verlorenes lachen

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G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Titel doppelt

Titel doppelt

"Rosen" - ein verbrauchtes dichterisches Symbol, hier der "Duft der Rosen", im Kontext passend frisch.

keine satzzeichen alles klein geschrieben ich frage mich wieso

Neologismen oder wenigstens ungewohnte Wortverbindungen, wie "die last des vorlorenen", "ameisenschultern", "opferberg", "schweigemauer" und "dornenvögel", verleihen dem Gedicht Nuance, Stil, Charakter und andere Eigenschaften die ich gerade nicht zu benennen weiß (mir fällt der passende Begriff nicht ein!).

Auch das Bild - ja es sind sehr ungebrauchte Bilder, deshalb finde ich auch, dass die Rose durchaus hineinpasst im Kontrast zu den restlichen so eigenen Bildern eben - die Last brennend in den Fluss rollen zu lassen gefaellt mir sehr, spricht mich an.

biblisch angehaucht ("ernten was sie nicht gesät haben", "opferberg" und "last")

formal korrekt: drei dreiversige Strophen mit ungefähr gleichlangen Versen - recht ordentlich! Inhalt wird aber Metrum übergeordnet, klanglich arm, was aber überhaupt nichts macht, würde wohl eher ablenken, wenn Reim und Metrum zu abgestimmt wären.

das enjambement in V1 auf V2 lässt direkt aufhorchen, man wird aufgeweckt aus dem autopilotischen Lesen.

sehr schön! Für mich ein ausgezeichnetes Gedicht, ich habe nichts zu meckern.

Hochachtungsvoll,
Peter
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
verlorenes lachen
Da man Lachen weder gewinnt noch verliert, macht der Titel schon neugierig: Was Du damit wohl angesprochen hast.
du hast mir den abschied auf die zunge
gelegt den duft der rosen
gegen zitronensaures getauscht
Ein Verhalten wie Sichzuverabschieden - auf eine Zunge gelegt -? Wann wird einem Menschen etwas auf die Zunge gelegt? Früher mal in der katholischen Kommunion, aber das war einmal. Kennt kaum einer. Was aber sonst wird einem Menschen auf die Zunge gelegt, ohne daß sein Brechreiz ausgelöst wird? Rätselrätsel.
Und schon der erste Bildbruch: Rosenduft, hat mit der Zunge und dem Etwasdarauflegen nicht besonders viel zu tun. Das einige, was die beiden Bilder miteinander verknüpft, ist das unvermittelte Nebeneinander in der gemeinsamen Verszeile.
Warum ist "gelegt" in die zweite Zeile gerutscht? Und was soll das zweite Objekt, "den duft" neben diesem Prädikat, zu dem es doch nicht gehört?
nun trage ich die last des verlorenen
auf ameisenschultern zum opferberg
lasse sie brennend in den fluss rollen
Die Last brennt, sie rollt in den Fluß. Sie rollt vom Opferberg hinab. Das Lyri läßt sie rollen, obwohl es sie mit Ameisenfleiß auf diesen ominösen Opferberg hinaufgetragen hat. Es ist die Last des Verlorenen, die da brennt.
Ich habe nichts gegen die Verkofferung von Metaphern, solange die die Sinne miteinander verkuppeln, besonders in Synästhesien. Aber das ist viel zu abstrakt, um solche Sinnlichkeitsmusiken zu komponieren. Es ist nicht sinnlich, deshalb singt es auch nicht.
Was soll es also?
an die schweigemauer gelehnt
sehe ich den dornenvögeln zu wie sie
ernten was sie nicht gesät haben
"Dornenvögel" - was war das noch mal? Irgend so eine Pfarrerverführungsgeschichte im Fernsehen? Eine Vogelart ist es jedenfalls nicht.
Ernten was man nicht gesät hat, ja, das ist biblisch. In den Evangelien wird es von Leuten gesagt, die nicht begreifen, daß immer und überall von denen geerntet wird, die nicht gesät haben. So wie in unserem Rentensystem, der "Generationenvertrag". Gleich gehe ich abendessen, ein Brot, das ich zwar selber gebacken habe, aber von Mehl, dessen Korn ich nicht geerntet habe. Ich habe es gekauft. Mit Geld, das ich nicht gedruckt habe. Ich säe einen Kommentar zu einem Lied, das ich nicht selbst geschrieben habe. Wenn es denn ein Lied ist. Aber ich bin nicht so ganz sicher.

Ach so, vielleicht ist der verführte Pfarrer gemeint: der erntet ein Vergnügen, das er nicht selbst gesät hat. Aber der Mann der Frau, die ihn verführt, hat sie auch nicht gesät. Und ob er Kinder in sie sät, das ist eine veraltete Redeweise, weil sie bestenfalls halb wahr ist. Stammt aus Zeiten, als man das Sperma ("Saatgut") für eine schleimpilzige Frucht hielt. Und die Frauen für das Beet zum Hineinsäen. Aber ich kenne die "Dornenvögel"-Geschichte nicht so gut, ich hatte keinen Fernseher, als das gezeigt wurde. Da schrieb ich ne Menge Gedichte, ohne Seifenopernhirnwäsche. Nun ja, Seifenopern haben was, sie können erzählen, und wer sonst kann das schon.

Ich will mal ein gutes Gedicht lesen!

grusz, hansz
 

Perry

Mitglied
Hallo Zusammen,

Hallo Peter,

danke für dein ausführliches Besprechen und natürlich die positive Gesamteinschätzung.

Zu deinen Fragen:

- Titel doppelt: Soll die Verbindung zwischen Titel und Text
intensivieren
- keine satzzeichen alles klein geschrieben ich frage mich wieso:
Durch die Zurücknahme der Textdarstellung, soll den Textbildern mehr Raum gegeben werden:
- andere Eigenschaften die ich gerade nicht zu benennen weiß: Es
sind überwiegend Metaphern, denen der Leser nachspüren kann.

LG
Manfred


Hallo hansz,

auch Dir herzlichen Dank für die ausführliche Besprechung, auch wenn ich bei Dir immer den Eindruck habe, Du steht Dir bei der Interpretation selbst im Weg. :)

Zu deinen Anmerkungen:

- Da man Lachen weder gewinnt noch verliert, macht der Titel schon neugierig: Was Du damit wohl angesprochen hast: -> Wenn man das Lachen verliert, dann tritt meist Traurigkeit an ihre Stelle.

- Was aber sonst wird einem Menschen auf die Zunge gelegt, ohne daß sein Brechreiz ausgelöst wird? Rätselrätsel. -> Es ist der Wandel von der Liebessüße zum bitteren (Nach)Geschmack gemeint

- Und schon der erste Bildbruch: Rosenduft, hat mit der Zunge und dem Etwasdarauflegen nicht
besonders viel zu tun: -> Es ist als Metapher gemeint z.B. eine Duftübertragung beim Küssen, hier könnte das Bild aber durchaus nachgeschärft werden, wenn man statt Zunge die Lippen nehmen
würde. Mir erschien die Zunge aber als intensiveres Bild.

- Warum ist "gelegt" in die zweite Zeile gerutscht? Und was soll das zweite Objekt, "den duft" neben diesem Prädikat, zu dem es doch nicht gehört? -> Die Alliteration „gelegt / gegen“ soll dadurch
unterstützt werden (dafür opfere ich schon einen Lesezusammenhang).

- Ich habe nichts gegen die Verkofferung von Metaphern, solange die die Sinne miteinander verkuppeln: -> Genau diese Frage meinte ich mit, Du stehst Dir selbst im Wege. Das Bild erzählt von der Bewältigungsarbeit des LI, wie es in vielen kleinen Schritten den Verlust auf den Berg trägt, um ihn seinem verletzten Stolz zu opfern. Es entscheidet sich aber dann die Götter mit einem Feuerrad um Kraft für die Zukunft zu bitten.

- Dornenvögel" - was war das noch mal? Irgend so eine Pfarrerverführungsgeschichte im Fernsehen?
Eine Vogelart ist es jedenfalls nicht: -> Sich über etwas lustig zu machen hilft auch nicht beim Verstehen. Man kann zu dem Roman „The Thorn Birds (Die Dornenvögel) von Colleen McCullough stehen wie man will. Laut Wiki hat das Buch den ersten Platz der Bestsellerlisten der Vereinigten Staaten, die Fernsehserie erreichte das zweithöchste Rating aller Mini-Fernsehserien. Die Zeitschrift Observer sagt: „Einer der größten Bestseller überhaupt“. Mir ging es mehr um die Legende, die als Vorwort im Roman steht:
„Da gibt es die Legende von einem Vogel, der in seinem Leben nur ein einziges Mal singt, doch singt er süßer als jedes andere Geschöpf auf dem Erdengrund. Von dem Augenblick an, da er sein Nest
verlässt, sucht er nach einem Dornenbaum und ruht nicht, ehe er ihn nicht gefunden hat. Und wenn er im Gezweig zu singen beginnt, dann lässt er sich so darauf nieder, dass ihn der größte und schärfste Dorn durchbohrt. Doch während er stirbt, erhebt er sich über die Todesqual, und sein Gesang klingt herrlicher als das Jubeln der Lerche oder das Flöten der Nachtigall.
Ein unvergleichliches Lied, bezahlt mit dem eigenen Leben. Aber die ganze Welt hält inne, um zu lauschen, und Gott im Himmel lächelt. Denn das Beste ist nur zu erreichen unter großen Opfern.“

Das LI hat sein Leid in die Klagemauer gesteckt, hofft Gott lächelt und lässt ihn ein weiteres Glück auf Erden ernten ohne es gesät zu haben.

Auf deine geistigen Schlusskapriolen möchte ich nicht weiter eingehen, denn das sind nur weitere Steine, die Du Dir in den Weg legst.
Du willst mal ein gutes Gedicht lesen, dann musst Du bei deiner Leseart -wohl oder übel- eins von deinen lesen.:)

LG
Manfred
 



 
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