Vater im Himmel

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G

Gelöschtes Mitglied 22239

Gast
Hallo Revilo,

behandelst du die Generation meines Urgroßvaters. Die grauenhaften Erlebnisse.

Grüße
J
 
G

Gelöschtes Mitglied 22239

Gast
Die meines Vaters, der mit 17 in den Krieg musste.......und die meinige......gut erkannt.......LG revilo
mir schmeckt die Ideologie nicht, dass man nur was wert ist wenn man arbeitet- das war das letzte was ich noch raushören konnte



grüsse
j
 

revilo

Mitglied
mein Vater war Zeit seines Lebens traumatisiert.......ich habe darüber ein paar Sachen geschrieben....das Thema lässt mich, je älter ich werde nicht mehr los.....

LG Oliver
 

molly

Mitglied
sein heiserer
atem bricht mir
den nacken
Liebe revilo,
Ein Vater, selbst wenn er traumatisiert ist, darf sein Elend nicht auf seinem Kind abladen. Es ist gut, dass Du darüber schreiben kannst. Vielleicht, und das wünsche ich Dir, kommen auch gute Erinnerungen zurück.
Liebe Grüße
molly
 

revilo

Mitglied
Hallo Molly, meine Generation musste mit dieser Problematik irgendwie klarkommen. Ich habe es ganz gut geschafft. Angeregt durch eine Diskussion auf Facebook habe ich mich näher mit dem Thema befasst und musste feststellen, dass es viele sekundäre Kriegskinder gibt, die mindestens genauso traumatisiert wie ihre Eltern und daran zerbrochen sind. Ich habe den Eindruck, dass es jetzt damit begonnen wird, dieses Thema aufzuarbeiten. Ich habe irgendwann meinen Frieden mit ihm geschlossen, wobei ich auch zugeben muss, dass es ein Burgfrieden war. Auf der anderen Seite war er ein faszinierender Mensch. Er hat wunderbare Familientagebücher geschrieben und in seinem Nachlass fand ich ein Büchlein mit seinen Gedichten aus den Jahren 1943-1948. Er hat mir viel über Literatur beigebracht und stets meinen Wissensdurst gestellt. Deswegen sollen solche Gedichte (ich habe ja in der letzten Zeit einige davon geschrieben und die hier auch gepostet) nicht als Abrechnung verstanden werden. Ich klage nicht an, sondern versuche lediglich, die daraus resultierenden Stimmungen und Schwingungen niederzuschreiben. Offensichtlich funktioniert das, erfahre ich doch hier bezüglich dieses Themas durchweg positive Reaktionen. Das tut einfach gut. Herzlichen Dank!
 
G

Gelöschtes Mitglied 19299

Gast
Hallo Oliver,
ja, Traumata sollen über die Gene übertragbar sein.
Das Kriegsende am 8. Mai 45 stellt ja nur den bürokratischen Akt dar ... Der Krieg tobt leider drinnen weiter, siehe auch Wolfgang Borchert, stellvertretend für unzählige Menschen. Und wenn man sich jetzt die gegenwärtige Lage in der Welt anschaut, wieviel Kriegsschauplätze es immer noch gibt.

Wie dein Vater in deinem Leben nachwirkt (angesichts deiner Gedichte und Gedanken) ...
Eindrücklich!
LG Keram
 

revilo

Mitglied
Ja, in der Tat. Die Deutschen waren sehr damit beschäftigt, die grausamen Spuren des Krieges zu verwischen. Das hat teilweise sogar richtig gut funktioniert, da viele ehemalige Nazis wieder in Amt und Würden kam. Besonders in der Justiz Und in der Rechtswissenschaft haben sehr viele ehemalige Nazis wieder ziemlich schnell Fuß gefasst. Mein Vater hat als junger Beamter bei der Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen gearbeitet. Er hat mir später berichtet, dass er einige versteckte Nazis aufspüren konnte und hat mir viel über seine Arbeit erzählt. Sein Spruch war: Ich habe so manchen von dem Ruhestand in den Unruhestand versetzt.Er hat mir einmal erzählt, wie er einen evangelischen Pfarrer aufspürte, der sofort nach dem Krieg Mein Kampf wieder flugs mit der Bibel vertauscht hat. Darauf war er mit Fug und Recht stolz.Herzliche Grüße von Oliver
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Oliver,

unsere Väter waren sich da ja sehr ähnlich, das haben wir schon das eine oder andere Mal festgestellt.
Mein Vater hat sein Bestes gegeben, um es uns nicht spüren zu lassen, aber manchmal hat er wochenlang einfach nur geschwiegen.

Liebe Grüße
Manfred
 

revilo

Mitglied
Hallo Oliver,

unsere Väter waren sich da ja sehr ähnlich, das haben wir schon das eine oder andere Mal festgestellt.
Mein Vater hat sein Bestes gegeben, um es uns nicht spüren zu lassen, aber manchmal hat er wochenlang einfach nur geschwiegen.

Liebe Grüße
Manfred
Besten Dank! Ja, dieses lange Schweigen kommt mir bekannt vor!
 
Lieber Oliver, mein Vater war eher ein Mitläufer, der allerdings nach 1947 (da kam er einen Tag vor meinem 4. Geburtstag aus englischer Kriegsgefangenschaft zurück) immer noch manches von Adolf Hitlers Taten durchaus lobend hervorhob. Besonders die Autobahn und die angebliche Sicherheit von Frauen in der Öffentlichkeit erwähnte er immer wieder... . Mir wäre ein Widerständler als Vater deutlich lieber gewesen...
Herzliche Grüße
Karl
 

revilo

Mitglied
Hallo Karl, über Deinen Besuch freue ich mich sehr. Das Thema scheint hier so einige anzufassen. Das merke ich immer wieder, wenn ich über diese Thematik ein Gedicht schreibe. Es ist ja nicht mein erstes. Ich schreibe gar nicht bewusst über das Thema; es kommt einfach so heraus. Natürlich wäre schön gewesen, wenn Dein Vater im Widerstand gewesen wäre. Aber dann hätte er vermutlich den Krieg nicht überlebt und wäre in irgend einem Konzentrationslager umgebracht worden. Mein Vater war zu jung, um Nazi zu sein. Er machte mit 17 das Notabitur und muss dann sofort in den Krieg und kam als 21-jähriger schwer verwundet und heimatlos (er ist in Schlesien geboren; Jahrgang 1926 und ist vor fast 8 Jahren verstorben) nach Gefangenschaft aus dem Krieg. Ich frage mich manchmal, wie ich mich zu dieser Zeit verhalten hätte. Hätte ich Widerstand geleistet? Oder hätte ich einfach nur den Kopf eingezogen? Ich weiß es nicht. Das hinge natürlich auch von der jeweiligen Lebenssituation ab. Dein Vater hat ganz offensichtlich den üblichen positiven Mist über Hitler erzählt. Aber das war ja auch eine Generation, die mehr oder minder umerzogen wurde. Meine 93-jährige Mutter kann heute noch all diese blöden Jubellieder auf Hitler auswendig singen. Ihr wurde das als Kind eingebläut; sie kannte gar nichts anderes. Sie war aber nicht im BDM, weil meine strenggläubigen Großeltern dies verhindert haben. Sie erzählt heute aber noch sehr anschaulich über die Reichspogromnacht in ihrer Heimatstadt. Allerdings war das nur gewissermaßen die Spitze des Eisberges. Sie erzählte mir, dass die Juden in ihrer Heimat schon lange davor wie Freiwild behandelt wurden. Ja, an dieser Scheiß-Zeit musste die nachfolgende Generation leiden, weil insbesondere unsere Väter schwer traumatisiert waren und es keinerlei Hilfe gab. In den Nachkriegsjahren hatten meine Eltern auch einfach keinen Bock, über die Nazizeit nachzudenken. Sie wollten einfach nur leben und waren glücklich, als die Theater wieder eröffneten. Wie ich bereits schrieb, habe ich nach Recherchen im Internet erfahren, dass viele aus meiner Generation die Problematik der schweigenden Väter erst jetzt aufarbeiten; zumeist nach deren Ableben. Ich wusste bis vor kurzem nicht, wie aktuell dieses Thema in unserer Generation immer noch ist und wahrscheinlich auch noch bleiben wird. Nur haben wir die Chance, die zumindest sekundären Erfahrungen des Krieges aufzuarbeiten. Allerdings war mein Vater nicht so ein ausgiebiger Schweiger. Er hat mich aus seiner Zeit in Ludwigsburg Akten lesen lassen. Ich war damals 17 und konnte mir diese Gräueltaten nicht einmal im Ansatz vorstellen. Dafür bin ich meinem Vater allerdings heute sehr dankbar. Zum Schluss seines Lebens hat er sich noch ein wenig geöffnet und mir einige Kriegserlebnisse erzählt. Da wurde mir zum 1. Mal bewusst, dass der Spruch von Helmut Kohl bezüglich der Gnade der späten Geburt mehr als zutreffend ist. Wie Du siehst, bewegt mich dieses Thema immer noch sehr. Ich habe aber all diese negativen Erfahrungen gut verarbeitet. Das geht aber bei Leibe nicht allen so. Herzliche Grüße von Oliver
 
Hallo Oliver,
natürlich habe ich versucht, die Situation meines Vaters vor und nach dem 2. Weltkrieg zu verstehen. Und ich bilde mir auch nicht ein, dass ich mutiger als er gehandelt hätte. Allerdings habe ich große Mühe, ihm zu verzeihen, dass er mich heftig verprügelt hat, obwohl ich inzwischen weiß, dass er bereits von seinem Vater verprügelt wurde. Immerhin hat er mir zugestanden, wie erniedrigend seine Schläge für mich gewesen sein müssen.
Es war eben nicht sehr heldenhaft, einen hilflosen Sohn zu schlagen. Und als ich im Alter von dreizehn Jahren ein wenig größer wurde als er, hat er mir (aus Angst, ich könnte zurückschlagen) versprochen, mich nicht mehr zu verprügeln. Also hatte ich (er ist bereits vor 20 Jahren verstorben) so meine Mühe mit ihm...
Dank für deine ehrliche Antwort und herzliche Grüße
Karl
 

revilo

Mitglied
Hallo Karl, danke für Deine offenen Worte. Die Gewalt Deines Vaters schockiert mich; sie war aber in dieser Generation leider üblich. Man bezeichnete das als Hand ausrutschen oder ein gängiger Spruch war, dass leichte Schläge auf den Hinterkopf das Denkvermögen erhöhen. Meistens schlagen die, die auch geschlagen wurden. Das ist für mich ein Ausdruck absoluter Hilflosigkeit, aber natürlich ist Gewalt nicht entschuldbar. Mein Vater hat mich nie geschlagen, ja nicht einmal drohend die Hand gegen mich erhoben. Bei mir war es dieses unsägliche Schweigen, was offensichtlich viele Kinder Deiner und meiner Generation erdulden mussten. Ich versuche mich einfach nur, mich dieser sicherlich nicht einfachen Thematik in Gedichten zu nähern. Es tut unendlich gut, sich darüber auszutauschen. Herzliche Grüße von Oliver
 

revilo

Mitglied
Hallo Karl, noch eine kurze Ergänzung: Ich hege keinen Groll (mehr) gegen meinen Vater. An seinen guten Tagen war er ein wunderbarer Mensch. Er hat mir als Kind alle Freiheiten gegönnt. Er war unglaublich belesen und ich durfte mich nach Lust und Laune an seinem üppigen Bücherschrank bedienen. Ich glaube, er war sogar stolz, wenn er mich beim Lesen unter der Bettdecke mit Taschenlampe erwischte. Er war es auch, der mich als 17-jähriger auf BUK aufmerksam machte. Am Ende seines Lebens hat er christliche Literatur gesammelt. Er war Stammgast in der Bibliothek eines Klosters. Und wenn dort überschüssiger Bestand zu kleinen Preisen verkauft wurde, kam er immer mit Kisten voller Bücher zurück. Herzliche Grüße von Oliver
 



 
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