Hey, Ihr Lieben!
Ich freue mich wirklich sehr über die rege Diskussion und den schönen Austausch. Spannend!
Vermutlich seid Ihr, Bernd und James, in mancherlei Aspekten wirklich nicht so weit auseinander, wie es den Anschein haben könnte (weil es beim Mitlesen tatsächlich so wirkt, als wollest Du, Bernd, für eine Idee werben, der Du, James, nicht so recht folgen magst).
Ich denke, was man als Konsens antesten könnte wäre vielleicht Zweierlei:
1) Im lyrischen
Hauptstrombett, in dem sich bereits eine verwirrende Vielfalt von Gedichtformen tummelt, geht es um Werke, die in der Regel in schriftlicher Form entwickelt werden und dabei ein innerlich "mitklingendes" Lesepublikum ins Auge (nee: ins Ohr) fassen oder die mündliche Vortragbarkeit mit einplanen (oder beides).
2) In lyrischen (oder meinethalben: poetischen)
Seitenarmen werden allerlei Grenzen bzw. Grenzverletzungen erprobt, darunter auch solche, die ein Gedicht "unsagbar" (wehe jetzt verbessert jemand in: unsäglich) machen oder solche, die ein Gedicht "unschreibbar" (wie war das mit den geteilten Ansichten zu Troubadix?) machen.
Die konkrete Poesie scheint mir in jeder Hinsicht in einem Seitenarm zu verorten zu sein: Sie lotet Grenzen des Mitteilbaren aus und besetzt innerhalb der Nischengattung Lyrik nochmals eine eher kleine Nische. Das wertet konkrete Poesie nicht notwendigerweise ab (ich "lese" sie sehr gerne), aber aus der Konzeption der konkreten Poesie kann man vermutlich nicht besonders gut ableiten, worum sich all die "Hauptstromgedichte" bemühen, die Wörter und Wortbedeutungen und Wortassoziationen und Wortklänge zu einem kleinen großen nicht ganz ganzen Ganzen verknüpfen.
Oder kommen wir da nicht zusammen? (wär auch nicht schlimm - wär vielleicht sogar eher ganz besonders bereichernd)

LG!
S.
P.S.:
Ach, James, noch wegen Deines Hinweises:
Lieber sufnus,
ich habe kein Problem mit Déja-vus, insbesondere wenn sie auf tatsächlichen Erinnerungen beruhen ...
Gerne nehme ich deinen Faden 'von der mündlichen zur schriftlichen Überlieferung' (und vice versa) wieder auf: Wenn dir keine Gedichte einfallen, die in der mündlichen Vortragsform geeigneter erscheinen als in ihrer Schriftform, so möchte ich nur kurz die
"phonetische Lyrik" (Lautpoesie) erwähnen, deren Umsetzung in gesprochene Sprache so gut wie unverzichtbar ist.
Als ich auf die Überlegungen von Hansz eingegangen bin, inwieweit das "akustische Element" (im Sinne eines wirklichen, lauten Vortrags) bei Gedichten grundsätzlich und immer besonders im Vordergrund steht, habe ich mich, der Argumentation von Hansz folgend vor allem auf Lyrik bezogen, die Wörter zu Worten formt und daher von "deutschsprachig" gesprochen, um gerade die Lautgedichte im Ursonatenuniversum auszuschließen (die ich nicht im engeren Sinn als deutschsprachig einordnen würde, obwohl man darüber durchaus streiten kann - zugegeben).
Wenn wir Lautgedichte aber nicht ausschließen wollen, so sind das wohl tatsächlich Vertreter, die sich oft besser für den Vortrag als fürs stille Lesen eignen, da stimme ich Dir zu.
Im Prinzip sind Lautgedichte ja inverse konkrete Poesie. Auch ein lyrischer Nebenarm.

LG!
S.