vampir so nett

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Lieber Walther,

die geschilderten Geschehnisse lassen mich nicht zur Ruhe kommen.

Wie gemalt, nein, wie im Film sehe ich jene Saugszenerie im Schlafgemach vor mir und erröte zart bei den Genussgedanken, die ein solches Erlebnis entfacht. Jemand verzehrt sich nach dem Opfer, nach seiner Wärme, nach dem Pochen seines Blutes in den pulsierenden Adern. So viel Leben/s/lust lässt auch meine Knie weich werden, ein Schauder läuft mir über den Rücken und ich betrachte fasziniert meine Gänse heute. Unbeschwerte zarte Flügelchen tragen jenes Wesen in sein Zimmer, ein kurzes Zögern nur auf der Fensterbank und schon ist er nicht mehr allein in seinem Bett. Noch atmet der Ahnungslose ruhig und gleichmäßig, lächelt im Schlaf und das ätherische Wesen gäbe etwas darum, in seinen Träumen mitzuwirken… Nur wer die Sehnsucht kennt, sinniert das Flügeltier. Sein Duft wirkt betörend, Angst und Vernunft schwinden.

Wird es womöglich zum Unaussprechlichen kommen?

Sein nackter Hals, so verlockend. Eine zarte Berührung, ein flüchtiges Streicheln nur. Der Schlafende atmet schneller – ahnt er? Spürt er die Versuchung? Watteweiche Wonnewölkchen verhüllen des neugierigen Mondes Antlitz, totale Finsternis nimmt das Zimmer ein. Der Mond ist stinkig und sucht die Fernbedienung seines DVD-Players. „Wenn nicht jetzt, wann dann“, denkt sich die Beflügelte, ihrer Gier, ihrem Verlangen wehrlos ausgeliefert. Seine Lippen so rot, sie duften süß. Sie nähert sich ihnen und ihr Herz rast. Wie wird er, wie wirst du reagieren? Wie wirst du schmecken? Null und nichtig sind sie geworden, diese Überlegungen, jetzt zählt nur noch eins – die Vereinigung des Blutes. Erfüllt von inbrünstiger Wolllust, von unbezähmbarer, hemmungsloser Blutrunst beißt sie dich in deinen wehrlosen Hals und saugt, saugt, saugt sich satt – die gefräßige Mücke.

Und die Bake macht nun schnell die Flatter :)
 

Walther

Mitglied
Lb. laudabilis,

in der Tat betont sich das Jenseits auf der ersten Silbe. Die Frage Metrum und Lesbarkeit haben wir hier schon diskutiert. ;)

Nun stellt sich die Frage: Darf der werdende Vampir das? Darf er sich silbentechnisch vertun? Vorschlag: Fragen wir die LeserInnen, die VampirInnen und die Feldermäuse. Fragen wir den Knofel. Den Bardolino. Zu guter letzt.

Die Zehn täte ich unter allen Umständen schon ganz gerne trotzdem nehmen, bügelte sie doch die Sechs aus. :D Aber auch so würd ich sie annehmen, ohne solcherart Absicht, ganz bescheiden, wie ich bin. :)

In diesem Sinne frohes Beiß- äh Trinken!

LG W.

Lb. Marie-Luise,

so ein Vampir kann auf die Dauer taub werden, wenn man ihm zu viel Spruch ins Ohr hustet. Das ist richtig. :)

LG W.

Lb. Carina,

wie ich sagte, taub kann er werden, so ein Vampir. Aber nur für die Sprache der Sterblichen. Den Rest (er-)hört er weiterhin.

LG W.

Lb. Gerhard,

hast Du einen wehen Bakenreißzahn? Deine Worte verwirren mich zut.r.iefst. Irgendwie geht ihnen der Biß ab.

Ich ahnte nicht, daß das LyrIch als Opfer derart betört. Und ich dachte, wir befinden uns in schauriger Umgebung, und der Lusttod ereilt den LyrIch auf einer Grabplatte dahingestreckt im fahlen Licht des Mondes.

Sag mal, hast Du die Laterne jetzt ausgeschaltet oder nicht?

Also, er liegt so dahin geworfen hingeworfen da, so echt dekorativ. Und dann wird's schattig, und ein kalter Hauch bläst ihm eine Locke aus der hohen weißen Stirn. Und die Vampirin, stolz wie zehn nackte Negerinnen, stolziert herbei und sah, siegte und kam - oder war das umgekehrt? Ich bin und bleibe verwirrt.

Jedenfalls tropft's am Ende - plitsch! - rot auf die bleiche hohe Denkerstirn des dahingeworfenen Leergesoffenen. Ein roter Punkt im fahlen Licht. Sieht fast wie'n Aknepickel aus. Mitten auf der Stirn. Hmpf.

So dachte ich mir das. Und da liegt er bis Mitternacht, worauf er sich streckt, panthergleich erhebt und der Stolzen hinterherstolziert äh -streunt.

Irgendwie so. Eben. :D

LG W.
 

Grenadilla

Mitglied
Hallo Walther,
ein sehr schönes Gedicht.
Die alte in meinen Augen steife angestaubte Form "Sonett" wird mit einem modernen Thema ans Licht geholt. Wegen dieses Sonetts habe ich mich überhaupt erst wieder mit dieser Form beschäftigt.

In der ersten Strophe, letzte Zeile prallen zwei Hebungen (ich+jenseits) aufeinander, was den Fluss etwas stört. Mag sein, dass so etwas bei anderen Gedichten bewusst die Aufmerksamkeit des Lesers/Hörers wecken soll, aber in einer so strengen Form wie dem Sonett wäre es vielleicht besser, es zu ändern.

Ich schlage spontan vor, die Zeile zu ändern:

den hals den gab ich jenseits meines blaus

Ist sicher unperfekt, aber möglicherweise besser als den Hebungsprall stehen zu lassen. Vielleicht fällt dir ja noch etwas Besseres ein, falls dein Vampir noch nicht ganz ertaubt ist ;-).

Lieben Gruß
Grenadilla
 

Walther

Mitglied
Lb. Grenadilla,

danke für Deinen Eintrag. In der Tat war ich mit dem Abstauben beschäftigt, als mich das Vampirne überfiel und mir diese 14 Zeilen ins Gehirn hustete. So nett, wies war, nahm es Gestalt an. ;)

Im Ernst: Der Hebungsprall ist richtig gesetzt, weil hier die Perspektivenänderung einsetzt, sich zugleich das Enjambement von S1 nach S2 aufbaut. Meine Gedichte sind aus der Sicht des lauten Vortrags geschrieben, die Sprache muß daher fließen, und sie tut es auch, wenn man den Text vorträgt, so, als sei das mit der Hebung genau richtig und das Daktylische, das so entsteht, natürlich.

Streng formal liegst Du natürlich richtig mit dem Hinweis, daß der Vers
den hals den reichte ich jenseits des blaus
xXxXxX/XxxX statt xXxXxXxXxX streng genommen gelesen wird. Damit ist das nicht ganz sonettformkonform (fünfhebiger Jambus), aber es trifft punktgenau die Sprachmelodie und, spätestens jetzt ist die Abweichung als Kunstgriff erlaubt, auch den Inhaltswechsel.

In diesem Sinne willkommen in der Lupe und weiterhin frohes Dichten und Werken!

LG W.
 

laudabilis

Mitglied
lb walther,

ich wollte dir nicht zu nahe treten und wäre mit sicherheit der allerletzte, der deine freiheit der kunst in irgendeiner form in frage stellen würde. die frage, ob man(n) diese freiheit gerade in der so streng vorgegebenen form eines sonetts ausüben muss, will ich deshalb gar nicht zu einem diskussionsgegenstand zwischen dir und mir machen. ich schließe mich da gern deinem vorschlag an, diese frage anderen leser(inne)n zur beantwortung zu überlassen.

ich habe diesem gedicht schon früh loblieder gesungen, die sich auch in meiner bewertung niedergeschlagen haben. ich bin bis gestern in meinen bewertungen noch nie über eine 8 hinausgegangen. diese bisherige grenze habe ich gestern in der bewertung eines anderen textes eines anderen autors mit einer 9 durchbrochen. und ich sage dir nochmal: ohne diesen einen vers, über den ich auch bei ständig wiederholtem lesen immer wieder stolpere, wärst du der rekordbrecher gewesen. ohne den stolperstein wäre mir dieses werk von dir eine glatte 10 wert gewesen.

lg,
laudabilis
 

Walther

Mitglied
lb. laudabilis,

bis dato ist mir nichts wirklich Gescheiteres eingefallen, was diesen ominösen Vers angeht. Dann muß das Gedicht aus Deiner Sicht wert(e)frei bleiben. :) So soll es sein, frei und los. Den Wert lassen wir zurück. Stört eh beim Leben und Sterben. :D

LG W.
 

laudabilis

Mitglied
lb walther,

ich benutze ein französisches zigarettenpapier, dessen hersteller seinen kunden einen gewissen mehrwert zu schaffen versucht, in dem er aphorismen in den deckel eindruckt. und just heute ist mir bei öffnen eines neuen päckchens ein weiser spruch untergekommen, den ich dir gerade in der diskussion um deinen text auf keinen fall vorenthalten will:

"In der Kunst muss man sich mit den Entdeckungen begnügen und sich vor den Erklärungen hüten" (Georges Braque).

in diesem sinne
lg,
laudabilis
 

Walther

Mitglied
Lb. Grenadilla,

kann man und danke! :)

LG W.

Lb. laudabilis,

wer erklären muß, hat immer unrecht, also habe ich unrecht. Allerdings: Ein Hebungsprall ist ne harte Sache - blutige Nase und so. Und dann sind wir hier ja alle Übendlernende. Da darf man dann schon was erklären. :)

LG W.

PS.: Wenn das Geheimnis voll ist, läuft es über. (frei nach Walther, Sprüche, Leselupus Verlag, Stuggitown 2012, S. 13 unten links).
 

Vera-Lena

Mitglied
:)

Ich wünsche mir noch mehr solche schönen Bücher von Dir, lieber Walther.

Ein frohes und unblutiges Pfingstfest
wünscht
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
Lb. Vera-Lena,

na, Bücher sind's nicht, aber Gedichte mit viel Weiterspinnen! :) Danke für Deinen Eintrag!

LG W.
 



 
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