ebenso wie seine Tarierweste, Flossen und Maske.
„Du hast ne super gute Ausrüstung“, meinte Anne, als sie selbst aufs Deck trat, um ihren Taucheroverall mit zu den anderen zu hängen. „Vor allem den Anzug finde ich schön.“
„Na ja“, gab Andreas lächelnd zurück, „ich mag es nun mal nicht, wie ein bunter Papagei rumzulaufen.“
Auch Annes sieben Millimeter Halbtrockenanzug war in schlichtem schwarz und grau gehalten. Nur hatte sie leuchtend gelbe Flossen. Diese hatte sie sich extra so ausgesucht, da sie als Guide immer eine Gruppe anführte, konnten die Taucher sie so besser sehen, sollte der Abstand zwischen ihnen mal größer oder das Wasser sehr trüb sein. Außerdem, so fand sie, hatte das auch einen guten Wiedererkennungswert.
„Bist du böse, weil ich dich zu meinem privaten Guide gemacht habe?“, wollte er wissen und schaute Anne an.
„Nein, es ist mein Job“, antwortete sie, dann sah sie ihn fragend und etwas unsicher wirkend an. „Ich will doch hoffen, du hast nicht vor, Sprinttaucher zu spielen oder willst irgendwelche Tiefenrekorde brechen? Sprinttauchen, okay, da gehe ich mit. Aber Tieftauchen nur bis zu den dafür ausgeschriebenen Grenzen für Sporttaucher, also vierzig Meter und nicht tiefer, sonst zwingst du mich, dich hochzuholen und den Tauchgang abzubrechen“, sagte sie ernst.
Er schüttelte lächelnd mit dem Kopf. „Oh, nein, bestimmt nicht. Da brauchst du dir keine Sorgen machen. Davon habe ich sonst genug. Ich möchte einfach nur die schöne Unterwasserwelt sehen und genießen. Und die ist nun mal dort am schönsten, wo die Sonne noch hinkommt“, antwortete er und warf seine Maske zu den anderen in den großen Eimer, der mit Süßwasser gefüllt war. Dann drehte er sich wieder zu ihr um, nahm ihr die gelben Flossen ab und steckte sie neben seine an die Halterung der Bordwand, die der Taucherplattform zugewandt war. „Ich freue mich auf die Tauchgänge mit dir und lasse mich gern überraschen, was du mir alles schönes zeigen kannst“, meinte er und gab ihr zwei Bleistücke zu je zwei Kilo aus der Bleikiste und steckte sich selbst nur zwei Einkilostücke in die Taschen seiner bleiintegrierten Weste.
Anne war überrascht, dass er wusste, wie viel Blei sie selbst benötigte. Er musste sie gestern, beim ersten Tauchgang, genau beobachtet haben. Als sie bemerkte, wie er sich nur zwei Kilo Blei ins Jackett steckte, wunderte sie sich sehr darüber, dass dieser große Mann mit nur so wenig Blei auskam. Doch sie sagte nichts dazu.
„Sag mal“, fragte Andreas, „warum habt ihr Guides eigentlich Stahlflaschen und die anderen, wie auch ich, bekommen nur Alu?“
„Stahl ist für den Rücken besser. Und da wir ja ständig tauchen, hat der Chef gemeint, es wäre eine kleine Erleichterung für uns Guides. Aber die Aluflaschen sind nun mal leichter zu warten. Ist also eine Kostenfrage“, versuchte Anne zu erklären, dann fragte sie. „Wie ist es Andy, willst du mit am Briefing der anderen teilnehmen oder soll ich uns ein eigenes vorbereiten?“
„Oh, es ist zwar schön, wie ihr den Tauchplatz so genau und schön bunt auf eure Tafeln malt. Ist super gut gemacht, wirklich. Aber mir würde ein Kurzbriefing, völlig ausreichen“, antwortete er ehrlich. Dann lächelte er sie wieder an. „Ich wäre auch gern vor den Anderen im Wasser. Ich mag das Gedränge nicht so. Außerdem wollen wir die ja nicht zu lange auf uns warten lassen. Oder?“
Anne lächelte zurück und stieg dann zum Oberdeck hoch, um ihre beiden Kollegen zu informieren, dass sie mit ihrem Gast das Briefing allein durchführen und vor den Anderen abtauchen würde. Sie war gespannt auf den Luftverbrauch des Mannes. Insgeheim dachte sie aber, dass er wohl ganz schön übertrieb mit den gerade mal siebenundvierzig Tauchgängen, die in seinem Logbuch verzeichnet waren. Außerdem, dachte sie, würden seine Muskelmassen jede Menge Sauerstoff benötigen. Doch sie sollte schon bald eines Besseren belehrt werden.
Noch bevor sie die Ankertauleinen von >Carless Reef< erreicht hatten, erklärte Anne Andreas den Tauchplatz mit Strömung, Tiefen und Richtung, die sie einschlagen würden, sowie wonach sie besonders Ausschau halten wollte.
„Also wir tauchen rechte Schulter zum Riff, erst gegen die Strömung“, wiederholte Andreas zusammenfassend, als Zeichen dafür, dass er die Ausführungen seiner Begleiterin verstanden hatte.
Kaum hatte die >Queen II< an den Ankertauleinen festgemacht, zogen sich die beiden Taucher an. Anne blieb nicht verborgen, dass Andreas sein T-Shirt unter dem Anzug anbehielt. Nach einem kurzen Buddycheck sprangen sie nacheinander ins Wasser und tauchten gemeinsam ab. Die Unterwasserströmung, gegen die sie schwimmen mussten, war doch etwas stärker, als Anne anfangs angenommen hatte. Laut der Strömungsleine an der Wasseroberfläche hätte die Strömung um einiges schwächer sein sollen. Aber das eine stimmt nun mal nicht immer mit dem anderen überein. Zumindest nicht in diesen Gewässern zwischen der Rifflandschaft.
Da werden Rolle und Dirk mit ihren beiden Gruppen etwas Arbeit haben, vor allem mit den Neulingen. Wird sicher ein kurzer Tauchgang, dachte sie, dabei beobachtete sie, mit welcher Leichtigkeit sich der Mann vorwärts bewegte und dabei auch die geringere Strömung am Grund und dann jeden Strömungsschatten, den ihm das Riff bot, nutzte. Er verstand es meisterlich, mitten in der Strömung an der gleichen Stelle zu verharren, um in aller Ruhe zuzusehen, wie ein großer, blauer Drücker sich gerade von zwei Putzerfischen putzen ließ. Weit öffnete der Fisch dabei sein Maul mit den strahlend weißen Zähnchen, in das schnell ein kleiner Putzerfisch mutig hinein und nach einer Weile zu seinen Kiemen wieder herauskam. Anne zeigte ihm wenig später eine Putzerstation mit unscheinbaren Putzergarnelen, die von den verschiedensten Fischen gern besucht wurde. Ihr gefiel es, dass dieser Mann sich so viel Zeit ließ, sich alles anzusehen und in aller Ruhe zu beobachten. Sonst musste sie immer schnell mit ihren Tauchern weiter. Bei manchen kam es ihr so vor, als wollten sie nur Strecke machen und dabei alles sehen, was es gab. Dabei hasteten sie an vielen schönen Dingen vorbei, die sie gar nicht bemerkten. Andere kamen einfach mit der Strömung nicht zurecht und konnten sich so nicht lange auf einer Stelle halten. Dieser Mann war aber anders, er schien es zu genießen, sich Zeit zu lassen und alles genau zu betrachten. Das kam auch ihr sehr entgegen, denn sie hatte sich selbst schon oft gewünscht, endlich mal wieder so viel Zeit fürs Beobachten der unterschiedlichen Tiere zu haben. Selbst kleine Nacktschnecken und zierliche Seenadeln blieben ihm nicht verborgen und er beobachtete sie eine Weile. Dabei sah Anne, wie seine Augen zu strahlen schienen.
Eine Riesenmoräne reckte ihren großen Kopf mit bedrohlich offenem Maul aus einer Riffspalte. Sie sah, wie sich ihr Buddy der Moräne langsam von der Seite näherte, um dem Tier einen Fluchtweg zu lassen. Er ging bis auf wenige Zentimeter an das prächtige Tier heran, nahm seinen Atemregler aus dem Mund und grinste Anne breit an, als würde er mit einer Freundin für ein Foto posieren. Das brachte sie zum Lachen.
Gerade als sie auf der Nordseite des Riffs ankamen, wurden sie schon von den anderen Tauchern der Gruppe schnell überholt. Anne winkte ihren beiden Kollegen zu und sah dann wieder zu Andreas, der die einzelnen Buddyteams sehr genau zu beobachten schien. Erst als sie alle an ihnen vorbei und in sicherer Entfernung waren, setzte er seinen Tauchgang eben so ruhig fort, wie er ihn begonnen hatte. Die Nordseite des Riffes war von der ständig anlaufenden Strömung ziemlich karg und zerstört. Eigentlich gab es da nichts weiter zu sehen. Doch plötzlich stoppte er, nahm Anne beim Arm und zog sie mit kräftigen Flossenschlägen mit sich mit ins Blauwasser, was ihr einen tüchtigen Schreck versetzte. Dann zeigte er erst auf seine Augen und danach ins dunkelblaue Nichts. Sie folgte mit den Augen seinem ausgestreckten Arm und nahm zunächst nur ein paar dunkle Schatten wahr. Doch langsam, als sie diesen Schatten immer näher kamen, erkannte sie zwei ausgewachsene Adlerrochen, die im Wasser zu fliegen schienen. Schnell gab sie freudig nickend ihr Okayzeichen, um ihm verständlich zu machen, dass sie nun auch diese stolzen dahinfliegenden Rochen sah. Sie schauten ihnen nach, bis sie aus ihrem Sichtfeld verschwanden. Kurz darauf orientierte sich Andreas mithilfe seines Kompasses und beide tauchten zurück zum Riff. Anne war erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit und Sicherheit ihr Tauchgast, obwohl sie abgetrieben, eigentlich auch unkontrolliert den Rochen ein Stück gefolgt waren, zurück zu der Stelle des Riffes fand, wo sie es verlassen hatten und die Führung übernahm. Es gefiel ihr, einfach nur mal Buddy sein zu können und folgte ihm. Als sie an der Ostseite des Riffes angekommen waren, zeigten sich die Korallen mit ihren Bewohnern, angestrahlt von der Sonne, in ihren schönsten Farben. Sie tauchten in einen Glasfischschwarm ein und genossen das Gewimmel der kleinen Tierchen um sich, die vor ihnen immer wieder schnell auseinander stieben. Andreas entdeckte etwas, was er noch nicht kannte und besah es sich von allen Seiten genau.
Es sah aus wie eine große, mehrfach gebundene rosa Schleife aus feinster Seide. Schnell griff er in seine Jacketttasche und zog eine Schreibtafel daraus hervor.
Er schrieb darauf: Was ist das? reichte Anne die Tafel und zeigte auf die komische Schleife. Annemarie las die Worte, lächelte ihren Begleiter an und schrieb ihm zurück: Das Gelege einer spanischen Tänzerin. Mit viel Glück bekommt man sie nachts zu sehen.
Als Andreas es gelesen hatte, nickte er verstehend. Noch einmal betrachtete er das filigrane Gelege, als Anne ihn auf die Schulter tippte. Als er sie fragend ansah, schlug sie mit ihrer Faust auf die flache, andere Handfläche, um zu zeigen, was sie meinte und zeigte auf einen großen Steinfisch, der gut getarnt, mit ein paar Algen bewachsen, auf einem kleinen Felsvorsprung ruhte. Ein Blaupunktrochen zog unter ihnen vorbei und Andreas vollführte eine gekonnte Rolle, um ihn die ganze Zeit nicht aus dem Auge zu lassen. Die Wendigkeit und überhaupt jede Bewegung des Mannes unter Wasser faszinierte sie immer mehr. Es machte sie neugierig. Sie ertappte sich bei dem Wunsch, diesen Mann näher kennenlernen zu wollen. Diesen Andreas Wildner schien ein Geheimnis zu umgeben, was ihn für sie sehr interessant machte.
Kurz bevor sie die Ankertauleinen ihres Bootes erreicht hatten, waren erneut Taucher in ihrer Nähe zu sehen. Anne bemerkte, wie er schnell nahe neben sie kam und die anderen Taucher aufmerksam beobachtete, bis sie an ihnen vorbeigezogen waren. Danach vergrößerte er den Abstand zu ihr wieder.
Nach 126 Minuten und dem dreiminütigen Sicherheitsstopp in fünf Metern Tiefe tauchten sie am Heck ihres Schiffes auf, neben dem in der Zwischenzeit ein zweites Boot festgemacht hatte. Beide hatten noch 60 bar auf ihren Flaschen.
Während Andreas nach Anne an Bord stieg, beobachtete er genau die Leute auf dem anderen Boot. Nachdem er sein Jackett an die bereitgestellte volle Nitroxflasche angebracht und geprüft hatte, trat er hinter Anne und half ihr beim Abstreifen ihres eng anliegenden Tauchanzuges über ihre Schultern.
„Danke, für den interessanten Tauchgang“, sagte er dabei.
Anne bedankte sich mit einem Kopfnicken für die Hilfe und sagte dann zu ihm umgewandt: „Ich habe dir zu danken. So einen entspannten Tauchgang hatte ich schon ewig nicht mehr.“ Dabei lächelte sie ihn an.
Als beide in den Salon gingen, um sich trockene Sachen aus ihren Taschen zu holen, saßen die anderen schon beim Essen. Schnell lief Anne auf eine der beiden Toiletten zu, um sie als Umkleidekabine zu nutzen. Auch Andreas verdrückte sich schnell in die Andere und kam mit trockener Badehose und frischem T-Shirt wieder heraus. Die nassen Sachen hängte er über das Geländer an der Reling zum Trocknen und befestigte das Shirt zusätzlich mit einer Klammer, damit es nicht vom Wind weg geweht werden konnte. Dann begaben sich beide zu den Anderen in den Salon und füllten ihre Teller mit den leckeren Sachen, die Mohamed in der kleinen Kombüse zubereitet hatte. Nach dem reichhaltigen Essen setzte er sich wieder auf die Stufe, die zur Taucherplattform führte. Er setzte sich absichtlich leicht schräg, sodass er immer das benachbarte Boot im Blick hatte, welches er unbemerkt durch seine dunkle Sonnenbrille beobachtete. Er war erleichtert, als die >Queen II< die Ankerseile löste und wieder Fahrt zum nächsten Tauchplatz aufnahm. Solange sie fuhren und kein anderes Boot in ihrer Nähe war, konnte er sich ausruhen, denn die Leute hier an Bord schienen in Ordnung zu sein.
Gern hätte er sein Shirt ausgezogen und die Sonne an seine Haut gelassen. Doch er wollte unbequemen Fragen und neugierigen Blicken wegen seiner vielen Narben aus dem Weg gehen. Also ließ er das T-Shirt lieber an und verkrümelte sich nach einer Weile in den Salon, wo Anne saß und in ihrem Buch las. Er holte seine Wasserflasche aus der Tasche, trank einen großen Schluck, bevor er sich in die gegenüberliegende Ecke setzte und schnell einschlief.
Geweckt von den auf einmal anders klingenden Geräuschen des 220 PS starken MAN-Motors, wurde er sofort wieder hellwach. Sie hatten den neuen Ankerplatz erreicht und der Kapitän manövrierte ihr Boot geschickt, damit sie an zwei Ankertauleinen an Heck und Bug festmachen konnten. Schnell lief er an Deck und schaute sich um. Kein weiteres Schiff war in ihrer Nähe zu sehen. Sie waren die Einzigen an diesem Tauchplatz, was ihn beruhigte.
Anne kam gerade vom Oberdeck und informierte ihn, dass sie an >El Fanadir Foc< angelegt hatten. Und nachdem sie den ersten Tauchgang bis zu einer Tiefe von fünfundzwanzig Metern hatten, würde hier der Grund bei fünfzehn Metern liegen. Sie erklärte ihm, dass die anderen nach Nord-Osten zur Riffspitze und zurücktauchen würden. Sie sich aber selbst lieber die südliche, selten betauchte Strecke des Riffes in Richtung >Fanadir Dacht<, ansehen möchte. Andreas fand den Vorschlag gut und stimmte gern zu. Sie machten aus, dass sie sich bei einhundert Bar ein Zeichen geben, um dann im Zehnmeterbereich zum Boot zurück zu tauchen. Die ausgeworfene Strömungsleine zeigte ihnen nahezu keine Oberflächenströmung an. Schnell legten sie ihr Tauchequipment an, während Rolf gerade auf dem Oberdeck sein Briefing begann. Noch bevor sie damit fertig waren, sprangen Anne und Andreas bereits ins Wasser.
Sie tauchten, wie zuvor abgesprochen, mit der rechten Schulter zum Riff, an der lang gezogenen Riffwand entlang. Neugierig schaute er unter die Tischkorallen und entdeckte da große Leopardenbarsche oder Blaupunktrochen. Auch ein Gitarren- und ein Zitterrochen war mal mit dabei, den er sich näher besah. Spielerisch folgte er einer freischwimmenden Riesenmoräne und ahmte, zum Erstaunen von Anne, geschmeidig ihre Bewegungen nach. Dann versteckten sie sich hinter einem Vorsprung von abgestorbenen Steinkorallen und beobachteten einige Zeit zwei große Schildkröten, die im Liebestaumel zu sein schienen. Anne hatte so etwas schon sehr lange nicht mehr gesehen, obwohl sie doch fast tagtäglich hier um Hurghada tauchte.
Sie empfand es als sehr angenehm, dass Andreas die gleichen Interessen Unterwasser mit ihr teilte, nein sogar fast noch versessener darauf war, Neues und Schönes zu entdecken, zu beobachten und so zu genießen. Dabei war sie anfangs nicht so begeistert davon, als sie am Morgen von Alfred erfahren hatte, dass sie ihn als persönlichen Guide begleiten sollte und das auch noch mehrere Tage. Jetzt aber war sie sehr froh über diesen Job und genoss die Zeit beim Tauchen mit ihm. Nach guten hundert Minuten zeigte Anne ihm das Halbzeitzeichen, indem sie eine Hand waagerecht auf die andere, senkrecht gehaltene Hand legte. Sie hatte nur noch hundert bar Druck auf ihrer Flasche. Andreas sah auf sein Finimeter und gab ihr an, dass er noch einhundertdreißig bar hatte, dann gab er das Zeichen für den Rückweg. Langsam stiegen die beiden Taucher auf die vereinbarten zehn Meter auf und tauchten in entgegengesetzter Richtung, um wieder zum Boot zu gelangen. Anne war angenehm überrascht, wie diszipliniert er sich an die vorherigen Briefingabsprachen hielt. Dies vermittelte ihr ein sicheres Gefühl, dass sie die Tauchgänge mit ihm genießen und sich auf ihn verlassen konnte.
Leicht zupfte Anne ihren Tauchpartner, der etwas versetzt vor ihr schwamm, an der Flosse. Nachdem er sich zu ihr umgedreht hatte, zeigte sie auf einen gut getarnten Oktopus, der seine Farbe und Form dem Untergrund, auf dem er saß, perfekt angepasst hatte. Nur seine Saugnäpfe der Fangarme, die er nach oben gestülpt hatte, verrieten ihn. Schnell wandte er sich zu dem großen Kraken um. Er schaute Anne verzeihend an, denn er konnte einfach nicht widerstehen und streichelte den Kerl, knapp hinter seinen Augen, sanft und vorsichtig über den Kopf. Der Oktopus schien leicht grün anzulaufen vor Erregung, doch er rührte sich trotzdem nicht von der Stelle. Dabei hatte Andreas ihm zu jeder Zeit einen Fluchtweg frei gelassen. Anne glaubte kaum, was sie da sah. Der Krake schien sich sichtlich wohlzufühlen, während ihn der Mann so kraulte. Langsam näherte sie sich ihm. Er ergriff ihre Hand und führte sie sacht in Richtung des Oktopus, damit dieser nicht erschreckte. Zum ersten Mal in ihrem Leben berührte nun Anne ein solches Tier und sie war fasziniert davon, wie es sich anfühlte. Eigentlich hatte sie etwas dagegen, Tiere in der freien Natur, hier unter Wasser, anzufassen, da man damit sehr leicht ihre natürliche Schutzschicht zerstören konnte. Doch da dieses Kerlchen die Berührung von Andreas sogar zu genießen schien, zerstreute sie schnell diese Bedenken. Trotzdem waren sie dabei sehr vorsichtig, denn einem Oktopus war es ein Leichtes, sich an ihre Masken und Atemregler zu heften und sie abzuziehen. Diese Tiere hatten sehr viel Kraft. Doch dieses Exemplar machte nicht die geringsten Anstalten, sich zu wehren oder zu verschwinden. Nach einer Weile ließen sie von ihm ab und tauchten weiter. Sie begegneten einer einzelnen Schildkröte, die direkt auf Andreas zu schwamm und gefährlich nach seinem Jackett zu schnappen begann. Doch der Mann zeigte keinerlei Angst. Im Gegenteil, er hielt ihr die flach aufgerichtete Handfläche entgegen, wo sie leicht mit ihrem Schnabel dagegen stupste. Anne war in der Zwischenzeit bereits ihr Herz etwas tiefer gerutscht, denn sie hatte schon viel von der Bisskraft der Meeresschildkröten gehört. Sie glaubte kaum, was sie dann zu sehen bekam. Während das Tier immer wieder leicht gegen die dargebotene Handfläche stieß, ließ sie sich seelenruhig von ihm mit der anderen Hand auf dem Kopf streicheln. Nach einer Weile begab er sich an ihre Seite und drückte ihr sanft auf den Panzer. Die große Schildkröte schien ihm zu gehorchen, verschwand langsam unter ihnen hinweg und suchte ihren Weg in den Tiefen des Meeres. Während sie noch dem Tier nachsah, kam Andreas zu Anne und lächelte ihr durch die Tauchermaske zu. So etwas hatte die sie noch nie erlebt, dabei tauchte sie hier schon sehr lange und hatte bereits einiges gesehen. Dieser Mann erschien ihr immer rätselhafter zu werden.
Nach einhundertachtzig Minuten tauchten sie, schon von allen erwartet, am Heck der >Queen II< wieder auf. Rolf und Dirk halfen den beiden Tauchern an Bord und nahmen ihnen ihre Nitroxflaschen ab, während die Mannschaft schon die Leinen losmachten, um den Heimathafen anzusteuern.
„Wir dachten schon, ihr wollt da unten übernachten“, meinte Rolf und half Anne dabei aus ihrem Neoprenanzug.
„Oh Rolle, wenn du wüsstest, was wir gesehen und erlebt haben“, begann sie und schaute dabei kurz zu Andreas, der den Zeigefinger auf seine Lippen legte und sie verschmitzt anlächelte.
„Na, was habt ihr denn gesehen?“, fragte Rolf neugierig.
„Ach, es war einfach nur herrlich“, antwortete sie daraufhin ausweichend und lächelte Andreas zu.
Obwohl sie sich gleich auf den Weg gemacht hatte, nachdem sie endlich an Bord waren, war die >Queen II< das letzte Boot, welches im Hafen festmachte. Sie wurden schon von dem ägyptischen Personal der Tauchbasis erwartet, um die leeren Pressluftflaschen entgegenzunehmen und die Gäste zurück zur Basis zu fahren. Es waren nur noch wenige Plätze auf der Terrasse frei. Die Leute ihrer Gruppe holten sich die freien Stühle und stellten sie in einer Runde auf, um beieinander sitzen zu können.
Dieses Mal war es Anne, die Andreas ein „Dekobier“ mitbrachte.
„Ich danke dir für die interessanten und schönen Tauchgänge“, sagte sie, als sie ihm das Bier in die Hand drückte. Er sah sie mit seinen umwerfend blauen Augen an und erwiderte: „Nein, ich habe dir zu danken. Noch nie war das Tauchen wirklich so entspannend für mich.“
„Dito“, gab Anne freundlich zurück und beide stießen miteinander an.
Als sich die meisten Gäste bereits verabschiedet hatten, um am nächsten Tag wiederzukommen, trat Isolde, die Chefin der Basis an den Tisch, an dem Andreas mit einigen der Tauchgäste vom Boot zusammensaß.
„Andy“, sagte sie und entschuldigte sich zugleich bei den Anderen für die Störung, „ab morgen steht dir die >Amun-Re< mit Mannschaft und Anne zur Verfügung. Wir haben auch, wie gewünscht, Stahlflaschen für dich.“ Für diese gute Nachricht bedankte sich Andreas mit einer lieben Umarmung bei der Frau. Das würde ihm seine Arbeit um vieles erleichtern und übersichtlicher machen. Dann fragte er Anne, ob sie ihn wieder auf ihrem flotten Flitzer bis zum Hotel mitnehmen könnte, und lächelte sie dabei so verschmitzt an, dass sie nicht widerstehen konnte und zusagte.
Dieses Mal schlang Andreas seine Arme gleich um ihre schlanke Taille, als sie den Motor ihres Rollers startete. Vor dem Hotel angekommen, lud er sie noch auf einen Kaffee oder eine Flasche Wein in die Bar ein. Doch sie lehnte höflich, mit der Begründung, dass ein Mann auf sie zu Hause wartete, ab. Er schaute zwar etwas verwundert, aber verabschiedete er sich lächelnd von ihr.
„Wir sehen uns ja morgen wieder.“
„Ja, dann bis morgen“, gab Anne zurück und startete ihren Piaggio-Roller.
Kaum dass sie weg war, lief Andreas in sein Zimmer und sah sich noch einmal die Akte von Annemarie Kamp durch. Da stand nichts von einem Mann oder Freund. Haben da seine Kollegen vielleicht etwas übersehen, fragte er sich. Sein Entschluss stand fest. Er musste der Sache auf den Grund gehen. Schnell zog er sich um. Wenig später verließ er das Hotel und nahm die zweite Querstraße, welche nach oben in das kleine Viertel führte, in dem Anne wohnte. Die enge Gasse lag im völligen Dunkel. Das krasse Gegenteil zu den Straßen, die sich zwischen den vielen Hotelanlagen und Geschäften durch die ständig wachsende Stadt schlängelten.
Mühelos, sich immer im Schatten haltend, sprang er über die Mauer und schlich sich der ihm noch abgewandten Seite des Hauses zu.
„Na, mein Schatz, hat es dir geschmeckt?“, hörte er Annes Stimme und versteckte sich schnell hinter einem Strauch, ohne den Blick von der beleuchteten Terrasse zu lassen, auf die sie gerade trat. Eine weiße Katze umschmeichelte ihre nackten Beine.
Das also war ihr >Mann<, stellte Andreas erleichtert fest, nachdem er den Kater gesehen hatte. Gerade als er sich umdrehen und wieder gehen wollte, nahm er aus seinem Augenwinkel wahr, wie die Frau ihren Bademantel fallen ließ. Plötzlich und für ihn unerwartet stand sie vollkommen nackt im Licht, welches sie von der Terrasse und vom Pool her anleuchtete. Er beobachtete, wie sie den Gummi aus ihrem Haar zog und den Kopf so schüttelte, dass ihre blonde, lange Mähne herumwirbelte. Ihr Haar umspielte ihren Oberkörper, sodass er den Blick nicht von ihr lassen konnte. Dann sprang sie mit einem eleganten Kopfsprung ins Wasser ihres Pools und zog eine Bahn nach der anderen, während der Kater um seine Beine schlich. Andreas kauerte sich neben die Katze und streichelte sie, dass sie zu schnurren begann. „Na, mein Kleiner? Geht es dir gut?“, flüsterte er dem Tier zu und lächelte dabei versonnen. Nach einer Weile lief der Kater zurück. Geduldig wartete er am Beckenrand auf sein Frauchen.
Andreas war gefesselt vom Anblick dieser Frau, wie sie spielerisch leicht und doch schnell wie ein Pfeil durchs Wasser glitt. Dann drückte sie sich mit Schwung am Rand hoch und setzte sich an den Beckenrand, wo sie ihr Haar seitlich nach vorn nahm, um das Wasser daraus auszudrücken. Als sie aufstand und sich herumdrehte, konnte er, noch immer versteckt im Gebüsch, ihre straffen, wohlgeformten Rundungen sehen. Diese Frau schien vollkommen zu sein. War er anfangs nur beeindruckt von ihrer ganzen Art, wie sie sich anderen gegenüber gab, wie sie gern ihren Mitmenschen half. So war er nun fasziniert von ihrer Schönheit und Ausstrahlung. Unbemerkt schlich er sich zurück zur niedrigen Mauer. Er ging ebenso lautlos, wie er gekommen war.
Anne zog ihren kuschelig, weichen Bademantel über und wickelte ihr Haar mit einem Handtuch zu einem Turban zusammen. Gemütlich setzte sie sich auf ihre Hollywoodschaukel und genoss den lauen Abend. In Gedanken ging sie noch einmal die beiden Tauchgänge des Tages durch. Immer wieder huschte dabei ein Lächeln über ihr Gesicht. Dieser Mann hatte es geschafft, sie zu beeindrucken. Das Geheimnis, welches ihn zu umwittern schien, machte ihn nur noch zusätzlich interessant für sie. Immer wieder fragte sie sich, was die Narben auf seiner Brust zu bedeuten hatten, woher sie stammten und warum er so bemüht war, sie zu verbergen. Wieso konnte er so gut und vor allem lange tauchen, obwohl er doch nun erst den fünfzigsten Tauchgang in seinem Logbuch verzeichnen konnte? Noch nie hatte sie erlebt, dass einer schon nach so wenigen Tauchgängen so gut war und mit so wenig Blei und Luft auskam. War er vielleicht nur so ein Naturtalent? Wie er sich geschmeidig im Wasser bewegte, als wäre es sein Element. Und wie er so selbstverständlich mit der Schildkröte umgegangen war und diese wirklich ganz ohne Scheu war, ebenso wie der Oktopus. Ob die Tiere merkten, dass von ihm keine Gefahr ausging? All das ging ihr durch den Kopf, während sie ihren Kater Miekosch kraulte, der es mit leisem Schnurren genoss. Anne ertappte sich dabei, dass sie begann, den Mann zu mögen und mehr für ihn zu empfinden. Doch den Guides war es verboten, eine Liebelei oder Ähnliches mit den Gästen anzufangen. Sie wusste, dass sie sich zurückhalten musste, wenn sie ihren Job auf dieser Tauchbasis behalten wollte.

6
Nachdem Andreas im Hotelzimmer angekommen war, stellte er sich erst einmal unter die kalte Dusche. Nur ein Badetuch um die Hüften geschwungen, setzte er sich danach auf den Balkon und blickte versonnen über das Meer bis zum Horizont, wo gerade der Mond als Sichel aus dem Wasser stieg.
Zurück im Zimmer nahm er sein Handy zur Hand und wählte eine Nummer. Nachdem die Verbindung stand, meldete er sich und lauschte in den Hörer. Nach kurzer Zeit beendete er das Telefonat mit einem: „Okay, bleibt weiter in Bereitschaft und haltet den Kontakt zur ägyptischen Marine aufrecht. Wir werden morgen auf der >Amun-Re< sein.“ Er legte das Telefon zurück zu seinen Sachen, zog sich wieder an und ging zum Abendessen in den klimatisierten Speisesaal des Hotels. Mit großem Appetit und Hunger bediente er sich am reichhaltigen Büfett. Beim Kellner orderte er ein Glas hiesigen Rotwein und für den morgigen Tag drei große Flaschen Wasser.
Während das Nachtleben in Hurghada gerade erst begann, legte er sich in sein Bett und war wenig später eingeschlafen.

Am nächsten Morgen stand pünktlich um acht Uhr der blaue Toyota-Jeep mit dem großen Logo der Tauchbasis auf der Motorhaube vor dem Hotel, um seinen Tauchgast abzuholen.
„Guten Morgen Ali“, begrüßte Andreas den kleinen Fahrer des Toyotas fröhlich, während er seinen Rucksack auf die Ladefläche legte und danach zu ihm ins Fahrerhaus stieg. Ali lächelte den großen Mann an und wünschte ebenso einen guten Morgen.
„Haben du gut geschlafen?“, fragte er höflich, während er den Wagen startete.
„Danke, gut. Und du?“, gab er zurück. Darauf nickte ihm der Ägypter nur zu und konzentrierte sich auf den Verkehr. An der Tauchbasis angekommen, bedankte sich Andreas beim Fahrer. Er nahm seinen Rucksack und setzte sich in eine gemütliche Ecke, von wo aus er die gesamte Terrasse der Basis überblicken konnte, die sich allmählich mit Tauchgästen zu füllen begann. Er hatte zwar schon den schwarzen Piaggio-NRG-Roller, mit den beiden in Silbergrau und applizierten Tauchern darauf, auf dem Parkplatz hinter der Basis stehen sehen, konnte Anne aber nirgendwo entdecken, was ihn zu beunruhigen begann. Unter dem Vorwand, sich ein neues T-Shirt kaufen zu wollen, ging er ins Office und fragte, nachdem er von Isolde freundlich bedient wurde, wo denn Anne stecken würde. Er hätte sie noch gar nicht gesehen.
„Oh, entschuldige bitte, Andy“, gab die Chefin der Basis zurück, „vielleicht kann es eine Weile länger dauern, bis ihr auslaufen könnt. Es gab einen kleinen Unfall. Sie ist bestimmt noch in unserem Sanitätszimmer.“
„Warum? Ist ihr was passiert?“, wollte der Andreas nun erschrocken und besorgt, wissen.
„Nein, nein, ihr nicht. Ein ägyptischer Angestellter von uns hat sich im Hafen verletzt und sie behandelt ihn gerade“, antwortete die Frau hinterm Tresen freundlich. Er bot sofort seine Hilfe an und ließ sich den Weg zum Behandlungsraum erklären.
„Er befindet sich hier im Gebäude, rechts neben unserem Schulungsraum“, gab ihm Isolde die Auskunft.
Andreas bedankte sich und machte sich sofort auf den Weg zu diesem Raum und klopfte an die Tür. Ohne erst eine Antwort abzuwarten, trat er in das kleine Zimmer. Ganz selbstverständlich schritt er auf Anne und den Mann zu, zog sich ein Paar Gummihandschuhe aus der bereitstehenden Box, die neben der Liege auf einem Tisch stand, über. Er ging auf die andere Seite des verletzten Ägypters, der auf der Behandlungsliege lag. Freundlich wünschte er beiden einen guten Morgen. Noch bevor Anne etwas sagen konnte, griff Andreas zu einem Tupfer und begann die Wunde am linken Bein des Mannes zu reinigen. Währenddessen kümmerte sie sich weiter um die Platzwunde an der Stirn und sprach dabei mit ihm auf Arabisch.
Nachdem Andreas die Wundränder gereinigt hatte, sagte er an sie gewandt: „Die Wunde ist sehr tief. Habt ihr hier auch was da, um so was zu nähen?“
Anne sah den Mann mit weit aufgerissenen Augen erstaunt an. „Verstehst du denn etwas davon?“
„Na ja, für den Hausgebrauch reicht es allemal“, antwortete er, „Also was ist nun, habt ihr so was oder nicht? Übrigens, die kleine Platzwunde an seiner Stirn brauchst du nur mit einem Strip versehen, das müsste reichen“, meinte er, als er sich auch diese Wunde kurz ansah, nachdem sie diese fertig desinfiziert hatte. Sie zeigte auf einen Glasschrank hinter ihm und schnitt den Pflasterstrip für die Verletzung an Farid´s Stirn zurecht.
„Wie ist das passiert?“, wollte Andreas wissen, während er eine Spritze zur örtlichen Betäubung aufzog und die letzte Luft aus Kolben und Kanüle drückte, bis die ersten Spritzer des Mittels aus der Nadel perlten. Sie erklärte ihm, dass Farid vom Boot steigen wollte, als er ausrutschte und über die Kaimauer zurückrutschte, wobei er sich die Verletzung am Bein zuzog und mit dem Kopf dabei unglücklich auf einen Stein aufschlug.
„Sag unserem Patienten bitte, dass es jetzt etwas pikst, er aber danach erst einmal keine Schmerzen weiter haben wird“, bat Andreas und wartete ab, bis sie es übersetzt und Farid ihm zugenickt hatte. Dann setzte er die Spritze zu jeder Seite der Wunde dreimal an und wartete eine Weile, bis die Wirkung eintrat, um die Verletzung nähen zu können. Anne war beeindruckt, mit welcher Geschicklichkeit und Sicherheit er arbeitete und die Naht setzte. Als sie dann gemeinsam das Bein des Ägypters verbanden, fragte sie ihn, ob er Arzt sei. Andreas lächelte sie an und antwortete etwas ausweichend.
„Nein, das bin ich nicht. Aber ich sagte doch, dass es für den Hausgebrauch reicht.“ Dann wandte er sich an Farid. „Ja mein Freund, da wirst du heute wohl mal von den Chefs frei bekommen und dein Bein hochlegen. Und lass den Verband drum, dass nicht der feine Sand oder Staub dran kommen kann. Wir sehen es uns morgen wieder an.“
Sie lächelte ihrem ägyptischen Freund zu und übersetzte, was der Mann gerade gesagt hatte. Während sich die beiden ihre Handschuhe auszogen, stand Farid schon wieder vorsichtig auf und bedankte sich bei ihnen. Anne drückte ihm noch eine Schachtel Schmerztabletten in die Hand und gemeinsam verließen sie den Behandlungsraum, wobei sie den Ägypter stützten. Sie rief laut den anderen Männern etwas auf Arabisch zu. Schnell stieg Ali in seinen Wagen und kam zu ihnen herübergefahren. Sie setzten Farid vorsichtig zu ihm ins Fahrerhaus und Anne bat ihn, Farid nachhause zu bringen, dann wandte sie sich Andreas zu.
„Ich sag nur im Büro Bescheid, dann können wir los.“ Kurze Zeit später kam sie zurück und er half ihr, die schwere Tauchequipmenttasche auf die Ladefläche des bereitstehenden Pick-ups zu heben.
Am Hafenbecken angekommen, hielten sie direkt vor ihrem Boot. Andreas wollte noch seine Tasche aus dem Schauer holen, als ihm einer der Angestellten sagte, dass sie bereits an Bord der >Amun-Re< gebracht wurde.
Anne wurde derweil von den anderen Ägyptern umringt, die sich nach ihrem Kollegen und Freund erkundigten. Dann sprangen beide auf das Boot und die zurückbleibenden Männer winkten ihnen nach, während die >Amun-Re< den schützenden Hafen verließ.
„Willkommen auf der >Amun-Re<, dem Sonnengott, Gott des Windes und der Luft“, begrüßte Anne ihren Tauchgast auf dem kleinen Boot und stellte den Kapitän Rashid und Schiffsjungen Ahmed vor. Dann fragte sie. „Und wohin möchtest du? Wenn es Wind und Wellengang zulassen, bringt uns Rashid gern hin.“
„Wie wäre es mit einem nur sehr selten angefahrenen Riff? Ich meine, wo nicht so viele Taucher sind. Ich mag die Neoprenfischsuppe nicht gerade so besonders“, gab Andreas zu, während er seinen Tauchanzug auf den Bügel hängte und sein Equipment an die bereitstehende, gelbe Nitrox-Stahlflasche anschloss.
„Das wird heute etwas schwer“, gab Anne zu, „wir haben ziemlichen Wellengang und nur eine kleine Nussschale. Außerdem sind alle Boote schon lange draußen.“
„Dann fahren wir doch einfach auf gut Glück los“, schlug Andreas vor, „und schauen mal nach, wo noch kein Boot steht und machen da dann fest.“
„Die meisten sind heute nach Süden gefahren, also versuchen wir es mal in Richtung Norden, wenn Rashid einverstanden ist. Aber ich warne dich, wir werden ganz schön schaukeln. Also sichere lieber alles so, dass es uns nicht wegfliegen kann.“
„Ich hab nichts gegen einen Ritt auf den Wellen“, rief er ihr nach, als sie schon auf dem Weg zum Oberdeck war, um dem Kapitän Bescheid zu geben. Gemeinsam mit dem Schiffsjungen sicherte er in der Zwischenzeit die Anzüge und Nitroxflaschen mit Seilen.
Als Anne zurückkam, saß Andreas, wie auch schon die beiden Tage zuvor, in seinem T-Shirt auf den Stufen zur Taucherplattform. Sie trat neben ihn und fragte: „Sag mal, warum trägst du immer dieses Shirt? Hast du Angst vor der Sonne?“, und als er sie von unten her ansah, fügte sie hinzu: „Oder ist es wegen der Narben? Ich habe sie schon am ersten Tag gesehen, als du eingeschlafen warst. Brauchst dich deshalb nicht zu schämen. Außerdem sind wir hier allein.“ Sie war froh, dass es endlich raus war, was sie schon die ganze Zeit beschäftigt hatte. Gespannt wartete sie auf seine Reaktion.
Andreas sah Anne, die neben ihm stand, fest in die Augen. Ein leichtes Grinsen zog über sein Gesicht, als er sagte: „Ja, ich schäme mich manchmal wegen der Narben. Und ich kann die neugierigen, verstohlenen Blicke und das Getuschel hinter vorgehaltener Hand nicht ertragen. Ich bin es leid zu merken, wie die Leute sich deshalb erschrecken und mich meiden wie die Pest.“ Er überlegte eine Weile und meinte dann: „Aber du hast Recht, wir sind hier allein und die Sonne würde mir guttun auf der Haut. Nur wenn es dir doch unangenehm ist, so sage es bitte.“ Noch während er das sagte, zog er sich das Shirt über den Kopf und beobachtete dabei ganz genau, wie sie darauf reagierte.
Anne bekam wieder die rosa Narben, die sich über seinem Brustkorb zogen, zu sehen, nur sah sie nun nicht nur ein Stück seines Oberkörpers, sondern den Ganzen. Dann entdeckte sie eben solche Spuren, allerdings noch mehr davon und andere sowie auch ältere Narben auf seinem Rücken und dem Rest des Oberkörpers. Sie war entsetzt darüber, was sie sah, aber versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, sondern sagte nur wie nebenbei: „Na bitte, so ist es doch viel besser und wenn du nicht darüber reden willst, dann musst du das auch nicht.“ Dabei lächelte sie ihn, gespielt fröhlich, an.
Gemütlich schlenderte sie in den kleinen Salon, um sich einen Tee zu machen. Als Andreas dazu kam, um sein Shirt in die Tasche zu packen, bot sie ihm auch ein Glas des heißen Getränks an.
Ahmed, der gerade in den Salon kam, um Anne etwas vom Kapitän auszurichten, erschrak sehr, als er den Oberkörper von dem Tauchgast sah. Anne lächelte Ahmed an und nickte, als wenn nichts wäre.
„Eiyoua, Schukran“, dann sagte sie noch etwas auf Arabisch und schon verschwand der junge Mann wieder nach oben.
„Andy, hast du schon einmal einen Drifttauchgang mit Pick-up gemacht?“, wollte sie von Andreas wissen.
„Wie meinst du das?“, fragte der unsicher zurück.
„Da heute die Strömung ziemlich stark ist“, fing sie zu erklären an, „hat der Kapitän einen Drift-Pick-up an >Umm Gamar Foc< auf der östlichen Seite dem Riff folgend vorgeschlagen. Das heißt, er setzt uns bei laufendem Motor und kurz angehaltener Schraube, nach seinem Signal, an der Riffspitze ab und wir tauchen dann mit der Strömung, rechte Schulter zum Riff an der östlichen Kante entlang. Bei 50 bar tauchen wir von der Riffkante weg und machen unseren Sicherheitsstopp im Blauwasser, während wir bereits eine Tauchboje nach oben lassen. Die >Amun-Re< wird uns dann von dort wieder abholen. Sie werden uns ein Seil zuwerfen und ans Boot ran ziehen, wo wir einzeln aussteigen können. Danach fahren wir an die geschütztere Südseite, um dort unsere Oberflächenpause zu machen und was zu essen. Was hältst du davon?“
Andreas war begeistert. „Das klingt gut. Und wie ist der Tauchplatz da?“, wollte er wissen.
„Dem Riff schließt sich ein Plateau mit einer Tiefe zwischen zwölf und dreiundzwanzig Metern an und endet in ein schön bewachsenes Drop-Off, sprich einer Steilwand, die ziemlich tief nach unten geht“, erklärte sie kurz und hatte somit bereits das Briefing abgeschlossen.


 
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wirena

Mitglied
Liebe Sonja59

bis dahin bin ich gekommen und die Erzählung packte mich - sehr spannend beschrieben - doch nun, siehe Zitat:

Auch die Bezüge der Stühle in der Essecke hatten sie selbe Farbe.
lässt mich stoppen - Korrektur:
Auch die Bezüge der Stühle in der Essecke hatten die selbe Farbe, wäre meines Erachtens richtig - denke dem ist so. Doch ich schaffe es nicht, nochmals soviel Text zu lesen - es ist ja alles unter Beobachtung - Foren Redakteure z.B. :)

- mein Erleben: es ist keine Erzählung, sondern der länge wegen ein Roman - wer weiss, vielleicht werde ich mir diesen irgendwann später wieder aus der Leselupe pflücken und weiter lesen... doch nun muss ich weiter, zurück zu mir - Haushalten und nicht zuletzt auch die Beine hochlagern :)
 

petrasmiles

Mitglied
Sehr spannend, liebe Sonja, ich dachte gar nicht, dass ich das in einem Rutsch bis zum Schluss lesen würde, aber Du hast die Spannung sehr gut dosiert.
Nun möchte ich natürlich wissen, wie es weiter geht.
Kommt da noch was?

Liebe Grüße
Petra
 

Sonja59

Mitglied
Hallo wirena , hallo Petra,

recht herzlich dank fürs lesen und dass ihr darauf reagiert habt.
Wirena, recht herzlichen Dank, dass Du diesen Tippfehler gefunden hast. Keine Ahnung wie oft ich den schon überlesen hatte. Habe ihn gleich bereinigt. Und ja, Dein Gefühl trügt nicht. Es ist ein Roman, nur habe hier ein Problem den Text dem entsprechenden Forum zuzuordnen. Es ist teils ein Triller, Teils aber auch wieder nicht. Ich würde ihn lieber als Action-Roman bezeichnen wollen. Denn für einen Triller ist zu viel "normales LEBEN" im Inhalt. Enthalten.
Den ersten Teil, (aber bei weitem noch nicht vollständig) denn es sind bis jetzt schon 4 aufeinander folgende Geschichten, habe ich bei Krimi und Triller ins Forum gestellt.
Und ja, Petra,
natürlich kommt da noch mehr.
Nochmals Danke fürs lesen und Eure Einschätzung zum Text.

LG
Sonja 59
 
Hallo Sonja,

ich habe die Geschichte mal gelesen, habe aber jetzt keine Zeit, die Fehler aufzuzeigen, die ich gefunden habe.
Aber ich frage mich, ob dieser Andreas derselbe Andreas ist, mit dem Thomas kurz vor Ende der anderen Geschichte so geheimnisvoll telefonierte. Die beiden Geschichten gehören irgendwie zusammen, habe ich verstanden. Richtig?

Übrigens gibt es bei meinem Kommissar Zufall eine neue Episode ...;)

Liebe Grüße,
 

Sonja59

Mitglied
Hallo Rainer,
Danke fürs Lesen. Und nein, es ist nicht der Stiefbruder von Thomas. Sondern der Mann af der Liste die sie anrufen sollte, den sie als einzigen nicht erreicht hatte. Er gehört nun mal zu der Truppe dazu und trifft da als einer der Hauptakteure in Erscheinung.
Ich wünsche Dir trotz der wenigen Zeit, ein schönes Wochenende.

LG
Sonja
 

Sonja59

Mitglied
Sorry für die vielen Tippfehler vorhin. Hatte ich auf dem Handy geschrieben. Es ging also um die Liste, die Romana zu Beginn bekommen hatte, um Ralfs ehemaligen Kameraden das erste mal zu kontaktieren.
Am liebsten würde ich Dir ja gleich das ganze Manuskript zukommen lassen. Geht hier ja aber leider nicht. :(
So und jetzt werde ich mal bei meinem Freund Kommissar Zufall vorbei schauen. :)

LG
Sonja
 
Hallo Sonja,

ich fange mal an.
Kapitel 1:
„weil da so viele Fachbegriffe drin stehen, die nicht unbedingt jeder versteht.“ neue Zeile, da nicht seine Aktion Wieder sah Anne zu dem Mann mit den stahlblauen Augen auf, die so gar nicht zu seinem schwarzen Haar zu passen schienen, ihn aber gerade deshalb irgendwie besonders machten.
ob auch alle Passagiere angeschnallt und die Rückenlehnen in senkrechte Position gebracht wurden waren.
„Haben Sie denn gar keine Angst?“, fragte dieser, wie es ihr schienKomma etwas besorgt.
„Die Jungs da vorn im Cockpit wissen schonKomma was sie tun.
also werden sie auch alles dafür tunKomma damit wir nicht abstürzen.
Also tun sie auch allesKomma um das Flugzeug heil runter zubringen zu bringen“,
Dann sah sie freundlich lächelnd in das Gesicht des ihm ihr so unsympathischen Mannes und sagte noch: „Ich hoffe, ich habe ihnen Ihnen das so erklärt, dass sie Sie es verstehen und keine Angst mehr haben.
„Wieso?“, wollte Anne wissen,Punkt „Es ist doch ein Buch über Tauchtechnik.“
Als wirklicher Taucher,kein Komma hätten Sie ihr Ihr eigenes Equipment und
von innen öffnete und seine Sitznachbarin nach dem Eintreten hinter sich die Tür wieder schloss.
„Wenn sie Sie meinen“, gab Annemarie daraufhin, noch immer lächelnd, nur wage zurück. Das Interesse von Andreas,kein Komma für diese Frau, die neben ihm saß, war nun erst recht geweckt.
Sie Griff griff nach hinten und zog eine Spange aus ihrem Haar.
setzte Anne sich auf eine Bank und beobachtete die nervösenKomma oft sogar schimpfenden und unzufriedenen Menschen.
Motorrollers vom Typ Piaggio NRG 50, welches welcher mit einer feinen Sandschicht bedeckt war. Holte Sie holte den Helm aus der Sitzbank und startete kurz darauf die Maschine. Langsam und vorsichtig fuhr sie an den,kein Komma auf die Touristen wartenden Reisebusse vorbei.
Der Mann sah der rätselhaften Frau,kein Komma mit dem blonden, im Fahrtwind wehenden Haar,
Anne lachte kurz aufKomma als sie im Rückspiegel den Mann so verdattert dastehen und ihr nachblicken sah.

Kapitel 2:
ging zurück zu ihrem Haus, welches auf einem Hang,kein Komma oberhalb von Hurghada lag.
bestehend aus einer praktischen Liegecouch und zwei nicht so plumpen Sesseln, die sie mitten im Raum,kein Komma vor einem niedrigen Glastischchen platziert hatte

Kapitel 3:
Sie stülpte sich den schwarzen Helm über das, zu einem dicken Seitenzopf geflochtene, Haar hier würde ich keine Kommata setzen, bremst unnötig
Anne würde heute den Halbtagesausflug mit nur einem Tauchgang, zusammen mit ihrem Kollegen Rolf Wagner, übernehmen. hier ebenso
Damit hatte sie noch genug ZeitKomma ihr Tauchequipment zu überprüfen, bevor die ersten Tauchgäste, nach ihrem eigenen dreiwöchigen Urlaub, diese Information würde ich irgendwo früher im Text einbauen, wirkt hier wie ein Fremdkörper eintreffen würden.
auf die Terrasse der Basis schaute und inmitten der anderen Leute den groß gewachsenen Mann wieder erkannte ich glaube, das schreibt man in diesem Fall in einem Wort,
Freundlich lächelnd trat sie auf die kleine Gruppe bon von Männern und Frauen zu
In der Zwischenzeit traf der blaue Pick-up, der die anderen zum Hafen gebracht hatteKomma wieder einPunkt und Annes Gruppe konnte ihr Gepäck auf die Ladefläche des Wagens packen und sich mit dazusetzen dazu setzen.
Andreas beäugte die Frau, die ihr Tauchguide warKomma heimlich aus dem Augenwinkel.
Währenddessen die Tauchtouristen ihre Neoprenanzüge auf die dafür vorgesehenen Bügel hängten und ihre Westen mit Geräten,kein Komma an die bereitstehenden Pressluftflaschen anschlossen, begrüßte Anne freudig die Besatzung der >Al Shams< und steckte ihnen kleinen Mitbringsel aus Deutschland zu.
„Isolde und Uwe,kein Komma werden wir nach dem Checkdive verabschieden, sie können
„Und wie ist es mit dirKomma Andreas?
Dabei begleitete sie die Beiden beiden mit der geringsten Taucherfahrung bis zum sandigen Grund, wo die anderen geduldig auf sie warteten.
Anne gab nacheinander jedem der Taucher das ZeichenKomma seine Maske zu fluten und beobachtete genau wie derjenige die Taucherbrille wieder ausblies,
bemerkte sieKomma wie bei einem Taucher viele große Luftblasen von der ersten Stufe, die sich direkt an der Pressluftflasche befand, bei einem der Taucher entwisch entwichen.
„Hättest mir an Bord der Maschine ruhig sagen könnenKomma was Du machst.
um sich die erste Stufe seines Lungenautomaten anzusehen, aus der die Luft so schnell entwischen entwichen war.
Dann schloss sie eine andere, noch volle,kein Komma Pressluftflasche an, um den Lungenautomaten zu testen.
Er bedankte sich noch einmal bei Andreas und stieg erleichtert,kein Komma mit seiner Freundin,kein Komma aufs Oberdeck.
Die breiten Schultern und die schmalen Hüften,kein Komma ließen sein Kreuz wie ein V erscheinen.
„Tut mir leid,kein Komma wegen des verpatzten Tauchgangs für Dich dich“, sagte sie entschuldigend.
Auch im folgenden Absatz hast Du die Personalpronomen 'du' und 'dich' groß geschrieben, die müssen natürlich klein sein.

Hier muss ich abbrechen, denn die Arbeit ruft ...

Liebe Grüße,
 

petrasmiles

Mitglied
Personalpronomen 'du' und 'dich' groß geschrieben, die müssen natürlich klein sein.
Müssen Sie das?
Es hat eine Rechtschreibreform gegeben, aber danach auch wieder 'sowohl als auch' Lösungen. Kein Mensch muss Filosofie schreiben.
Mir persönlich ist an der Großschreibung von Du und Dich und Dir gelegen, nicht, weil ich altmodisch bin - das auch - aber mir leuchtete das Konzept dahinter ein, und das scheint mir nicht falsch geworden zu sein, sondern nur 'obsolet' in anderen, jüngeren Augen.
Also, ist es ein 'kann' oder 'muss'?

Liebe Grüße
Petra
 

Sonja59

Mitglied
Hallo Rainer und hallo Petrasmiles,

Erst einmal an Rainer, recht herzlichen Dank für Deine Mühe die Du Dir wieder gemacht hast. Ich habe natürlich wieder alles übernehmen können.

Und Petrasmiles,
Rainer hat völlig Recht was die Groß- und Kleinschreibung der Personalpronomen angeht. Natürlich schreibe ich in Briefen die persönliche Anrede auch groß, wie Du hier siehst.
Doch im Text bei der Anrede schreibe ich eigentlich du, dir und dich klein. Ab und an sind dann aber meine Finger schneller als mein Kopf und ich schreibe es (aus Gewohnheit) groß wie in Briefen und Anschreiben. Die Höflichkeitsform , also Großschreibung gilt dann bei Sie, Ihnen & Co. bei der Ansprache aber auch in den Texten. Und da ich für gewöhnlich du dir und dich im Text klein schreibe, wäre es doch auch irritierend, wenn ich es dann zwischendrin auf einmal groß weiter schreibe.

LG und noch einen schönen Abend
Sonja
 

wirena

Mitglied
hmmm - interessantes Thema, das Gross- und Kleinschreiben bei Anreden - ich bin da nicht konsequent - so gefühlsmässig schreibe ich klein, wenn ich das Gefühl habe im Chatstilmodus zu sein und Gross, wenn ich einen Brief an eine Person schreibe - auch Klein unter sehr guten Freunden, im Alltag eben, wenn es aber um etwas wichtiges geht, schreibe ich auch bei Freunden ebenfalls wieder Gross - eben halt so, wie es mir in die Finger kommt - ist das schlimm? - braucht es genaue Regeln, die einzuhalten sind?

Lg wirena
 

Sonja59

Mitglied
Hallo wirena,

Na ja, mir geht es da so ähnlich. Nur sollte man dann schon in einem längeren Text, wie in dem Fall, einem Roman, sollte man sich dann schon an eine gewisse Form halten und da nicht mal groß und dann wieder klein schreiben. Wenn ich in der wörtlichen Rede, also mit Anführungszeichen das du, dir oder dich, verwende, so ist es doch so wie wenn ich mit einem guten Freund spreche. Also klein geschrieben. Spreche ich dagegen vielleicht eine ältere Dame an , so spreche ich sie ganz höflich mit Sie, Ihnen und Ihr, also ganz höflich an. Anders dann kleingeschrieben wenn ich zum Beispiel erzähle: ich sehe dort ihren Hund laufen. Spreche ich die Dame aber direkt an dann schreibe ich es . Ich sehe dort Ihren Hund laufen.
Und ja in einem Brief oder Anschreiben gebietet es die Höflichkeitsform das Personalpronomen groß zu schreiben. Schreibe ich meinen Freunden per WhatsApp, dann schreibe ich du, dir, dich auch klein, was nach der Rechtschreibereform auch so richtig ist.
Wie gesagt, in einem längeren Text ist es auf jeden Fall ratsam eine einheitliche Form beizubehalten.

LG Sonja
 

wirena

Mitglied
Danke Sonja - da stimme ich mit Dir ganz überein - langer Text = einheitliche Form -

LG und ebenfalls einen schönen Abend und morgen einen möglichst freudvollen Tag -

wirena
 
Hallöchen,

ist ja spannend, dass ich da eine kleine Diskussion ausgelöst habe. Natürlich hätte ich es noch etwas präziser formulieren sollen. Es geht um die Personalpronomen in der wörtlichen Rede. Aber in einem Erzähltext werden sie ohnehin klein geschrieben, weil da niemand persönlich angesprochen wird.
Auf jeden Fall ist die Regel so, wie Du es, Sonja, mit allen Eventualitäten dargelegt hast.
Unglaublich, aber wahr: Auch ich habe das früher falsch gemacht, weil es in Vergessenheit geraten war. Zwischen Schule und meinen ersten ernsten Schreibversuchen lagen halt mehr als dreißig Jahre. Hier in der Leselupe habe ich es dann wieder gelernt.

So, spät genug, denn fünf vor Zwölf.o_O

Liebe Grüße,
 
Guten Morgen, Sonja,

ich mache mal weiter mit Kapitel 3, Teil 2:
während sie auf den dem Weg in den Salon war, um sich einen trockenen Badeanzug zu holen.
nahm ihnen als Erstes die schweren Flaschen ab, kaum dass sie aus dem Wasser gestiegen waren.
Einer der Bootsbesatzung war in der kleinen Kombüse zu Gange, um den Gästen ein gutes Essen zu zuzubereiten,
Sie hatte die Beine hochgelegt und las in einem Buch, als Omar auf der anderen Seite damit begannKomma den Tisch zu decken.
Er war ihr sehr dankbar, dass sie ihm dabei halfKomma dDeutsch zu lernen.
Er dDeutsch von ihr und sie verbesserte,kein Komma dank seiner Hilfe die Aussprache ihres ägyptischen Dialekts.
Andreas hatte sich auf der Taucherplattform hinter der niedrigen Begrenzung zum Deck,kein Komma eine schattige Ecke gesucht und war eingeschlafen.
Die dreiköpfige,kein Komma sonst hätte dem Sinn nach jedes Mitglied der Crew drei Köpfe ägyptische Crew setzte sich im Salon, um zu essen.
Wo sie auch ihre Logbücher noch gemeinsam ausfüllen wollten. irgendwie hängt der Satz ohne Faden in der Luft, weil er zudem vom Sinn so mit dem vorherigen nichts zu tun hat. Vorschlag: Dabei (da ist der Bezug zum kühlen Bierchen) wollten sie gemeinsam ihre Logbücher ausfüllen.
Nachdem sich die Terrasse langsam leerte, mischte sich das Ehepaar, welches die Tauchbasis führteKomma mit unter die wenigen Gäste,Punkt der Satz ist zu lang, ich würde ihn trennen von denen die Meisten Die meisten von ihnen zählten schon mit zum festen Stamm derer zählten, die jedes Jahr wieder kamen wiederkamen. Es kam eine richtige, familiäre Stimmung auf.
Vielleicht kann sie dir helfen“, sagte Alfred, der Chef der TauchbasisPunkt und erklärte, „Sie ist hier nämlich unsere Technikerin.“ neue Zeile (Wechsel von Alfred auf Andreas) Als Andreas das hörte, senkte er den Kopf und sah Anne nur verlegen von unten her an. neue Zeile (Wechsel von Andreas zu Anne) Sie tat so, als hätte sie es nicht bemerkt, aber tief in sich drin, feierte sie doch. Sie sah sich den Atemregler an. „Oh, ich hoffe,
„NaKomma dann komm mal mit hinter nach hinten in die Werkstatt, wir schauen uns das erst einmal an“,
„Also der O-Ring hier ist es schon mal nicht.
Als sie auf der befestigten Hauptstraße angelangt war, gab sie ordentlich Gas und reihte sich in das Hupkonzert des Verkehrs,kein Komma ein. Immer wieder schlängelte sie sich durch schmale Lücken,kein Komma hinter- oder nebeneinander fahrender Autos und Kleinbussen, die hier als Taxen

Kapitel 4:
Liebevoll begrüßte sie ihren Kater, als sie zur Tür ihres Hauses herein kam und gab ihm
Vielleicht hatte er AngstKomma deshalb von den Menschen abgelehnt zu werden?
Da ihr Grundstück,kein Komma samt Pool von keinem ihrer Nachbarn einzusehen war, sprang sie nackt, wie sie war, ins Wasser, welches sich über Nacht angenehm abgekühlt hatteKomma und zog ihre Bahnen.
Als sie eingehüllt in ihrem ihren Bademantel zurück in die Küche kam,

Kapitel 5:
Er meldete sich nur knapp mit einem:kein Doppelpunkt „Ja“,kein Komma und lauschte dann angespannt und konzentriert seinem Gesprächspartner. Mit einem eben so kurzem, ebenso kurzen „Okay, alles klar“,kein Komma unterbrach er die Verbindung wieder
Doch seine Gedanken waren ganz wo anders woanders.
trank dazu eine kleine Flasche Wasser, die er sich,kein Komma gut gekühlt aus seiner Minibar geholt hatte.
Nachdem er in Ruhe gegessen hatte, setzte er sich,kein Komma mit seinem Rucksack,kein Komma raus auf die Stufen des Portals und wartete
bekam ein eben so freundliches:kein Doppelpunkt „Sab´bach all full“,kein Komma von ihm zurück
während er einen Bus mit lautstarkem Hupen überholte,Punkt „Anne mir
Der Fahrer sah seinem Fahrgast an und sagte ganz ernst:keine neue Zeile
„Anne gut Freund. Wir auf sie passen auf. Keiner tut weh ihr, keiner fassen sie darf an.“ neue Zeile Andreas hatte verstanden. Er lächelte dem kleinen ägyptischen Fahrer zu und meinte: „Das ist gut mein Freund. Dann tut das auch weiter.“ neue Zeile Nun sah Ali den Mann neben sich genauer an und fragte etwas vorsichtig: „Warum?“
bedankte sich fürs Bringen mit einem „Schukran“,kein Komma beim Fahrer.
Was Ali mit einem:kein DoppelpunktaAfran“,kein Komma erwiderte und auf dem Vorplatz wendete,
Unterwegs dort hin grüßte er höflich die Männer und FrauenKomma die noch gemütlich miteinander
Alfred kam mit der,kein Komma von den Gästen erwarteten,kein Komma Liste aus dem Office und befestigte sie an der Tafel, wo dann jeder sehen konnte, auf welchem Boot und mit welchem Guide er mit raus fahren hinausfahren würde.
Der stand an Land,kein Komma direkt am Kai und trug dafür Sorge, dass alles reibungslos ablief. Auf der >Queen II< meldete Dirk,kein Komma vierzehn Taucher mit drei Tauchlehrern,
Die Mmeisten fuhren Richtung Süden,
„Na ja“, gab Andreas lächelnd zurück, „ich mag es nun mal nichtKomma wie ein bunter Papagei rumzulaufen.“ neue Zeile Auch Annes sieben Millimeter
„Ich will doch hoffen, du hast nicht vorKomma Sprinttaucher zu spielen
steckte sich selbst nur zwei Einkilostücke in die Taschen seiner bleiintegrierten Weste. neue Zeile Anne war sehr überrascht, dass er wusste, wie viel Blei sie selbst benötigte.
„Oh, es ist zwar schönKomma wie ihr den Tauchplatz so genau und schön bunt auf eure Tafeln malt.
„Ich wäre auch gern vor den Anderen im Wasser. Ich mag das Gedränge nicht soPunkt“, und setzte noch hinzu. „Außerdem wollen wir
Ins Insgeheim dachte sie aber, dass er
Die UnterwasserströmungKomma gegen die sie schwimmen mussten, war doch etwas stärker,
Lautströmungsleine ??? an der Wasseroberfläche hätte die Strömung um einiges schwächer seinen sollen. Aber das eine stimmt nun mal,kein Komma nicht immer mit dem anderen überein.
Wird sicher ein kurzer Tauchgang, dachte sie, dabei beobachtete sieKomma mit welcher Leichtigkeit sich der Mann vorwärts bewegte
Dieser Mann war aber anders, er schien es zu genießenKomma sich Zeit zu lassen und alles genau zu betrachten.
Selbst kleine Nacktschnecken und zierliche Seenadeln,kein Komma blieben dem Mann nicht verborgen
Er ging bis auf wenige Zentimeter an das prächtige Tier heran, nahm seinen Atemregler aus dem Mund und grinste Anne breit an
sah dann wieder zu Andreas, der die einzelnen Buddyteams sehr genau zu beobachten schien.
Doch plötzlich stoppte er, nahm die Anne beim Arm und zog sie mit kräftigen Flossenschlägen
Sie folgte mit den Augen seinem ausgestreckten Arm und nahm,kein Komma erst zunächst nur ein paar dunkle Schatten wahr.
zurück zu der Stelle des Riffes fand, wo sie es verlassen hatten und die Führung übernahm.

Puh, das ist aber echt ein dickes Brett, dieses Kapitel. Ich muss hier mal abbrechen. Aber der Deckel Deines Kommastreuers sitzt nicht richtig. Da kam manchmal eine Menge unkontrolliert heraus.;)

Liebe Grüße,
 



 
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