V

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Ubertas

Mitglied
Hallo @trivial ,
das ist ein emotional aufgeladener Text. Hervorragend! Zwischen Wut, Enttäuschung, Vergebung und vielem mehr. Ich schrei dir ins Gesicht, schrei dagegen. Mir ist, als rührt sich nichts im Gegenüber. Keine Reaktion. Ein Fragezeichen bleibt wie ein Schrei.
Nur Gedanken zu einem außergewöhnlich gutem Gedicht!

Liebe Grüße ubertas
 

Aniella

Mitglied
Ein Kind begehrt auf gegen seine Mutter und fragt sich am Ende, ob der Vater die bessere Adresse gewesen wäre für die Vorwürfe?

Hier bin ich doch noch etwas ratlos, obwohl ich die Aufgewühltheit förmlich spüren kann …
 

trivial

Mitglied
Liebe Anita, liebe Aniella,

ein infantiler, ohnmächtiger Wutanfall – gegen Übermächtige und Unsichtbaren – in Euphemismen und Akrostichon versteckt, um die Contenance zu bewahren.

Liebe Grüße
Rufus
 

sufnus

Mitglied
Hey Rufus!
Der Sub-Titel (bzw. die "einzeilige Anfangsstrophe"), also das "Ich schrei dir ins Gesicht", ist mir zu "direkt" und fügt dem Gedicht keine Bedeutungsebene hinzu, es ist eher ein Explizifizieren (weia!), das mit blasseren Worten quasi "doppelt", was bereits im Akrostichon offensichtlich wird.
Als sehr gelungen empfinde ich aber die "Beschimpfungen" der ICH-HASSE-Strophen. Demgegenüber ist die DICH-Strophe vergleichsweise schon recht platt.
Und das "Und Vater?" lässt mir zu wenig Lesespielraum. Vielleicht möchte ich das Gedicht gar nicht mit Fragezeichen lesen. Und auch nicht mit einem beiordnenden "und". Wobei man eine kleine "Auflösung" am Schluss schon als hilfreich empfinden könnte. Oder? Ich grübele.
Nur ausgehend vom Titel "V" (der großartig ist, weil er so viele Denkanknüpfungen anbietet!), wäre ich vermutlich auf alles mögliche gekommen, aber evlt. dann doch nicht auf Vater. Oder doch. Hm. Na... vielleicht doch... doch... schon.
Aber: Ich wär mir meiner Sache nicht sicher gewesen und das wäre dann ja gerade der Kniff bei der Sache. :)
LG!
S.
 

trivial

Mitglied
Lieber Sufnus,

danke für deine Worte. Ich wollte den Text zuerst ohne Anfang und Ende einstellen – aber mir schien es (für mich) wichtig,
diese Ambivalenz zwischen: „Ich sag es dir jetzt ganz klar“ – und dann: wie es sich wieder versteckt, im unvermögen es zu adressieren – in der Art, wie ich die angesprochene Person rückblickend wahrnehme. Wie meine Gefühle verdreht und konditioniert sind, und wie leicht es mit Abstand ist, ein oberflächliches Urteil zu fällen – und warum alle Wut so gerichtet in eine Richtung geht. Ob drumherum nur ein Vakuum bleibt, ob da überhaupt irgendetwas, irgendeine andere Interaktion besteht. Ob er mehr ist als diese Leerstelle.

Dahingehend – auch wenn es eindeutig erscheint – war das V für vieles gedacht, aber leider nicht für Vater. Vielleicht stand es genau deshalb, weil es alles andere bedeuten sollte, dann doch genau für ihn.

Ich denke, du hast recht, dass der Text impliziter besser für alle funktioniert hätte – nur halt nicht für mich.

Liebe Grüße
Rufus
 

sufnus

Mitglied
....phuu sufnus, ist mir gar nicht aufgefallen - besten Dank - LG wirena
Rufus hat das Stichwort tatsächlich schon vorher schon erwähnt. :) Bei sehr kurzzeiligen Gedichten ohne Enjambements und mit Großbuchstaben am Zeilenanfang ist das, finde ich, meist recht schnell erkennbar. Ich bin aber auch schon von gut versteckten Akrosticheleien getückt worden. :)
Ansonsten erlaube ich mir mal noch eine etwas sparsamere Sternebewertung - insbesondere aufgrund der oben schon angedeuteten Nichtabgeholtheit im etwas eng sitzenden Abschlusssatz.
Aktuell habe ich den Eindruck, dass die Sterne auf der Lupe recht üppig regnen - da füge ich jetzt (und künftig ab und an mal) etwas sparsamere Astralisierungen bei - nicht aus Bosheit, sondern um der allgemeinen Buntheit willen. Sonst haben am Ende alle Beiträge nur noch 5-sternige Ausrufezeichen und es wird etwas monoton. Ist ein (zugegeben etwas gewagter) Versuch, um zu schauen, ob es die Diskussionen noch etwas (im positiv-inhaltlichen - nicht im streitlüsternen Sinne) weiter belebt. Sollte das ganz wider meine Absichten zu bad vibrations oder Entmutigungen führen, stell ich meinen Modus ganz flugs wieder um. Versprochen!
Mal schauen. :)
LG!
S.
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

Mitglied
Hey!
Ich habe aus gegebenem Anlass ;) nochmal über meine (zumindest in Teilen) skeptische und ubertas' sehr positive Rezeption dieses Gedichts nachgedacht und folgendes kam dabei heraus:
Meines Erachtens ist es eine der wichtigsten Leistungen von Literatur oder allgemeiner von Kunst (für die von mir hier verwendete Privat-Definitionen von "Literatur" und "Kunst": siehe unten), dass sie eine perfekte Übungswiese für den Umgang mit Meinungspluralismus darstellen. Aus diesem Grund ist es ganz besonders zu feiern, wenn - wie hier im Forum - zu einem Text zwei (oder noch viel besser: viele) möglichst unterschiedliche Meinungen geäußert werden.
Der Austausch über Literatur oder Kunst ist vermutlich eine der besten Möglichkeiten, sich darin zu üben, einen Meinungsgraben gerade nicht zuzuschütten, sondern so bestehen zu lassen wie er ist, aber ohne, dass darunter die wechselseitige persönliche Wertschätzung leidet (noch besser: vielleicht erlebt man gerade die andersgeartete Meinung als derart bereichernd - wohlgemerkt ohne sie zu übernehmen! -, dass gerade durch den Widerspruch die Wertschätzung noch weiter steigt!).
Abseits der Kunst sind ja nunmal oft genug doch private Interessen so stark von einer nicht-konformen Herangehensweise betroffen, dass es schwer fällt, den Graben auszuhalten. Ich schlafe z. B. nachts gerne mit offenem Fenster und mein Nachbar liebt es, zu sehr später Stunde bei einem gemütlichen Pfeifchen auf seinem Balkon zu sitzen und mit seinen Liebsten zu telefonieren, was aufgrund der räumlichen Nähe und unguter Luftströmungs- und Akkustikverhältnisse mein empfindliches Sensorium auf eine schwer zu ertragende Probe stellt. So sehr ich nun im Allgemeinen den Pluralismus schätze: Falls es doch höhere Mächte gibt, die einem wortmächtig vorgetragenen Fluch Folge leisten, so ist der arme Telefonierpfeifenfreund rettungslos verloren und wird einen furchtbaren Tod sterben (zu meiner Entschuldigung darf man hier angesichts einer gewissen Unverhältnismäßigkeit in Rechnung stellen, dass es diese höheren Mächte ja gerade nicht gibt und der ahnungslose Nachbar also vor allen Fährnissen gefeit bleibt).
Bei einer Diskussion über ein Gedicht, welches von einem gewissen S. als ganz interessant, aber "zu eng" empfunden wird, während eine gewisse U. gerade eine große emotionale Vielschichtigkeit bewundert, sind ja solche Privatinteressen nicht wirklich staatstragend im Spiel. Somit stehen eigentlich nur drei mögliche Hindernisse einer entspannten (bzw. inspirierenden) Meinungsdiskrepanz entgegen: Befindlichkeitsempfindlichkeiten, Indifferenz und grundhaft antipluralistische Haltungen. Das drei Hürden sind (abseits von begründbaren Egoismen wie meinem Schlaf- und Nachbars Pfeifenbedürfnissen) vermutlich auch jenseits von Gedichtdiskussionen die Haupthemmnisse für einen spannenden Diskurs.
Ich wünsche mir sehr, dass wir hier im Forum im Allgemeinen und zu diesem Akrostichon von Rufus im Besonderen noch viele nicht zusammengehende Meinungen austauschen können.
Ich mag das sehr! Und ich glaube, so etwas wirkt höchst geisterfrischend. :)
Danke daher an dieser Stelle an ubertas und natürlich auch bzw. an erster Stelle an Rufus! :)
LG!
S.
 

sufnus

Mitglied
Häh? Jetzt fehlte obig meine anmoderierte Defintion… also gut... dann reiche ich die hiermit nach. :)

Suffis für diesen Thread spezialgefertigte, private Kunst- und Literaturdefinition:

Kunst ist jede Geisthervorbringung, welche den hauptsächlichen Zweck verfolgt, bei einem Teil des rezipierenden Publikums zu einem emotionalen Aha-Erlebnis zu führen, wobei die Künstlerin bzw. der Künstler zugleich auch ein Teil des Publikums darstellen. Die Qualität des Kunstprodukts ist hierbei wohlgemerkt irrelevant. Was für die Einkategorisierung als "Kunst" zählt, ist einzig und allein der verfolgte Zweck. Sollte sich das emotionale Aha-Erlebnis völlig auf die Künstlerin oder den Künstler beschränken, ist das Kunstwerk als (nahezu) vollständig gescheitert anzusehen, aber Kunst ist es trotzdem.

Für Literatur gilt sinngemäß die gleiche Definition, wobei Literatur solche Kunst ist, bei der sich ein vollständiges Kunsterleben durch "Lesen" (im weitesten Sinne) ergibt. (ich bin btw. mit dieser Literaturdefinition noch nicht ganz glücklich, weil noch nicht daraus hervorgeht, was der Unterschied zwischen dem "Lesen" einer Notenpartitur und eines Gedichtes darstellt bzw. worin der Unterschied zwischen der Betrachtung eines Bildes und der Betrachtung von visueller Poesie liegt - aber für die grundsätzliche "Pluralismusfrage" mag die Definition erstmal ausreichend Grundlage bieten)
 

wirena

Mitglied
Hallo sufnus - ich habe mir mal alles herauskopiert, damit ich diesen spannenden Austausch vor mir habe und nichts verloren geht - Anmerkung: mache hin und wieder auch die Erfahrung, dass der PC ein Eigenleben entwickelt... muss ende Herbst das Neue Office installieren - mein Sohn werde ich dazu bemühen müssen - doch z.Zt. ist es nicht möglich - sein Leben passt dazu im Heute nicht - er hat zuviel zu erledigen mit Arbeit, Kochen, Frau und Kleinkind - Freude muss ja auch noch Platz haben - LG wirena
 

Ubertas

Mitglied
Der Austausch über Literatur oder Kunst ist vermutlich eine der besten Möglichkeiten, sich darin zu üben, einen Meinungsgraben gerade nicht zuzuschütten, sondern so bestehen zu lassen wie er ist, aber ohne, dass darunter die wechselseitige persönliche Wertschätzung leidet (noch besser: vielleicht erlebt man gerade die andersgeartete Meinung als derart bereichernd - wohlgemerkt ohne sie zu übernehmen! -, dass gerade durch den Widerspruch die Wertschätzung noch weiter steigt!).
Lieber Rufus, sufnus, Aniella, wirena,
ich konnte, wollte und will jetzt nichts mehr als diese wirklich hervorragende Passage aus sufnus' Wortlaut herausheben! Trotz pfeiferauchender Nachbarschaft;-) , (btw ich wohne direkt am Erlebnisspielplatz) - wie wunderbar ist hier in dieser Aussage eine fruchtbare Botschaft zu lesen, die bestimmt nicht nur mich erfreut und entspannt:)

Genauso zitiere ich jetzt an dieser Stelle Rufus:

Ich denke, du hast recht, dass der Text impliziter besser für alle funktioniert hätte – nur halt nicht für mich
So funktioniert ein gemeinsames Nachdenken!
Wenn und das ist der Fall, weder der Sender noch der Empfänger auf der Antenne schnarcht.
Erstens erlebt man das eigene Gedicht aus neuen Gläsern und verschiedene Standpunkte im Empfangsturm bilden eigenhirnige Neuverknüpfungen. Daher ist es, sofern nicht niederen Beweggründen geschuldet, immer ein gutes sowie lehrreiches Nebelhorn, hinzuhören.
Mir gefällt hier gerade die Enge, das Unausgegorene, obwohl es zu eng werden kann. Den Prolog sowie die Abschlussfrage nehme ich ihn Rufus Zeilen wie eingeklemmt wahr.
ICH beschrieben wie ein antrainiertes Außenverhalten: freundlich, dressiert,
aber blockiert zum Ich.
HASSE als Ablehnung des "Sonnenscheineinmaleins", der Schönrederei der unbegreiflichen, eigenen Gefühle, die nicht süß schmecken, sondern bitter in Wahrheit.
DICH als Beschreibung und gleichzeitige Beiordnung zum blockierten Ich.
Düster, infam, chronisch, hoffnungslos.
Wie ein Spiegelblick im Blickspiegel. Das fasziniert mich, lieber Rufus.

und Vater? Für mich bleibt - selbstverständlich in meiner eigenen Phantasie und Interpretation - so wie es da steht, etwas übrig: nicht explizit fragend, sondern wie ein unerhörter Schrei nach oben, zu sich selbst und in den Verlust hinein, das Sehnen nach einem väterlichen oder mütterlichen Gefühl der Vertrautheit. Einer Vertrautheit sich selbst gegenüber, die schmerzlich vermisst wird und sich bereits in der ersten Verszeile ins Gesicht schreit.
Wie gesagt, ubertas' Ansicht und kein Gesetz:)
Und sufnus nochmals eine mehrfache Sternaufklebung für höchstweises Wortgefüge. Da macht Kommentarlesen nicht nur Spaß, sondern die eigene Kurbel springt auf neue Wellen:)
Däts greid!
Liebe Grüße in die Runde, ubertas
 

trivial

Mitglied
Lieber Sufnus,

ich muss gestehen, dass deine Definition in mir auf einen gewissen Widerstand stößt. Auch wenn sie klar und explizit als persönliche Definition gekennzeichnet ist, ist sie mit einer Selbstverständlichkeit vorgetragen, die sie – für mich – fast schon dogmatisch erscheinen lässt. Auch wenn sie niemals so gemeint war, springt da sofort mein renitenter „Da mach ich nicht mit“-Sinn an. Dahingehend habe ich mich in den Gedanken:

„Sollte sich das emotionale Aha-Erlebnis völlig auf die Künstlerin oder den Künstler beschränken, ist das Kunstwerk als (nahezu) vollständig gescheitert anzusehen, aber Kunst ist es trotzdem.“

vielleicht etwas zu sehr verbissen.

Meine erste Intuition war: Wenn Kunst kommunizieren will, dann ist sie schon korrumpiert.
Sie ist keine Dienstleistung, sondern muss aus einer inneren Notwendigkeit heraus entstehen. Sie kann Resonanz erzeugen, muss es aber nicht.

Wenn der Künstler das Publikum „mitdenken“ muss, wird aus freiem Ausdruck ein kalkulierter Akt – eine Pflichtübung, ein Produkt.

Ich überlegte: Wenn niemand sie versteht, dann ist sie gescheitert – das ist eine statische, abgeschlossene Betrachtung.
Man könnte – oder müsste – sie als Ursprung sehen.
Eine Bewegung des Verstehens.
Dann wäre das Ziel gerade, an den Rand des Verstehens und darüber hinaus zu kommen – vom Scheitern ins Werden, vom Produkt zur Bewegung.

Kunst, die nicht verstanden wird, ist nicht gescheitert – sie ist ein Anfang.

Also, ich wollte dir vehement widersprechen, aber bei weiteren Überlegungen dachte ich:
Der Ausbau des Inneren, des Zwischenraums, ist die notwendige Voraussetzung für die Erkundung und das Überschreiten von Grenzen – auch der des Verständlichen.
Man braucht einen Heimathafen, von dem aus man die Welt erschließen kann.
Und manchmal kehrt man nie zurück – ist verschollen oder reist immer weiter, mit dem Vertrauten im Herzen.

Ist es die Interaktion – die Kunst als Raum des Zwischenmenschlichen, der uns Substanz verleiht?
Oder die Expedition – die das Land jenseits erschließt und uns Weite verleiht?

Oder, um noch ein Zitat zu bemühen, dessen Verfasser mir leider entfallen ist, das mich aber sehr berührt hat:

„Kunst meint, mit limitierten Mitteln Welten zu erschaffen.
Man begrenzt seine Möglichkeiten, durch Reime und Verse ...
um dann die Möglichkeit zu erweitern.
Das ist die Dialektik aus Limitierung und Grenzerweiterung.“


Liebe Grüße
Rufus
 

wirena

Mitglied
...tja, ich kann es wieder einmal nicht lassen. Die vorliegende Diskussion betreffend Kunst weckte mich heute in aller Früh, und ich musste in vergangenen Zeiten kramen. Siehe:

Kunst
trifft Kunst den Mond der Zeit
fliesst silbern sie in Börsen

bleibt Kunst für sich allein
ringt Kunst um Gunst
das Leben ungekünstelt zu befreien

trifft sie Mark und Knochen
geht Kunst
mit der Zeit

20.07.2011 war in Leselupe vor meiner TabulaRasa-Zeit – entstand durch Mithilfe von Mitgliedern


und auch das ist m.M.n Kunst:


Reichtum

Nacht durchflutet
meine Räume

Schattenwurf
schlaflosen Lichtes

ziert die Wände
mit nie gemalten Bildern

24.07.2011 Variante Mondschein im Wohnzimmer mit Pflanzenschatten
 



 
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