Vom Schreiben, Lesen und Kritisieren

Ingwer

Mitglied
Ich habe seit längerer Zeit die Diskussion über das Niveau der Leselupe verfolgt, obwohl ich eigentlich ein eher sporadischer Gast hier bin. Was mir in dieser Diskussion fehlt, ist die Antwort auf die Frage (oder überhaupt die Frage an sich), WAS einen guten Text überhaupt ausmacht.
WAS IST Literatur? Was ist literarisch wertvoll?
Was ist es wert geschrieben zu werden, und zwar öffentlich geschrieben zu werden und nicht nur unter verschlossenem Tage- oder Notizbuchdeckel?
Ist ein guter Text ein Text, der die klassischen Kriterien erfüllt? Spannungsbogen, Pointe, offene Konflikte, literarische Schemata?
Ist ein guter Text ein Text, den man mit der Tunnenblickbrille des Germanisten und Literaturwissenschaftlers betrachten und guthißen kann?
Oder kann ein guter Text auch innovativ sein, konventionelle Spurrillen verlassen und Neues schaffen?
Besteht nicht (gerade auch in einem solchen Forum) die Gefahr, dass das Unkonventionelle obligatorisch als ANDERS (und somit schnell als SCHLECHTER) abgestempelt wird als die Masse der Texte?
Vielleicht ist dies ein wichtiger Punkt, über den man sich klar werden sollte.
Mir fällt manchmal, wenn ich Texte und die dazugehörigen Kritiken lese, auf, dass es schon selten, aber immerhin, Versuche einer ernsthaften "am Text interessierten" Kritik gibt. Die Masse der Menschen, die hier Kritik üben, scheinen jedoch gar nicht wirklich daran interessiert zu sein, sich ganz auf einen Text einzulassen.
Und gehört das nicht auch dazu?
Werden die Worte nur gut durch den, der sie schreibt?
Oder macht einen Text auch aus, dass er Raum für Gedanken lässt? Kann nicht ein genaues Lesen und ÜBERDENKEN erst den wahren Reiz des Wortes entfalten?

Fragen über Fragen. Ich würde gerne mit Euch in die Diskussion einsteigen.

Ingwer
 

ex-mact

Mitglied
Moin, Ingwer,

> WAS einen guten Text überhaupt ausmacht.
> WAS IST Literatur? Was ist literarisch wertvoll?

Ich denke, daß die Antwort auf Deine erste Frage (die ohne Fragezeichen) bereits mehrfach gegeben wurde - oder schau' einfach mal in unsere Foren, denn dort siehst Du, was die meisten Leser an ,,nicht guten Texten'' auszusetzen haben: Rechtschreibfehler, Grammatikfehler, stilistische Fehler, Konstruktionsfehler, Logikfehler, Spannungsfehler, Dramatikfehler, Charakter-Unklarheiten etc. Ein guter Text ist also ein Text, der die offensichtlichen Fehler vermeidet und ausserdem lesenswert ist.

Um die Frage, was ,,Literatur'' sei, denke ich, sollte es dabei gar nicht gehen, wenn man ,,Literatur'' als Kunstform (miss-)versteht und damit eine Entschuldigung für schlechte Texte kreiert.

> Besteht nicht (gerade auch in einem solchen Forum) die
> Gefahr, dass das Unkonventionelle obligatorisch als ANDERS
> (und somit schnell als SCHLECHTER) abgestempelt wird als
> die Masse der Texte?

Nein. Wenn Du ehrlich bist, besteht diese Gefahr nicht: Einige (wenige) Autoren schaffen es, die Pfade der Gewohnheit zu verlassen (die aus gutem Grund ausgetreten sind: Sie stellen die Pfade dar, auf denen ein Text vom Autor zum Leser transportiert wird und nicht als ,,Kunst'' im Sinne von ,,Schwachsinn wird zur Kunst, indem der Künstler ihn als solche benennt'' ausgegeben wird). Und sie schaffen es, ihre Leser dennoch zu erreichen.

Andersherum siehst Du, wenn Du genau hinschaust, daß genau diejenigen Autoren, die den Deckmantel der Kunst missbrauchen (,,Neues'' schreiben - d.h. alten, vergammelten Wein in frisch lackierte Schläuche schütten), weder etwas zu sagen haben, das zu sagen sich lohnen würde, noch tatsächlich eine ernstzunehmende Lesergemeinde haben (oder finden). Es gibt ja Gründe, weshalb ,,solche'' Texte schnell schlecht bewertet werden.

> Die Masse der Menschen, die hier Kritik üben, scheinen
> jedoch gar nicht wirklich daran interessiert zu sein, sich
> ganz auf einen Text einzulassen.

Das ist leider richtig, steht aber in unproduktiver Symbiose mit dem Fakt, daß 95% unserer Autoren an Textkritik nicht interessiert sind (gut, einige sagen zwar, sie seien interessiert - eine ernsthafte Überarbeitung erfolgt aber nicht). Statt dessen liest man immer wieder, der Text sei ,,schon so alt, daß man gar keine Lust mehr habe, ihn zu ändern'' oder daß ,,der Text nunmal so sei, wie er ist'' und daß ,,nur die Autorin weiss, wie er gut ist''. Daß da schnell die Lust an Textarbeit vergeht, dürfte klar sein. Ebenso klar ist, daß dies natürlich einen Teufelskreis bildet: Ohne an Textarbeit interessierte Autoren finden sich keine Kritiker, ohne (gute) Kritiker verbessern sich die Autoren nicht.

> Werden die Worte nur gut durch den, der sie schreibt?

Nach Definition sehr vieler Autoren in der Leselupe ist die Antwort auf diese Frage eindeutig: Ja! (NUR der Autor kann einen Text beurteilen).

> Kann nicht ein genaues Lesen und ÜBERDENKEN erst den
> wahren Reiz des Wortes entfalten?

Ja. Du hast Recht mit dem, was Du hinter den Zeilen meinst. Aber Du musst auch akzeptieren, daß für viele Leser ein Text, der von Rechtschreibfehlern etc. nur so sprüht, ,,seine Wort-Gewalt'' nicht entfalten kann. Und wenn die grundlegenden Eigenschaften eines guten Textes (nämlich die Vermeidung der billigen Fehler) schon nicht gegeben sind, wer will einem solchen Exemplar dann noch ,,innere Werte'' zugestehen? ,,Große Autoren'' schmeissen ihren ,,Mist'' auch nicht einfach so hin - wie es viele in der Leselupe nach eigenen Aussagen tun.
 
M

margot

Gast
ein text ist dann für mich ein guter text, wenn er mit
dem autoren stimmig ist. als beispiel: du spannst einen
regenschirm auf, weil es regnet. trotzdem reizt es dich,
barhäuptig durch den regen zu laufen. in der lupe wird
zu oft der regenschirm aufgespannt.
literatur kann sehr aufregend sein. sie kann vermitteln,
was wir träumen und uns in unserem normalen leben nicht zu
sagen trauen. sie weckt auch wünsche. wie eine aufgehende
sonne. im geist. sprache ist geist. und nicht blanke
rhetorik. wie ein gesicht durch seine mimik lebt.
und nicht durch sein maskenhaftes gestalten.
das ist die wahre kunst: die sprache benutzen und dabei
alle konventionen und zwänge weitmöglichst vergessen.
wieder ein beispiel: du gehst in die sauna und bist nackt.
bist du wirklich nackt? was heißt: wirklich nackt sein?
die literaten, die ich liebe, verzweifelten manchmal
an dieser frage. bis zum selbstmord.

ralph
ich weiß keine antwort auf deine frage, ingwer, weil ich
keine antwort auf das mensch-sein weiß.
 

Ingwer

Mitglied
@mact:

erstmal vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!

>> WAS einen guten Text überhaupt ausmacht.
>> WAS IST Literatur? Was ist literarisch wertvoll?


Ich denke, daß die Antwort auf Deine erste Frage (die ohne Fragezeichen) bereits mehrfach gegeben wurde - oder schau' einfach mal in unsere Foren, denn dort siehst Du, was die meisten Leser an „nicht guten Texten“ auszusetzen haben: Rechtschreibfehler, Grammatikfehler, stilistische Fehler, Konstruktionsfehler, Logikfehler, Spannungsfehler, Dramatikfehler, Charakter-Unklarheiten etc. Ein guter Text ist also ein Text, der die offensichtlichen Fehler vermeidet und ausserdem lesenswert ist.


Ok- auf die Rechtschreibfehler etc. kam es mir jetzt nicht so an- ich denke, dass eine gewissen formale Ordnung (sei es nun Rechtschreibung oder Grammatik oder sonstige logische Korrektheit Vorraussetzung und Grundlage sind, wenn man seinen Text der Öffentlichkeit (auch anonym) preisgibt. Leider sieht man ja auch immer wieder Ausnahmen.


Wenn Du ehrlich bist, besteht diese Gefahr nicht: Einige (wenige) Autoren schaffen es, die Pfade der Gewohnheit zu verlassen (die aus gutem Grund ausgetreten sind: Sie stellen die Pfade dar, auf denen ein Text vom Autor zum Leser transportiert wird und nicht als „Kunst“ im Sinne von „Schwachsinn wird zur Kunst, indem der Künstler ihn als solche benennt“ ausgegeben wird). Und sie schaffen es, ihre Leser dennoch zu erreichen.

Andersherum siehst Du, wenn Du genau hinschaust, daß genau diejenigen Autoren, die den Deckmantel der Kunst missbrauchen („Neues“ schreiben - d.h. alten, vergammelten Wein in frisch lackierte Schläuche schütten), weder etwas zu sagen haben, das zu sagen sich lohnen würde, noch tatsächlich eine ernstzunehmende Lesergemeinde haben (oder finden). Es gibt ja Gründe, weshalb „solche“ Texte schnell schlecht bewertet werden.


Grundsätzlich hast Du schon recht damit. Mir ist nur nicht selten aufgefallen (und das auch nicht nur hier in der Leselupe), dass viele Texte kritisiert werden, nachdem sie offensichtlich nur äußerst oberflächlich gelesen worden sind. Das meinte ich damit, als ich schreib, dass gerade in der Leselupe als recht großem Internetforum die Gefahr besteht, dass unkonventionelle Texte schnell zerissen werden. Ich habe das Gefühl, dass es oft zuwenig um den Text selbst geht- dass der Leser sich nicht bereiterklärt, sich wirklich in den Text einzulesen und einzufühlen. DAS ist es, was ich schade finde. Aber vielleicht gehört das dazu und ist die Kehrseite der Medaille "Jeder kann öffentlich werden und sei es nur in der Anonymität des WWW".
Das schließt natürlich nicht aus, dass viele eben wirklich das Wort "Kunst" als Deckmantel für die eigene Fehlbarkeit nehmen. Schließlich ist man als Künstler ja nicht angreifbar und hat immer recht, was eigene Werke betrifft. Sonst würde das ja auch eine Einengung der sogenannten kündtlerischen Freiheit bedeuten. Auch ein Tunnelblick kann eine schöne Aussicht sein.


Ds ist leider richtig, steht aber in unproduktiver Symbiose mit dem Fakt, daß 95% unserer Autoren an Textkritik nicht interessiert sind (gut, einige sagen zwar, sie seien interessiert - eine ernsthafte Überarbeitung erfolgt aber nicht). Statt dessen liest man immer wieder, der Text sei „schon so alt, daß man gar keine Lust mehr habe, ihn zu ändern“ oder daß „der Text nunmal so sei, wie er ist“ und daß „nur die Autorin weiss, wie er gut ist“. Daß da schnell die Lust an Textarbeit vergeht, dürfte klar sein. Ebenso klar ist, daß dies natürlich einen Teufelskreis bildet: Ohne an Textarbeit interessierte Autoren finden sich keine Kritiker, ohne (gute) Kritiker verbessern sich die Autoren nicht.

> Werden die Worte nur gut durch den, der sie schreibt?

Nach Definition sehr vieler Autoren in der Leselupe ist die Antwort auf diese Frage eindeutig: Ja! (NUR der Autor kann einen Text beurteilen


Schade, dass es so ist. Denn das bedeutet ja, dass man den großen Vorteil des Mediums Internet nicht nutzt. Denn wo sonst könnte man so losgelöst von allem, so frei und vor allem, mit so vielen verschiedenen Menschen über eigene Texte beraten, sich Anregungen holen und (nicht nur in dieser Hinsicht) seinen Horizont erweitern?

Ohne belehren zu wollen: Ich finde das ist etwas, woran jeder durchaus den einen oder anderen Gedanken verschwenden sollte, wenn er sich zu dieser Form des Schreibens entschließt. Denn ohne diese Gedanken KANN man auch nicht über notwenige Niveau-Steigerung diskutieren, oder?


@margot:

Finde ich schön, was Du schreibst. Ich glaube, mein Verständnis von einem guten Text sieht ähnlich aus
 

GabiSils

Mitglied
Eine Lesermeinung

Ich finde einen Text dann gut, wenn er etwas in mir auslöst, ich etwas "mitnehme". Das kann Amüsement sein, Nachdenklichkeit, Anregung oder einfach nur Freude an gelungener Formulierung, schöner Sprache - auch gebundener Sprache (@margot).
Experimentelle Texte müssen mich "kriegen", wenn ich etwas damit anfangen soll. Wenn beim ersten Lesen nur ratloses Schulterzucken der Effekt ist, bin ich meist nicht bereit, mich eingehender damit zu befassen, es sei denn, ein Gedanke ist interessant genug, der Sache auf den Grund zu gehen.
Im Gegenzug sind aber *zu* konventionelle Texte, abgegriffene Bilder, holprige Reime wesentlich schlimmer. Dann kann nämlich der Gedanke noch so gut sein - ich werde ihn vermutlich gar nicht erst entdecken, wenn er sich in dieser Weise tarnt.
Besonders wichtig ist eine formal gelungene Arbeit bei Themen aus der derzeitigen "Hitparade", Sex, Mord&Totschlag, Mißbrauch etc.etc. Man kanns bald nicht mehr sehen, sorry; und das Wort "Seele" in einem Gedicht jagt mich meist unverzüglich in die Flucht. Da ist eine rechte Kneipengeschichte oder margots Morgengymnastik mit King Crimson wesentlich origineller :)

Dies nur als sehr subjektiver Einwurf.

Gruß, Gabi
 

Pasta

Mitglied
mact antwortet Ingwer:
> Die Masse der Menschen, die hier Kritik üben, scheinen
> jedoch gar nicht wirklich daran interessiert zu sein, sich ganz auf einen Text einzulassen.

"Das ist leider richtig, steht aber in unproduktiver Symbiose mit dem Fakt, daß 95% unserer Autoren an Textkritik nicht interessiert sind (gut, einige sagen zwar, sie seien interessiert - eine ernsthafte Überarbeitung erfolgt aber nicht). Statt dessen liest man immer wieder, der Text sei „schon so alt, daß man gar keine Lust mehr habe, ihn zu ändern“ oder daß „der Text nunmal so sei, wie er ist“ und daß „nur die Autorin weiss, wie er gut ist“. Daß da schnell die Lust an Textarbeit vergeht, dürfte klar sein. Ebenso klar ist, daß dies natürlich einen Teufelskreis bildet: Ohne an Textarbeit interessierte Autoren finden sich keine Kritiker, ohne (gute) Kritiker verbessern sich die Autoren nicht."

Leider dient dieses Forum wie viele andere Foren im Internet auch, vielen Leuten nur, um Nabelschau zu betreiben, um sich selbst zu expositionieren und in Szene zu setzen. Die wenigsten aber sind - in Chats, in Foren, in Mailinglisten... - an wirklichem Austausch und damit an einem ernsthaften Einlassen auf die Argumente des anderen interessiert. Das Internet ist ein großer Jahrmarkt der Eitelkeiten.

Davon will ich mich gar nicht ausschließen, denn jedem, der etwas im Internet veröffentlicht, ist's auch um Selbstdarstellung gelegen, aber ich persönlich freue mich immer, wenn wirklich auf Fragen, Gedanken und Kritiken eingegangen wird, wenn tatsächlich ein Dialog, ein Austausch stattfindet. Finde ich generell im Internet aber leider eher selten.

Weiter antwortet mact Ingwer:

> Werden die Worte nur gut durch den, der sie >schreibt?

"Nach Definition sehr vieler Autoren in der Leselupe ist die Antwort auf diese Frage eindeutig: Ja! (NUR der Autor kann einen Text beurteilen)."

Die Meinung dieser Autoren teile ich absolut nicht! Für Autoren ist ein guter Lektor (und damit auch Kritiker und Freund) Gold wert - denke ich. Erst das Feedback offenbart meiner Ansicht nach Stärken und Schwächen eines Textes. Natürlich müssen nicht alle (Verschlimm-)Besserungsvorschläge angenommen werden, aber manchmal schadet eine gute Diskussion über einzelne Passagen oder auch nur ein Wort nicht.

Ingwer fragte:
"Oder kann ein guter Text auch innovativ sein, konventionelle Spurrillen verlassen und Neues schaffen?"

OK, ich geb's zu, jetzt kommt wieder der Germanist in mir durch, aber meiner Meinung nach, sollte der Innovationsgehalt eines literarischen Textes absolut Bewertungskriterium sein. Soll heißen: Nicht jeder Text muss innovativ sein, um "gut" zu sein, Innovationen sollten ihm keinesfalls das Genick brechen; im besten Fall bietet der Text auf irgendeine Art - inhaltlich, darstellerisch, sprachlich, stilistisch... wie auch immer - eine Neuerung, die ihn von anderen Texten positiv hervorhebt.
Aber auch "alte" Ideen sind willkommen, wenn sie literarisch ansprechend verpackt sind.

>> WAS einen guten Text überhaupt ausmacht.
>> WAS IST Literatur? Was ist literarisch wertvoll?

Ein Vorschlag: Literarische Texte/Literatur ist dann "gut", wenn sie die Zeit überdauert und den Menschen auch in 100 Jahren noch etwas zu sagen hat? Weiter gedacht, lautet die Frage vielleicht: Wie entsteht ein literarischer Kanon?

Aber Kanon meint ja immer auch Konsens und das gehört vielleicht wirklich eher an die Uni und in die Feuilletons und nicht ins Netz - ?

Und GabiSils stimme ich auch 100% zu: "Ich finde einen Text dann gut, wenn er etwas in mir auslöst, ich etwas "mitnehme". Das kann Amüsement sein, Nachdenklichkeit, Anregung oder einfach nur Freude an gelungener Formulierung, schöner Sprache - auch gebundener Sprache (@margot).
Experimentelle Texte müssen mich "kriegen", wenn ich etwas damit anfangen soll. Wenn beim ersten Lesen nur ratloses Schulterzucken der Effekt ist, bin ich meist nicht bereit, mich eingehender damit zu befassen, es sei denn, ein Gedanke ist interessant genug, der Sache auf den Grund zu gehen."

Der erste Eindruck ist schon auch entscheidend - wie bei so vielen Dingen im Leben. Ich finde, ein Text "darf" nicht erst dann "gut" werden, wenn man ihn völlig seziert hat (obwohl manche Texte gerade erst dann ihre volle Faszination entfalten), sondern er sollte ruhig schon beim Lesen Gefühle auslösen. Auch ohne groß darüber nachzudenken, sollte man einen Text einfach nur "schön" oder "gut" oder "traurig" oder... finden können.

Grüße,
Pasta
 
L

loona

Gast
Ein Text haut mich von den Socken, wenn er meine Phantasie anspornt, füttert, beherrscht. Wenn Bilder, Gefühle, Assoziationen, Interpretationen angeregt werden. Wenn ich beim ersten (und vielleicht auch zweiten, dritten) Lesen nicht über den Einsatz des Handwerkszeugs nachdenke (weil er nicht "offensichtlich" ist) und mir keine "Fehler" (Plot, Rechtschreibung...) auffallen.

Gute Texte zeigen Gefühl für die Sprache, haben einen Kick, eine Pointe, interessante Ideen, Ansätze oder Umsetzungen.

(Sehr) Unterstützenswerte Texte sind für mich Texte, die eine richtig gute Idee handwerklich unausgereift umsetzen. (Die Meister-vom-Himmel-Fall-Regel).

***

Statement zum Handwerk:

Mich "ärgern" flüchtig hingeschriebene (vielleicht sogar online im Lupenformular entworfene), unausgegorene Texte. Denn die Ur-Eigenschaft alles Geschriebenen ist, daß es konserviert wird, die Zeit überdauert und es also keinen Grund für "Schnellschüsse" gibt. Dem Lesenden Texte vorzulegen, die man nicht **wenigstens** selbst an 2, 3 verschiedenen Tagen gelesen hat, um sie bei unterschiedlicher Stimmung und Aufnahmefähigkeit zu "testen", empfinde ich als unhöflich. [Sicherlich gibt's auch für diese "Regel" gute Ausnahmen oder Gründe für einen "Bruch" (sonst würden in der Zeitung ja auch die Nachrichten von vor-vor-Gestern stehen, da wird eben mit Lektoren und im Team gearbeitet)]

Schreiben heißt für mich nicht nur etwas zu Papier zu bringen, sondern auch: Arbeit am Text, Entwicklung, lernen, schärfen, testen, reflektieren, umsetzen und zu guter Letzt: Kommunikation...
Aus meinem Profil

Gruß

loona
 
B

beisswenger

Gast
Werte Kollegen,

Literarisches Schaffen ist meines Erachtens auch eine Kunstform, die nicht nur die bereits beschriebenen Merkmale enthält - sondern noch etwas ganz anderes:

die Fähigkeit, sich kurz und knapp auszudrücken!!!!!
 

Mazirian

Mitglied
Objektiv gute oder schlechte Texte gibt es m.M. genausowenig wie gute oder schlechte Leser. Jeder Text erfährt seine (subjektive) Bewertung durch die Leserschaft die Zugang zu ihm findet und ihn an ihren eigenen Wertmaßstäben mißt. Wenn lange Sätze mich überfordern werde ich einen Text der kurz und knapp gehalten ist als "besser geschrieben" empfinden. Wenn der Dichter genauso gut/schlecht reimen kann wie ich, werden mir seine Gedichte sympathisch sein.
Diese Erfahrung habe ich zumindest beim Kommentarelesen in der Leselupe gemacht. Wenn ich beobachte, wie m.M. nach brillante Texte auf breites Unverständnis stoßen und eher (m.M. nach) schwache Werke geradezu Kultstatus erreichen, mache ich mir nicht mehr so viel Gedanken um die Bewertung der inhaltlichen Güte und beschränke mich auf die handwerklich/dramaturgische Seite, die noch am ehesten bewertbar oder zumindest kritisierbar ist (in eigener Sache geb ich mir natürlich weiterhin Mühe :))
Es ist auch auffallend, dass viele Ratgeber der Art "Schreiben mit Erfolg" das inhaltliche weitgehend außen vor lassen und den angehenden Autor dahin zu führen versuchen, für möglichst VIELE Leser VERSTÄNDLICH und FESSELND zu schreiben. (so ähnlich lauten auch Bastelanleitungen für "gute" Websites).
Und es fällt ebenso auf, dass sich die Regale in den Buchhandlungen unter der Last auf diesem Boden gewachsener Literatur geradezu durchbiegen. Was soll's, die Leute lesen's gern und vergessen's schnell. Hauptsache, es wird darin "geliebt, geraucht und gesoffen." So viel zum Markt.

Das Zeug, die Zeit zu überdauern haben ohnehin nur ganz wenige Texte, und es ist oft nicht auszumachen warum gerade dieser oder jener Text es schafft.
In einem Parallelthread wurde fragend drauf hingewiesen, dass Heinrich Böll den Nobelpreis bekommen hat. Mittlerweile hört man im Zusammenhang mit Böll schon mal den Begriff "Nachkriegsheulsuse". Wertmaßstäbe unterliegen dem gleichen Wandel wie die Sprache selber. Das "berüchtigte" Möllemanngedicht wäre in dieser Art und in der Zeit um 1848 sicher wg seiner Harmlosigkeit untergegangen (vergl "Die Fürstenjagd", Anonymus) und in jeder Fassnachtssitzung sowieso.

Grübelt euch nicht zu Tode, dank Internet findet jeder Autor seine Leserschaft - es findet nur nicht jeder einen Verleger ;)

liebe Grüße an alle
Achim
 
L

loona

Gast
Re: Werte Kollegen,

Ursprünglich veröffentlicht von beisswenger
Literarisches Schaffen ist meines Erachtens auch eine Kunstform, die nicht nur die bereits beschriebenen Merkmale enthält - sondern noch etwas ganz anderes:

die Fähigkeit, sich kurz und knapp auszudrücken!!!!!
*G* Da dreht sich Karl May ja im Grabe um. Und Friedrich Gerstäcker gleich mit, denn von dem hat ersterer ja abgeschrieben.

Grüße

loona
 
B

beisswenger

Gast
Werte loona,

ich konnte das ellenlange Geschwafel-Geschreibsel weder vom einen noch vom anderen ausstehen. Wobei sich beide auch nicht mit der Literaturkrone schmücken können. Wer die Redundanz verabscheut, erblickt das Wahre, Schöne, Gute.
Schönen Abend!
 
M

Matthias Schulz

Gast
Werter Herr Beisswenger,

gut, halten Sie von Karl May meinetwegen, was Sie wollen, aber wollen Sie wirklich einem solchen Werk wie "Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha", bei dem die Weitschweifigkeit bereits im Titel beginnt, den Rang als literarisches Kunstwerk absprechen? Und auch die werke z. B. Dostojevskijs zeichnen sich mehr durch Intensität als durch Knappheit und geringe Redundanz aus.

Ausschweifung, genau so wie Abschweifung, ist ein durchaus legitimes Mittel, und es gibt große werke, die erst durch diese Mittel ihren eigenen Charakter erhalten. So besteht z.B. der "Don Juan" Byrons zu ungefähr 80% aus Abschweifungen von der eigentlichen Story.

Ich persönlich halte diese moderne kurze, knappe Sprache für eine Stileitelkeit, und was dieses Thema angeht, würde cih hier gerne einfach auf den bitteren und melancholischen Essay "Die abergläubische Ethik des Lesers" von J.L. Borges verweisen. Hier nur so viel: Sprache ist, zumindest für Literaten, mehr als nur ein Mittel zur Übertragung von Geschichten und Ideen; die verwendete Sprache erzeugt auch eine gewisse Stimmung, und eine weitschweifige Sprache erzeugt eine andere Atmosphäre als eine knappe Sprache. Dadurch, dass heutzutage bei vielen Autoren, auch in der LL, der knappe Stil als das einzig Wahre angesehen wird, haben die meisten Geschichten hier den gleichen Tonfall: Kurz, knapp, präzise, sachlich, nüchtern, unpersönlich. Modern.

Allerdings haben Sie, verehrter Her Beisswenger, ja auch gar nicht behauptet, dass ein Schriftsteller immer eine knappe Sprache verwenden müsse; Sie sagen ja nur, dass er es können muss, und da gebe ich Ihnen vielleicht sogar recht.

Freundliche Grüße,
Matthias
 
B

beisswenger

Gast
Werter Herr Kollege,

für jeden bedeutet der Begriff "Literatur" etwas anderes.
Indes, es gibt Gemeinplätze. Sie haben Recht: das Kurze und Knappe ist auch ein Paradigma unseres Hier und Jetzt. Wir sind Opfer von Produktivität, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit. Kann ich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit ein gutes Buch lesen, nutze ich den Tag!
Lese ich stattdessen weitschweifiges Geschwafel, dann nutze ich diesen eben nicht; ich verschwende ihn.
Bei all diesen ökonomischen Einflussfaktoren unserer begrenzten Rationalität gilt aber auch eins zu entdecken:

die Langsamkeit beim Lesen eines seitenlangen "Sich-fallen-lassens" in die unendliche Zärtlichkeit des Seins.

Wird die Redundanz als gekonntes Stilmittel eingesetzt, dann sprechen wir von der Ausnahme!

Schönen Tag!
 

unbekannt2581

Verbotenes Mitglied
wird hier gar Karl May kritisiert ?
wer wagt das, wo ist Winnetou ?

Hadschi Halef Omar
Ben Hadschi Abul Abbas
Ibn Hadschi
Dawud al Gossahra


ich stellte mir das nur vor... alle 72 Dinger von Charly in der Lupe...samt Sam Hawkins, der über die Foren mit dem Kleeblatt wacht, damit auch keines gekrittelt wird.

das wärs..

gute Kritiker sind selten gute Autoren.
warum sollten Autoren gute Kritiker sein?
Lesen nur Autoren oder autoren auch Leser ?

Ich wollte gerne höhrenlesen, was Leser zu Leser sagt, wenn ersie und derdessen ES meine Texte kommentiert, beim Frisör oder so.
Weit ab von Redundanz und maxi, der Lupe und Herrn Beisswenger...

Amen

;-)

mikel
 
B

beisswenger

Gast
Werte Kollege mikel,

es gefällt mir gut, was Sie da geschrieben haben - indes, ich habe nichts verstanden.
Schönen Tag!
 

Ingwer

Mitglied
Die Länge und "Dichte" eines Textes finde ich eher wichtig, wenn es sich um nicht-fiktionale Texte handelt. Schließlich möchte ich, z.B. im Studium, möglichst komprimierte Information finden und nciht noch die Auschweifungen der Herren Autoren mitlesen (und die Infos mühsam rauspicken) müssen.
Für einen fiktionalen Text hingegen spielt dieses Kriterium bei der Auswahl "gut oder schlecht" keine große Rolle. Persönlich sagen mir zwar Texte mit knapper, reduzierter und trotzdem hervorhebender Sprache mehr zu; das heißt aber nicht, dass ich andere Texte nicht lesen/schreiben/für gut erklären würde. Man kann einen ellenlangen Text schreiben, der todeslangweilig ist und einen kurzen Text schreiben, der absolut überzeugend ist. Umgekehrt geht das aber genauso.
Wichtig für einen guten Text finde ich, dass man merkt, dass der Autor mit der Sprache spielt, seine Aussage/Beobachtung/Gefühle/was auch immer mit Hilfe der Sprache für den Leser verpackt und ihm überreicht- ihm aber nicht die Schere zum Öffnen dieses Pakets direkt mitgibt. Der Leser sollte sich schon selbst seinen Zugang bzw. sein eigenes Verständnis erschließen können. Deshalb finde ich Texte, die viel andeuten besser als solche, die alles erklären.
Literatur ist für mich vor allem Abstraktion. Der Autor stellt eben nicht seine eigene Bauchnabelwelt dar, sondern abstrahiert und verallgemeinert mit dem Hilfsmittel Sprache. Ein kleines Stückchen Welterklärung oder das Zeugnis des Scheiterns bei ebendiesem Versuch- das ist es doch, oder?

Ingwer
 
P

Parsifal

Gast
Das ist leider richtig, steht aber in unproduktiver Symbiose mit dem Fakt, daß 95% unserer Autoren an Textkritik nicht interessiert sind (gut, einige sagen zwar, sie seien interessiert – eine ernsthafte Überarbeitung erfolgt aber nicht).
Hallo mact,

Das mag wohl in vielen Fällen stimmen, aber ich habe es (auch an eigenen Texten) schon erlebt, daß der eine kritisiert, was der andere als besonders gelungen bezeichnet. Prophete rechts, Prophete links, das Weltkind in der Mitte. Ich habe es (auch an eigenen Texten) schon erlebt, daß der eine kritisiert, was dem anderen besonders lobenswert erscheint. Schließt man sich der posiviten Kritik an und ändert nichts, so wird man von dem anderen Kritiker für desinteressiert oder uneinsichtig gehalten. Es ist nicht leicht, weder für den Autor noch für den Kritiker. Was mich betrifft, bin ich konstrunktiver Kritik immer zugänglich.

LG
Parsifal
 

Clara

Mitglied
Texte sezieren

Hallo Margot,

Ein Text, wo Mensch in keinster Weise emotional oder geistig anspringt, wird wohl auch nicht seziert werden.
denn Arbeit am Text, der mich nicht anspricht - kommt wohl selten vor und führt zu 0 Beiträgen


ich habe hier nur Stichpunkte, auf die ich hin und wieder schaue:
Spricht mich der Text an, wo?
Was ist die stärkste Figur?
sehe ich Bildumsetzungen
schöne Worte - Wendungen
Logik, innere
Verständlichkeit
Glaubwürdig
gibt es Klischees
unnütze Wiederholungen
last but not least: Grammatik und Rechtschreibung.
Daran versuche ich zu denken.
 



 
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