was wir waren

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petrasmiles

Mitglied
Lieber Önder,

das sind wiedere wunderbare Worte und man möchte fast einfach schwelgen ... aber dann ... gerät mir doch der Handelnde und 'Gehandelte' durcheinander.
Sie (angenommen) sagt, es ist für immer - starkes Subjekt - aber er (angenommen) wird von der Zeit weitergelebt - ganz schwaches Objekt - wo handeln sie denn aneinander? Es ist doch nicht die Zeit, die verursacht, dass er fürchtet, das Morgen nicht mehr zu sehen.
Und in dem Zusammenhang scheint mir doch das Vergangene so konkret zu vergehen, dass die Hoffnung am Status quo nichts ändert.
Man sollte an (Deine) Gedichte nicht mit dem logischen Verstand rangehen ...

Liebe Grüße
Petra
 

Arcos

Mitglied
Hallo Petra,

vielen Dank für die Rückmeldung.

Du hast völlig recht: Der Wechsel zwischen Subjekt und Objekt, zwischen aktivem und passivem Erleben, ist in meinem Gedicht nicht ganz klar gezeichnet – vielleicht sogar absichtlich verwischt. Denn manchmal fühlt sich das Leben genau so an: als würde man selbst kaum handeln, sondern von etwas (der Zeit, der Erinnerung, dem Verlust?) getragen oder getrieben werden.
Wer handelt – wer wird behandelt? Ich glaube, in diesem Moment weiß das lyrische Ich das selbst nicht mehr so genau.

Und ja: Gedichte wollen nicht erklärt, sondern gefühlt werden.
Aber sie dürfen natürlich auch Fragen aufwerfen.

Grüße
Önder
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Önder,

danke für Deine Antwort!
Ja, Gedichte 'dürfen' auch 'unlogische' Gefühle behandeln ... können Gefühle überhaupt mit Logik ermessen werden?
Vielleicht höre ich gerade mit dem falschen Ohr.

Liebe Grüße
Petra
 

Arcos

Mitglied
Hallo Petra,

ich danke dir für deine Zeilen – und ganz besonders für die Frage, ob Gefühle überhaupt mit Logik ermessen werden können.
Ich glaube: Sie folgen oft einer eigenen Sprache, einem inneren Rhythmus – manchmal leise, manchmal widersprüchlich, aber immer wahr in dem Moment, in dem sie empfunden werden.

Und vielleicht ist es gar nicht das „falsche Ohr“, das du gerade benutzt – vielleicht ist es einfach ein anderes.
Eins, das hinterfragt, sortiert, denkt – auch das hat seinen Platz.
Gedichte leben ja nicht nur vom Fühlen, sondern auch vom Echo, das sie im Gegenüber auslösen.

Ich freue mich über dein Nachspüren – danke, dass du dir die Zeit dafür nimmst.

Grüße
Önder
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Önder,
ich habe dein Gedicht jetzt mehrfach gelesen und es verändert sich mit jedem neuen Lesen. Eine wundervolle Eigenschaft deines Gedichts, die mir sehr gut gefällt. Ganz interessant finde ich bereits die erste Strophe: "du sagtest es ist für immer"
Es bleibt zum einen offen, wer spricht, zum anderen lässt es Raum, was mit 'es' gemeint ist. Ist es Liebe, Hoffnung, Leben, Zeit, Vergänglichkeit, Treue, Wandel, Stillstand, Traurigkeit, Abschied und noch sovieles mehr?
Dann lese ich die zweite Strophe:
doch die Zeit lebt mich weiter,
ich bin ein Sonnenuntergang,
begrüße die Einsamkeit des Mondes
in der Stille der Nacht –
auch wenn ich nicht mehr
das Morgen sehe
Darin findet sich für alle oben genannten 'es hoch n' eine Möglichkeit der Betrachtung. Das ist faszinierend.

und ich hoffe,
dass all das,
was wir waren,
niemals vergeht
Diese abschließende Strophe hat es mir, nebst den anderen, vollkommen angetan. Sie überträgt 'all das,was wir waren' in ein zukünftiges Hoffen. Das ist jetzt nicht ganz das richtig gewählte Wort von mir.
Es bringt eine Wertschätzung zum Ausdruck, dass all das 'es' weder umsonst war, sondern besser verstanden, zu uns gehört, uns ausmacht. Mit allen seinen Fehlern und herrlichen Farben.

Und das Schönste ist, ich sitze hier, lese dein Gedicht wieder und es eröffnet mir aufs Neue eine andere Sichtweise und schenkt mir weitere Gedanken.
Das ist ein großartiges Gedicht!
Lieben Gruß
Anita.
 

Arcos

Mitglied
Hallo Anita,

Vielen Dank für deine Worte.
Es freut mich sehr, dass du dir die Zeit genommen hast, das Gedicht mehrfach zu lesen – und dass es dabei neue Gedanken ausgelöst hat.
Gerade deine Beobachtung zur ersten Zeile und zur Offenheit des „es“ finde ich spannend. Genau dieses Vieldeutige ist mir beim Schreiben wichtig – dass der Text Raum lässt für eigene Bedeutungen.

Auch was du zur letzten Strophe sagst, hat mich gefreut: Dass in dem Rückblick nicht nur Verlust, sondern auch ein Stück Verständnis und Zugehörigkeit liegt. Vielleicht sogar so etwas wie Versöhnung.

Danke fürs Lesen, Nachdenken und Teilen deiner Eindrücke – das bedeutet mir viel.

Grüße
Önder
 

Aniella

Mitglied
Hallo Önder,

dieser Wunsch, dass alles Schöne für immer dauert, ist so alt wie die Menschheit und leider auch so unrealistisch wie kaum ein anderer Wunsch, auch wenn er sehr menschlichen Gefühlen entspringt.
Es würde ja bedeuten, dass man selbst für immer existieren müsste, aber alles (in der Natur) ist vergänglich. Je eher man das akzeptiert, kann man sich an dem Hier und jetzt erfreuen. Auch in der Hinsicht, wenn man an ein anderes Hier und Jetzt nach dem Tod glaubt.
Berührende Worte.

VG Aniella
 

Arcos

Mitglied
Hallo Aniella,

vielen Dank für deine Gedanken – du sprichst etwas sehr Wahres aus.
Ja, die Sehnsucht nach dem „Für immer“ begleitet uns wohl, obwohl wir wissen, dass alles endlich ist.
Gerade deshalb, glaube ich, entstehen solche Gedichte – vielleicht als Versuch, etwas Festzuhalten, das eigentlich schon im Verschwinden liegt.
Das scheint in unsere Natur eingewebt zu sein.

Das Endliche sehnt sich nach Unendlichkeit.
Und die Unendlichkeit fragt sich, wie es wohl wäre, wenn etwas enden würde. Und erträumt sich viele Leben…

Schön, dass du das gelesen und geteilt hast.

Grüße
Önder
 



 
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