Vergänglichkeit des Barock

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Willibald

Mitglied
Vergänglichkeit des Barock?
( Bei der Lektüre des Andreas Gryphius)

Was sind wir Menschen doch? ein Wohnhaus grimmer Schmerzen /
Ein Ball des falschen Glücks / ein Irrlicht dieser Zeit /
Ein Schauplatz herber Angst / besetzt mit scharfem Leid /
Ein bald verschmelzter Schnee / und abgebrannte Kerzen /
Dies Leben fleucht davon wie ein Geschwätz und Scherzen.
Was itzund Atem holt / muß mit der Luft entfliehn
Was nach uns kommen wird / wird uns ins Grab nachziehn /
Was sag ich? Wir vergehn wie Rauch von starcken Winden.

.....

Und meintest, das wäre wohl Schwulst, wär Koketterie,
wär sowas von vorbei. // War aber mehr.
War schiefe, schiere Harmonie.

Waren Metaphernkatarakte,
War Totentanzseligkeit,
War Gleichmut,
War Feier körperlicher Liebe,
War Losorgeln, barockes,
War Vergnügen an der Tradition,
War eine Lust zu leben.

Nein, bin nicht nekrophil,
Sag zärtlich Dir ins Ohr:
Was sag ich?
Wir vergehn
wie Rauch vor starcken Winden.
....​
 

sekers

Mitglied
nun doch ein Geschwätz und Scherzen

hey da, der Gryphius macht itzund so gar ortentlichen Spass, und Willibaltsche Nachwähen sowieso. Doch hättest halt dann doch den Bildermeister ganz und gar zithiert, so wie der hungrige Wolf ja auch vom Lamm, das er einmal erfasset hat, nichts ühbrig lasset, da hätten wir uns weiter noch ergetzen gekönnet. Nur dein Tithel mag ich nit verstähen, wie kann man - auch mit Frahgezeichen - gar von der Vergangelichkeit des Barocken auch nur denken? Ist's nicht alles wahr, was derozeiten einst geschrieben ward?
Liebe Grüße
G.
 

Willibald

Mitglied
Hei, wackerer sekers,

das freut mich aber, ein Kenner&Könner, nun denn so sei Dir gewidmet das folgende Textlein:

Das Haus soll den S. schon allein
durch seine Lage erquicken.
Es soll ein reizender Ort
für seinen Herren ja sein:

Kristallklar sprudle der Bach
in einem grünenden Garten.
In seinem Gehege nist
sich die Nachtigall ein.

Es sollen das fettende Gras
dort vierzehn Böcke genießen
Zu ihnen seien gesellt
Ziegen nicht minder an Zahl.

Es sollen fünf Kühe jung,
auch Deinem Häuschen nicht fehlen.
Von denen hast Du dann Milch
und Käse .....
genug davon ...
 

sekers

Mitglied
Salve! Und artig bedank ich mich auch, o Recke der Künste,
Philosophiae und Psychologiae und der vielerlei Sprachen,
Kritiker mit Deiner eigenen Show. Das gab es noch niemals:
Mir, einem Autor grad mal routiniert, ein Text ist gewidmet!
Seltsam berührt aber hat er auch mich aus folgendem Grunde:
Woher weißt Du, dass ich einen Bauernhof immer mir wünschte?
:)
P.S.: Das mit den Kühen klären wir in Prosa.
 

Willibald

Mitglied
na, wenn das so ist, dann gehen wir von den prosafordernden Kühen weg:

Im Stalle sollen ein Pferd
und ein zweites glücklich Dir stehen.
Dazu noch ein zahmer Gaul,
der dich, wohin du willst, trägt.

Damit du die Hasen kannst jagen,
ausbüchsende Geissen verfolgen,
sei noch ein viertes Pferd dein.
Ähem: Auch schenke Dir Venus viel Glück.

Vale

aes/w
 

sekers

Mitglied
großzügig wie ein arabischer Fürst

Wie ist das, halt, mit Venus denn gemeint?
Hat es mit Hasen - indirekt - zu tun?
Auf Hügel gleichen Namens sanft zu ruhn?
Ähem: ich bin da Geist, der stets verneint!

Denn lange schon scheint es nicht opportun
Ausbüchsen. (Trefflich Verbum, so mir scheint.)
Wir wollen doch nicht, dass zu Haus wer weint.
Und eigentliches Thema war doch nun

Wenn ich an meine letzte Frage denke:
Warum der Bauernhof mir zum Geschenke
Dir eingefallen war. Das Lehen

genug jetzt hat an tierisch Elementen
halt inne nun mit weiteren Präsenten.
Und sag's mir bitte vor dem Schlafengehen.
 

Willibald

Mitglied
Nun, dear sekers,

wer so nett anfragt und so poetisch gebildet,
der schließe nicht aus, dass Venus in Ehen
agiert - nicht nur doch schon auch -
und dass Segen sie bringet dem Haus
und dem künftigen Hof ....
 

sekers

Mitglied
verschlossen wie ein gepanzerte Auster. Dazu eine Collage.

Ich freute mich so auf ein klares Wort,
Ach spräche er endlich es deutlich aus.
Doch dann ging's ob Venus in jenem Haus,
Wo die Eh' längst begonnen, wo schon Kinder sind dort.

Was sind doch wir Menschen? Wir sputen im Spott
Gar eifrig uns recht. Und sonderbar,
Dass Nam, Lob und Ehre, dass Ruhm jemals war,
Denn eitel der Traum, wenn der Mensch steht vor Gott.

So sind wir nun dort, in den Zeiten so fern,
Den Gryphius singen hör auch ich so gern,
Was sag ich? Ach nichts mehr, hol Atem, bin stumm,
Genieße nichtvergangenen Rauch ringsherum.
 

Willibald

Mitglied
Das mit dem "nicht vergangenen Raum" hast Du schön gesagt.

Und so rufen wir den gemeinsam jedemLeser in diesem Thread zu:

Wenn Du die Verse hier sahst,
Dann bedenke, Leser, und wäge:
Was ist für dich eine Last?
Sprich, was tuet Dir not?

aes/ff
 

Willibald

Mitglied
Galle und Wermut

Ba-Rock, Purpur-Rock

Komm Mißgunst/ setze dich auff deinen Schlangen-Thron/
Bring alle Furien aus Platons Sitz zusammen/
Spey Nebel/ Rauch und Dampff und ungeheure Flammen
Mit Gall und Wermut aus. Verknüpffe Schimpff und Hohn.
Schütt' auff den Purpur-Rock der Musen Gifft und Geiffer/
Bedränge den Parnaß/ und greiff den Lorber-Hayn
Des schönen Helicons mit den verwegnen Schaaren
Der frechen Thorheit an. Was Kunst und Witz bewahren/
Das wird vor dieser Wutt mehr als zu sicher seyn.


Zeitzeuge Hans Aßmann Freiherr von Abschatz, (* 4. Februar 1646 in Breslau; † 22. April 1699 in Liegnitz).
Seine Güter: Wirrwitz, Lederhose, Zobel, Petschkendorf, Ober-Bärschdorf und Nieder-Göllschau.

https://blogdot955dreamsdotcom.files.wordpress.com/2012/11/barock_ill_final_neck_tattoo.jpg
 



 
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