weltraum schlachten

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mondnein

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weltraum schlachten


die stählernen stilette bohren sich durch das schwarz
das violett gesättigte blut der su pernova lis
pritzt pollox tapeten – wir müssen den raum re troreno vieren
der nackte stein ist mode: natur steinalt der nativ

geheime waffen schneiden den raum: das licht bricht aus
ballon geballtem luftballon geballer – die vulka
nisierten gummi larven lava wolken wälzen
sich kissen gluten fluten gleiten flöten flauten

tief unter den winden schliefen sie tief unter lauen passaten
kaum war die sündenbrut vom fieber ausgeglüht
da fanden wir in der asche juwelen die schmolzen erst
kristallisierten sich neu dann – zerfiedern nun strahlen zu schnee

 

Tula

Mitglied
Hallo
Nach meinem Dafürhalten eher das Gegenteil, d.h. sprachlich gelungen und als dichterische Weltraum-Saga ein wunderbares Pendant zu anderen als Film und Buch. Die sind natürlich alle inhaltlich Kitsch und auf Show-Effekt getrimmt. Das wird hier treffend verarbeitet und ironisiert. Zumindest mein Lese-Eindruck.

LG
Tula
 

sufnus

Mitglied
Ein Leben ohne Nomen. Klasse!
Das ist ein auffallend inhaltsarmer, uninformierter und ästhetisch engstirniger Kommentar, was mich insofern sehr wundert, als Dein kürzlich eingestelltes Gedicht so übel nicht war und einen erfrischend mutwilligen Angang zur Orthographie präsentierte, den ich für absichtsvoll hielt und der Deinem Text auch durchaus zugute kam.

... was Hanszens Text angeht, bin ich bei Tula! Und ich find, dass dieses Gedicht wirklich umwerfend gut für einen Vortrag geeignet ist, aber eben durch die Schreibbesonderheiten auch unabhängig davon in der Lektüre-Form funktioniert. Das ist gar nicht so einfach zu realisieren, dass ein Gedicht auf beiden Paukböden, der Vortrags- und der Lese-Ebene, jeweils spezfische Stärken einbringt.

LG!

S.
 
Zuletzt bearbeitet:
hi mondnein,

ein spannendes Werk, das uns wieder einmal unter Anknüpfung an basalste Themen hinaus in die Ungewissheit der Zukunft wirft. Anbei ein paar Gedanken dazu:

1. Ich lese ein vielschichtige und metaphorische Darstellung, die sich sowohl auf physische als auch metaphysische Aspekte einer Weltraumschlacht beziehen könnte. Das Gedicht scheint sowohl mit archaischen Mythologien als auch mit hochmodernen physikalischen Prinzipien zu spielen und dabei tief in die menschliche Natur und ihre Beziehung zum Universum einzutauchen.

2. Die Erwähnung von "Pollox", einem antiken griechischen Halbgott, ruft für mich sogleich die Verbindung zur griechischen Mythologie hervor. Pollux und sein Zwillingsbruder Castor, bekannt als die Dioskuren, waren die Schutzpatrone der Seefahrer. Hier könnten sie eine ähnliche Rolle für die Raumfahrer spielen, was eine Neuinterpretation des Mythos in einem kosmischen Kontext darstellt. Diese Vorstellung einer zeitgenössischen Mythologie könnte erinnern an Carl Jungs Konzept der Archetypen, die sich über Zeiten und Kulturen hinweg manifestieren, indem Rückgriffe des "ewigen Mythos" in die Jetztzeit gebracht werden, wobei die Essenz ihrer Geschichte eng mit Themen wie Brüderlichkeit, Opfer und Unsterblichkeit zusammenhängt. In beiden Versionen ihrer Geschichte wird die tiefe Bindung zwischen den Brüdern und ihre Bereitschaft, Opfer für den anderen zu bringen, betont.

3. In der kosmischen "Schlacht", die das Gedicht darstellt, könnten die Kämpfer ähnlich wie Castor und Pollux tief verbunden sein, vielleicht durch eine gemeinsame Mission oder ein gemeinsames Ziel, wobei sie bereit sind, Opfer für das größere Wohl zu bringen. Dies könnte die Notwendigkeit darstellen, Einheit und Zusammenhalt in Zeiten großer Herausforderungen und Unsicherheit, wie sie durch eine "Weltraumschlacht" dargestellt werden könnten, zu bewahren. Darüber hinaus könnte die Bezugnahme auf Pollux als Symbol für den Übergang zwischen Sterblichkeit und Unsterblichkeit gesehen werden. In der rauen und feindlichen Umgebung des Weltraums, wie sie in den Versen des Gedichts dargestellt wird, könnten die "Krieger" möglicherweise mit Konzepten des Lebens und des Todes, der Vergänglichkeit und Unsterblichkeit konfrontiert werden, ähnlich wie Pollux in der Mythologie, wobei der Vers "zerfiedern nun strahlen zu schnee" metaphorisch eine Art Zerlegung oder Aufspaltung suggeriert, während "Strahlen" auf Licht oder Energie hindeuten könnte. Das Bild des Schnees könnte eine Transformation oder eine Form von Reinigung darstellen.

Eine mögliche Interpretation könnte sein, dass die zerstörerischen Kräfte (möglicherweise die Folgen der zuvor erwähnten Weltraumschlacht) nun dazu führen, dass Energie oder Licht (die "Strahlen") aufgespalten werden und sich in eine Art kosmischen "Schnee" transformieren. Diese Transformation könnte sowohl einen Zustand des Endes als auch einen des Neubeginns darstellen. Der Schnee könnte die Stille nach der Schlacht symbolisieren und dabei auch eine Reinigung oder Erneuerung anzeigen. Es könnte aber auch eine Anspielung auf die Umwandlung von Energie in Materie sein, wie es im Universum nach der Theorie der Relativität geschieht, in der Energie und Materie als austauschbar angesehen werden.

Darüber hinaus könnte es eine philosophische Dimension geben. Die Transformation von "Strahlen" zu "Schnee" könnte die transitorische Natur des Seins darstellen und die ewige Veränderung der Dinge - ein Thema, das im philosophischen Denken, zum Beispiel in Heraklits Konzept des "Panta Rhei" ("alles fließt"), zentral ist.

4. Im Gegensatz dazu, zu diesen "unbewegten, menschlichen Konstanten" im ersten Vers, die über die Zeiten reichen und das Thema des Spielens mit der Veränderung aufgreifend, steht für mich die Zeile "Der nackte Stein ist Mode", die für mich eine profunde historische Resonanz besitzt. Sie erinnert an das Verlangen der Menschheit, sich der natürlichen Ressourcen zu bemächtigen, ein Thema, das in verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte hervortritt. Dieser Bezug zur Ausbeutung der Natur durch den Menschen findet sich auch in den Schriften Heideggers, der das Unbehagen der Moderne hervorhob, wenn der Mensch die Natur als "Bestand" für seine Zwecke behandelt.

5. Die Formulierung "Das Licht bricht aus" hat für mich Anklänge an Einsteins Theorie der Relativität, die besagt, dass Licht durch Schwerkraft beeinflusst wird. In ähnlicher Weise scheinen die "vulkanisierten Gummilarven" auf die Prinzipien der Materie- und Energieumwandlung bei kosmischen Ereignissen wie Supernovae hinzuweisen. Möglicherweise ließe sich diese organische Entwicklung des Gedichts mit dem Satz Antoine Lavoisiers zusammenfassen: "Nichts geht verloren, nichts wird geschaffen, alles wird umgewandelt."

6. Schließlich könnte der Aufruf "Wir müssen den Raum retrorenovieren" ein Ausdruck des menschlichen Bedürfnisses sein, bekannte Muster und Strukturen auf neue und unbekannte Umgebungen zu übertragen. Dieser Drang zur Strukturierung des Unbekannten ist ein zentrales Thema zum Beispiel in der Philosophie von Kant, der argumentierte, dass unser Verständnis der Welt durch a priori Strukturen geformt ist, während die Schlusszeilen, die von Juwelen sprechen, die schmelzen und dann kristallisieren, auf die Zyklik von Zerstörung und Wiedergeburt hinzuweisen scheinen, einem zentralen Thema in Friedrich Nietzsches Konzept des ewigen Wiederkehrens.

7. Insgesamt handelt es sich bei "Weltraum Schlachten" um ein tiefgründiges und komplexes Werk, das in seiner Darstellung einer kosmischen Schlacht sowohl eine Neukonstruktion antiker Mythen als auch ein Spiegelbild moderner wissenschaftlicher und philosophischer Konzepte ist. Es wirft für mich Fragen nach der Rolle des Menschen im Universum, der Natur der Realität und dem unaufhörlichen Zyklus von Zerstörung und Neuschöpfung auf, ohne sie zu beantworten, jedoch Grenzpflöcke einzuziehen, in deren Wirkbereichen es sich zu lohnen sucht.

mes compliments

Dio
 
G

Gelöschtes Mitglied 24675

Gast
Inspiriert von deinem Gedicht, lieber mondnein, habe ich mich an einem ähnlichen Werk versucht und es dann einem Chatbot zur Interpretation vorgelegt. Zunächst meine Zeilen:

mit stählernem stilette bohrte ich und inbrunst tat um tot
tatü gesättigt dass die agrafene dödelt ipse
im summumum dus limimms oll‘ die freidank grete
juwelen goethelich keims tuten angedröselt

Und hier KIs Interpretation (die mich sehr zufrieden stellt):

Die Gedichtszeilen scheinen in einer sehr eigenartigen und möglicherweise kryptischen Sprache verfasst zu sein, die es schwierig macht, eine eindeutige Interpretation zu liefern. Es gibt jedoch einige mögliche Ansätze, um die Bedeutung der Zeilen zu untersuchen:
  1. Sprachliche Klangästhetik: Es könnte sein, dass die Worte und Ausdrücke in erster Linie aufgrund ihres klanglichen Zusammenspiels ausgewählt wurden, ohne eine klare inhaltliche Bedeutung zu haben. Der Fokus könnte auf der Schaffung eines bestimmten Rhythmus oder einer bestimmten Atmosphäre liegen.
  2. Symbolismus und Metapher: Einige Wörter und Phrasen könnten metaphorisch verwendet werden, um bestimmte Konzepte oder Emotionen darzustellen. Zum Beispiel könnte "die agrafene dödelt" auf eine aggressive oder durchdringende Handlung hinweisen. Die Verwendung von Juwelen und Goethelich könnte auf Schönheit oder Wert hinweisen.
  3. Wortspiel und Fantasie: Die Zeilen könnten absichtlich rätselhaft oder surreal sein und zum Nachdenken oder Fantasieren anregen. Es könnte sich um ein Experiment handeln, bei dem Wörter und Phrasen auf ungewöhnliche Weise kombiniert werden, um neue Assoziationen oder Eindrücke zu erzeugen.
Ich denke, KIs Interpretation spricht für unser beider Werke.

LG lP
 

mondnein

Mitglied
durch die Schreibbesonderheiten auch unabhängig davon in der Lektüre-Form funktioniert
trifft ins Schwarze: der Klanggestalt an der akustischen Oberfläche entspricht (oder widerspricht) eine Mehrdeutigkeit im kubistischen Schrifttext unter (oder zwischen) den Zeilen.

grusz, hansz
 

mondnein

Mitglied
12 Adjektive in diesem Gedicht hier.
Und welches Problem hast Du damit, Johnson?

Sind es zuviele? Eines pro Zeile, im Durchschnitt. Oder zu wenig?
Nomina sinds über dreißig, wenn man die Adjektive und die Substantive als Nomina benennt, wie das im Lateinischen üblich ist. Sind schon ne Menge, oder?

Und was folgt daraus? Nun ja, das hängt immer´von der Erwartung ab. Dem Nomina-Hasser sind es zu viele, dem Quiz-Spieler sinds immer zu wenig.

Aber die grammatischen Schubladen passen nicht auf die fünf Scheininfinitive die das "gleiten" umgleiten:
kissen gluten fluten gleiten flöten flauten
grusz, hansz
 
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Tula

Mitglied
Hallo nochmal
Die Interpretation von Dio finde ich großartig, vor allem was den stellaren Schutzpatron der Raumfahrer als Analogie zur antiken Mythologie betrifft.

LG
Tula
 

mondnein

Mitglied
Ich bin Euch lieben Lesern überaus dankbar für die fruchtbaren Kommentare!
Wunderbar!

Ich bin selbst nur Leser, wie schon das Leserinnenauge im Zwiegespräch mit dem Dichterinnenfarbenspritzer aus-ein-ander-gesetzt ist. Das heißt: Ich besserweiß es auch nicht, was in diesen drei Strophen "kosmologisch" ist. Die zweite und die dritte kleben offensichtlich an der Erde fest, schwingen sich kaum in den Raum empor. Wie ein Träumer, der selbstverständlich hochfliegt, vor dem Aufwachen aber nur noch als Hampelmann-Frosch knapp über dem Boden schwebt, vergleichbar dem Datendieb in Mission Impossible, dem das Seil verdammt tief runtergeruscht ist.

das violett gesättigte blut der su pernova lis
pritzt pollox tapeten – wir müssen den raum re troreno vieren
Immerhin die (gemäß der lateinischen Akzentregel richtig auf der zweiten Silbe betonte) Supernova. Verkoffert mit Novalis, dem Glasperlenspieler der "Lehrlinge zu Sais", wo das Jakob-Böhme-Konzept von der Chiffernschrift der Natur Prinzip geworden ist:

Mannichfache Wege gehen die Menschen.
Wer sie verfolgt und vergleicht,
wird wunderliche Figuren entstehen sehen;
Figuren, die zu jener großen Chiffernschrift zu gehören scheinen,
die man überall ... erblickt
. (http://12koerbe.de/phosphoros/novalis.htm)
Jackson Pollocks Doppel-Binnen-X-Name ist fast schon ein Archetyp in meinen Liedern geworden, so wie im berühmten "Countenant"-Film: Was fasziniert einen Autisten an dem abstrakten Chaos? Was will Sagans Contact-Astronomin in raschrotierenden Waschmaschinen-Trommeln und Pulsaren "lesen"?
Statt in die militärischen Spezialoperationen der uniformierten Fernsehserien taucht das Leserinnenauge in ovidische Metamorphosen ein, in substantielle Verwandlungen, in die impressionistisch sich auflösenden Stoffe der poetischen Imagination. Gekreuzt mit der biologischen Metamorphose (zweite Strophe). Odo im Eimer ist kosmischer als die Solids im Quarks.

grusz, hansz
 
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